Freitag, 31. Mai 2024

Auf die biologische Lösung warten.

 Klar, wenn man eine seit 2.000 Jahren bestehende Organisation ist und in Jahrhundertzeiträumen denkt, bietet es sich an, unangenehme Dinge auszusitzen.
Galilei, Bruno, der ganze Geozentrismus – das war schon etwas peinlich, so viele Wissenschaftler wegen der Heliozentrismus-Ketzerei zu verbrennen.

Schön blöd, wenn sich irgendwann die göttliche Gewissheit von der im Zentrum des Universums fixierten Erdenscheibe, um die sich Sonne und Sterne drehen, nicht mehr halten lässt.

Wie stünde man als Unfehlbarer da, wenn man kurz nachdem man die Typen mit der Kugelform-Hypothese alle abgemurxt hat, zugeben müsste, sich geirrt zu haben?
Am Ende wollen die Angehörigen der verbrannten Ketzer noch Schadensersatz oder Schmerzensgeld? So geht es ja nicht, denn das schöne Geld behält die Kirche immer für sich.

Nach 400 Jahren hingegen, ist es egal. Dann weiß eh keiner mehr, wer diese Ketzer und Hexen waren, die man umgebracht hat.
Da kann man auch en passant ein kleines „Sorry“ fallen lassen und wird nicht etwa dafür verachtet, seit dem
17. Februar 1600 auf dem Unrecht der Verbrennung Giordano Brunos beharrt zu haben, sondern dafür gelobt, überhaupt noch zur Einsicht gekommen zu sein.

Bergoglios weltweit sexuell aktive Massenmissbrauchsorganisation verfährt auch heute noch nach diesem Prinzip bei der Kinderfic**rei:

 1.) Keine Ermittlungen gegen verantwortliche Täter wie den seinerzeitigen Erzbischof von München und Freising Joseph Ratzinger, so lange dieser noch lebt. Sonst wäre es zu schmerzlich für den armen Mann, der immer wieder Pädokriminelle auf Kinder hetzte.

2.) Aufklärung und erst Recht Schmerzensgeldverhandlungen verschieben, bis auch die Opfer verstorben sind. Die biologische Lösung ist so schön billig für die katholische Kirche.

Matthias Eggers, 53, Pfarrer in Wolfenbüttel, scheint eine sehr seltsame Type zu sein. Einerseits ist er nur unwesentlich jünger als ich und in 200 km Entfernung von mir aufgewachsen. Er muss also mit fast den gleichen Einflüssen, der Musik, den Diskussionsthemen, Informationsquellen wie ich, aufgewachsen sein und wurde katholischer Priester.

[…..] Am 13.03.1970 habe ich zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt. Zusammen mit meinem älteren Bruder und meiner älteren Schwester bin ich in Hildesheim-Himmelsthür aufgewachsen.

Mein Vater und meine Mutter sind mit uns regelmäßig zum Gottesdienst gegangen und haben uns auf diese Weise mit der christlichen Botschaft vertraut gemacht. Ich war gerne Messdiener und habe als Jugendlicher auch Verantwortung als Messdiener-Gruppenleiter übernommen.

Nach meinem Dienst als Sanitäter bei der Bundeswehr bin ich 1990 für ein Jahr als Freiwilliger nach Taizé gegangen und habe dort bei der Organisation der internationalen Jugendtreffen mitgeholfen. Die Gebete und die geistliche Begleitung, die ich dort bei den Brüdern von Taizé erfahren durfte, haben mich sehr geprägt. In diesem Jahr entschloss ich mich auch dazu, Priester werden zu wollen. […..] Seit Sommer 2006 bin ich Pfarrer unserer Pfarrei St. Petrus. […..]

(Pfarrer Matthias Eggers) 

Messdiener, Taizé, Bundeswehr, Pfarrer.

Weiter entfernt könnte der Lebenswegs eines Altersgenossen nicht sein.

Aber Eggers ist sogar noch merkwürdiger. Er findet es im Gegensatz zu seinem Römer Verein, suboptimal, mögliche Entschädigungszahlungen an von Priestern vergewaltigte kleine Jungs, aus Kostengründen zu warten, bis die Opfer tot sind.


[…..] „Es gibt überall viele schöne Worte, aber immer nur so viele Taten, bis die Öffentlichkeit das Interesse verliert“, kritisiert Eggers in dem HAZ-Interview. Das gelte letztlich auch für das Bistum Hildesheim.  […..] Eggers weiß auch, dass vielen Betroffenen die Zeit davonläuft. Im Interview schildert er den Fall eines Mannes, der zu seiner Pfarrei gehörte. Er war im Bernwardshof, einem Kinderheim, missbraucht worden, die Anerkennungszahlung enttäuschend niedrig ausgefallen, die Berufsunfähigkeitsrente reichte kaum, die Gemeinde unterstütze ihn.  Sein Wissen zur Aufarbeitung hätte er gern noch zur Verfügung gestellt, doch er starb bevor nun die aktuelle Studie in Auftrag gegeben wurde, obwohl die Vorwürfe gegen die Einrichtung eigentlich schon seit 2012 bekannt sind. Das ist einer der Gründe, warum Eggers fordert, die Aufklärung schneller und energischer voranzutreiben, sie stärker in den Gemeinden vor Ort zu verankern. […..]

(Nadine Conti, 01.06.2024)

Noch schneller als zwölf Jahre untersuchen und verschieben? Der zuständige Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer is not amused über seinen Pfarrer in St. Petrus.

Nun guckt sich Eggers auch noch ausgerechnet im eigenen Verein um, statt wie für die RKK üblich, mit langen Fingern auf andere zu zeigen, wenn es um die Schuldfrage geht.

[…..]  ·  Der Bischof meiner Kindheit, Heinrich Maria Janssen, hat Kinder augenscheinlich missbraucht und auch vergewaltigt.1 Er hat sich mit Tätern umgeben und alles getan, damit nichts öffentlich wird. Eingegriffen hat er nur in solchen Fällen, in denen etwas öffentlich wurde. Aber auch dann galt seine Fürsorge ausschließlich den Tätern. Es gehört zu den verstörenden Fakten, dass Bischof Heinrich Maria Janssen Wohnungen bzw. Zimmer in mehreren Einrichtungen mit Kindern hatte (z. B. im Kinderheim Henneckenrode, in der Heimstätte Röderhof und im Bildungshaus St. Martin, Germershausen) 2 Es gibt bis heute keine umfassende Aufklärung und Aufarbeitung für diese Orte. Insbesondere zum Bernwardshof, dem Kinderheim in meinem Heimatort Himmelsthür, liegt bis heute keine eigene Untersuchung vor. Die Missbrauchsvorwürfe sind seit 2012 öffentlich bekannt. Der Leiter, Pastor Henke, ist dem Bistum und den Vinzentinerinnen als Missbrauchstäter noch länger bekannt. Die Untersuchung für dieses Heim wurde vielfach öffentlich angekündigt und ist selbst bis heute noch immer nicht beauftragt.

