Dienstag, 12. April 2016

Leben muß sich wieder lohnen!



Die Einführung der „dritten Rentensäule“, die Riesterrente war damals, im AngesichtE hoheR Zinsen und großen Erträgen am Kapitalmarkt, richtig.

Nicht richtig ist es aber bei veränderten Rahmenbedingungen auf einer Idee zu beharren, als ob sie in Stein gemeißelt wäre.

Schon jetzt leben in der steinreichen Bundesrepublik Deutschland mitten in boomender Wirtschaft und gewaltigen Haushaltsüberschüssen Millionen Rentner in Armut.

Deshalb leben heute schon 20 Prozent aller Frauen und 15 Prozent aller Männer ab 65 unterhalb der europäischen Armutsschwelle von 987 Euro. Das sind insgesamt drei Millionen ältere Menschen (60 Prozent des Medianeinkommens).

Angesichts negativer Zinsen und der Absenkung des Rentenniveaus werden sich die Zahlen innerhalb weniger Jahre dramatisch verschlimmern.

[….]  Ab 2030 droht aus heutiger Sicht jedem zweiten Neurentner in Deutschland eine Rente vom Staat, die über die Grundsicherung nicht hinausgeht.
Dass die gesetzliche Rente nicht mehr für den gewohnten Lebensstandard reichen wird, war klar. Aber Recherchen und Berechnungen des WDR zufolge wird sie fast 50 Prozent der Arbeitnehmer möglicherweise nicht einmal mehr vor Armut schützen. Entscheidender Grund dafür ist das schon seit langem sinkende Niveau der gesetzlichen Rente. Von 2030 an soll es auf bis zu 43,5 Prozent des Durchschnittslohns der gesamten Lebensarbeitszeit fallen.
[….]  Und das, obwohl der Arbeitsmarkt derzeit in guter Verfassung ist: mit wenig Arbeitslosigkeit und einem hohen Anteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. So sieht es auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Rudolf Hickel: "Die Rechnung geht ja von sehr optimistischen Annahmen aus, also nicht davon, dass sich die Arbeitmarktsituation Richtung prekärer Arbeitsverhältnisse verschärfen würde. Es ist also eine sehr ruhige, zurückhaltende Annahme. Das Ergebnis ist wirklich dramatisch", sagt Hickel.
Das sinkende Rentenniveau ist ein Grund für die drohenden Armuts-Renten, doch es gibt weitere: niedrige Löhne, die hohe Zahl teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sowie der wachsende Anteil von Mini-Jobbern oder Solo-Selbstständigen am Arbeitsmarkt. In all diesen Gruppen ist das künftige Armutsrisiko im Alter den WDR-Berechnungen zufolge massiv.
[….] Wenn die Rentenhöhe also wie geplant bis 2030 weiter sinkt, dann werden in Zukunft viel mehr Menschen in Deutschland im Alter arm sein als heute. Denn nur wer 40 Jahre lang ohne Unterbrechung mindestens 2100 Euro Brutto im Monat verdient, bekommt mehr als eine Rente auf Hartz-IV-Höhe.

Verblüffend ist wieder einmal, wie stoisch und phlegmatisch die GroKo diese lange bekannten Zusammenhänge auch in Zeiten des Überflusses hinnimmt.

Der eigentliche Grund für das Ausdorren der Renten ist die Tatsache, daß Nahles Reiche, Unternehmer, Beamte und Bundestagsabgeordnete aus der Renten-Solidarität ausnimmt. Sie alle müssen nichts in die Rentenkasse einzahlen und erfreuen sich dennoch gesicherten Verhältnissen im Alter.
In Österreich müssen die genannten Gruppen ebenfalls einzahlen.

Auch in Deutschland sollte eine sozialpolitisch sensible Partei für eine armutsfeste und steuerfinanzierte „Solidarische Mindestrente“ sorgen, die aus dem Steuertopf finanziert wird.

In der Welt einer Andrea Nahles ist aber Leben nicht gleich Leben.
 Es soll nur der einigermaßen auskömmlich leben, der etwas geleistet hat.
Was Leistung ist, misst die Sozialministerin immer noch ausschließlich am Geldbeutel.

