Samstag, 31. Dezember 2022

Ausgeratzt  

Joseph Ratzinger gibt mit 95 Jahren endgültig den Löffel ab und die Deutschen feiern. Noch nie gaben sie so viel Geld für Böller aus wie heute, um die bösen Geister zu vertreiben. Paaaarty!

„Schmerzerfüllt muss ich mitteilen, dass Benedikt XVI., Papst Emeritus, heute um 9.34 Uhr im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan verstorben ist“, sagte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni.

Die Nachrufe, gerade aus höchsten katholischen Kreisen sind lange vorbereitet und genauso wenig überraschend, wie beschönigend bis falsch.

Bischöfe, Kardinäle und Regierungen loben Ratzingers Intelligenz und seinen großen wissenschaftlichen Geist. Es darf aber bezweifelt werden, ob Markus Söder und Ilse Aigner all die Ratzinger-Werke gelesen zu haben, um das beurteilen zu können. Sicher ist hingegen: der Theologe Ratzinger war ein Schummler, der wie wir es noch im Februar 2022 in Bezug auf seine Tätigkeit als Münchner Erzbischof erlebten, lügt, um besser dazustehen.

  Intensiv strickt der Pontifex auch an seinem Renommee als Spitzenwissenschaftler, der als hochseriöser Theologe auch ohne das geistliche Amt Weltgeltung errungen hätte.   Nun ja, auch wenn seine professionellen Claqueure von Focus und BILD, wenn seine persönlichen Liebesdiener Paul Badde, Alexander Kissler und Matthias Matussek diese Saga immer wieder drucken - stimmen muß das nicht.
Angeblich soll seine erheblich begabtere Kommilitonin Uta Ranke-Heinemann ihm während des Studiums mit Altgriechisch und Hebräisch geholfen haben, weil das in die zukünftige Papstbirne einfach nicht hineinging.
Der Papst-Biograph Alan Posener („Benedikts Kreuzzug. Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft“ Ullstein Verlag, Berlin 2009, ISBN 3550087934, Gebunden, 268 Seiten, 18,00 EUR) hält Benedikt für wissenschaftlich unseriös. Ratzinger ist alles anderes als wissenschaftlich korrekt, er fälscht Zitate und presst sich bei seinem großen Thema „Vernunft und Glaube“ Immanuel Kant auch mal so hin, wie es ihm gerade passt.
Offenbar kommt aber kaum einer der bei Papst-Vorträgen andächtig Lauschenden überhaupt auf die Idee mal Zitate nachzuschlagen und auf Korrektheit zu überprüfen.
Einen Haufen Lügen verbreitet der Papst auch zu den zahlreichen Missbrauchsgeschichten; so will er vom Fall Murphy nichts gewußt haben, obwohl er seit Jahrzehnten mit dem Fall beschäftigt ist und auch vor der Kamera von Journalisten darauf angesprochen wurde.

(Unehrlichkeit währt lange. 20.12.2010)

Ratzinger ist ein Lügner und ein unseriöser Theologe. Nun ist er auch noch eine Witzfigur, der sein 1972er Plädoyer für die Kommunion von Geschiedenen einfach nachträglich fälscht, statt zuzugeben, seine Meinung geändert zu haben

Ja, die Ehe bleibe grundsätzlich unauflöslich, schreibt der Theologe. Wenn aber "eine zweite Ehe über eine längere Zeit hin" sich "als sittliche Größe bewährt" habe und "im Geist des Glaubens gelebt" worden sei, wenn es in der neuen Beziehung "moralische Verpflichtungen" gegenüber Kindern und Ehefrau gebe, dann scheine "die Eröffnung der Kommuniongemeinschaft nach einer Zeit der Bewährung nicht weniger als gerecht und voll auf der Linie der kirchlichen Überlieferung zu sein". Ganz schön mutig, dieser Joseph Ratzinger aus Regensburg. 1972 jedenfalls, als er diesen Aufsatz schrieb.

Jetzt kann man den Beitrag wieder lesen. Gerade ist Band vier der gesammelten Werke jenes Professors erschienen, der Erzbischof, Präfekt der Glaubenskongregation und schließlich Papst Benedikt XVI. wurde. Der Aufsatz beginnt auf Seite 600 - und ist völlig anders als 1972. Der emeritierte Papst hat den Schluss überarbeitet, er hat ihn ins Gegenteil verkehrt, obwohl die Argumente zuvor die gleichen geblieben sind.

