Dienstag, 31. Mai 2016

Die Toten feiern



Crazy Horst, der fromme Christ, der schon so oft zur persönlichen Papstaudienz geladen wurde, frohlockte vor Stolz, als er die GroKo endlich auf totale Flüchtlingsabwehr eingestimmt hatte.

Nach wochenlangem Streit haben der Bund und Bayern ihre Auseinandersetzung über die Grenzkontrollen beigelegt. [….]
In der CSU wird die Einigung als großer Erfolg der eigenen Politik und als Sieg über Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewertet: Mit dieser Vereinbarung sei "das Ende der Willkommenskultur notariell besiegelt", sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer der Süddeutschen Zeitung.

Statt sich um die hilfesuchenden Menschen zu kümmern, gibt die EU also ein Vielfaches der dafür benötigten Summe aus, um diese Menschen abzudrängen und fernzuhalten.
Von der Leyens Bundesmarine ist im Einsatz, um die Elenden, Hungernden und Gefolterten von den EU-Küsten zu vertreiben.
Dafür muß der Haushalt der Kriegsministerin ordentlich aufgestockt werden.
Milliarden mehr für Waffen und Milliarden zu wenig für die Heimatvertriebenen, die schon hier sind.

Der Christdemokrat de Maizière, eben noch sich selbst auf dem Katholikentag als Christ inszenierend, kämpft unterdessen gegen die Flüchtlinge, die es schon über die Grenzen geschafft haben. 33 % von ihnen kämen gar nicht aus dem IS-Gebiet lügt der Innenminister und den Übrigen unterstellt er fälschlicherweise sich der Integration zu verweigern. Also droht er mit Strafe.

Wir [kennen] in unseren Einrichtungen ohnehin keine Integrationsunwilligen. Besonders die Jugendlichen wollen unbedingt lernen. Selbst wenn das Wetter schön ist und wir vorschlagen zu grillen, haben die Angst etwas zu verpassen. Lehrer, die bei uns seit 30 Jahren unterrichten, sagen: Ich möchte nur noch Flüchtlinge unterrichten, weil die so lernwillig sind. Das Problem ist ja viel mehr, dass gar nicht alle unterkommen. Hier in Hamburg reichen die Plätze in Integrationskursen jedenfalls schon jetzt nicht mehr aus. Da gibt es Wartezeiten von drei bis zu sechs Monaten. Jugendliche steckt man dann häufig in Berufsorientierungsmaßnahmen, auch wenn sie noch nicht besonders gut Deutsch sprechen. Gerade den Älteren und Frauen bleibt aber nichts anderes übrig, als abzuwarten und über Ehrenamtsstrukturen oder Vereine Deutsch zu lernen. [….] Was bei uns an Integration angeboten wird – also berufliche Orientierung, Sprachkurse oder Praktikumsplatzsuche – da stehen die Leute Schlange. Selbst wenn es darum geht, sich an typisch deutschen Aktionen zu beteiligen, sind die Flüchtlinge kaum zu bremsen. Im April haben wir hier "Hamburg räumt auf" gefeiert. Da haben sie von sich aus gesagt: Wenn das in Hamburg so ist, dann machen wir das auch. Wirklich, ich habe noch keine Integrationsverweigerer erlebt.

Auch die Kanzlerin, die heftig mit dem Despoten und tausendfach klagefreudigen Erdogan kuschelt, bricht ungeniert ihre menschenfreundlichen Versprechen.

Auch Flüchtlinge mit schlechterer Bleibeperspektive müssten bereits während ihres Asylverfahrens Orientierungskurse erhalten, sagte Merkel. In ihnen werden außer der deutschen Sprache auch grundlegende Kenntnisse über die deutsche Gesellschaft und ihre Werte vermittelt. [….][….] Nur ein winziger Bruchteil der von Merkel angesprochenen Personengruppe wird in diesem Jahr einen Orientierungskurs besuchen können. Der weit überwiegende Teil würde jedoch leer ausgehen. Denn die Zahl der Asylbewerber, die aller Voraussicht nach in Deutschland bleiben dürfen, obwohl sie nicht aus Syrien, dem Irak, Iran oder Eritrea kommen, ist hoch. [….] Angesichts dessen spricht Grünen-Politikerin Pothmer von einem "schlechten Scherz". Die Bundesregierung dürfe sich "nicht mit einem Mini-Pilotprojekt aus der Affäre ziehen", sondern müsse ihre Ankündigung aus dem April umsetzen. Schließlich warteten Menschen aus Afghanistan im Schnitt 15 Monate auf eine Entscheidung des Bamf, so Pothmer.
Diese Zeit ist verloren, was die Integration betrifft - zudem führt die faktische Zweiklassengesellschaft in den Flüchtlingsunterkünften zu Spannungen zwischen Bewerbern aus Ländern mit guter Bleibeperspektive und den anderen, vor allem den vielen aus Afghanistan.