·  Der Bischof meiner Jugend, der mich auch zum Priester geweiht hat, Josef Homeyer, hat das getan, was offensichtlich mehrheitlich alle Bischöfe zu dieser Zeit getan haben. So wie fast alle hat er Täter, wenn etwas öffentlich wurde, versetzt, geschützt und in der Regel nicht aus der Seelsorge genommen. Die Öffentlichkeit wurde angelogen oder über die Verbrechen nicht informiert. 3 Er hat in doppelter Hinsicht sehr schwere Schuld auf sich geladen. Er hat den Tätern durch den Wiedereinsatz zum einen signalisiert, dass sie in ihrer priesterlichen Existenz geschützt sind, und ihnen zum anderen durch den unkontrollierten Einsatz in der Seelsorge neue Übergriffsmöglichkeiten für weitere Verbrechen geschaffen.4

 

·  Bischof Norbert Trelles Zeit ist bis heute nicht offiziell aufgearbeitet. Er versprach Transparenz und proaktives Handeln, ohne wirklich umfassende Taten der Aufdeckung, Aufklärung und Aufarbeitung folgen zu lassen.5 Man hat einfach gewartet, wer sich meldet. Auch in Trelles Zeit haben Täter teilweise den Ort gewechselt und Gemeinden wurden mitunter nicht informiert. Durch die verantwortungslose Nichtaufdeckung, die fehlende proaktive Aufklärung und Aufarbeitung konnten Täter unerkannt bleiben und in den Gemeinden weiter Verbrechen verüben (Siehe Fall Georg Merettig in meiner Pfarrei St. Petrus). Er bagatellisierte sexualisierte Gewalt und führte die Kultur des Fassadenkatholizismus weiter. Das eingeleitete Aufarbeitungsprojekt des IPP Instituts wurde aufgrund von öffentlichem Druck und schließlich erst durch die konkrete Aufforderung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Röhrig in Auftrag gegeben.

·  Bischof Heiner Wilmer hat mit seinem bemerkenswerten Versprechen „jeden Stein umdrehen zu wollen… und dafür zu sorgen, dass keine Akten mehr in Schubladen verschwinden“ eine ermutigende verbale Wende eingeleitet. Mehrere Betroffene fühlten sich dadurch ermutigt, sich nun zu melden. Es gab eine Reihe von guten und wichtigen Maßnahmen und zu Beginn viel Grund dafür, anzunehmen, eine „Neue Zeit“ sei angebrochen. Mittlerweile muss man ernüchtert festhalten: Von der Klarheit und dem Schwung des Anfangs sind wenig übrig geblieben. Während bereits der IPP Bericht „Wissen Teilen“ nahezu jede Pfarrei als Tatort identifiziert, sind noch nicht einmal die leitenden Pfarrer, geschweige denn die Gremien vor Ort, über die bisherige Verbrechensgeschichten ihrer Gemeinden informiert worden.6 Desweiteren wird proaktives Vorgehen nicht umfassend gefördert und mitunter nicht unterstützt. Ich habe selbst erfahren: Melder von Missbrauch werden teilweise ignoriert bzw. sogar beschuldigt oder mit der Androhung kirchenrechtlicher Maßnahmen eingeschüchtert. Der Fassadenkatholizismus und die Kultur der Doppelmoral werden mit neuer Raffinesse auf höherem Niveau weitergeführt. Es wird getrickst und geltendes Kirchenrecht bzw. die Rahmenrichtlinien der DBK missachtet.

·  Bereits seit 1995 ist öffentlich, dass mein ehemaliger Schulseelsorger, Pfarrer Christian Straub (Pfarrer des Nachbarortes von Himmelsthür), ebenfalls ein Missbrauchstäter war. Die umfassende Aufklärung und Aufarbeitung auch in diesem Fall lässt bis heute auf sich warten. Fast dreißig Jahre später gab es jetzt im Januar auf Vorschlag der Betroffeneninitiative Hildesheim einen ersten Austausch vor Ort. In den vergangenen Jahren haben Betroffene selber recherchiert und mussten feststellen, dass die von Bischof Josef Homeyer versprochene Auflage des Nicht-Einsatzes in der Pastoral nicht eingehalten worden ist. Weihbischof Bongartz hat gegenüber Betroffenen selbst im Jahr 2016 noch eine Mitschuld des Bistums zurückgewiesen und die Verantwortung für die vielen Verbrechen ausschließlich beim Täter verortet. In den Akten des Bistums gibt es eindeutige Belege, dass Pfarrer Straub schon in seiner Kaplanszeit sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern bzw. Jugendlichen ausgeübt hat.

·  Im Herbst 2020 wurde mir zugetragen, dass der verstorbene Ruhestandsgeistliche, Georg Merettig (ext. Link), eine pädosexuelle Veranlagung hatte. Und sich augenscheinlich bei einem Hoppe-Reiter-Spiel mit einem kleinen Jungen selbst befriedigt hatte. Daraufhin bestand ich auf Einblick in die Personalakte des Priesters, der in meinem Verantwortungsbereich tätig war. Hier fanden sich weitere Hinweise auf die pädosexuelle Veranlagung und auf mögliche Vorkommnisse in der Vergangenheit. Erst aufgrund des proaktiven Vorgehens der Pfarrei leitete das Bistum eine bischöflich beauftragte Untersuchung ein. Der Rosenbusch-Bericht konnte mehrere weitere Fälle in der Vergangenheit bestätigen. Hier zeigte das Bistum auf eindrückliche Weise, was möglich ist, wenn es proaktiv vorgehen würde. Es gibt zu kaum einem anderen Priester eine solch umfassende Untersuchung. Warum eigentlich nicht?

·  Durch meinen Kontakt zu verschiedenen Betroffenen, die außerhalb meiner Pfarrei aufgewachsen sind, teile ich das Wissen um weitere schlimmste unsägliche Verbrechen an Kindern, die vor mehreren Jahrzehnten im damaligen Erzbistum Köln bzw. dem heutigen Bistum Essen stattgefunden haben.7 Die Abgründigkeit dieser Berichte liegt vor allem darin, dass diese Kinder von mehreren Priester missbraucht wurden. Über die Abgründigkeit der vorhandenen ritualisierten Gewalt und Folter und das Ausmaß dieser Verbrechen erfährt die Öffentlichkeit nichts. (Triggerwarnung) Sie tauchen weder anonymisiert in der MHG-Studie auf, noch werden sie in den jeweiligen Bistumsstudien angemessen erwähnt bzw. berücksichtigt. Insbesondere diese Berichte verdeutlichen, dass Priester und Schwestern sich an sadistischen und menschenverachtenden Praktiken beteiligt haben. Liturgische Riten und selbst der Altar als Tatort für Vergewaltigungen und Folter von Kindern werden von Betroffenen, die sich nicht kennen, unabhängig als Tatorte benannt. Mitunter erkennt man in Beschreibungen der Betroffenen liturgisches Insiderwissen. Hier zeigt sich der Kern des Abgrunds. Die Täter:innen empfanden offensichtlich einen Lustgewinn dabei, Kinder gegen ihren Willen und unter unvorstellbaren Schmerzen gefügig zu machen. Der Lustgewinn an Machtausübung gegenüber Wehrlosen und Schutzbedürftigen offenbart eine Kultur der gravierenden Gottlosigkeit im Herzen der Kirche. Die Verweigerung höchster kirchlicher Verantwortungsträger, diesen Teil der eigenen Geschichte selbst offen anzugehen, führt das Versagen und die Kultur der Verantwortungslosigkeit und des Leugnens bis in die Gegenwart weiter. Das Bischöfliche Nichthandeln ist für mich persönlich die größte Belastung meines Lebens und meines Glaubens geworden. Sie handeln nicht, weil sie meinen, die Kirche dadurch zu schützen.   [……]

(Matthias Eggers, 21.08.2023)

As er das las, flog Bischof Wilmer vor Wut die Mitra vom Kopp.

Er bestellte Eggers zu sich ein und gab ihm zwei Woche, um freiwillig zurück zu treten.

[….] In einem offenen Brief wendet sich Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic an Bischof Heiner Wilmer (Hildesheim). Grund ist die Reaktion des Bischofs auf ein Interview von Pfarrer Matthias Eggers. In diesem kritisierte Eggers, dass der Aufklärung von sexuellen Missbrauchsfällen im Bistum nicht genug Aufmerksamkeit zukommt. Der Bischof hat den Pfarrer nun aufgefordert, sein Amt als Pfarrer in den nächsten 14 Tagen niederzulegen. Wenn er dies nicht mache, drohe ihm ein Amtsenthebungsverfahren. Der Bischof argumentiert, Eggers "habe dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt“.  [….]

