Das kann doch gar nicht sein; ein Haufen rechtsradikaler, zu großen Teilen krimineller Abgeordneter, die auf Gaga-Themen herumreiten, ist seit Monaten der großen Demoskopiesieger.
Insa meldet heute den neuesten Rekord – wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, bekäme die faschistische AfD 20,5%.
Bevor man sich auch nur halbwegs von dem Sonneberg-Wahlschock erholt hat, gleich der nächste Einschlag.
53% der Südthüringischen Wähler laufen den braunen Sarumans hinterher.
Und fast noch schlimmer, obwohl ganz Deutschland auf die Landratswahl guckte, können sich 40% der Wahlberechtigten nicht aufraffen, überhaupt zu wählen, weil es ihnen schlicht egal ist, ob sie von einem Nazi regiert werden.
Das eigene Nervenkostüm ist zu dünn geworden, um sich adäquat und rational mit all den Gruselmeldungen zu beschäftigen, die auf einen einprasseln.
[…..] Auch früher traten gelegentlich überraschende Krisen auf. Aber sie blieben vergleichsweise isolierte Ereignisse. Danach kehrte die Normalität zurück. Diesmal ist das anders. Pandemie, Krieg, Inflation […..], Energie- und Klimakrise. Es geht Schlag auf Schlag. An diesem Wochenende hielt die Welt den Atem an, weil sich in der Krieg führenden Atommacht Russland ein Bürgerkrieg ankündigte, der die nächste folgenschwere Wendung im Ukraine-Drama schien. Was kommt als Nächstes? Wir sind eine Gesellschaft im Ausnahmezustand, seit 2020 schon. Das lastet auf den Seelen – und auf der Stimmung von Investoren und Konsumenten. […..] Eine Krise nährt die nächste. Vor uns türmt sich eine lange, dunkle Wolkenwand auf. Wann wieder so etwas wie Normalität eintritt und wie diese Normalität dann aussehen wird, ist bislang unklar. [….]
Aber was soll man tun, wenn man nicht doof genug ist, um vor allem die Augen zu verschließen? Der ARD-Nachrichtenmoderator Constantin Schreiber schlitterte in eine persönliche News-Fatigue-Krise, aus der er sich durch sehr bewußte und gesunde Lebensführung (heile Familie, Sport, Musik) herausmanövrierte.
[….] Denken Sie an die letzten Jahre: Corona, Krieg, Inflation, Energiekrise, Erdbeben. In der 20-Uhr-Sendung am 26. Februar 2022 wurde es mir zu viel. Ein Beitrag über weinende Frauen und Kinder, die aus der Ukraine flohen, machte mich fix und fertig. Gleichzeitig merkte ich, dass ich die Nachrichten vortrug und selbst weghörte, dass die dauernden Katastrophenmeldungen etwas mit mir machten. Eine seltsame Mischung aus Betroffenheit und emotionaler Abstumpfung, wahrscheinlich eine Abwehrreaktion, um die schlechten Nachrichten emotional auf Distanz zu halten. Was ich damals nicht wusste, es gibt einen Begriff dafür: News Fatigue. Damals begann ich, mein Leben neu auszurichten. [….] Weniger Medienkonsum, mehr Dinge, die mich glücklich machen. Ich habe eine Liste erstellt. Das allein macht schon gute Laune. Erst lief es spielerisch ab, inzwischen ist es zu einer Strategie geworden. Viele Menschen richten sich in der Unzufriedenheit ein, akzeptieren sie als Teil ihrer Identität, aber man muss das Glück wollen und bereit sein, Dinge zu verändern, dann kommt es auch. [….] Ich habe wieder mit dem Klavierspielen angefangen. Als Junge habe ich ordentlich gespielt, danach 28 Jahre lang überhaupt nicht, und auf einmal saß ich vor dem E-Piano meiner Tochter und versuchte, Mozarts „Rondo alla Turca“ aus dem Gedächtnis zu spielen. […..]
(Constantin Schreiber, SZ, 14.04.2023)
Leider kann ich nicht Mozarts „Rondo alla Turca“ aus dem Gedächtnis spielen.
So bleibt mir nur das ewige kleine und große Pinball-Spiel; also dem kontinuierlichen Stress, den man dabei empfindet, wenn man chaotische hüpfende Bällchen vor dem Absturz bewahren muss.
[…..] Die anhaltend hohen Notierungen unseres DoCMA-Unsicherheitsindikators zeigen an, dass wir in einem Umfeld leben, das nicht zur Ruhe kommt. Seit dem Mega-Schock der Coronapandemie geht es unerhört weiter: Inflation, Ukrainekrieg, drastische Zinserhöhungen, schwelende Finanzkrise, Zuspitzung der geopolitischen Lage, eine innerlich zerrissene Regierungskoalition. […..]
Letztlich jedoch ist es die Summe diverser Unsicherheitsfaktoren, die unseren Indikator insgesamt auf hohem Niveau hält. Das unterscheidet die derzeitige Phase maßgeblich von früheren Schocks. Das Brexit-Referendum beispielsweise spielte sich vor allem im Faktor »EU-Konflikte« ab. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten stiftete Unsicherheit in den internationalen Beziehungen, blieb aber in ihren sonstigen Auswirkungen begrenzt. Seit Corona jedoch beobachten wir einen Pinball-Effekt, bei dem krisenhafte Ungewissheit wie beim Flipperautomaten von einem Feld zum anderen springt. Lässt sich diese negative Dynamik stoppen? [….]
Neben dem großen – internationalen – Pinball-Effekt, gibt es leider auch noch den Kleinen. Es ist purer Stress, dabei zusehen zu müssen, wie deutsche Parteipolitiker kontinuierlich die Situation verschlimmern, weil sie wie die FDP von Großindustrielobby-Interessen geleitet, Deutschlands Zukunft ruinieren.
Oder weil sie, wie die CDU, unfähig und unwillig sind, irgendetwas aus ihren Fehlern zu lernen, sondern immer weiter auf eine Stärkung der AfD und eine kommenden AfD-CDU-Koalition hinarbeiten.
[…..] Merz kündigt schärferen Kurs gegen Grüne an
Friedrich Merz zieht aus dem AfD-Triumph in Sonneberg Konsequenzen. Nach Ansicht des CDU-Chefs sind härtere Angriffe gegen die Grünen angezeigt. In Thüringen gratulierte die Junge Union derweil zum AfD-Wahlsieg. […..]
Und drücke ich die Flipper-Knöpfe immer schneller, immer hektischer.
[….] Deshalb hat Sonneberg das Potenzial, Schaden anzurichten weit über den Landkreis hinaus. Es kündigt sich eine Normalisierung an im Umgang mit der mehr und mehr rechtsextremen Partei. Eine Normalisierung wäre ein abschüssiger Weg hin zu gemeinsamen Beschlüssen von AfD und CDU - oder anderen Parteien - in Landtagen, zur Tolerierung einer Landesregierung durch die AfD, schließlich zu einem Regierungsbündnis. Es wäre ein Triumphzug der AfD, der in Sonneberg seinen Ausgangspunkt nahm. […]
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