Alle drei Koalitionsparteien haben sich offenbar auf diese Linie geeinigt. Auch die fromme Katholikin Andrea Nahles, die just vor völlig leeren Hallen auf dem Leipziger Katholikentag sprach, macht restriktive und herzlose Politik gegen Flüchtlinge. Nahles goes Seehofer.
CDU, CSU und SPD sind sich einig: Die EU muß sie Grenzen schließen. Dabei heißt das euphemistische „Grenzen sichern“ nichts anderes als Menschen mit Gewalt abzudrängen und ins Elend zu treiben.

Die perfide, grausame und dumme Ideologie der Grenze, der nun alle drei GroKo-Parteien frönen hat Konsequenzen.

Nach den Flüchtlingsunglücken im Mittelmeer vergangene Woche steigen die Schätzungen zur Zahl der Opfer immer weiter. Die Internationale Organisation für Migration sprach am Dienstag von vermutlich mehr als 1.000 Toten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk ging aufgrund von Berichten Überlebender von mindestens 880 Toten aus, wie ein Sprecher sagte.
Bisher hatten die Schätzungen bei rund 700 Todesopfern gelegen. Doch Flüchtlinge, die am Wochenende in Italien angekommen waren, hätten berichtet, dass noch viele weitere Insassen mit den Schiffen gesunken seien, hieß es von beiden Organisationen. IOM erklärte, dass seit dem 25. Mai 62 Todesopfer bestätigt seien. Weitere 971 Menschen gelten demnach als vermisst und dürften vermutlich ebenfalls tot sein.
(taz, 31.05.16)

Das tödlichste Jahr.
Während sich die EU immer schärfer gegen Flüchtlinge abschottet, steigt die Zahl der Ertrunkenen im Mittelmeer so schnell wie noch nie.
Einmal pro Woche, meistens montags, zählt Marzia Rango in ihrem Büro am Berliner Gendarmenmarkt die Toten. Rango arbeitet für die Internationale Organisation für Migration (IOM). Seit das erste Mal Flüchtlinge bei schweren Unglücken vor der libyschen Küste ertrunken sind, dokumentiert die Organisation alle Todesfälle im Mittelmeer, die den Behörden gemeldet werden. In diesem Jahr, sagt Rango, sei die Zahl höher denn je. Bis Ende Mai sind mindestens 2.499 Menschen ertrunken. Das sind wesentlich mehr Tote als  in den ersten fünf Monaten des Jahres 2014, als Italien noch seine Marine und Küstenwache auf See schickte, um Menschen im Rahmen der Mission Mare Nostrum zu retten. Und es sind auch deutlich mehr, als im vergangenen Jahr ertranken, dem bisher tödlichsten im Mittelmeer.


Die deutsche Organisation Sea-Watch hat das Bild eines im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingsbabys veröffentlicht und damit die EU dringend zum Handeln aufgefordert. "Wenn wir solche Bilder nicht mehr sehen wollen, müssen wir aufhören, sie zu produzieren", erklärte Sea-Watch am Montagabend. Das Bild zeigt einen Rettungshelfer an Bord eines Bootes, der ein totes Baby im Arm hält. Er hält den Kopf gesenkt und blickt das Kind an.
Das Baby, dessen Alter und Identität unklar blieb, war nach Angaben von Sea-Watch gemeinsam mit rund 350 Flüchtlingen an Bord eines Holzbootes, das Ende vergangener Woche vor der libyschen Küste kenterte.

Wie man hört war die Stimmung beim Koalitionsgipfel in Meseberg ausgelassen und entspannt.
Kanzlerin Merkel erklärte im Kreise ihrer zu 100% aus Christen bestehenden Ministern, man habe auch gemeinsam gelacht.


Montag, 30. Mai 2016

Läuft für die AfD



Daß es sich bei Alexander Gauland wirklich um die allerunterste Kategorie Mensch handelt, muß ich nicht extra erwähnen. Und ich bin ohnehin schon Misanthrop.
Bei der rassistischen AfD-Größe Gauland ist es fast gerechtfertigt, sich des „Wörterbuchs des Unmenschen“ zu bedienen und ihn als „Untermenschen“ zu bezeichnen.