Mit der „Lebensleistungsrente“ bekommen dann die ganz wenigen Menschen, die 40 oder gar 45 Jahre ununterbrochen in die Rentenkasse eingezahlt haben und darüber hinaus auch noch privat vorgesorgt haben einen Aufschlag von 10 bis 20 Euro auf den Grundsicherungssatz.
„Lebensleistung“ ist also dann erreicht, wenn man über Dekaden zahlen konnte.
Wer ehrenamtlich aktiv war, Kinder erzog, Freunde oder Verwandte pflegte, selbst krank war, hat offenbar nichts im Leben gleistet in Nahles Augen.
Sie führten ein minderes Leben.
Ein wahrer Leistungsträger ist hingegen der Erbe eines Aktienpakets oder einiger Immobilien. Da kann man sich sein Leben lang mit Däumchendrehen beschäftigen und von seinen Dividenden, Mieteinnahmen, Renditen oder Zinseinahmen profitieren und gilt als Leistungsträger, der dafür auch noch belohnt wird, daß er keine Sozialabgaben leisten muß und deutlich niedrigere Steuern zahlt als jemand, der von einem Arbeitseinkommen lebt.
Die bekannten Großaktionäre von BMW bekommen für das reine Nichtstun jedes Jahr Ausschüttungen von mehreren hundert Millionen Euro, die sie kaum versteuern müssen und von denen sie im Gegensatz zur Krankenschwester und Kindergärtnerin auch keinen Cent an Nahles‘ Rentenkasse abgeben müssen.
Das sind wertvolle Leben.

Für Millionen Menschen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten, heißt es später mal ARMUT.
Aber ein ganz paar Almosen will die GroKo locker machen.

Mit einer »solidarischen Lebensleistungsrente« sollen ab dem Jahr 2017 niedrige Versichertenrenten auf bis zu 30 Entgeltpunkte angehoben werden. Dieser Höchstwert entspricht in den alten Ländern derzeit einer Bruttorente von 844,20 Euro – netto verbleiben davon nach Abzug der individuellen Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung rund 756 Euro.

Viel Spaß bei der Wohnungssuche mit einem verfügbaren Monatseinkommen von 756 Euro.
Und diese ungeheuerliche Summe erhalten nur die wenigsten.
Nämlich die, die etwas geleistet haben.

Den Mindestleistungswert eines Lebens für Arme definiert der Gesetzgeber ganz genau.

Die Zugangsvoraussetzungen (Wartezeiterfordernis) werden allerdings leicht modifiziert: Statt am Ende 45 Versicherungsjahre – davon 35 Beitragsjahre aus Beschäftigung, Kinderberücksichtigung oder Pflege – sieht der Koalitionsvertrag eine Wartezeit von 40 Beitragsjahren vor; hierbei können bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit wie Beitragsjahre berücksichtigt werden. Für eine Übergangszeit bis einschließlich 2022 sollen insgesamt 35 Beitragsjahre reichen. Zudem ist für Rentenzugänge ab 2023 neben den dann 40 Beitragsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung noch der Nachweis zusätzlicher privater oder betrieblicher Altersvorsorge erforderlich.
Sind die Voraussetzungen erfüllt und liegen der Berechnung im Einzelfall weniger als 30 Entgeltpunkte (EP) zugrunde, so kann die Rente bis auf diesen Wert angehoben werden; weiteres eigenes sowie eventuelles Partnereinkommen mindern den Zuschlag allerdings.

Kann mich mal jemand kneifen?


Wird eine kleine Rente nach Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen (erreichte Regelaltersgrenze und 40 Beitragsjahre sowie vorhandene Bedürftigkeit) ab 2017 auf 30 Entgeltpunkte aufgestockt, würde die neu eingeführte solidarische Lebensleistungsrente gerade einmal monatlich brutto 913,50 € im Westen und 811,50 € im Osten ausmachen, sofern man die ab 1.7.2016 gültigen aktuellen Rentenwerte West und Ost zugrunde legt. Nach Abzug von 11 % der Bruttorente für die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eines alleinstehenden und kinderlosen Rentner kommen Rentenzahlbeträge von gerade einmal rund 813 € im Westen und 722 € im Osten heraus.
Die Grundsicherung im Alter von durchschnittlich 773 € liegt nur 40 € unter dem Rentenzahlbetrag im Westen und sogar rund 50 € über der ausgezahlten Rente im Osten. Die Satiresendung "Heute Show" hat sich am 1.4.2016 über dieses "großzügige" Rentengeschenk bereits lustig gemacht.
In den Ballungsgebieten liegt die Grundsicherung meist schon deutlich über 800 €. Zum Regelbedarf von 404 € für einen alleinstehenden Rentner kommen noch die Kosten für Unterkunft und Heizung hinzu. Beispiel Düsseldorf: Einer alleinstehenden Person wird eine Wohnfläche von 50 m2 zugestanden und ein Mietrichtwert (inklusive Nebenkosten zuzüglich Heizung) von 407 €. Das sind zusammen bereits 811 €. Liegen die tatsächlichen Mietkosten höher und halten sich im ortsüblichen Rahmen, werden auch diese vom Amt für Grundsicherung getragen. In einem der Redaktion von Geldtipps vorliegenden konkreten Fall werden beispielsweise insgesamt 947 € gezahlt, und zwar 404 € für den Regelbedarf und 543 € für Kaltmiete plus Nebenkosten einschließlich Heizung.

