Daß
da was mit der Pflegeversicherung gewaltig im Argen liegt, ist keine besonders
neue Erkenntnis.
Pflegeeinrichtungen sind personell katastrophal mangelhaft
aufgestellt.
Seit
Jahr und Tag sitzen Menschen wie der „Pflege-Papst“ Claus Fussek in Talkshows und Kommissionen und berichten von der Pflegemafia und den unhaltbaren
Zuständen.
Aber
wir haben eben einen FDP-Minister in der Verantwortung und daher gibt es
natürlich keine Verbesserungen und die Bundesregierung unter Frau Merkel sitzt
das Thema einfach aus.
Eine „Pflegereform“ soll schon seit vielen Jahren
kommen, aber sie ist mal wieder auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2013
verschoben.
Pflegebedürftige
haben für die Bundesregierung aus lauter christlichen Politikern einen enormen
Vorteil - im Gegensatz zu Bankern, der
Pharma- oder Energie-Lobby, sind sie immer still und hocken zu Hause, ohne sich zu beschweren.
Sie
sind im doppelten Sinne zu schwach, um nach Berlin zu fahren und eine Großdemo
vor dem Kanzleramt durchzuführen.
Hilfe
von Merkel kann man also vergessen.
Im
März dieses Jahres war mein Vater für drei Wochen in einer kardiologisch-geriatrischen
Reha im Norden Hamburgs.
Ein CHRISTLICHES Haus, welches von einer Freikirche
betrieben wurde.
Vielleicht
kann sich der ein oder andere Leser vorstellen wie begeistert ich war
ausgerechnet eine KIRCHLICHE Einrichtung zu akzeptieren. Aber es war der
einzige GERIATRISCHE Platz in einer Kardio-Reha.
(Meine Empfehlung: Es ist viel besser reich zu sein und eine private Einrichtung bezahlen zu können. Zumindest sollte man Privatpatient sein.)
Normale Kuren sind für
Menschen mit Pflegeeinstufungen ausgeschlossen, da sie eher einer Vorform der
Olympischen Spiele gleichen. Körperliche Aktivität und Agilität wird
vorausgesetzt.
Nur
dort, wo die Geronten in Vierbettzimmern (!!) verwahrt werden, kann man auf
etwas mehr Personal hoffen.
Aber
wie das eben so ist in Rehas:
Als erstes haben sie meinen Vater unangezogen so
lange in einem eiskalten Raum abgelegt, bis er eine Lungenentzündung hatte.
Die
erste Physiotherapeutin erschien nach fünf Tagen - allerdings nur um zu sagen,
daß sie leider total unterbesetzt wären und Einzeltherapie daher derzeit nicht
möglich sei.
Es gäbe aber zwei Mal in der Woche eine Gruppen-Physiotherapie und
im Übrigen sei jede Art von Bewegung als postoperative Herz-Therapie geeignet.
Er solle doch am besten versuchen Treppen zu gehen.
Eine
tolle Idee.
Wenn mein Vater Treppen gehen könnte, wäre eine Reha nach zwei Herzoperationen
gar nicht nötig gewesen.
Innerhalb
von drei Wochen wurde immerhin willkürlich ca 3 - 4 mal die Blutkoagulation bestimmt.
Wie bei allen Postoperativen, insbesondere die mit Vorhofflimmern- und Flattern,
war eine Blutverdünnungstherapie obligatorisch. Sonst können sich leicht
Thromben bilden, die dann irgendwelche Gefäße verstopfen - so daß es zum Herzinfarkt
oder Schlaganfall kommt.
Allein
eine Millionen Menschen in Deutschland nehmen regelmäßig Marcumar.
Nur
die christlichen Kardiologen der Reha waren damit überfordert und schicken nach
drei Wochen meinen Vater mit katastrophal verdicktem Blut nach Hause.
Ich
erfuhr das allerdings erst durch den Arztbrief bei der Entlassung.
Während der
Reha sah ich, DASS er Warfarin bekommt und war naiverweise davon ausgegangen,
daß die Herren in den weißen Kitteln schon wissen, wie man das dosiert.
Aber
weit gefehlt. Hätte ich das doch geahnt! Denn ich hatte mir längst vorher ein
Coagu-Check-Gerät (Preis: 800 bis 1000 Euro!) auf eigene Kosten angeschafft, da
ich zu Hause ohnehin selbst die Dosierung übernehme.
Die günstigsten
Teststreifen, die man für jede einzelne Messung braucht, kosten € 175,50 für 48 Stück! Da ärgert man sich richtig über jede Messung, die schief geht, weil die
Blutmenge nicht ausreichte, oder sonst ein Fehler auftrat. Hinzu kommen noch je
eine sterile Lanzette pro Messung (100 Stück ca 17 Euro)
Pflegebedürftige
Angehörige sind zeitaufwändig.