(Wolfenbüttel, 25.05.2024)

Zu blöd, daß die Säkularisierung so weit fortgeschritten ist.

[….] Inzwischen sind 34 Millionen Bundesbürger, darunter viele junge Menschen, konfessionslos. Scholz ist insofern in bester Gesellschaft. Waren es 1990 noch knapp 58 Millionen Deutsche, die Mitglied einer christlichen Kirche waren, so sind es mittlerweile viele Millionen weniger. Vor drei Jahren ist die Zahl der Kirchenmitglieder erstmals unter die Marke von 50 Prozent der gesamten Bevölkerung gesunken. [….] Die Gründe für die seit Jahren auch jenseits der bekannten Skandale kirchengerontokratisch bis zum Exzess gelebte Unattraktivität der Kirche sind vielschichtig. Es ist aber nicht so, dass die überalterte, überkommene, in Teilen verkommene und für immer mehr Menschen schlicht überflüssige Kirche daran unschuldig wäre.   […..]

(Gerhard Matzig, 16.05.2024)

 Die ungehorsamen Schafe solidarisieren sich mit Eggers und stellen sich gegen Bischof Wilmer.
 

[…..] Der Betroffenenrat Nord, der aus Personen besteht, die direkt oder als Angehörige von sexueller Gewalt durch Priester oder andere Mitarbeiter der katholischen Kirche betroffen sind, stellte sich hinter Eggers. [….] Bistum Hildesheim will sich für schonungslose Aufarbeitung einsetzen, der Bischof 'jeden Stein umdrehen' - und wirft dem Priester, der sich so konsequent wie kein anderer Geweihter im Bistum Hildesheim für die Betroffenen einsetzt, vor, dem Gottesvolk zu schaden!?" Vielmehr sei es so: "Missbrauch, Vertuschung, Täterschutz schaden dem Volk Gottes und der Glaubwürdigkeit der Kirche - Mitgefühl, Engagement und Kritik, mag sie auch scharf sein, nicht!" [….]. "Ich glaube, dass Pfarrer Eggers durch sein mutiges Handeln und seine Bereitschaft, Missstände öffentlich anzusprechen, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung von Missbrauchsfällen leistet und nicht, wie Sie behaupten, 'dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt' hat. Mit Verlaub, dies machen Sie mit Ihrer völlig übertriebenen Reaktion", schrieb der Bürgermeister. Gemeindemitglieder in Wolfenbüttel möchten sich nun mit einer Unterschriftenaktion für den Pfarrer einsetzen.   [….]

(NDR, 27.05.2024)

Rund 1.000 Gemeindemitglieder erschienen zum nächsten Eggers-Gottesdienst, viel mehr als die Kirche fassen konnte, und ließen Wilmers wissen, kollektiv auszutreten, falls er seine Drohung wahrmache, ihren Pfarrer zu feuern.

Leider hat der Hildesheimer Bischof aber nicht das Woelkische Format und scheint einzuknicken.

So sehr fürchtet er den Zorn der Kirchensteuerzahler, daß er nun offenbar gedenkt, dem in Ungnade gefallenen Pfaff doch seine Gemeinde zu lassen.

Donnerstag, 30. Mai 2024

Nicht schwarz, nicht braun und auch nicht gelb.

Natürlich, die immer stärkere Zusammenarbeit der CDUCSU mit rechtsradikalen Parteien – von der Kommunalebene bis zur Kooperation der EVP im Europaparlament mit den Krahextremen – vergrößert die Gefahr für Leib und Leben bei immer mehr Menschen, die nicht reich, weiß, gesund, christlich und hetero sind. Die gewalttätigen Übergriffe auf Juden, Muslime, Flüchtlingsheime, Schwule, Obdachlose, Rote, Grüne und Linke nehmen kontinuierlich zu.

Was Putin-Fan CDU-Kretschmer doch vor der DW-Kamera für ein Heuchler ist. Er selbst ist ganz vorn dabei, wenn es darum geht Öl ins Feuer zu gießen und gegen die Grünen zu agitieren.

Putin kann sich auf seine rechtsradikalen Speichellecker in Europa deswegen so gut verlassen, weil auch die Top-Christdemokraten auf Linie sind – namentlich Markus Söder, Manfred Weber, Jens Spahn und Ursula von der Leyen.

[….] Konservative stimmten 340 Mal gemeinsam mit Rechtsradikalen

Ursula von der Leyen zeigt sich offen, in der nächsten Legislaturperiode mit rechten Kräften im EU-Parlament zusammenzuarbeiten. Eine Analyse zeigt: Die Zusammenarbeit der rechten Fraktionen findet längst statt. [….]

(Timo Lehmann, DER SPIEGEL 22/2024)

Union, FW und AfD befördern Xenophobie, Antisemitismus, Homophobie und Transphobie.

Aber es sind alle Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die durch diese Entmoralisierung der gelbschwarzbraunen Wahlkämpfer Auftrieb bekommen. Jeder, der neudeutsch als „divers“ gilt, wird zunehmend bedroht.

Sinti und Roma leiden immer mehr unter Antiziganismus.

[…..]  Über den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul lassen sich viele Dinge sagen, schön sind davon die wenigsten. In einem Spiegel-Bericht aus dem Jahr 1992 zitiert das Magazin den damaligen CDU-Generalsekretär: Wer die „Vergiftung des öffentlichen Klimas durch Roma und Sinti“, nicht erkennen könne, lebe „auf einem anderen Stern“.  [….]

(Konstantin Nowotny, 21. März 2024)

[…..] Mehmet Daimagüler: Der antiziganistische Rassismus wird noch weniger als andere Formen des Rassismus als solcher anerkannt. Die Ursünde des Nachkriegsdeutschland besteht darin, dass es sich nie mit dem Völkermord an den Sinti und Roma auseinandergesetzt hat, sondern vielmehr die Verfolgung von Sintizze und Romnja weiterging. Die Mörder von einst durften ungestraft die Opfer und die Nachkommen als kriminell verunglimpfen. Das Narrativ, dass die Menschen nicht aus rassistischen Gründen in den Lagern gewesen waren, sondern aus kriminalpräventiven Gründen, wurden zum Teil von den Tätern selber über Jahre und Jahrzehnte als Soundtrack immer wieder aufgelegt. Ich erkenne in den Debatten, die wir heute haben unter dem Begriff „Clan-Kriminalität“ ein Echo aus dieser Zeit.

FR: Das wird gerade bei der Regierungsbildung in NRW sicher eine Rolle spielen, wo sich die CDU den „Kampf gegen Clan-Kriminalität“ auf die Fahnen geschrieben hat.

Mehmet Daimagüler: Wer auch immer mit der CDU koaliert, sollte diesen Blödsinn von der „Clan-Kriminalität“ infrage stellen. Das erhoffe ich mir.   […..]

(FR, 23.05.2022)

Je mehr eine ausgrenzende „wir sind besser als die“-Stimmung, befördert von rechts, um sich greift, desto mehr werden auch Menschen mit Behinderungen attackiert.

Offenbar ist aber vielen Menschen Ableismus, die Diskriminierung dieser Menschen aber egal. Ein Aufschrei bleibt aus.

[….] In der Nacht zu Montag gab es offenbar einen rechtsradikalen Angriff auf ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung. Polizei und Staatsschutz ermitteln.

Auch einen Tag danach kann der Geschäftsführer der Lebenshilfe in Mönchengladbach, Özgür Kalkan, immer noch nicht glauben, was passiert ist. Mitarbeitende seines Wohnheims für Menschen mit Behinderung haben am Morgen die Polizei gerufen, als sie neben einer beschädigten Tür einen Ziegelstein mit der Aufschrift "Euthanasie ist die Lösung" fanden.