Der Satz über den Kommunionempfang von Geschiedenen, die wieder heiraten, fehlt. Stattdessen empfiehlt Benedikt, dass die Kirche das Ehenichtigkeitsverfahren ausbaut - das könnte feststellen, dass eine Ehe wegen psychischer Unreife von Anfang an ungültig war, einer zweiten Heirat stünde dann nichts im Weg. Auch ohne dieses Verfahren sollten Geschiedene in kirchlichen Gremien aktiv und Pate werden können.   [….]

(Matthias Drobinski, 17.11.14)

Niemand wird das Narrativ des Spitzenwissenschaftlern antasten.

Erstaunlicher ist aber das zweite große Verklärungsstandbein der Ratzi-Fans, die ihn heute allesamt als „demütig“ und/oder „bescheiden“ darstellen.

[….] weiser Pontifex mit einer bescheiden-demütigen Menschlichkeit [….]

Kardinal Kurt Koch

[….] als bescheidenen Seelsorger in dankbarer Erinnerung [….]

Markus Söder


[….] die bescheidene und demütige Art des verstorbenen emeritierten Papstes  [….]

DBK-Chef Bätzing

 


[…] persönlich uneitel, sanft und bescheiden [….]

Winfried Kretschman

[….] Dabei blieb er stets bescheiden [….]

Reinhard Kardinal Marx


Nun ist „bescheiden“ eins dieser sinnentfremdeten Dekorationsadjektive, die vom mangelnden Sprachgefühl des Redners zeugen.  


De mortuis nil nisi bene, schön und gut, aber ausgerechnet im Zusammenhang mit Joseph Ratzinger, dessen Bescheidenheit zu betonen, ist tolldreist. Der güldene Papst, der im radikalen Gegensatz zu seinen Vorgängern Luciani und Woytila, aber auch zu seinem Nachfolger Bergoglio, Prunk- und Protz-verliebt war, dem es nie genug Gold und Edelsteine sein konnten, der die Hermelin-Mozzetta und Hermelin-Camauro ausgrub, rote Prada-Slipper trug, weil er nur das Teuerste vom Teuersten mochte.



(….) Ein Rücktritt ist sehr unüblich, da man damit dem HeiGei den Stinkefinger zeigt und ihn bezichtigt, falsch ausgewählt zu haben. Für besonders arbeitsscheue Typen wie den perfiden Bayern, der schon als Erzbischof Pädophile auf Kinder losließ, wäre aber dennoch eine Ausnahme möglich. WENN er das heilige Papstamt schützt. Das erfordert die Rückgabe seine heiligen Insignien, Titel und Roben. Er müsste sich zum einfachen Priester zurückschrumpfen, sich als „Hochwürden“ anreden lassen und zudem wieder schwarze Kittel tragen.

Zu so viel Altruismus ist der Ex-Panzerkardinal aber nicht fähig; also beharrt er darauf weiterhin, die dem Papst vorbehaltenen weißen Nachthemden zu tragen, mit „Eure Heiligkeit“ angesprochen zu werden und, um seinen Nachfolger ganz besonders zu piesacken, auch noch genau vor seiner Nase wohnen zu bleiben.

Damit untergräbt Benedikt jede Minute seines Daseins die Autorität Bergoglios, der eigentlich davon leben müsste, über eben gerade nicht untergrabbare heilige Autorität zu verfügen.

Kein Wunder, daß die Kurie endgültig in Fraktionen zerfallen ist und die nazifreundlichen Schwurbelkurialen wie Müller, Burke oder Viganò dem armen  Franziskus andauernd in den Arsch treten. (….)

(Die Papst-Plage, 12.07.2022)

De mortuis nil nisi bene; das fällt bei Ratzinger schwer. Denn er ist ein Verbrecher, der persönlich 20 Jahre lang dafür sorgte, daß die Myriaden von katholischen Geistlichen sexuell missbrauchten Kinder, oder die Hundertausenden von Geistlichen (wie seinem Bruder Georg Ratzinger) sadistisch verprügelten Kinder, zum Schweigen gebracht wurden und die Täter geschützt wurden.