Das liegt in der Natur der Sache.
Unverständlich
ist mir aber, daß nach wie vor die Bürokratie nahezu undurchschaubar ist.
(Übrigens
ein Tipp - falls jemand Rat braucht: Man gehe am besten als erstes zu einem
Pflegedienst in der Nachbarschaft, erfrage ob die überhaupt Zeit haben und
lasse die dann schon mal anfangen. Die Pflegedienste selbst wissen am besten,
wie man mit Amtsärzten, Pflegekasse, Krankenkasse und behandelnden Ärzten
konferiert)
Wie
man überhaupt eine Pflegeeinstufung und einen Pflegedient bekommt, ist den
meisten Menschen ein Rätsel. Und die Begutachtung durch den Medizinischen
Dienst kann Erstaunliches hervorbringen.
Eine
Freundin von mir, 90 Jahre alt, bettlägerig, diverse Krebserkrankungen und
einer vollständig abgerissenen Mitralklappe, so daß das Herz nur maximal 20%
leisten konnte wurde genau ZEHN TAGE vor ihrem Tod im November 2011 als
GAR NICHT pflegebedürftig eingeschätzt.
Mein Widerspruch gegen diese
Entscheidung konnte nicht mehr bearbeitet werden, da sie verstorben war, bevor
der Medizinische Dienst erneut einen Termin ansetzen konnte.
Mein
Vater bekam glücklicherweise schon vor Jahren Pflegestufe I bewilligt.
Das
bedeutet, daß ich im Monat die ungeheuerliche Summe von € 235 zur Verfügung
gestellt bekomme. (Just gab es eine Erhöhung. Bis Ende 2011 waren es € 220).
Jetzt
darf jeder mal selbst nachrechnen wie weit man wohl mit € 235 Euro kommt, wenn
man damit zum Beispiel zwei Besuche eines Pflegedienstes am Tag finanzieren
möchte.
Mein
Pflegedienst berechnet pro Besuch eine „Betreuungspauschale“ von 25 Euro, wobei
es die Möglichkeit gibt einen Kurzbesuch (Medikamentengabe ohne Körperpflege)
als ½ zu berechnen (= 12,50 Euro).
Man
kann also dem Pflegedienst beim besten Willen nicht vorwerfen exorbitant teuer
zu sein.
Immerhin bedeutet „1/2 mal Betreuungspauschale“, daß eine examinierte
Pflegerin mit dem Auto kommt, all die Treppen hochsteigt und sich dann um den
Patienten kümmert.
Ein Klempner oder Elektriker würde sich totlachen, wenn man
ihm vorschlüge für 12,50 Euro zu kommen.
Die
Pflegekräfte verdienen hier in der Gegend rund 1000 Euro im Monat.
Die Miete in
einem durchschnittlichen Wohnung in der Hamburger Innenstadt kann aber selbst für
ein Nachkriegshaus mit dünnen Pappwänden an die 20 Euro pro Quadratmeter betragen.
Wenn
eine Altenpflegerin also eine 50 qm-Wohnung bezöge, wäre damit ihr gesamter
Lohn aufgebraucht.
Irgendwas
stimmt da mit der Verhältnismäßigkeit nicht.
Wenn sich Angehörige nicht um einen Pflegefall kümmern können und ihm die
eingangs von mir erwähnten zwei Kurzbesuche täglich vom Pflegedienst bezahlen
wollen, sind das 50 Euro am Tag. Einmal morgens, einmal abends kurz was zu
essen vorsetzen und/oder ein Toilettengang beispielsweise. Eine
Minimalversorgung, wie ich meine.
Das
macht, wenn mich meine Rechenkünste nicht täuschen, rund 1500 Euro im Monat.
Die
Summe steht im krassen Missverhältnis zu dem Pflegesatz von € 235!
Gerade
ist mir der Satz aber um 50% reduziert worden, weil ich logischerweise NICHT
immer den Pflegedienst bezahlen kann. Dadurch wurde aber der alle sechs Monate
fällige „Beratungsbesuch“ versäumt, mit dem nachgewiesen werden soll, daß die
Pflege tatsächlich erbracht wird und nicht ein Angehöriger die üppigen 235 Euro
versäuft.
Eine Maßnahme, die ich sogar verstehe, aber man vergisst natürlich
leicht alle sechs Monate eine erneute offizielle Begutachtung zu beantragen.
Also bekomme ich derzeit nur noch grandiose 117,50 Euro im Monat von der
Pflegekasse.