Im Gegensatz zu den abscheulichen Proleten, die sich in Ostdeutschland vor Asylunterkünften zusammenfinden und dort rassistisch rumpöbeln, ist Gauland ein gebildeter Mann; studierte Jura, leitete die hessische Staatskanzlei, war Herausgeber der Märkischen Allgemeinen. Er sollte es besser wissen und facht dennoch Xenophobie an.


In den letzten Tagen haute er gleich zwei Mal etwas raus, um seine braunen Anhänger zu verzücken.

Bischof Bedford Strohms Forderung nach einem „flächendeckenden Islamunterricht“ findet Gauland „irre“, nennt den Bischof daher öffentlich ein „gefährliches Irrlicht“. Die islamophoben Dunkelkatholiban wird es freuen.
Und ja, auch ich halte Bedford-Strohm für einen  Irrenden, aber ich komme dabei aus der diametral entgegengesetzten Ecke und will religiöse Indoktrination ganz aus der Schule verbannen, während Gauland mehr Christentum vom Bischof fordert.

Und nun der inzwischen allgemein bekannte Anti-Boateng-Spruch.
Ja, der „Neger“ könne gut Fußball spielen, aber als Nachbarn wolle man ihn trotzdem nicht haben.

Das ist selbstverständlich klar rassistisch.

Die Äußerung von AfD-Vize Alexander Gauland, Jerome Boateng werde als Fußballnationalspieler geschätzt, aber als Nachbar vermieden, ist nicht ausländerfeindlich (Boateng ist Deutscher), nicht islamophob (Boateng ist, anders als Gauland, Christ), sie ist nicht einmal fremdenfeindlich (Boateng ist in Deutschland geboren und aufgewachsen) – sie ist offen und ehrlich rassistisch. Das immerhin hat Gauland anderen AfD-Funktionären voraus, die ihren Rassismus als „Verteidigung des christlichen Abendlands“ oder als „Abwehr des Islamismus“ kostümieren.

Und dennoch kann Gauland sehr zufrieden sein, denn beide Äußerungen werden auf große Zustimmung im rechten Lager stoßen.

So begeistert man die vielen klammheimlichen Rassisten und kann sich anschließend darüber hinaus auch noch so wunderbar als „Medienopfer“ darstellen und so den Nimbus als ehrlicher Kämpfer wider die political correctness inszenieren.
 Gibt noch mal Pluspunkte bei den AfD-Wählern. Und kostenlose PR.
Win-win-win.


Es ist immer wieder erstaunlich wie leicht die Medienlandschaft diesen rechten Provokateuren auf dem Leim geht und sofort jeden stinkenden Furz aus dem AfD-Vorstand multipliziert.
Mit genau dieser perfiden Medienmechanik bringt es Donald Trump womöglich gerade zum US-Präsidenten.

"Gauland ist halt das Gegenteil von Kinderschokolade, außen weiß und innen braun. Nun entschuldigt sich Petry für Gauland, der sich neulich wiederum von Petry distanzierte beim Thema „Schießen an der Grenze“. Die hauen einfach mal einen raus, spielen Dementibingo und lachen sich schlapp über die mediale Überpräsenz, die sie damit erzielen."

Es wird eine verbale Sauerei nach der nächsten hinaustrompetet und wenn es wirklich in allen TV-Nachrichten und Zeitungen kritisiert wurde, inszeniert man sich auch noch mitleiderheischend als verfolgte Unschuld.
Daraus wird dann ein Konflikt der rechten Demagogen wider des sogenannten Mainstreams. Das schließt die Reihen im rechten Lager – wir gegen die! – und generiert darüber hinaus exponentiell immer mehr Wahl-PR.
In der Tat haben Storch, Höcke und Petry mit dieser Methode haargenau wie Donald Trump die inhaltliche Ebene erfolgreich hinter sich gelassen.
Sie werden gar nicht erst mit Fakten konfrontiert, müssen keine durchführbaren politischen Konzepte entwickeln. Sie spielen einfach mit Vorurteilen und erzeugen ihre Energie durch Reibung mit der Presse. Klappt bei AfD genau wie bei FPÖ.


Seit Jahren diskutieren wir über den Umgang mit AfD/NPD/DVU.
Sollen sie wie normale Parteien behandelt werden oder nicht?

Offensichtlich wird ja eine Doppelstrategie gefahren. Einerseits wird die AfD/FPÖ verdammt, andererseits beschäftigt man sich aber dauernd mit ihr, die GroKos in Berlin und Wien exekutieren sogar partiell in vorauseilendem Gehorsam ihre Forderungen.

Diese Methode scheint offensichtlich versagt zu haben.