(….) Der Holocaustleugner-freundliche Schwulenhasser, der Frauen partout nicht die gleichen Rechte geben will, Päderasten beschützt, der in Afrika erklärte „Kondome verschlimmern das AIDS-Problem“ und damit tausendfach Tod brachte und wieder die Karfreitagsfürbitte gegen die Juden einführte, hat keine Dankbarkeit verdient!

Derjenige, der TATSÄCHLICH für das Fortführen des myriadenfachen Kindesmissbrauchs verantwortlich war, nämlich jener Mann, der ein Vierteljahrhundert als oberster Glaubenswächter wirkte, aktiv alle Kinderfic**rfälle an sich zog, strengstes Schweigen befahl und die Bischöfe anwies die Päderasten in ihren Reihen gewähren zu lassen, zweifelt kein bißchen an seiner Rolle. 

Aus Gründen absoluter Geheimhaltung zog in der Tat die verschwiegene vatikanische Glaubenskongregation alle wichtigen Fälle von Sexualvergehen von Klerikern an sich und so kamen die Fälle in den Jahren 1981 bis 2005 auf den Tisch ihres Präfekten Kardinal Ratzinger. Dieser sandte noch am 18. Mai 2001 ein feierliches Schreiben über die schweren Vergehen ("Epistula de delictis gravioribus") an alle Bischöfe der Welt, in welchem die Missbrauchsfälle unter die "päpstliche Geheimhaltung" ("secretum Pontificium") gestellt wurden, deren Verletzung unter Kirchenstrafe steht.
(
Küng)

 

Reue Fehlanzeige.

 

Bei Benedikt geht es […] um Folgendes: Er war verantwortlich als Chef der Glaubenskongregation für die Fälle von Missbrauch in der Kirche. Also, er war für deren Aufklärung, beziehungsweise eben für deren Vertuschung.
Und wenn man sagt, man will jemandem vergeben, dann muss man sagen, nach der katholischen Lehre muss da sein: A, Schuldeingeständnis, B, echte Reue, dann kann C, Vergebung folgen. Aber der Papst selbst, obwohl er sich mit Missbrauchsopfern trifft, obwohl er hier und da Dinge sagt, wie schrecklich das alles sei - er hat nicht seine eigene Schuld eingestanden.
Er zeigt keine Reue, im Gegenteil, er sagt, man sieht ja, wie diese schlimme weltliche Gesellschaft, diese schlimme sexuelle Enthemmung auch die Kirche affiziert, und darum muss sich erst recht mein Kampf gegen die - wie er es nennt - Antikultur des Todes fortsetzen. Das heißt, er zieht genau die falschen Schlussfolgerungen. Er sieht so zusagen - er guckt weiterhin auf den Span in unserem Auge, statt den Balken im eigenen zu erkennen.

(Alan Posener 19.09.2011

 

Ratzinger ist ein mitleidsloser Elitärer, der seit vierzig Jahren gegen Humanismus und Menschenrechte kämpft.

(Schwerer Schlag 11.02.2013)

Über Ratzinger schreibe ich nichts Gutes. Er verdient weder Respekt, noch Anerkennung.

[….] Die Missbrauchsopfer werden sich aus Sicht der Initiative »Eckiger Tisch« nicht gut an Papst Benedikt XVI. erinnern. »Den tausenden von Missbrauchsopfern seiner Kirche in aller Welt wird er in unguter Erinnerung bleiben als langjähriger Verantwortlicher jenes Systems, dem sie zum Opfer fielen«, sagte der Sprecher der Betroffenen-Initiative, Matthias Katsch – und übte deutliche Kritik am gestorbenen bayerischen Papst Emeritus. Von einem schweren Erbe, das Benedikt der Kirche hinterlassen habe, sprach die Reform-Initiative »Wir sind Kirche« – und auch von einer persönlichen Schuld Ratzingers: »Zu einem persönlichen Schuldeingeständnis war er nicht bereit. Damit hat er dem Bischofs- und Papstamt großen Schaden zugefügt.« […]

(SPON, 31.12.2022)

Daß er, statt im Gefängnis zu schmoren,  sorglos bis ins höchste Alter leben konnte, während 100.000 Leben durch katholische Gewalt zerstört wurden und eine nicht schätzbare Zahl von Menschen aufgrund Ratzingers Kondom-Verbot an AIDS gestorben ist, zeigt wieder mal nur eins: Entweder, es gibt keinen Gott, oder Gott ist ein Sadist.