Die Aufschrift legt nahe, dass Rechtsradikale für den Angriff auf die Lebenshilfe-Einrichtung verantwortlich sein könnten.  Das sogenannte "Euthanasieprogramm", das Adolf Hitler im Jahr 1939 erlassen hat, wurde für Hunderttausende behinderte- und psychisch-kranke Menschen zum Todesurteil.

Erst am vergangenen Pfingstwochenende haben Unbekannte die Geschäftsstelle der Lebenshilfe ebenfalls mit einem Ziegelstein beschädigt. Die ist nur wenige Kilometer vom Wohnheim entfernt.   [….]

(WDR, 28.05.2024)

Ein besonders unrühmliches Bild geben hier die toxisch Gelben in Person ihrer EU-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmerman ab, die dem Bundeskanzler Behinderungen vorwirft.

Stephanie Fuhrmann vom Verein White Unicorn, der sich für ein autistenfreundliches Umfeld einsetzt, klärt auf:

[…..]  Frau Fuhrmann, die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat den Bundeskanzler in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« einen »krassen Rechthaber« mit »autistischen Zügen« genannt. Wie fanden Sie das?

Fuhrmann: Die Aussage von Frau Strack-Zimmermann ist auf mehreren Ebenen ein Riesen-Fauxpas. Ich bin schockiert, dass Autismus immer noch als etwas Negatives wahrgenommen wird. Wir wissen nicht, ob Herr Scholz ein Autist ist. Aber auch wenn er es wäre, warum sollte ein autistischer Bundeskanzler schlechter sein? Ob jemand ein Autist ist oder nicht – das darf doch im politischen Kampf überhaupt keine Rolle spielen. Aber am meisten stört mich, dass es dabei nicht um Inhalte geht.[…..]  Es geht darum, dass ein Politiker automatisch autistisch sein soll, wenn er ein schlechtes Verhalten zeigt. Das Wort »Autismus« dient als Beleidigung für den politischen Gegner. […..] Es macht mich traurig, dass Diversität von unseren führenden Parteien immer noch nicht anerkannt wird. Das ist umso fataler in Zeiten eines Rechtsrucks, der sich gegen Diversität richtet. Wer soll Menschen wie mich noch vertreten, wenn sogar die Parteien, die sich einmal Diversität auf die Fahne geschrieben haben, den Respekt davor verloren haben? […..]

(SPON, 30.05.2024)

Einfach erbärmlich.

Am 09.06.2024 ist Europa-Wahl.

Keine Stimme für FW, AfD, FDP, CSU, BSW und CDU!

Mittwoch, 29. Mai 2024

Schwarzgelbe Voodoo-Finanzvorstellungen.

 Da ich inzwischen zur Generation der alten Säcke gehöre, verachte ich umgekehrt auch entsprechend die GenZ und erst Recht die GenAlpha, die mich als „B00mer“ beschimpfen. Unverschämtheit. Außerdem bin ich GenX.

Jedenfalls sind die Teens und Twens alle komplett verblödet und unselbstständig.

(Das Gute an mir ist, daß ich überhaupt nicht zu Pauschalisierungen neige.)

Nun stolpere ich aber ausgerechnet in diesem vermeidlichen Idioten-Pool immer mal wieder auf wirklich schlaue Mädels und Jungs, die auch noch sympathisch sind und sich für die richtigen Dinge einsetzen. Huch.

In meiner Partei habe ich dieses Jahr schon drei Stück entdeckt.

Da ist zum Beispiel Philipp Türmer (* 1996) seit 2023 Juso-Chef. Der Ökonom und Jurist traut sich dezidiert linke Positionen und kann diese eloquent rüberbringen.

Ich bin ein Riesenfan Lokalpolitikers Olcay Aydik (*1997), der sich aus einer klassischen Arbeiterfamilie stammend als akademischer Überflieger erwies, fünf Sprachen spricht und so sympathisch ist, daß man ihn für die SPD in Hamburg-Hamm nicht nicht wählen kann.

Oder das Lübecker Nordlicht Tim Klüssendorf (*1991), der für die SPD im Bundestag sitzt.

[….] Nach meinem Abitur 2011 an der Ernestinenschule am Koberg und meinem Bundesfreiwilligendienst beim Lübecker Jugendring von 2011 bis 2012 bin ich zum Studium nach Hamburg gependelt. An der Universität Hamburg habe ich zunächst (2012 bis 2015) einen Bachelorabschluss in Volkswirtschaftslehre und anschließend (2015 bis 2018) einen Masterabschluss in Betriebswirtschaftslehre gemacht. Meine inhaltlichen Schwerpunkte im Studium waren vor allem Mikroökonomie, Verhaltensökonomie, Unternehmensführung, Medien und Marketing.  [….]

(Tim Klüssendorf)

Das sind drei wirklich gute Jungs. Wenn man ihnen zuhört, wird einem nur noch schmerzlicher bewußt, wie hanebüchen ahnungslos diejenigen sind, denen von den Deutschen laut Umfragen die größte Wirtschaftskompetenz zugewiesen wird: CDU und FDP.

Dabei scheitert Friedrich Merz immer wieder an simpelsten volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und tölpelt sich durch die Interviews.

(….) Dabei mangelt es Merz nicht nur an wirtschaftspolitischen Instinkt, indem er seit 20 Jahren Dinge grundsätzlich falsch prognostiziert, sondern dem Juristen vom rechten Parteirand fehlen auch die simpelsten volkswirtschaftlichen Grundkenntnisse. Er ist eine Lachnummer.

[……] Der gefühlte Wirtschaftsexperte.  Friedrich Merz wähnt Deutschland und die EU in der "Liquiditätsfalle" - und erntet Widerspruch von Ökonomen.   Rüdiger Bachmann sagt von sich selbst, er sei jemand, den die CDU "im Prinzip" gewinnen könnte. Der Professor für Makroökonomie lehrt derzeit an der katholischen Privatuniversität Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana, die als konservativ gilt. Nur, am Sonntag hat die CDU alles andere als Werbung für sich gemacht. Der Grund? Ein Tweet des angeblichen Wirtschaftsexperten der Partei, Friedrich Merz.  [……] Deutschland und die EU sind mit ihrer Finanzpolitik angekommen, wo sie niemals hätten hinkommen dürfen: in der Liquiditätsfalle", twitterte er am Sonntag. Huch, fragt man sich da, sitzen die Deutschen in der Falle, weil die da in Berlin und Brüssel keine Ahnung haben?  Doch dann rauscht ein Shitstorm durchs Netz. Wirtschaftspolitiker, Ökonomen und Vertreter des Wahlvolkes sind entsetzt von mangelndem Sachverstand oder einfach empört. Er biete Merz "ein kurzes Briefing in Sachen Geldsystem und Staatsfinanzen" an, "sollte nicht länger als ein Jahr dauern, bis wir Sie so fit haben, dass Sie wieder mitreden können", twittert der Ökonom Maurice Höfgen, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag arbeitet. "Ist schon fast lustig, dass der 'Wirtschaftsexperte Merz' keine Ahnung von wirklich grundlegender Ökonomie zu haben scheint", ein anderer. "Die alte Nummer, den Menschen große Angst vor angeblichen Schulden machen", ärgert sich ein Nutzer.  "Ohgottohgott, dieser Mann tritt in meinem Wahlkreis an. @FriedrichMerz, kommen Sie doch mal rüber in die Altstadt, ich leih' Ihnen meinen Bofinger", bietet jemand an. Auf die "Grundzüge der Volkswirtschaftslehre" von Peter Bofinger verweist auch der Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi, er twittert ein Bild des Lehrbuchs. "Ist das die neue Wirtschaftskompetenz?", fragt er. Und, an Merz gerichtet: "Wissen Sie eigentlich, was eine Liquiditätsfalle ist? Sie scheinen da was verwechselt zu haben." - "Oh Lord Keynes!" [……]

(Cerstin Gammelin, 29.04.2021)

Friedrich Merz trägt nicht nur die Last mit sich, daß er sich in ökonomischen Fragen meistens irrt und groteske Fehlprognosen in die Welt setzt, daß er ein erstaunliches Talent an den Tag legt, alle Fettnäpfchen zu treffen und innerparteilich als Serienverlierer dasteht, sondern immer mehr als ewig-gestriger AfD-Opa gegen Schwule und Gendersternchen wettert.