Im Zeitalter der sozialen Medien dürfte es allerdings schwer bis unmöglich vermeidbar sein, daß alle den rechten Populisten nachrennen und jeden braunen Rülpser aus dem Munde Storchpetryhöckegaulands sofort über alle Kanäle  verbreiten.

Muß man wirklich jede Woche breit über Pegidioten und Höckes Thüringer Aufläufe berichten?

In diesem Zusammenhang muß sich auch Merkel nach ihrer AfD-Strategie fragen lassen.
Ja, auch sie sprang heute auf den breiten Pro-Boateng-Zug auf und flaumte Gauland an. Sehr leicht, nachdem schon das ganze Internet dem Ballspieler beisprang.


Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die umstrittenen Äußerungen des AfD-Vizechefs Alexander Gauland über Jérôme Boateng deutlich kritisiert und sich hinter den Fußball-Nationalspieler gestellt. "Dieser Satz, der gefallen ist, der ist ein niederträchtiger und ein trauriger Satz", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Wohl gesprochen, Frau Kanzlerin, aber auch wohlfeil.
Sie stellt sich vor einen Mann, der a) extrem beliebt und b) Multimillionär ist.
Tausende andere Dunkelhäutige in Deutschland müssen leider ohne Merkels Zuspruch mit alltäglichem Rassismus umgehen. Die Mittellosen, die vielleicht nicht wie Adonis aussehen und keine Promis sind, bedürfen eher der kanzleramtlichen Protektion.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte rasant gestiegen. Die Täter werden häufig nicht ermittelt.
Jeden dritten Tag brennt in Deutschland eine Flüchtlingsunterkunft.
528 Übergriffe auf Unterkünfte im Jahr 2015 – das ist die traurige Bilanz der Chronik, die die Amadeu Antonio-Stiftung und PRO ASYL führen. In 126 Fällen handelte es sich dabei um Brandanschläge: Im Durchschnitt brennt also in Deutschland jeden dritten Tag eine Flüchtlingsunterkunft – viele davon waren bereits bewohnt. Und auch außerhalb der Unterkünfte kommt es vermehrt zu Attacken: In der Chronik sind 141 tätliche Angriffe auf Flüchtlinge vermerkt, dabei kam es zu insgesamt 205 Körperverletzungen durch rechte Gewalttäter. […]

Sonntag, 29. Mai 2016

Empörungsmaschinerie



Heribert Prantl besuchte für zwei Tage Sebastian Edathy im Exil und schilderte eindrücklich wie vollständig dessen Leben in finanzieller, politischer, beruflicher und psychologischer Hinsicht zerstört ist.
Daß der Mann nicht vorbestraft ist, eben gerade kein strafrechtlich relevantes Material ansah, spielt keine Rolle.
Bilder nackter Jungs anzusehen führt zu gesellschaftlich maximaler Ächtung.
„Der Pädophile“ wird ewig an Edathy kleben, obwohl der Begriff in seinem Fall ganz falsch ist.

Pädophilie ist aber das sexuelle Interesse an vorpubertären Kindern - unabhängig vom Geschlecht. Es gibt homo-, hetero- und bisexuelle Pädophile; letztere sind aber deutlich seltener als die ersten beiden.
Bezieht sich der Sexualtrieb auf vorpubertäre Jungs spricht man von Androphilie; sind Mädchen vor der Geschlechtsreife Objekt der Begierde, handelt es sich um Gynäkophilie.

Tatsächlich sind übergriffige Sexpastoren aber meistens ephebophil - also sexuell an männlichen Pubertierenden und Heranwachsenden interessiert.
Seltener kommt bei Priestern Parthenophilie vor, also sexuelles Interesse an weiblichen Jugendlichen.

Der Begriff pädophil wird sehr häufig falsch verwendet und ist zudem den Opfern gegenüber beleidigend, da das Wort „Philos“, also Liebe, den falschen Eindruck einer positiven, gegenseitigen Angelegenheit erweckt.
Der angebrachtere Oberbegriff lautet also „Pädosexualität“.

Pädosexualität ist in der Regel nicht der ausschließliche Aspekt der Sexualität eines Mannes. In mehreren phallometrischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass ein hoher Prozentsatz erwachsener Männer durch präpubertäre Stimuli sexuell erregt wurde. So kam Wolfgang Berner in entsprechenden Studien auf einen Anteil von 25 %.
Im Unterschied zu Pädophilen jedoch interessieren sie sich sexuell in erster Linie für Erwachsene. Ebenso sind Pädophile teils auch durch Erwachsene stimulierbar, interessieren sich aber in erster Linie für Kinder.
(Wolfgang Berner: Pedophilic Sexual Orientation: A Fuzzy Expression. Archivies of Sexual Behavior, 31)

Männliche Homosexualität ist also etwas ganz anderes als Androphilie (vulgo: Pädophilie) und auch etwas anderes als Ephebophilie - allerdings schließen sich diese Veranlagungen nicht gegenseitig aus.