[…..] "Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln", erklärte Benedikt an Bord seines Flugzeugs auf dem Weg nach Kamerun. "Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem", behauptete der Papst. Die Lösung liege vielmehr in einem "spirituellen und menschlichen Erwachen" und der "Freundschaft für die Leidenden". [….]

(SZ, 17.05.2010)

Papst Benedikt XVI:. Homo-Ehe "bedroht die Zukunft der Menschheit."

(Die Welt, 09.01.2012)

Ratzinger ist die Inkarnation der Schande und die Welt sollte froh sein, ihn los zu sein.

[….] Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat die sexuelle Revolution der Zeit um 1968 und die Säkularisierung der westlichen Gesellschaft für den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche mitverantwortlich gemacht. Benedikt führt diese Taten in einem jetzt veröffentlichten Aufsatz vor allem auf außerkirchliche Entwicklungen zurück. [….] "Wieso konnte Pädophilie ein solches Ausmaß erreichen? Im letzten liegt der Grund in der Abwesenheit Gottes." Eine Welt ohne Gott sei eine Welt ohne Moral: "Es gibt dann keine Maßstäbe des Guten oder des Bösen." Von Machtstrukturen in der Kirche ist in dem Papier nicht die Rede.

"Zu der Physiognomie der 68er Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde", schrieb Benedikt [….] Unabhängig davon hätte sich zeitgleich "ein Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie ereignet, der die Kirche wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft machte". [….]

(Spon, 12.04.19)

 

Kann man sich nicht ausdenken!  Jeder anderen Trümmertranse des Jahrgangs 1927 würde man so einen Unsinn ob des fortgeschrittenen Alters verzeihen, aber dieses bösartige Exemplar wurde vom Heiligen Geist als Papst auserkoren und redete vor 20 oder 50 Jahren, als es noch nicht senil war, ganz genauso.

 

[….] Was der abgedankte Papst [….]  in die Welt gesetzt hat, ist ein Dokument der Verleumdung und der Heuchelei.

[….] Gleich der erste Satz seines Pamphlets ist dann ­programmatisch: „Die Sache beginnt mit der vom Staat verordneten und getragenen Einführung der Kinder und der Jugend in das Wesen der Sexualität.“

Also mit 1968 – und nicht mit einer katholischen Präpotenz in Fragen der Sexualität und der sexualisierten Gewalt, die sich über Jahrhunderte in weiten Teilen des ­Erdballs straflos ausleben durfte.  „Die Sache“ beginnt nach Ratzinger da, wo Machtmissbrauch und Heuchelei endlich wirkmächtig thematisiert werden. [….] Nach diesem Einstieg beschreibt Ratzinger in erschütternd zu lesenden Anekdoten den Schock, den eine öffentlich gezeigte und gelebte Sexualität im Zuge der Liberalisierung von 1968 unter den katholischen Dunkelmännern auslöste: „In der Tat wurde in Flugzeugen kein Sexfilm mehr zugelassen, weil in der kleinen Gemeinschaft der Passagiere Gewalttätigkeit ausbrach. Weil die Auswüchse im Bereich der Kleidung ebenfalls Aggression hervorriefen, haben auch Schulleiter versucht, eine Schulkleidung einzuführen, die ein Klima des Lernens ermöglichen sollte.“ [….] Dazu kommt dann die alte Mär der „Pädophilie“, die im Zuge von ’68 als „erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde“, eben „diese völlige sexuelle Freiheit, die keine Normen mehr zuließ“. Die allmächtige katholische Kirche – sie ist bei Ratzinger von ein paar versprengten, pädophilen Verbrechern am Rande des in den 1960er Jahren einsetzenden großen Emanzipationsprozesses der Menschheit in den Abgrund gestürzt worden. Das Ergebnis ist der Missbrauch, sind „homosexuelle Klubs“ in Priesterseminaren. Natürlich.

[….] Ratzinger geht es nicht um Liebe, nicht um das Ende des Missbrauchs, sondern um die Wiedereinsetzung von totalitärer katholischer Herrschaft. [….] In seiner Hinterfotzigkeit will Ratzinger dabei nicht einmal seine Freude darüber verbergen, dass einer seiner intellektuellen Widersacher, Franz Böckle, an Krebs verstarb, bevor er ihm in einer theologischen Frage ausführlich widersprechen konnte: „Der gütige Gott hat ihm die Ausführung dieses Entschlusses erspart.“ [….]