Auch die Merz-typischen grotesken Fehlprognosen vermögen es nicht, seiner angeblichen Wirtschaftskompetenz zu schaden. (….)

(Glück im Unglück – Teil II, 04.03.2022)

Noch schlimmer ist nur der Bundesfinanzminister Lindner, der als privater Serien-Pleitier nun auch in der praktischen Politik zeigt, absolut ahnungslos zu sein und inzwischen die gesamte Zunft der Ökonomen gegen sich aufgebracht hat.

Kein Wirtschaftsweiser, kein Analyst, kein Banker, kein Finanzfachmann, der nicht die Ohren schlackert, ob Lindners radikal bornierter Uneinsichtigkeit.
Selbst die klassischen FDP-Fans unter den Lobbyisten sind nur noch entsetzt von der Debilitätsperformance des Porscheparteichefs.

      [….] Rechnungshof stellt Lindner vernichtendes Urteil aus

19 Prozent Steuern auf einen Kaffee to go mit Milch, nur 7 Prozent auf einen Latte macchiato: Die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer sind oft verworren. Der Bundesrechnungshof macht dem Finanzminister schwere Vorwürfe. [….]

(Serafin Reiber und Christian Reiermann, 28.05.2024)

Zuletzt zeigten breit angelegten Studien in England, Schweden, den USA und Italien einhellig, daß Lindners Austeritätswahn in der Krise nicht nur das Wachstum insgesamt abwürgt und Deutschland zum Schlußlicht der Industriestaaten macht, sondern auch die AfD stärkt. Aber mit der lästigen Realität konfrontiert, schließt Lindner einfach die Augen und hält sich die Ohren zu.

[…..]  Als Heinrich Brüning am 30. März 1930 deutscher Reichskanzler wurde, war die NSDAP noch eine Nischenpartei. Bei der vorausgegangenen Reichstagswahl 1928 hatten die Nationalsozialisten nicht einmal drei Prozent der Stimmen bekommen. Im Sommer setzte Brüning das erste Sparprogramm durch, mitten in einer Wirtschaftskrise. Keine sechs Monate nach Brünings Ernennung, im September 1930, holte die NSDAP gut 18 Prozent, mehr als sechs Millionen Stimmen. Es folgten weitere Sparpakete, die Wirtschaftskrise verschärfte sich. Schon zwei Jahre später war die NSDAP stärkste Partei, im Jahr darauf war die Demokratie am Ende.

In Deutschland lernen Gymnasiasten das in der Schule. Umso erstaunlicher ist, dass die Forschung dazu noch immer neue Erkenntnisse bringt. Und ebenso erstaunlich ist, dass eine naheliegende Frage die aktuelle politische Debatte so wenig prägt: Hilft es auch heute extrem rechten Parteien, wenn Regierungen Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen? […..]  Es stellt sich also die Frage: Ist es gefährlich, in der aktuellen Lage zu sparen? Wägt die Regierung dieses Risiko zumindest ab?

Es gibt eine Szene, die daran zweifeln lässt. In einem Gespräch auf einer Digitalkonferenz fragte kürzlich die Moderatorin den Finanzminister, ob es ihm Sorgen mache, dass Studien einen Zusammenhang zwischen Sparpolitik und dem Erstarken von extrem rechten Parteien zeigten. Lindner antwortet: »An diese Studien glaube ich nicht.«

Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren gleich mehrere Arbeiten erschienen, die zum Ergebnis kommen, dass extrem rechte Parteien profitieren, wenn der Staat spart. Darunter sind eine vergleichende Studie und ein sorgfältig entworfenes Experiment, darunter sind auch Fallstudien zu einzelnen Ländern aus Vergangenheit und Gegenwart. […..]  Mathias Klein hat an einer viel zitierten Studie  über die »politischen Kosten der Austerität« mitgearbeitet. […..]  Ein Forscherteam, dem er angehört, hat mehr als 200 Wahlen in 124 Regionen acht europäischer Länder untersucht: Österreich, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal, Spanien und Schweden. Die Wahlen fanden in den Jahren 1980 bis 2015 statt.


Das Ergebnis ist eindeutig: »Ausgabenkürzungen stärken extreme Parteien«, sagt Klein. […..]  Seine Empfehlungen: Erstens nicht in einer Rezession sparen, sondern im Boom. Zweitens: »Die Extreme profitieren mehr in ärmeren Regionen und auf dem Land, man sollte also darauf achten, wer besonders belastet wird.« […..] 

(SPIEGEL, 25.0.2024)

Aber zurück zur CDU, die mit einer Klage ihrem Schuldenbremse-Fetisch frönte und damit gleichzeitig die Deutsche Ökonomie in den Abgrund stieß.

Seither piesackt sie die Ampel mit immer kostenintensiveren Ausgabenwünschen, will aber gleichzeitig weniger einnehmen (Steuersenkungen) und keinesfalls Schulden aufnehmen.

Voodoo-economics nach dem Beispiel der Schildbürger. Tim Klüssendorf rechnete aus, wie Merzens Mannen allein in den letzten fünf Wochen 90,5 Milliarden Euro Mehrausgaben verlangten.

Tim Klüssendorf (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, die Meinungen in dieser Debatte sind ausgetauscht.

(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Du sprichst jetzt einfach nur zur Erbschaftsteuer!)

– Ich wollte nicht zur Erbschaftsteuer reden, diesmal nicht, Herr Steiniger. – Der Kollege Schrodi hat auf die verfassungsrechtlichen Bedingungen hingewiesen. Ich glaube, wir sind hier gar nicht so weit auseinander. Das muss man jetzt auch nicht künstlich aufbauschen. Es ist nett, dass Sie den Antrag geschrieben haben, aber nötig gewesen wäre er aus meiner Sicht nicht. Was man aber einmal zum Thema machen könnte – jetzt komme ich nicht zur Erbschaftsteuer, sondern zu anderen steuerpolitischen Vorschlägen –, sind die steuerpolitischen Ideen der Union, die sich in eine Reihe von Anträgen einfügen, die wir im Finanzausschuss und auch hier zu beraten haben. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, sie aufzulisten. Ich rede jetzt nicht über die Anträge, die in den letzten zweieinhalb Jahren hier im Plenum von Ihnen eingebracht worden sind, sondern nur über die letzten fünf Wochen.

Ich fange an mit dem Wirtschaftswendepapier vom 10. April 2024, in dem Sie unter anderem auch die Senkung der Steuern für im Unternehmen verbleibende Gewinne fordern: 14 Milliarden Euro. Natürlich fordern Sie auch die Senkung der Stromsteuer auf ein dauerhaft europäisches Minimum: 8 Milliarden Euro. Jetzt sind wir schon bei 22 Milliarden Euro.

(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Das sind keine 8!)

