Vor ein paar Tagen versuchte ich bereits, eine Lanze für das Alleinsein zu brechen und den Terror der Zwangstreffen anzuprangern.
(….) Singles wollen eben nicht mehr zurück in den Familienverband gepresst werden, wenn sie einmal die Wonnen der völligen Freiheit genossen haben.
Zu Weihnachten werden die Klischees von Gemeinsamkeit und Großfamilienglück wieder unweigerlich durchgekaut. Da dürfen auch die krokodiltränigen Berichte über die bedauerlichen Leute, die am Heiligabend allein sind, nicht fehlen. Von der ganz hohen moralischen Warte aus, werden wir bedauert.
[….] Wie die stille Nacht nicht einsam wird [….] Weihnachten feierlich mit der Familie, Silvester ausgelassen mit Freunden feiern - soweit das Klischee. Die Realität sieht jedoch für Millionen Menschen anders aus. Sie sind allein. Doch noch ist Zeit, das zu ändern. [….] Wie schwierig Feiertage für einsame Menschen sein können, hat Christian Fein am eigenen Leib erlebt. Der Unternehmensberater hat die bundesweite Initiative "Keinerbleibtallein" gegründet. Diese bringt Menschen zusammen, die Weihnachten und Silvester nicht allein sein möchten. Geboren wurde die Idee aus der eigenen Not heraus: Christian Fein hatte sich 2016 kurz vor Weihnachten von seiner damaligen Frau getrennt und deshalb vor dem Alleinsein an den Feiertagen Respekt. Um nicht in ein Loch zu fallen, suchte er via Twitter Gleichgesinnte, mit denen er Weihnachten virtuell in Kontakt treten konnte. Über die Aktion vernetzte Fein mehrere Tausend Menschen. Dadurch ermutigt, beschloss er, Menschen nicht nur virtuell, sondern auch real zusammenbringen zu wollen - über die Plattform "Keinerbleibtallein". Denn: wirkliche Wertschätzung gebe es nur im echten Leben, ist der 40-Jährige sicher. [….]
(Tagesschau, Sandra Biegger, 21.12.2025)
Fuck you, Biegger! Ich freue mich das ganze Jahr auf die Weihnachtstage, an denen ich ganz in Ruhe gelassen werde, niemand anruft und ich machen kann, was ich will. Da will ich ganz bestimmt keine Leute treffen! (….)
Noch etwas geht mir um diese Jahreszeit gewaltig auf die Nerven; die Flut von Zusammenhalts- und Gemeinschafts-Appellen. Gute Wünsche, die leider auch von verehrten Personen kommen.
[….] In Zeiten, in denen die Welt „mit vielen Krisen und Konflikten komplexer, unübersichtlicher, härter geworden“ sei, appelliert Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher an den Zusammenhalt in der Stadt. „Dieses gute Miteinander ist wichtig in einer Stadt, in der Menschen aus über 180 Nationen leben, die dadurch vielfältig und stark ist, und in der wir uns gemeinsam den großen Aufgaben der Zeit stellen“, sagt der SPD-Politiker in seiner vorab veröffentlichten Weihnachtsbotschaft. […..]
(HH Abla, 25.12.2025)
Besonderes Aufsehen erregte Gila Sahebis neues Buch „Verbinden statt spalten“. Ein guter Titel, da „Spalter“ ein extrem negativ konnotierter Begriff des politischen Populismus‘ ist. Trump, Merz, Söder, die AfD, Le Pen, FPÖ spalten, indem sie Minderheiten ausgrenzen, Schwächere diskriminieren, Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufhetzen, um aus der generierten Wut Vorteile im Wahlkampf zu saugen.