(Ambros Waibel, 11.04.2019)

Es reicht nicht so einem Pädophilen-Beschützer öffentlich zu widersprechen, wie es glücklicherweise die meisten seriösen Journalisten tun, sondern seiner gemeingefährlichen Organisation muss als allererster Schritt sofort die Gemeinnützigkeit werden.

 

[….] Die Äußerungen des früheren Papstes Benedikt XVI. zum Thema sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche hält Christiane Florin für kleinlich, peinlich und gefährlich. „Der Mann, den seine Fans als Denker feiern, ignoriert offensiv, was Missbrauchsstudien zeigen.“ Damit werde Kirchenpolitik gemacht.  [….]

(Deutschlandfunk, 12.04.2019)

(Täter unschuldig!, 12.04.2019)

Meine kleine Genugtuung beim Tod eines der größten queerfeindlichen Hetzers besteht in der offenkundigen Missachtung der Römer.

Das große Trara des Papst-Todes entfällt mangels Interesses.  Es gibt keine spektakuläre Sedisvakanz, keine neuntägige Aufbahrung wie bei Woytila, keine 1000 anreisenden Staatsgäste und auch kein Konklave. Niemand schreit „Santo subito“.

Ratzis Tod ist keine Zäsur für die Weltkirche. Ob er jetzt, vor fünf Jahren oder erst in zehn Jahren mit 105 gestorben wäre, ist schlicht und ergreifend vollkommen egal. Franziskus konnte sich noch nicht einmal persönlich aufraffen, den Tod seines Papst-Kollegen mitzuteilen. Eine zwei Sätze-Pressemitteilung des Vatikansprechers reichte.

[…..]  Nun schreibt der Corriere della Sera, Gänswein sei den "Bergoglianern", den Anhängern von Jorge Mario Bergoglio, immer ein Dorn im Auge gewesen, so "mächtig und intrigant" wie er war. Es laufen wohl schon die ersten Abrechnungen hinter den Kulissen.

Die Fernsehsender schalteten unterdessen immer wieder auf den Petersplatz, um die Reaktion des Volkes zu erspüren. Ein schöner, verrückt warmer Silvestertag, am Mittag war es in der Sonne wohl mehr als zwanzig Grad warm. Der Weihnachtsbaum und die Krippe beim Obelisken auf der Piazza mochten so gar nicht zu den Temperaturen passen. Touristen waren da, viele in T-Shirts, im Schlepptau ihrer Reiseführer, die üblichen Scharen. Doch der Petersplatz und die dahin führende Via della Conciliazione füllten sich nicht in den Stunden nach der Nachricht, für einmal fanden sich die Römer nicht spontan zusammen, mit diesem inneren Drang nach Spiritualität und Geschichtsschreibung: Rom blieb denkwürdig kühl. […..] Es gibt da wohl noch einen anderen Grund dafür, warum die Römer den Tod des deutschen Papstes mit der Abgeklärtheit des Unausweichlichen entgegennehmen: Sie sind nie wirklich warm geworden mit Benedikt. […..] Als Johannes Paul II. im Sterben lag, bat die Kirche ebenfalls um Gebete, wie das Franziskus nun für Benedikt XVI. getan hatte in dessen letzten Lebenstagen. Damals war die Piazza San Pietro manchmal tagelang voll mit Betenden, später war es auch der Parkplatz des Krankenhauses Gemelli, in dem der Pole lag. […..] Dann meldete sich nochmal Matteo Bruni, der Sprecher des Heiligen Stuhls. Es gebe jetzt einen Termin für die Trauerfeier: Donnerstag, 5. Januar, 9:30 Uhr. Gehalten werde sie vom Santo Padre, von Franziskus. Auch das hat es noch nie gegeben. Die Journalisten wollten gerne noch etwas mehr wissen, doch Bruni sagte: "Lasst uns auseinandergehen mit ein bisschen Traurigkeit im Herzen." [….]

(Oliver Meiler, 31.12.2022)

Der Bayer wird nicht vermisst werden.

Freitag, 30. Dezember 2022

Mehr Elend macht vorheriges Elend nicht weniger elend.  