Sie fordern auch die Halbierung der Netzentgelte: 5,5 Milliarden Euro. Dann sind wir schon bei 27,5 Milliarden Euro. Letzter Punkt in dem Papier ist die Begrenzung der Sozialabgaben auf 40 Prozent des Arbeitslohns. Man weiß nicht genau, wie Sie das kompensieren wollen, ob aus Steuergeldern oder durch Leistungskürzungen. Nehmen wir an, Sie wollen das aus Steuergeldern kompensieren, dann sind das nochmal 15 Milliarden Euro. Dann wären wir schon bei 42,5 Milliarden Euro. Natürlich haben Sie sich nicht lumpen lassen und zwei Wochen später noch die echte Wirtschaftswende gefordert, nicht nur eine Wirtschaftswende, sondern die echte Wirtschaftswende. Dort haben Sie final die Streichung des Solidaritätszuschlages vorgesehen: 13 Milliarden Euro. Nun sind wir schon bei 55,5 Milliarden Euro.

Zwei Wochen später wurde das aber noch durch den Bundesparteitag getoppt, auf dem Sie die Senkung der Einkommensteuer, die Tarifverschiebung nach rechts beschlossen haben: 35 Milliarden Euro. Ich weiß nicht, ob jemand mitgerechnet hat: 90,5 Milliarden Euro in fünf Wochen. Was ich jetzt vernachlässigt habe, ist, dass Sie auch die Beschlusslage herbeigeführt haben, dass der Anteil der Länder und Kommunen an den Gemeinschaftssteuern erhöht werden soll. Sprich: Der Bund bekommt weniger, Länder und Kommunen bekommen mehr. Das ist nicht beziffert, deswegen schwierig, zu berechnen. Sie wollen auch mehr Geld für die Bundeswehr ausgeben und eine Stärkung der Sicherheitsbehörden und der Justiz. Ich frage mich eigentlich, wie Sie Steuerpolitik betreiben. Ist das hier Schrotflintenschießen? Ist das „Wünsch dir was“? Gucken Sie sich den Wunschzettel einmal an! Was soll daraus eigentlich werden? Ich weiß nicht, ob Sie die Regierungsfähigkeit hier komplett verloren haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie müssen das Wachstum gegenrechnen!)

Mit dem Kompensationsvorschlag Bürgergeld wird das Ganze nicht zu machen sein. Wenn ich mir allein die Differenz zwischen Hartz IV und Bürgergeld anschaue, dann sind das 5 Milliarden Euro.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Kalkulieren Sie doch mal das Wachstum hoch!)

Davon kann man nicht einmal die Hälfte, noch nicht einmal ein Viertel, noch nicht einmal ein Zehntel dessen bezahlen, was Sie hier vorgeschlagen haben. Die richtigen Ideen wären – deswegen trage ich sie der Vollständigkeit halber einmal kurz vor –, endlich die Schuldenbremse zu reformieren, die uns so sehr bremst,

(Beifall bei der SPD)

die unseren Wohlstand zurückhält, endlich die höchsten Erbschaften und Vermögen ordentlich zu besteuern, wovor Sie sich drücken, und die Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdiener ordentlich zu besteuern. Das stand erst in Ihrem Programm, jetzt steht es nicht mehr drin. Sie waren eigentlich einmal auf dem richtigen Pfad. Jetzt ist nur noch „Wünsch dir was“. Damit wird es nichts. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

(Bundestagsrede Klüssendorf, 16.05.2024)

Recht hat er, der junge Sozi.

Blöderweise sieht aber der Urnenpöbel die SPD gegenwärtig bei 15% und will der Merzschen Gaga-Ökonomie-Partei CDUCSU 32% geben.

Dienstag, 28. Mai 2024

Schwere Zeit für Israel-Freunde.

Die Auswahl der Social-Media-Accounts, der ich folge, ist weder repräsentativ für Deutsche, noch für die Masse der Internetuser.

Ich bemühe mich nach Kräften, auch aus meiner Blase herauszugucken, nicht nur die zu abonnieren, deren Meinung ich teile.

Aber dennoch sind mein Facebook und mein Instagram eher linkslastig, Politik-lastig, USA-lastig und Religions-lastig. Sport, Lifestyle, Klatsch, Autos, Sex, Katzen und Gaming blende ich aus.

Wenn meiner Ansicht nach, sehr bedeutende Weltereignisse vor der Tür stehen – wie zum Beispiel eine US-Präsidentenwahl, bei der Donald Trump kandidiert – bin ich immer enttäuscht, wie sehr die Stellungnahmen dazu auf reine Politik-Influencer beschränkt sind. Die Typen mit Millionen-Reichweite versündigen sich, wenn sie krampfhaft neutral bleiben, um die rechten Konsumenten nicht zu verärgern.

Wenn über 100 Millionen wahlberechtigte US-Amerikaner zu desinteressiert, bzw desinformiert sind, um gegen die antidemokratische Trumpsche Umsturz-Agenda zu stimmen, haben alle Tiktok- und Instagram-Stars nicht nur versagt, sondern durch Unterlassung schwere Schuld auf sich geladen.

Umso erstaunter bin ich dieser Tage beim Scrollen. Seit ich Social Media nutze, habe ich noch nie so eine breite Empörung, wie die über Netanyahus Vorgehen in Gaza erlebt.

Die aus Indien initiierte „All Eyes On Rafah“-Kampagne geht megaviral.

Ich sehe das Titelbild heute auf enorm vielen Accounts, die sich sonst nie politisch äußern. Comedians, Models, Schauspieler, Sportler – offenbar sind weite Teile der Weltöffentlichkeit in Opposition zu denjenigen gegangen, die wie Friedrich Merz oder der CSU-General Huber bedingungslos Bibi Netanyahus Kurs unterstützen.

(…..) Für Merz stellt sich die Situation nämlich ganz simpel dar: Internationales Recht ist völlig irrelevant und soll von Deutschland mit Füßen getrampelt werden, um sich zu 100% hinter Bibi Netanyahu zu stellen, dessen Politik sich gerade als schwerster Schaden für Israel überhaupt herausstellt.

[…..] CDU-Chef Friedrich Merz hat das Vorgehen des Chefanklägers am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegen Israel sowie die Reaktion der Bundesregierung darauf scharf kritisiert. Die gleichzeitige Beantragung von Haftbefehlen gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Führung der radikalislamischen Hamas sei „eine absurde Täter-Opfer-Umkehr“, sagte Merz der „Bild“-Zeitung am Mittwoch. „Aber das Schweigen der Bundesregierung bis hin zur Andeutung des Regierungssprechers, dass Netanjahu auf deutschem Boden verhaftet werden könnte, wird nun wirklich zum Skandal.“

Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte zuvor auf die Frage, ob sich Deutschland an Entscheidungen des Strafgerichtshofs halten werde, geantwortet: „Ja, wir halten uns an Recht und Gesetz.“ Deutschland sei „grundsätzlich“ ein Unterstützter des IStGH.  […..]

(Tagesspiegel, 23.05.2024)

Für den Juristen und ehemaligen Amtsrichter Merz scheint die Vorstellung, sich an Recht und Gesetz zu halten, also nahezu absurd.

Einen Strafgerichtshof anzuerkennen, jazzt der Mann zum „Skandal“ hoch und stellt sich lieber an die Seite des völlig rechtstreuen und gar nicht kriminellen Rechtsradikalen Netanyahu.

So einer darf niemals Kanzler werden!  (…..)

(Merz beweist wieder einmal seine Kanzler-Untauglichkeit, 23.05.2024)

Huber flippte regelrecht aus, als der deutsche Vizekanzler Robert Habeck es wagte, die Einhaltung internationaler Rechtsgrundsätze anzumahnen.

[….]  Der deutsche Vizekanzler hat Israel nach der jüngsten Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs für das Vorgehen im Gazakrieg kritisiert. In der Union ist man außer sich.  