Der 80%-Irrtum



Nach knapp zweieinhalb Jahren Groko liegt die SPD am Boden.
Damit hat sich immerhin eine der Prophezeiungen der Diskussionen um den SPD-Mitgliederentscheid zur Groko bewahrheitet:
Merkel ist die schwarze Witwe der Politik; wer auch immer mit ihr die koalitionäre Ehe vollzieht, wird von ihr gefressen und schwer geschrumpft.
SPD-Strategen werden jetzt, da man beginnt die 20% von unten anzusehen, sehr nervös.
Als jemand, der damals mit einem klaren Nein stimmte, könnte ich es mir leicht machen und mich trotzig auf den „I told you so“-Standpunkt zurückziehen.
Ich halte aber das Schrumpfen der SPD in der GroKo für nachvollziehbar, aber nicht zwangsläufig.
Der demoskopische Absturz hat sehr viel mit Sigmar Gabriel zu tun.
Der Parteichef hatte 2013 aus der Tatsache, daß die Wähler ein klar linkeres Wahlprogramm mit Vermögens- und höherer Erbschaftssteuer deutlich abgelehnt hatten und stattdessen die Reichenlobby-freundliche Merkel um ein Haar die absolute Mehrheit verpassten, geschlossen, daß nur in der Mitte etwas zu gewinnen wäre.
Kein abwegiger Gedanke eigentlich.
Gabriel setzte auf Solidität und erwartete offenbar, die Wähler würden die SPD für gute Sacharbeit und akribisches Abarbeiten des Koalitionsvertrages belohnen.
Das war ein Irrtum, denn für die tägliche Regierungsarbeit gibt es keine Belohnung; es sei denn für die Regierungschefin.
Der zweite strategische Kardinalfehler Gabriels war es aus der sagenhaften Beliebtheit der Kanzlerin zu schließen, daß er sie nur imitieren bräuchte, um ebenso populär zu werden.
Auch hier lag er daneben, denn er bedachte nicht, daß es nur die Konservativen sind, denen Beharrung und Status-Quo-Wahrung gefällt. Sie schätzen es, wenn zu diesem Zwecke mäandert und taktiert wird.
SPD-Anhänger mögen stattdessen Veränderung des Status Quo. Statt amöbenhafter Rumeierei erwarten sie Haltung in gesellschaftlichen und außenpolitischen Fragen.

Hypothetische Geschichte ist sinnlos, aber ich nehme durchaus an, daß eine SPD in der Konstellation von 2013 unter einer Kanzlerin Merkel deutlich besser dastehen könnte, wenn der Parteichef klare Alternativen verkörpert hätte.
Leider gab aber Gabriel Waffenexportgenehmigungen wie Schwarzgelb, besuchte privat die Pegida-Pest, überstimmte Industrie-hörig die Kartellbehörde im Tengelmann-Fall, mäanderte erbärmlich um TTIP, poltert gegen Flüchtlinge und zwang Maas dazu die Vorratsdatenspeicherung einzuführen.
So wird die eigene Partei natürlich nicht beliebt. Aber das liegt an Gabriel und nicht der politischen Konstellation insgesamt.

Im November 2013 wurde insbesondere auch für die GroKo geworben, weil die Oppositions-erdrückende 80%-Mehrheit der Bundestagsmandate die Regierung auch mächtig und potent mache. So könne man die großen Probleme „anpacken“.

„Eine große Koalition ist eine Option für die Lösung großer Aufgaben“
(Angela Merkel Brennpunkt, ARD, 27.11.13)

Diese Sicht der Dinge war allerdings so vollkommen absurd, daß ich sie auch schon damals mit aller Schärfe zurückwies.
Merkel packt gar nichts an, führt nicht, reformiert nicht.
Sie kuscht, duckt sich weg, mäandert, weicht aus, taucht ab.

