Es fällt mir schon schwer, mich in das Christian-Lindner-Mindset reinzudenken. Dieses völlig grundlose Selbstbewußtsein. Diese kontrafaktische Überzeugung von der eigenen Kompetenz. Dieser fahrlässige ökonomische Gottkomplex. Die aberwitzige Idee, ohne jede Erfahrung in einem Regierungsamt, ohne jemals auch nur Landrat oder kommunaler Kämmerer gewesen zu sein, Finanzminister der fünftgrößten Ökonomie der Welt sein zu können. Diese ungeheuerliche Anmaßung, sich als Unternehmensexperte zu begreifen, wenn die eigene Erfahrung des diametrale Gegenteil lehrt: Zwei Lindnerische Unternehmensgründungen, die er mit sicherem Griff ins Klo binnen kürzester Zeit in den finanziellen Orkus steuerte und Millionenschulden dem Steuerzahler aufbürdete. Dieser offenkundige Wahnsinn, sich vor einem Mob aus wütenden Bauern, als einer der ihren zu inszenieren, weil seine Frau einmal auf einem Pferd ritt.
Normal ist das sicher nicht. Lindner, der schon mit 18 und Kuhkrawatte loszog, um Firmeninhaber zu beraten, fühlt sich ganz offenkundig zum Chef geboren. Der Psychologe Jürgen Hesse erläutert:
[….] SPIEGEL: Herr Hesse, für Sie sind Chefs Narzissten. Egomanen. Tyrannische Sadisten. Abgedrehte Neurotiker. Rechthaberische Dauernörgler, kommunikationsgestörte Despoten, notorische Miesepeter mit Kontrollzwang und Verfolgungswahn. Sind wir wirklich von Irren umgeben?
Hesse: Salopp gesagt: Mindestens die Hälfte ist leicht irre, es gibt aber auch schwere Fälle. Ein großer Teil der mit Personalverantwortung betrauten Menschen ist dafür schlicht nicht geeignet. Rund 44 Prozent der Arbeitnehmenden haben Angst, Probleme mit dem Chef oder der Chefin zu besprechen. Schon das spricht Bände.
SPIEGEL: Ist das ein strukturelles, ein moralisches oder gar ein medizinisches Problem?
Hesse: Alles drei. In den ganz schlimmen Fällen, wenn es ins Psychisch-Pathologische geht, auch medizinisch. Aber vor allem ist es ein gesellschaftliches Problem, dass Leute, die Macht über andere bekommen, glauben: Das sind jetzt meine Untergebenen, also haben die zu parieren. [….]
Dieser finanziell und ökonomisch stets nur gescheiterte Porsche-Boy, beharrt als Finanzminister auch noch auf einer, in jedem Land, zu jeder Zeit, gescheiterten Finanzpolitik der Wachstumsbremse.
(…..) In ihrem Wahn, Deutschland (und damit auch Rot/Grün) schwer zu schaden, trommeln CDU, CSU und FDP wie besessen für eine deutsche Wachstumsbremse.
Merz ist dabei nur dumm und unpatriotisch, verfolgt aber das parteipolitisch erklärbare Ziel, mit einem möglichst starken ökonomischen Niedergang Deutschlands, den Kanzler so unbeliebt zu machen, daß seine CDU möglichst bald wieder selbst den Kanzler stellt.
Möglicherweise ist der ausländerfeindliche AfD-Fan damit tatsächlich erfolgreich und kann sich zum nächsten Regierungschef aufschwingen. Aber es wäre ein sehr kurzfristiger Sieg, da sich durch jetzt blockierte Lösung, Probleme in der Zukunft nur vergrößern.
Lindner ist wie sein fliegender Hochzeitsfreund ebenfalls dumm und unpatriotisch; dazu aber auch noch parteitaktisch verwirrt. Der private und politische Mega-Pleitier Lindner vergisst nämlich bei seiner Fundamentaloppositionsarbeit, daß er Teil der Regierung ist und bei einer Implosion der Ampel kaum als strahlender Sieger daraus hervorgehen wird, sondern eher in der Apo landet, während Merz eine Kanzler-Kooperation mit Weidel eingeht. Lindners einzige Machtoption ist es, zum Gelingen der Ampel und zur erfolgreichen Reform Deutschlands beizutragen. Unglücklicherweise ist er zu borniert und zu arrogant, um das zu begreifen; blockiert lieber beides.
[….] Immer heißt es, der Staat dürfe künftigen Generationen keinen Berg an offenen Krediten hinterlassen. Doch, darf er. Besser jedenfalls als kaputte Brücken, marode Schulen und lahmes Internet.
Disziplin gilt als Tugend, schon klar. Wer sich selbst und andere mäßigt, zur Ordnung ruft, bisweilen gar kasteit, der gilt als beherrscht, vernünftig, sparsam. So einem Menschen kann man sein Geld anvertrauen. Oder gar einen ganzen Bundeshaushalt.
Christian Lindner eifert dieser Tugend nach wie kein Zweiter. Eine restriktive Haushaltsplanung geht für ihn über alles, die Schuldenbremse scheint ein Wert an sich zu sein. Sie wieder und wieder auszusetzen, empfände er nach eigenen Worten als "finanzpolitische Kapitulation". Für 2024 erneut eine Notlage auszurufen, zum dann schon fünften Mal in Folge, kommt für ihn nicht infrage. Er will die Schuldenbremse endlich wieder einhalten. Doch das wäre ein großer Fehler.