[….] Verbinden statt spalten
Eine Antwort auf die Politik der Polarisierung
Warum uns mehr eint als trennt: In ihrem neuen, hochaktuellen Buch zur Politik der Spaltung und Polarisierung hierzulande räumt die renommierte Journalistin und Autorin Gilda Sahebi mit gängigen Mythen und Fake Facts auf. Wer heute in die deutsche Gesellschaft schaut, könnte denken: Es ist ein Land voller Drama, Gegeneinander und Spaltung. Dass dies so sei, ist eine Erzählung, die politisch generiert und medial verstärkt wird. Gilda Sahebi entlarvt sie als Lüge, als Herrschaftsinstrument autoritärer Kräfte. Das zeigt sie an den einschlägigen Debatten um Sozialleistungen, Migration, Gendern und Wokeness, Krieg und Frieden sowie Corona. Studien zeigen immer wieder: Im eigenen Leben sind Menschen viel öfter zufrieden; sie helfen und unterstützen einander, suchen Verbindung, nicht Hass. Wo geht die Suche nach Verbindung auf der gesellschaftlichen Ebene verloren? Und was kann man tun, um der Erzählung von Spaltung keinen Raum im eigenen Leben zu geben? [….]
Ja, das stimmt alles. Aber ich möchte „Verbinden“ und „Zusammenhalt“ nicht idealisieren. Ich bin sehr froh, mit vielen Menschen in Deutschland gar nicht verbunden zu sein.
Ich will weder irgendetwas mit den 40% AfD-Wählern in Sachsen-Anhalt oder Thüringen zu tun haben, noch mit den HSV-Fans in Hamburg. Ich will mich vom katholischen Männerverein in Tuntenhausen separieren, von jedem CSU-Bierzelt abwenden und Oktoberfest fernhalten. Ich will nicht mit Schützenvereinen, Jägern, Volksmusikanten oder Schlagerparadierenden verbunden sein.
So wie die Lebensverhältnisse in den unterschiedlichen Bundesländern nicht angeglichen sein sollten, weil Heterogenität eine Stärke ist, in der jeder sein bevorzugtes Umfeld finden kann, empfinde ich Separation von Teilen der Gesellschaft als großen Segen. Ob Gröl-Griller auf der Stadtparkwiese, Gläubige bei Katholischen Umzügen oder Rheinische Karnevalisten – sie sollen alle ihren Neigungen nachgehen, aber bitte nicht ihre abstrusen Fetische auf die ganze Gesellschaft übertragen. Ich will damit rein gar nichts zu tun haben.
(….) Etwas mehr als Desinteresse, nämlich echten Ärger, bringe ich für die Rufe nach den „einheitlichen Lebensverhältnissen“, respektive der Klage über „die Mauer in den Köpfen“, den Wunsch nach einem homogenen Deutschland auf.
Das ist ganz großer Blödsinn! Deutschland hat selbstverständlich keine überall gleichen Verhältnisse und ich behaupte, das wäre auch nicht wünschenswert.
Natürlich lebe ich in Hamburg anders als in Wuppertal oder gar in dem Vulkaneifel-Nest Weiler, das Andrea Nahles so liebt.
München ist nicht wie die Lüneburger Heide.
Die Immobilienpreise in Bremerhaven sind völlig anders als in Frankfurt.
Rheinische Frohnaturen und närrisches Treiben findet man nicht in Nordfriesland. Aber dennoch fahren ganze Karawanen Rheinländer Rentner im Sommer nach Cuxhaven in ihre Ferienwohnungen. Die Hamburger Großstadtpflanze begibt sich seit über hundert Jahren zum Strandurlaub nach St. Peter Ording, Hessen zieht es in ihre Ferienidylle auf dem Darß.
Umgekehrt profitieren die Großstädte vom stetigen Touristenstrom aus der Provinz.
Und Überraschung, wer in einem Dorf aufwächst und dort unglücklich ist, kann nach Köln in die Stadt ziehen, genau wie ein von Lärm und hohen Preisen geplagter Berliner sich auf einen Resthof in Niedersachsen zurückziehen mag.
Unterschiedliche Lebensverhältnisse, Idiome, Preise, Kulturen, Vorlieben sind Reichtum Deutschlands und sollen bestehen bleiben. (….)
(Brief zur deutschen Einheit, 03.10.2020)
Wir, die Bürger dieses Landes, mit unterschiedlichen Nationalitäten und verschiedensten kulturellen Hintergründen, müssen einander tolerieren. Wir müssen uns nicht mögen. Wir müssen uns nicht kennenlernen.
Wir müssen noch nicht einmal miteinander sprechen.