Eine der moralisch verwerflichsten politischen stunts ist es, Minderheiten gegeneinander auszuspielen. Hartz-Empfängern zu suggerieren, Migranten nähmen ihnen etwas weg. Oder POS einzureden, Queere bekämen zu viel  Diskriminierungsschutz, während man Juden auf Quoten für Afroamerikaner hinweist. 

Ein Rentner in Altersarmut oder ein chronisch Kranker auf Grundsicherung, der sich vergeblich um eine barrierefreie Sozialwohnung bemüht, sind schnell gegen Ukrainer aufgehetzt, wenn sie „vom Amt“ hören, alle freien Wohnungen gingen an Flüchtlinge.

Damit ist der Groll in die gewünschte Ecke gedrängt und die eigentlich Schuldigen sind vergessen: ZB raffgierige börsennotierte Wohnungskonzerne oder der sträflich untätige CSU-Bundesbauminister Seehofer.

„Die Politik“ muss sich um alle Bedürftigen kümmern und soll keine Sozial-Triage anstellen: Afghanische Flüchtlinge werden abgeschoben, weil die Ukrainer jetzt dringender sind.

Deutschland ist nicht nur ein reiches Land, welches moralisch verpflichtet ist, Menschen zu helfen, die vor Hungertod, Krieg oder Folter fliehen, sondern vielfach ist Deutschland auch unmittelbarer Mitverursacher des Elends in anderen Teilen der Welt. Wir exportieren Waffen in die Krisengebiete, waren 20 Jahre in Afghanistan stationiert, statten Terrorregime mit Überwachungstechnik aus, treiben durch Austeritätspolitik andere in Armut, fischen die Meere vor Afrikas Küste leer, heizen mit unseren Emissionen den Klimawandel an, manipulieren die Lebensmittelweltmarktpreise oder werfen hochsubventioniertes Hühnerklein und Dosentomaten auf den afrikanischen Markt, um dort die Bauern zu ruinieren.

Europäer haben die willkürlichen und konfliktträchtigen Grenzen in Nahost und Afrika gezogen und die dortigen Gesellschaften durch Jahrhunderte des Menschenraubs (Sklavenhandel) und Kolonialismus ausgebeutet.

Wir sind mindestens mitschuldig, verschärfen laufend die Fluchtursachen. Wir müssen Migranten davor bewahren, elendig auf der Flucht zu verrecken.

Erst dann kommt ON TOP, daß wir händeringend auf Zuwanderung angewiesen sind und den Menschen, die überhaupt nach Deutschland kommen wollen, den Roten Teppich ausrollen sollten.

Es ist sehr billig, die grünen Ampelminister höhnisch der Lüge zu bezichtigen, weil sie nun Atomkraftwerklaufzeitverlängerungen abnicken, für den Export schwerer Waffen kämpfen, Kohlkraftwerke anschalten und in zutiefst antidemokratischen misogynen, homophoben Golfmonarchien katzbuckeln, um CO2-erzeugende fossile Energieträger einzukaufen. Denn, auch wenn es einigen nicht gefällt; es gab wirklich eine „Zeitenwende“ und die Grünen sind glücklicherweise intelligent genug, ob der völlig veränderten Rahmenbedingungen, nicht tumb an den alten Rezepten festzuhalten.

So viel Doofheit ist FDP, die im Gegensatz zu den Grünen rein ideologisch-borniert agiert (kein Tempolimit! Straßenausbau! Tankrabatt!) und eben nicht bei veränderten Bedingungen dazulernt.

Die realpolitischen flexiblen Grünen sind sogar bis in die Basis-Ebene anpassungsfähig und nicken ohne Gegenwehr die Abwicklung der Grünen Essentials ab. Etwas mehr Widerwille auf Parteitagen dürfte es schon sein.

AKW-Streckbetrieb, Katarisches Gas und Haubitzen in den Krieg, darf aber nie zu einem moralischen Anything Goes führen. Ja, die arme Annalena Baerbock muss fürchterlich viele Kröten schlucken. Aber daß ausgerechnet die Frau, die sich so sehr ihres Völkerrecht-Studiums rühmt, die abscheulichen Foltermethoden der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, FRONTEX (frontières extérieures) widerspruchslos hinnimmt, ist erbärmlich. Die Berichte über brutale völkerrechtswidrige Pushbacks sind so alt, daß sich Baerbock, vor ihrem Amtsantritt vehement darüber beschwerte. Ja, die Bundesaußenmi,nisterin hat mit der Ukraine derzeit viel zu tun, aber ich erwarte von ihr, persönlich in der Warschauer Frontex-Zentrale aufzuschlagen, um sich gegen die Folter an Flüchtlingen zu verwahren.