In diesem Fall würde wirklich eine Kapitulation drohen, und zwar eine wirtschaftspolitische. Die deutsche Wirtschaft läuft Gefahr zu schrumpfen, auch als Folge von zwei Kriegen, die Energiekosten sind und bleiben hoch, die Klimakrise zwingt die Regierung zum überfälligen Umbau des Landes hin zu Klimaneutralität. Da spart man nicht. Man investiert.
Deutschland kann sich das leisten: Die Schuldenquote des Staates betrug im vergangenen Jahr 66,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; geringer war sie in keinem Land der G7. […..]
(Vivien Timmler, SZ, 29.11.2023)
Möglicherweise versteht Lindner wirklich rein gar nichts von Volkswirtschaft und hält sich wegen seiner ideologischen Erstarrung an gescheiterten Konzepten der 1990er fest. Möglicherweise führt er aber auch Deutschland sehenden Auges ins Verderben, weil er weiß wie populär die Schuldenbremse beim verblödeten Urnenpöbel ist. (….)
Das Ende der „Schuldenbremse“ wird von Rot, Grün und Links schon lange gefordert. Die ihm innewohnende Destruktivität und parteipolitische Brille, lässt Lindner wie einen wütenden Stier auf so ein Ansinnen losrennen. Was Kühnert oder Mützenich oder Habeck vertreten, hält der Finanzminister prinzipiell für falsch; ganz egal worum es sich konkret handelt.
Da Lindner sich schon mit 18 Jahren in ein Paralleluniversum mit Lindnerischen Alternativ-Fakten verabschiedete, ignoriert er finanzpolitische Stellungnahmen von Menschen, die im Gegensatz zu ihm Experten sind.
[….] Zweifel an der Schuldenbremse wachsen
Verteidigung, Klimaschutz, Infrastruktur: Politik und Experten sehen großen Investitionsbedarf in Deutschland. Doch nicht nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts weckt Zweifel, ob das mit der Schuldenbremse geht. Die Kritik an der Regelung nimmt zu. [….] Als „zukunftsfeindlich“ bezeichnete der Ökonom Peter Bofinger von der Universität Würzburg die Schuldenbremse. Man könne sehen, wie die Bremse „in unsere Zukunftsgestaltung einschneidet“. Als Beispiele nannte Bofinger notwendige Investitionen in Bahnmodernisierung, Gebäudesanierung und Halbleiterfabriken. Die Ausnahmeregel von der Schuldenbremse könne man wohl nur bei konkreten Krisen ziehen, nicht bei längerfristigen Entwicklungen wie dem Klimawandel.
Jens Südekum, Ökonomie-Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, sagte: Durch das Urteil aus Karlsruhe sei die „Schuldenbremse maximal scharf gestellt“. Es werde jetzt die Frage sein, „ob sie der Realität überhaupt standhält“.
Der Forscher stellte die Frage, ob diese Schuldenbremse „einfach nicht mehr in diese Zeit passt, wo wir diese riesigen Herausforderungen vor uns haben, gerade im investiven Bereich“. Deutschland sei zudem „nie exzessiv verschuldet“ gewesen, sagte Südekum. Die Schuldenquote sei im internationalen Vergleich „sehr niedrig“. Die Verschuldung in den USA, Großbritannien und anderen Staaten sei wesentlich höher. [….]
Es ist doch offensichtlich; Deutschland hat einen vergleichsweise niedrigen Schuldenstand und schrumpft als einzige der großen Volkswirtschaften, weil die Investitionen ausbleiben.
Lindner ist das größte Risiko für den Standort Deutschlands.
[….] Lindner macht Haushaltspolitik gegen alle Lehrbücher
[….] Es wird wieder einmal einsam um Christian Lindner, jetzt, da auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sich für eine Lockerung der Schuldenbremse ausgesprochen hat. Die Kehrtwende der sogenannten Wirtschaftsweisen ist durchaus bemerkenswert, denn das Professorengremium hatte lange zu den emsigsten Verteidigern der im Grundgesetz verankerten Kreditobergrenze gehört. Dass man nun einer Reform das Wort redet, war nicht unbedingt zu erwarten. Der Druck auf den Bundesfinanzminister, aber auch auf die Union, ihre Nibelungentreue zu einer allgemein als unzulänglich erachteten Regel aufzugeben, wächst damit weiter. [….] Die geltende Regel ist angesichts der massiven Herausforderungen zu starr, zu dogmatisch, zu kleinkariert. Allein der klimagerechte Umbau des Landes bis 2045 wird einen Billionenbetrag kosten. Zugleich müssen Schulen saniert, die Forschung ausgebaut, Glasfaserkabel bis in die hintersten Winkel der Republik verlegt sowie das Mobilfunk- und das Schienennetz, Straßen und Brücken, Streitkräfte und Waffenarsenal technologisch auf Stand gebracht werden. Andernfalls riskiert Deutschland seinen Wohlstand und seine Sicherheit. [….] Wer die Schuldenbremse lockern will, muss in dieser Frage unverdächtig sein. Mützenich und seine Getreuen darf Lindner deshalb getrost ignorieren. Den Sachverständigenrat aber nicht. [….]
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