Für Merkel ist die Art ihrer Mehrheit irrelevant.
Sie würde auch mit einer Stimme Mehrheit und dem Bundesrat gegen sie ähnlich rumwurschteln und sich um Entscheidungen drücken.
Wir wissen inzwischen von genügend Fällen, in denen die Bundeskanzlerin sogar persönlich die nicht gerade als voranpreschende EU-Kommission bremste.
CO2-Reduzierung bei PKWs?
Konjunkturmaßnahmen?
Transparenzoffensiven?
Merkel bremst alles aus.

Merkel und ihre CDU-Minister charakterlich ungeeignet neue Wege zu begehen.
Selbst wenn jeder Fachmann der Welt ein Desaster prognostiziert, traut sich die Kanzlerin nicht irgendetwas zu wagen.
Das konnte nicht klappen, was der Geront aus dem letzten Jahrtausend im deutschen Finanzministerium wollte, aber Merkel ist alles egal.

Führende deutsche Wirtschaftsforscher haben ein verheerendes Bild von der Lage in Griechenland gezeichnet und eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik gefordert. "Der Reformprozess ist komplett zum Erliegen gekommen", sagte Alexander Kritikos, Forschungsdirektor Unternehmertum am Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW). Es fehlten jegliche Anreize für Investoren, sich in dem verschuldeten Land zu engagieren. Damit sei Athen der Weg in die wirtschaftliche Selbständigkeit versperrt. [….]

Schäuble wagt keine Mehrwertsteuerreform, Schäuble schützt die Steuerflüchtlinge, Schäuble blockiert die Transparenzinitiative der EU, Schäuble will gar keine Aufklärung über Steuerflucht.

Merkel und Schäuble sind faul und feige, wollen gar nichts anfassen.


Dieses unfassbar erbärmliche Duckmäusertum Merkels gegenüber Erdogan, das danach aussieht, als ob sie frisch im Amt sein und eher 18% statt 80% im Parlament hinter sich hätte, kennen wir schon von ihrer gesamten Regierungszeit.
Sie läßt Horst Seehofer nach Belieben auf ihrer Nase herumtanzen.
Damit macht sie sich innerhalb der C-Parteien-Familie klein.

Aber genauso unverständlich läßt sie sich zum Schaden Deutschlands auch von der USA, bzw der NSA vorführen.

Snowden befragen? Julian Assange?

Huuu, Eieiei, nein lieber nicht, nachher ist Obama böse, das trauen wir uns nicht.
Mit Gerd Schröder wäre das nicht passiert.

Es ist mal wieder Zeit für Gysis „Ich bin dieses Duckmäusertum sowas von leid-Rede.

Alle sprachlichen Register gezogen: Die Rhetorik-Fachleute der Universität Tübingen haben die Bundestagsrede von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zum NSA-Skandal zur "Rede des Jahres" gekürt.
Als Linken-Fraktionschef Gregor Gysi am 18. November im Bundestag zum NSA-Skandal sprach, sah Bundeskanzlerin Angela Merkel fast nie auf. Stattdessen kämpfte sich die CDU-Politikerin im Plenarsaal durch die vor ihr auf dem Tisch liegenden Akten. Aus Sicht der Wissenschaftler des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hätte Merkel wohl besser zuhören sollen. Die nämlich kürten den Wortbeitrag Gysis jetzt zur "Rede des Jahres".
"Mit anschaulichen Worten und großer argumentativer Kraft durchleuchtet Gysi die Spähaffäre und das Verhalten der Bundesregierung, fordert eine deutsch-amerikanische Freundschaft auf Augenhöhe und: den Friedensnobelpreis für Edward Snowden", heißt es in der Begründung der Jury.

Auch Snowden ist von der Bundesregierung als Zeuge unerwünscht – es könnte ja die USA verärgern und das will der devote Uckermärker Hosenanzug auf keinen Fall. Um Putin zu beschimpfen hat sie immer genug Energie, aber vor Washington kuscht sie und räumt schon eigenständig alle Kontroversen ab.

Und so handelt auch Merkels SPD-Außenminister, der Ukrainische Faschisten auf seiner Nase Tänzchen aufführen läßt und es nicht wagte Herrn Erdogan gegenüber den Völkermord an den Armeniern Völkermord zu nennen.