(Meine
Darstellung ist aus Gründen der Verständlichkeit stark vereinfacht. Man kann
statt Geld - auch „Sachleistungen“ oder „gemischte Formen“ von der Pflegekasse
beantragen. Es gibt ärztliche „Med-Gabe-Verordnungen“, die von den
Krankenkassen und nicht den Pflegekassen bezahlt werden, etc, pp)
Überflüssig
zu erwähnen, daß von allen Pflegerinnen, die ich bisher erlebte maximal 10% Deutsche waren und daß die Betreiberin des Pflegedienstes wie alle ihre
Kolleginnen händeringend nach Personal sucht. Aber mit 1000 Euro im Monat ist man schon im Aufstockerbereich.
Da
kommen Hartz-IV-Bezieher möglicherweise besser weg, weil sie zusätzlich noch
Wohngeld bekommen.
Von
1000 Euro auch noch Miete und Versicherungen zu bezahlen ist zumindest in den
teureren Städten wie Frankfurt, Düsseldorf oder München unmöglich.
Die
Gehälter müßten erheblich aufgestockt werden, um mehr Leute in den Beruf zu
ziehen.
Aber wie sollte ein Pflegedienst das schaffen?
Ich
bin kein Kaufmann, aber wenn ich sehe, daß der Pflegedinest, mit dem ich zusammen
arbeite eine Flotte von sechs Kleinwagen, sowie ein großes Ladengeschäft und
zwei Bürokräfte für den Papierkrieg unterhält, ist es mir ein Rätsel, wie sich
das bei den mickrigen Betreuungspauschalen überhaupt rechnen kann.
Die
Frage ist:
Wo bleibt eigentlich das ganze Geld, das wir für die Pflegeversicherung
ausgeben?
Es
ist ja nicht so, daß wir kein Geld für Gesundheit und Pflege ausgeben!
Aber
offenbar landet es nicht bei den kleinen Pflegediensten oder gar den
Altenpflegern.
Es
gibt aber Patienten, die richtig Geld bringen. Wer dauerhaft beatmet werden
muß, kostet die Pflegekasse zwischen € 7.000 und € 20.000 IM MONAT.
Wer
in der Pflegebranche was verdienen will, muß sich solche Fälle abgreifen.
Und
genau das geschieht auch.
Intensiv-Patienten
mit Vollzeitpflege sind beste Rendite-Objekte und werden den Pflegemultis von
kleineren Diensten, die ihre Patienten schon in den Krankenhäuser „requirieren“
für rund € 50.000 Euro verkauft!
Der Begriff „Pflegemafia“, den Fussek prägte,
scheint ziemlich euphemistisch zu sein.
Nach Informationen des ARD-Politikmagazins REPORT MAINZ werden Intensivpflegepatienten im häuslichen Bereich in einer Preisspanne von 40 bis 60.000 Euro zwischen Pflegediensten gehandelt. In einem verdeckt gedrehten Verkaufsgespräch hat ein Pflegedienst dem Magazin fünf Patienten zum Preis von 250.000 Euro zum Kauf angeboten.Die dazu gehörenden Pflegeteams können auch übernommen werden. Der Inhaber des Dienstes betonte, dass derzeit keiner der zu verkaufenden Patienten „im Sterben“ liege. REPORT MAINZ hat die Recherchen den Gesundheitspolitikern Karl Lauterbach (SPD) und dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), vorgelegt. "Solche Vorgänge waren mir bislang nicht bekannt", sagte Lauterbach im Gespräch mit dem ARD-Politikmagazin. Auch Wolfgang Zöller kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: "Da wird Ethik und Monetik wohl verwechselt.“ Für ihn ist ein solcher Verkauf "unethisch" und "unmoralisch".Die Oberärztin Simone Rosseau von der Berliner Charité sieht durch solche Geschäfte eine große Gefahr für beatmete Intensivpatienten. "In letzter Konsequenz bedeutet das, dass die Patienten nicht die Behandlung bekommen, die sie eigentlich bedürfen, weil sie dann nicht mehr so viel Geld einbringen. Das wäre der Fall, wenn ein Patient nicht von der Beatmung entwöhnt wird", sagte Rosseau gegenüber dem ARD Politikmagazin. Auf Nachfrage, ob Patienten daher teilweise länger krank blieben, als sie müssten, antwortete sie: "Sie werden länger beatmet als sie müssten, oder wenn sie an Patienten denken, bei denen vielleicht ein Sterbeprozess begonnen hat, die in ihrer letzten Lebensphase sind, kann auch heißen, am Leben halten um jeden Preis, weil ein Beatmungspatient Geld bringen muss". Zahlen darüber, wie viele Intensivpflegepatienten/Beatmungspatienten es im häuslichen Bereich gibt, liegen den Krankenkassen nicht vor, erklärt der GKV Spitzenverband auf REPORT MAINZ Nachfrage.