Wir, der progressive Part der Politik, manövrieren uns immer wieder in die gleiche Selbsttäuschung. Wir treten mit extrem unpopulären Kandidaten an. Hillary Clinton 2016 in den USA, Jeremy Corbyn 2019 in GB, Thomas Kutschaty in NRW 2022, Thomas Losse-Müller in SH 2022, Nancy Faeser in Hessen 2023, Joe Biden (Harris) 2024, Scholz 2025. Wir glauben aber dennoch an unsere Chance mit diesen Damen und Herren, weil sie kompetenter als die konservativen Gegenparts sind. Schließlich käme es auf die Inhalte an und nicht auf Personen. Wir führen doch keinen Personalwahlkampf und verachten außerdem Personenkulte, wie sie um Söder oder Trump betrieben werden.
Im nächsten Schritt gehen die Umfragewerte für die progressiven Kandidaten in den Keller, weil wir doch nicht „mit Inhalten durchdringen.“ Ein Kandidatenproblem zu haben, können wir natürlich immer noch nicht eingestehen, selbst wenn es offensichtlich ist. Ein Dilemma; denn im letzten Moment noch die Pferde zu satteln, mag der Wähler auch nicht. Er mag auch keine Illoyalität. Wer also den eigenen Kandidaten kritisiert, schmälert automatisch die Chancen der eigenen Partei.
Im nächsten Schritt detektieren wir ein „Kommunikationsproblem“. Wir schaffen es nicht, der Masse „zu vermitteln“, was wir wollen. Daraus folgt als letzter unweigerlicher Schritt der Kette, die verzweifelte Bitte, man möge doch das „kleinere Übel“ wählen. Das können wir inhaltlich tatsächlich sehr gut untermauern, indem wir auflisten, welche enormen charakterlichen und intellektuellen Mängel der rechte Kandidat hat. Daran ist faktisch nicht zu rütteln. Natürlich ist Hillary Clinton einen tausendfach fähigere Politikerin als Donald Trump. Das Argument wurde 2024 sogar noch viel stärker, weil man das ökonomische Desaster und internationale Chaos der ersten Trump-Präsidentschaft, sowie seine erwiesene Kriminalität in die Waagschale werfen konnte. Demnach war alles klar: Trump konnte gar nicht noch einmal als Präsident gewählt werden.
Blöderweise belehrt uns die Realität aber immer wieder eines Schlechteren.
Alles, was wir Progressiven uns im Wahlkampf ausgedacht hatten, zerschellt an der Realität, weil wir den Wähler, der verfassungsrechtlich so hehr als „Souverän“ daherkommt, überschätzen. So weisen wir den rechten Kandidaten beispielsweise gern ihre massiven Lügen nach, beweisen, wie sie sich selbst widersprechen. So einer könne ja nicht gewählt werden, weil doch niemand gern angelogen werde.
Flasch! Das Gegenteil ist der Fall. Donald Trump und Boris Johnson lügen kontinuierlich das Volk an und wurden sogar mehrfach gewählt. Ehrlichkeit zahlt sich nicht aus. Wähler mögen nicht mit der schnöden Realität belästig werden. Das zeigte sich schon vor 35 Jahren, als der (damals noch nicht durchgedrehte) SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine dem Volk reinen Wein zu den Kosten der deutschen Einheit einschenkte! Das wollte niemand hören. Dabei gab es damals noch nicht die Fake-News-Schleuder Internet, die Wähler in ihre kontrafaktischen Braunblasen saugte.
Es erscheint also sinnlos, dem nach AfD-Rechts abgebogenen Fritze Merz nachzuweisen, wie sehr er lügt, wie ahnungslos er in politischen, ökonomischen und sogar sportlichen Angelegenheiten ist.
[….] Wenn Merz in allen Politikfeldern so schlecht informiert ist, wie beim Sport, haben wir ein Problem. Er sagt: Er wolle wieder Siegerurkunden bei Bundesjugendspielen einführen. Die wurden nie abgeschafft! Er sagt: In der F- und E-Jugend soll Tore schießen wieder erlaubt werden. Das war nie verboten! […]
(Maximilian Rieger, 25.01.2025)
Merz ist politisch so hoffnungslos verblödet, daß er gar nicht ahnt, was für ein Unsinn er redet.
[….] Der wirtschaftliche Schaden der von #Merz geforderten #Grenzkontrollen dürfte noch größer sein als der durch die Strafzölle von Donald #Trump auf deutsche Exporte. Die Konsequenzen von Grenzschließungen hat Großbritannien schmerzlich nach dem Brexit erfahren.
Der Versuch von Grenzschließungen würde nicht nur die deutsche Wirtschaft durch Unterbrechungen bei den Lieferketten empfindlich schwächen, sondern auch durch eine Verschärfung des Arbeitskräftemangels, da viele Menschen für ihre Arbeit von und nach Deutschland pendeln. Merz verspricht mit den Grenzschließungen etwas, was kein noch so großer Grenzschutz erfolgreich umsetzen kann, daher würde er unweigerlich sein Versprechen brechen und die Enttäuschung wäre vorprogrammiert. [….]
(Marcel Fratzscher, 26.01.2025)
Die dramatischste Leerstelle liegt aber in Merzens notorischer ökonomischen Unkenntnis. Dazu morgen mehr.
Und schon betreibe ich selbst wieder den Fehler, völlig grundlos zu hoffen, man könne Wahlergebnisse beeinflussen, indem man Fakten auflistet. Wir Progressiven können vielleicht nicht anders.
Dabei ist es so viel banaler: Springer, Burda, Social Media, ÖRR, rechte Influencer, russische Bots und Tech-Bosse vermochten es, der Masse des Urnenpöbels einige Dinge tief ins Fleisch einzubrennen: Scholz ist doof, Habeck an allem schuld, Merz ist ein Genie, Klimawandel ist nicht so schlimm, Atomkraft ist modern und innovativ, Migration ist schlecht, Fleisch muss billig sein, wir können so weiterwurschteln, wie immer.
Diese Bullshit-Pfeiler sind so tief in der deutschen Volksseele verankert, daß wir sie nicht mehr vor dem 23.02.2025 rausbekommen.
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