CSU-Generalsekretär Martin Huber hat Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in der Israelfrage scharf kritisiert. Habeck hatte Israel wegen des Gazakriegs einen Bruch des Völkerrechts vorgeworfen. »Die Aussagen von Robert Habeck sind unfassbar und beschämend«, sagte CSU-Mann Huber. Der Vizekanzler gieße »Öl ins Feuer der ohnehin schon antisemitisch aufgeheizten Stimmung in Deutschland«.

Habeck hatte am Samstag in Berlin gesagt: »Selbstverständlich muss Israel sich an das Völkerrecht halten. Und die Hungersnot, das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen sind – wie wir jetzt auch ja gerichtlich sehen – mit dem Völkerrecht nicht vereinbar.« Israel habe Grenzen überschritten – »und das darf es nicht tun«.

CSU-Mann Huber warf Habeck vor, »das Narrativ der Hamas und der Israelhasser« zu bedienen. Die Position des Vizekanzlers grenze an Täter-Opfer-Umkehr. »Er reiht sich damit ein in die antiisraelischen Propagandisten des linken Antisemitismus. Dieser darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben«, so Huber. [….]  Habeck hatte Israel knapp eine Woche nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in einer emotionalen Videobotschaft die »uneingeschränkte Solidarität« Deutschlands zugesichert. »Israel hat alles Recht, sich zu verteidigen. Und wir werden es dabei unterstützen, wo immer es unsere Unterstützung braucht«, sagte er damals. [….]

(SPON, 26.05.2024)

Ob sich die Union einen Gefallen damit tut, derart hysterisch zu reagieren, wenn die Bundesregierung feststellt, das Völkerrecht sei einzuhalten?

Huber und Merz sind völlig auf dem Holzweg; denn gerade die Feinde Israels, also der Iran und die Hamas, wollen erreichen, daß Netanyahu völkerrechtswidrig agiert und damit den internationalen Zorn auf sich zieht. Genau das war der Plan bei der Hamas-Attacke vom 07.10.2023.

Die Freunde Israels hingegen möchten nicht, daß Jerusalem in diese Falle tappt und mahnen daher ganz im Sinne Israels die Einhaltung internationaler rechtlicher Regeln an.

Habeck mahnt deshalb, Israel habe Grenzen überschritten, weil er als Freund der Nation sieht, in welche katastrophale Lage Bibi  sein Volk manövriert.

[….]  Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Israel am Freitag angewiesen, die umstrittene Offensive in Rafah umgehend zu stoppen. Das Gericht ordnete aber keine Waffenruhe für Gaza an. Seine Entscheidungen sind bindend. Allerdings haben die UN-Richter keine Mittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen. […..]

(TS, 28.05.2024)

Huber und Merz stellen sich aber gegen den IGH.

Ein anderer Vizekanzler Deutschlands, der zweifellos ein großer Freund und Unterstützer Israels ist, konstatiert traurig das israelische Versagen.

[….]  Joschka Fischer versteht das humanitäre Anliegen der Pro-Palästina-Demonstranten. Er warnt aber, wer die Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober und damit den Kriegsgrund ausblende, gerate »auf eine schiefe argumentative Bahn«.[….]  Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hält die propalästinensischen Proteste an Hochschulen als politische Indikatoren für sehr ernst zu nehmend. »Israel hat den Krieg der Meinungen um die Legitimation für den Staat Israel, das Recht, sich wehren zu dürfen, schon verloren«, sagte  Fischer dem »Tagesspiegel« (Samstag).

Natürlich sei es legitim, infrage zu stellen, was die israelische Regierung tue. »Aber das Recht, ja die Pflicht eines Staates, sich nach einer barbarischen Tötung von 1200 Bürgern aller Altersgruppen und der Entführung von 200 weiteren Bürgern zu wehren, halte ich für selbstverständlich«, sagte Fischer der Zeitung.

Er könne die humanitären Anliegen hinter den propalästinensischen Protesten an Hochschulen gegen den Krieg in Gaza verstehen, so Fischer. »Aber das kann nicht dazu führen, dass man den Verstand ausschaltet. Und plötzlich auf der Seite der Hamas steht«, sagte er. »Bei allem legitimen Protest gegen diesen Krieg: Man darf nicht vergessen, was die Ursache war, nämlich der 7. Oktober. Wer das ausblendet, gerät auf eine schiefe argumentative Bahn.«

International wächst der Druck auf Israel derweil weiter. Spanien und Irland haben Israel zur sofortigen Beendigung des Militäreinsatzes in Rafah im Süden des Gazastreifens aufgefordert, wie es der Internationale Gerichtshof angeordnet hatte. [….] 

(SPON, 25.05.2024)

Selbstverständlich, alle die besonnenen Stimmen, die versuchen einen kühlen Kopf zu bewahren und gerade aus deutscher Perspektive ungern auf einen jüdischen Staat eindreschen, haben Recht mit ihren gebetsmühlenartig vorgetragenen Argumenten:

·        Die Hamas hat angefangen und genau diese Reaktion am 07.10.2023 provoziert.

·        Die Hamas könnte die Palästinensische Bevölkerung Gazas schützen, indem sie nicht Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde missbrauchen würde.

·        Die Hamas hat es in der Hand den Gaza-Krieg sofort zu beenden, indem sie die Geiseln freilässt und sich ergibt.

·        Israel hat das Recht sich gegen einen so schweren Terrorangriff zu verteidigen.

Das alles stimmt, klingt aber nach acht Monaten Bombardement, einem total zerstörten Landstrich, in dem 1,5 Millionen Menschen leb(t)en, 35.000 Toten und Hungersnot, ziemlich nach Whatabboutism.

Oder auf die simple Formel gebracht: Weil die Hamas verbrecherisch handelt, darf Israel nicht auch immer verbrecherischer handeln.

Die Zerstörungen in Gaza, daß menschliche Leid, haben ein Ausmaß angenommen, welches offenbar alle internationalen Rechtsexperten als nicht mehr zu gerechtfertigten ansehen. Der UN-Generalsekretär, der Internationale Gerichtshof, der amerikanische und der französische Präsident, der UN-Sicherheitsrat, alle Menschenrechtsorganisationen sind nicht kollektiv israelfeindlich oder antisemitisch.

Ich behaupte, Bibi Netanyahu versündigt sich an den Opfern des Holokaust, wenn er Kritik von internationalen humanitären Institutionen als „antisemitisch“ wegwischt.

[….]  Die Bombardierung einer Hamas-Kommandozentrale, bei der nach israelischen Militärangaben zwei Terroristen getötet wurden, hatte zur Folge, dass Dutzende unschuldige Menschen starben.

Israels Premierminister Benjamin Netanyahu spricht von einem tragischen Fehler. Er verschweigt aber, worin der Fehler bestand. Wurde das falsche Ziel ausgewählt? Waren die Geheimdienstinformationen doch nicht so präzise wie das israelische Militär vorgibt? Und wer hat den Fehler begangen? Wer übernimmt die Verantwortung?

Rafah ist ein weiterer Mosaikstein einer katastrophalen Kriegsführung, ein weiterer Beleg, wie wenig durchdacht die israelische Militäroperation war und ist. Und das ist sie, wenn Flüchtlinge, die durch den Krieg ohnehin schon alles verloren haben, zu Schaden kommen.

Ja, Israel wurde am 7. Oktober 2023 brutal, menschenverachtend angegriffen. Diese Terrorattacke hat das Land und seine Menschen tief in der Seele getroffen. Und ja, Israel hat das Recht, sich gegen die Hamas-Terroristen zu verteidigen. Doch dieser Krieg hat diese Rechtfertigung längst hinter sich gelassen.