Das gilt genau entsprechend bei Heterosexualität, die etwas anderes als Gynäkophilie und etwas anderes als Parthenophilie ist. Einige Heterosexuelle haben aber zusätzlich auch gynäkophile und/oder parenthophile Neigungen.  (……………………….)

Ein bißchen wundere ich mich schon, wie extrem im Fall Edathy der Hass auch noch über zwei Jahre später ausgekübelt wird.
Klar wird er Gegenstand von Witzen bei Jan Böhmermann; das ist für einen bekannten Politiker das klassische Berufsrisiko, aber das Ausmaß des Nachtretens verwundert.

Solange er aber zu einer ehrlichen Aufarbeitung der Affäre nicht bereit ist, fällt es schwer, Mitleid zu haben.

Das ist eine sehr persönliche, gefühlige Sichtweise des Spiegel-Autors, die aber mit Fakten nichts zu tun hat.
Mitleid ist auch ein „Gefühl“, das also von einem anderen gewährt wird und nicht an Bedingungen geknüpft ist. Mitleid „verdient“ man sich nicht, es ist eine unabhängig von dem zu Bemitleideten empfundene Regung.

Mitleid oder Mitleidlosigkeit ist eine Angelegenheit des Betrachters. Als vor 100 Jahren die Hamburger zur „Völkerschau“ in den Hamburger Tierpark gingen, um sich eingepferchte Menschen aus Afrika anzusehen empfanden sie kein Mitleid für aus heutiger Sicht bemitleidenswerte Menschen.
Noch heute empfindet die große Mehrheit der Deutschen offensichtlich kein Mitleid mit den 20.000 jeden Tag verhungernden Kindern auf der Welt, oder den 60 Millionen geschredderten Küken, oder den Obdachlosen auf der Straße.
Einige wenige empfinden hingegen so starkes Mitleid, daß sie ihr Verhalten radikal ändern.

Um es klar zu sagen: Mir tut Edathy leid, so wie mir auch Saddam im Erdloch leid tat, als er dann bei der Hinrichtung gefoltert wurde, obwohl er es „nicht verdient“ hatte.
 Ich kann aber an meinen Empfindungen nichts ändern. Menschen/Tiere in schlimmen Situationen tun mir Leid.
Andere empfinden für anderes Mitleid. Völlig OK.

Auch wenn man mich dafür hassen und der gefährlichen Relativierung schelten wird, so kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß andere bekannte Menschen sehr viel Schlimmeres als Edathy taten.
Die Causa Ratzinger halte ich für erheblich dramatischer.
Hier ging es nicht um das Betrachten von Bildern, die mutmaßlich „nur“ Nacktheit und keine sexuellen Handlungen zeigten, sondern es ging um hundertfachen oder tausendfachen sexuellen Missbrauch seiner Priester.
Ratzinger sorgte als Glaubenspräfekt aktiv dafür, daß Menschen, die Jungs gequält, geprügelt, vergewaltigt, penetriert hatten, nicht polizeilich verfolgt wurden, sondern weiter machen konnten, daß ihnen sogar von der Kirchenleitung aktiv neue Opfer zugeführt wurden.
Warum sitzen Ratzinger und sein cholerisch prügelnder Bruder nicht verarmt und anonym in einer schäbigen arabischen Exilwohnung und bedauern ihr Schicksal?

Ratzinger machte einen gewissen Bischof Müller, der selbst dafür sorgte, daß ein Sexualstraftäter erneut Jungs vergewaltigen konnte und darüber hinaus auch noch die Opferfamilie bedrohte, demonstrativ zum neuen Präfekten der Glaubenskongregation.
Müller, inzwischen von Franzl zum Kardinal erhoben, ist nun derjenige, der dafür sorgt, daß Ratzis Bruder für seine Jahrzehnte andauernden gewalttätigen Übergriffe und seine mutmaßliche Mitwisserschaft an sexuellen Übergriffen bei den Regensburger Domspatzen, straflos bleibt.

Nein, natürlich macht das Edathy nicht sympathischer, aber wieso konzentriert sich das journalistische Hassfeuer nach wie vor so auf ihn, während allgemein wohlwollend über den Katholikentag in Leipzig geschrieben wird?
Bundespräsidenten geben sich dort die Klinke in die Hand und niemand fühlt sich bemüßigt die Verbrechen der RKK-Führung überhaupt zu erwähnen.