Hier offenbart sich das ganze Elend des durchaus beliebten Außenministers Steinmeiers. Die Deutschen mögen ihn zwar für seine nette Unverbindlichkeit. Aber andererseits ist er als Außenpolitiker auch sagenhaft erfolglos. Es klappt einfach gar nichts, das er anfasst.
Das ist zwar immerhin noch deutlich besser als Westerwelles Bilanz, der auch keine Erfolge vorweisen konnte und zudem auch noch Deutschland international laufend blamierte, so daß man sich immer mitschämen mußte, wenn er im Ausland auftauchte.
Aber bella figura allein, ist ebenfalls zu wenig.

Unglücklicherweise ist der frustrierte Steinmeier nun auf dem Weg in Richtung Westerwelle-Stil und fügte seiner Völkermord-Farce eine richtig schlechte Aktion hinzu.
Er schwang die verbale Holocaust-Keule und redete sich um Kopf und Kragen.

[…]  Steinmeier sagt auf die Frage, warum er sich gegen den Begriff "Völkermord" gewehrt habe, einen Satz, der so ungehörig ist, dass man ihn in ganzer Länge zitieren muss: "Wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir am Ende nicht denen recht geben, die ihre eigene politische Agenda verfolgen und sagen: Der Holocaust hat eigentlich vor 1933 begonnen." Übersetzt heißt das nicht weniger, als dass der Papst, Joachim Gauck und Norbert Lammert den Verharmlosern des Holocaust in die Hände spielen.
Dieser Vorwurf ist für sich genommen schon dreist. […] Auch ein Blick in die Geschichte zeigt, wie absurd Steinmeiers Einlassung ist. Als Adolf Hitler 1939 wenige Tage vor dem Überfall auf Polen erklärte, er habe den Totenkopf-Verbänden den Befehl erteilt, unbarmherzig gegen "Mann, Weib und Kind" vorzugehen, berief er sich auch auf das Schicksal der Armenier. "Wer redet denn heute noch von der Vernichtung der Armenier?", fragte Hitler triumphierend - auch um seinen Generälen die Sorge vor Konsequenzen eigener Untaten zu nehmen. […]

Und da wir gerade von ehrlicher Sicht auf die eigene Vergangenheit sprechen – die Weigerung der Steinmeier-Regierung Reparationen an Griechenland zu zahlen hatte ich schon angedeutet – da gäbe es noch einiges mehr zu tun für Deutschland.

 […]   In den Jahren 1904 bis 1908 ermordeten kaiserliche Truppen im heutigen Namibia etwa 90 000 Angehörige der Herero und Nama - aus Vergeltung. Die Stämme hatten sich gegen die Kolonialherren erhoben. Wer nicht erschossen wurde, den trieben die Deutschen zum Sterben in die Omaheke-Wüste. Auf der Haifischinsel errichteten sie ihr erstes Konzentrationslager, die Gefangenen arbeiteten sich zu Tode oder verhungerten. Nicht einmal ein Drittel der Herero und nur die Hälfte der Nama überlebten. […] 
"Nachdem sich der Deutsche Bundestag ehrlich gemacht hat und offen vom Völkermord an den Armeniern spricht, kann das Kapitel Südwest-Afrika in der deutschen Kolonialgeschichte nicht unbearbeitet bleiben", schreibt Özdemir auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung: "Eine offizielle Entschuldigung und Förderung der Aufarbeitung fehlt bis heute."
[…]  Deutlicher wird der Linken-Abgeordnete Niema Movassat. Es sei " längst überfällig", dass auch der Vernichtungsfeldzug gegen die Herero und Nama als Völkermord anerkannt wird, teilt Movassat auf SZ-Anfrage mit: "Dieser erste Völkermord des 20. Jahrhunderts darf nicht länger geleugnet werden!" […]  Überliefert ist der sogenannte Vernichtungsbefehl des deutschen Generalleutnants Lothar von Trotha, der die Herero für vogelfrei erklärt: "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen."
[…]  Von Völkermord spricht die Regierung nicht. Sie greift aber auch nicht auf die Formulierung ihrer Vorgängerin zurück. Die hatte 2012 auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion geantwortet, dass die UN-Konvention von 1948 nicht rückwirkend gelte, die Verbrechen an Herero und Nama somit "nicht als Völkermord eingestuft werden." […] 

Und so agiert die auf eine parlamentarische 80%-Mehrheit gestützte Regierung des mächtigsten Landes Europas.