Aus der Zerschlagung der Hamas wird immer mehr die Zerstörung eines Lebensraumes von zwei Millionen Palästinensern, mit immer mehr zivilen Todesopfern. Verbündeten wie Deutschland oder die USA fällt es zunehmend schwer, an der Seite Israels zu stehen. Und immer mehr Länder erkennen Palästina als Staat an - was Israel unbedingt verhindern wollte.

Israel steht mit dem Rücken zur Wand. Das ist das Ergebnis einer völlig verfehlten Kriegsführung, die zu viele Opfer in Kauf nimmt. Es ist das Ergebnis einer politischen Führung, die auf jegliche Diplomatie verzichtet, und der das eigene Schicksal scheinbar wichtiger ist als das Wohl des Landes. [….] 

(Julio Segador, ARD Tel Aviv, 28.05.2024)

Ich maße mir nicht an die kollektiven Traumata Israels beurteilen oder nachvollziehen zu können. Aber mit der großen Mehrheit der Israelis bin ich mir völlig einig, daß ihr Ministerpräsident nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichtet. Wäre Netanyahu ein Israel-Freund und kein trumpscher Egomane, träte er zum Wohle seines Volkes sofort zurück.

[….]  Es ist schon eine seltsame Erfahrung, Zeuge der Verurteilung des eigenen Landes durch den Internationalen Gerichtshof zu werden. In dem Dreivierteljahrhundert, das seit seiner Gründung vergangen ist, war Israel vielen verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt, aber keiner seiner Bürger hätte je gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem es wegen Völkermordes vor Gericht steht - ein bedenklicher Status, der sonst ausschließlich weithin verhassten tyrannischen Regimen vorbehalten bleibt. [….]  Man braucht sich gar nicht erst die Mühe zu machen, nach einem roten Faden zu suchen, der all diese abstoßenden Ereignisse verbindet: Es gibt keinen umfassenden Plan, nur einen perfekten Sturm aus persönlichen Interessen, Egoismus, Dummheit und Sendungswahn.

Solche Taten sollte man nicht auf die gesamte israelische Öffentlichkeit übertragen, da sie von einer Minderheit begangen werden, die wenig Rückhalt in der Öffentlichkeit genießt. (Laut Umfragen, die seit Beginn des Krieges gemacht wurden, ist die Unterstützung der Israelis für Netanjahu auf etwa zwanzig Prozent gesunken.) Aber diese Minderheit hat nun einmal das Sagen. Und diese Minderheit versucht, die gesamte israelische Bevölkerung ihrer Autorität zu unterwerfen und sie auf einen Pfad der Verwüstung zu führen. [….]  Es mag keine klare Richtung geben, die Entscheidungen mögen irre sein, aber ein Ziel gibt es auf jeden Fall: Premierminister Netanjahu möchte sich davor bewahren, in den drei gegen ihn laufenden Strafverfahren wegen Korruption und eines Vertrauensbruchs verurteilt zu werden. Angesichts dieser drohenden Verurteilung und Gefängnisstrafe scheint es, als seien die Zukunft des Staates, das Leben der israelischen Geiseln im Gazastreifen, die Notwendigkeit, vertriebenen Israelis ihre Häuser an der Nord- und Südgrenze zurückzugeben sowie die internationale Isolation, die aus seinen Entscheidungen resultiert, bei Weitem nicht die Hauptsorgen des Premierministers.  Man achte genau auf das, was Netanjahu sagt. Denn er sagt vieles, hat aber nur ein Ziel: seine eigene Freiheit um jeden Preis zu sichern. Es ist tragisch, dass alle Bewohner der Region seit nunmehr sieben Monaten den Preis dafür zahlen müssen. [….]

(Etgar Keret, 27.05.2024)

Montag, 27. Mai 2024

Operación Botafumeiro

Im katholischen Spanien ist die Welt noch in Ordnung.

Don Benito, das 300 km von Madrid entfernte Idyll, liegt in der Provinz Badajoz in der autonomen Gemeinschaft Extremadura. Die knapp 40.000 Einwohner gehören zum 1189 gegründeten Suffraganbistum Plasencia (dem Erzbischof von Toledo unterstellt).

Diözese Plasencia

Kathedrale von Plasencia

93% der Menschen, die in der Diözese leben, sind Katholiken und engagieren sich in ihren 200 Pfarreien. Zahlen, von denen jeder deutsche Bischof nur träumen kann. Da stört es Ernesto Jesús Brotóns Tena, den Bischof von Plasencia auch nicht, wie eine bekannte Männer-Windelmarke zu heißen.

Don Benitos Don Alfonso Raul M., Priester der Pfarrei San Sebastián, ist bei seinen Schäfchen äußerst beliebt; sie gönnen ihm sein privates schwules Glück. Don Alfonso lebt offen mit seinem Mann zusammen im Pfarrhaus, welches ein wahres „offenes Haus“ ist. Die Benitoer gehen dort ein und aus, weil ihr Hirte stets ein offenes Ohr für sie hat.

[…..]  Seine Beziehung zu einem anderen Mann war bekannt und wurde offenbar akzeptiert, da der Priester in der Gemeinde sehr beliebt war. [….]

(Euronews, 21.02.2024)

Die Beliebtheit Don Alfonsos mag auch damit zusammenhängen, daß er sich nicht nur um das geistliche Wohl seiner Schäfchen kümmerte, sondern sie auch großzügig mit Viagra und Amphetaminen versorgte.

[…..] Bei einer Razzia im Pfarrhaus der Kirchengemeinde und in der Kirche des Priesters in der südspanischen Stadt Don Benito fanden die Ermittler große Mengen an Aphrodisiaka, berichtete die Zeitung "El Mundo" am Dienstag. Der Geistliche soll die potenzsteigernden Mittel an einen großen Kreis von Abnehmern verkauft haben, teilweise im Pfarrhaus. Bei dem Verkauf der Substanzen kam dem vermeintlichen Täter zugute, dass im Pfarrhaus laut Bericht stets ein reger Besucherstrom herrschte. Der Aktion der Polizei vom Montag waren monatelange Ermittlungen gegen einen illegalen Händlerring vorausgegangen, der unter anderem von dem Geistlichen selbst geleitet wurde.

Bei der Razzia im Pfarrhaus wurde laut Zeitungsbericht auch der Lebensgefährte des Pfarrers festgenommen, der an den illegalen Geschäften beteiligt war. Der Priester soll angenommen haben, aufgrund seiner herausgehobenen Stellung in der Pfarrei und der Stadt, vor einer Festnahme durch die Polizei sicher gewesen zu sein, heißt es laut Zeitung aus Polizeikreisen.  [….]

(Katholisch.de, 20.02.2024)

Da können sich die verklemmten deutschen Priester mit ihrem Katholiken-Anteil von 20% in der Gesamtbevölkerung, wirklich ein Beispiel nehmen. Die spanische katholische Kirche zeigt, wie man volksnah und lebensbejahend 93% der Bürger an die RKK bindet!

[….] Die Polizei [….] stellte [….]  zwei Kilogramm Mephedron sicher, eine psychoaktive Substanz aus der Gruppe der Amphetamine, die bei Konsumenten zu einer Steigerung des sexuellen Empfindens führen kann. Außerdem fanden die Einsatzkräfte 3.300 Euro in bar, Präzisionswaagen und mehrere Handys. In den spanischen Medien wird die Polizeiaktion auch als "Operación Botafumeiro" ("Operation Weihrauchfass") bezeichnet. Damit spielen sie auf das 1,60 Meter große und 54 Kilogramm schwere Weihrauchfass an, das in der Kathedrale des Wallfahrtsortes Santiago de Compostela in Nordspanien durch das Gotteshaus geschwungen wird.  […..]

(Katholisch.de, 21.02.2024)

Dank Don Alfonso wurde in Don Benito gerammelt, bis die Wände wackelten.

[….] ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic [….]

(Titanic-Magazin 4/24)