Es gibt nur zwei Voraussetzungen: Wir alle haben uns nach dem Grundgesetz zu richten – ohne Extrawürste. Und wir müssen uns an dieselben Fakten halten, weil es keine alternativen Fakten gibt. Die Schwurbel-Blasen, in denen der größte Unsinn zur Realität aufgeblasen wird, gehören zerstört.
In Talkshows, auf der Straße, im Bundestag sollen wir diskutieren und für unsere Überzeugungen kämpfen – auch und gerade gegenüber denjenigen, die wir nicht mögen, mit denen wir nicht verbunden sein wollen.
Aber wir dürfen nicht trotzig auf faktenwidriger Ideologie beharren. Wer Rassismus verbreitet, dem Geozentrismus frönt, die Erde für eine Scheibe hält, vom „great replacement“ orakelt und Impfungen als eine Gates-Verschwörung deklariert, hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und soll keine Plattform bekommen.
Auf einem gemeinsamen Faktengerüst basierend, können wir unterschiedliche Meinungen, Kulturen und Moden besser aushalten.
Die Heterogenität, die Spaltung, die Teilung Deutschlands in so viele Bundesländer, Milieus, Kulturen, Akzente, Bräuche, Moden, hilft jedem einzelnen dabei, zufriedener und toleranter zu sein.
Die große Verbindung, der Zusammenhalt ist eine Illusion, die anzustreben in Frustration mündet.
Spaltung ist Stärke, wenn wir uns unsere Nische suchen und die anderen Nischen nicht belehren.
(….) Und ich liebe Parallelgesellschaften. Zum Glück gibt es sie. Mögen sie weiter blühen und gedeihen, so daß jeder seine Nische findet.
In einer Welt, die auch andere Lebensmodelle wirklich akzeptiert werden, sind Parallelgesellschaften kein Problem. Dort wird Multikulti zu einer echten Bereicherung.
(……) Der Hamburger Steindamm IST zwar eine Parallelgesellschaft, allerdings verstehe ich nicht, wieso Parallelgesellschaften jemand stören.
In den meisten anderen großen Städten in Westeuropa und Amerika ist es ganz normal. In New York gibt es das berühmte „Little Italy“ oder „Chinatown“ und sogar ein deutsches Viertel.
Also für mich geht das völlig OK.
Es gibt ja vielfach in Deutschland reine Schwulenviertel, hier ist es St. Georg, das Uni-Viertel (Rotherbaum, wo nur Studenten sind), das Alternativ-Viertel, wo die Autonomen und Ökos abhängen (Schanze und Karolinenviertel), das Ibero-Viertel vor der Speicherstadt, wo es all die spanischen und portugiesischen Restaurants gibt, Villenviertel in Harvesterhude und dann natürlich reine Rotlichtviertel (Reeperbahn!) etc.
Warum soll es kein Türken- oder Italiener-Viertel geben?
Das Eigenartige ist in Hamburg, daß St Gayorg – dazu gehört auch der Steindamm – ausgerechnet ein Kombi-Viertel für Schwule und Muslims ist.
Die haben alle Toleranz gelernt. Kurioserweise ist MITTEN in der schwulsten Gegend von St Georg überhaupt der katholische Mariendom, in dem unserer neuer Erzbischof Stefan Heße hockt.
Katholiken gibt es da so gut wie keine – nur Moslems und Homos.
Aber irgendwie haben die sich offensichtlich arrangiert. So gut sogar, daß die Gegend jetzt so gut funktioniert, daß die Mieten auch so explodieren, weil jeder dahin ziehen will. (…..)
(Privates Tagebuch, 11.02.2016)
Liebe Gilda Sahebi, wir sollen uns nicht von rechten Agitatoren in Politik und Presse in dem Sinne aufspalten lassen, daß Hass generiert wird, daß falsche Narrative erblühen und faktenfreiem Unsinn gefrönt wird.
Aber privat bin ich äußerst gern von den meisten Mitbürgern abgespalten. Von den AfD-Dörfern in Sachsen, von frommen Zeugen Jehovas, von Glühwein-saufenden dörflichen Bayern und vielen anderen mehr.



Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Feedback an Tammox