[….] Die Baracke ist offenbar Teil eines Systems. Nach Erzählungen von Flüchtlingen werden sie hier teilweise tagelang eingesperrt. Ohne Essen, ohne Toilette, kaum etwas zu trinken. Dann würden sie zurück in die Türkei gebracht. Wir zeigen die Bilder dem Rechtswissenschaftler Constantin Hruschka. Für ihn ist klar, hier wird mehrfach gegen geltendes Recht verstoßen.

Constantin Hruschka, Rechtswissenschaftler, Max-Planck-Institut München:

 "Das eine ist die unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Und das zweite ist die rechtswidrige Freiheitsentziehung. Denn ich darf die Personen ohne Verfahren nicht einfach festhalten und ihnen die Freiheit entziehen. Insbesondere dann, wenn ich die Freiheitsentziehung dazu nutze, sie rechtswidrig über die Grenze zurückzubringen."

Rechtsfreie Räume in der EU. Gemeinsam mit europäischen Medienpartnern und der Recherche-Plattform Lighthouse Reports haben wir über Monate Zeugenaussagen dazu gesammelt, Koordinaten analysiert, Videos ausgewertet. Videos wie dieses: Bulgarische Grenzpolizisten – erkennbar an der Uniform – prügeln auf Menschen ein, offenbar Flüchtlinge. Ein anderes Video soll eine Praxis zeigen, von der uns viele berichten. Flüchtlinge werden teilweise entkleidet bis auf die Unterhose, bevor sie auf die türkische Seite zurückgeschickt werden. Massive Missachtung von Menschenrechten – mitten in der EU? Bulgarien ist EU-Mitglied. Geht es nach der EU-Kommission, soll das Land bald in den Schengen-Raum aufgenommen werden. Zur Begründung heißt es von der Kommission: Bulgarien habe bewiesen, dass es die "Achtung der Grundrechte", den "Zugang zu Internationalem Schutz" und den "Grundsatz der Nichtzurückweisung" gewährleiste." Weiß die EU nichts davon, dass Menschen in Bulgarien misshandelt und eingesperrt werden wie Tiere? Kaum vorzustellen, denn auf dem Gelände der Polizeistation – in Sichtweite des Verschlags – entdecken wir Autos von Frontex, der Grenzschutzagentur der Europäischen Union. Und nicht nur das, bei unseren Recherchen können wir Dokumente einsehen, aus denen hervorgeht, dass Beamte von Frontex in dem Ort in Bulgarien fest stationiert sind  [….]

(MONITOR, 08.12.2022)

Weiß die Völkerrechtlerin nicht, daß Menschen aus Afrika, aus Nahost oder aus Afghanistan, dieselbe(n) Würde und Rechte genießen, wie die christlichen und viel weißeren Ukrainer?

Oder würde Baerbock es auch aussitzen, wenn Ukrainerinnen auf der Flucht vor Putins Bomben in polnischen oder ungarischen Folterlagern malträtiert und schließlich über Ukrainischem Gebiet wieder abgeworfen würden?

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Tiefsitzende europäische Xenophobie – Teil III  

Nach über einem halben Jahrhundert in Deutschland und dreieinhalb Jahre nach meinem Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft, stehe ich mit nichts da.

(….) Meine Mutter war in Hamburg geborene Deutsche und meine Familie ist seit Jahrhunderten in Norddeutschland ansässig.

Allerdings heiratete meine Mutter einen US-Amerikaner und als ich zur Welt kam, war die Rechtslage so, daß Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft des Vaters bekamen. Frauen galten da in Deutschlands Staatsbürgerschaftsrecht noch als gänzlich wertlos. Sowohl Mutter als auch Geburtsort waren irrelevant. Es herrscht immer noch das Ius Sanguinis („Recht des Blutes“, Abstammungsprinzip) und nicht das Ius Soli („Geburtsortsprinzip“) wie in den USA.

Bekanntlich ist seitdem ein halbes Jahrhundert vergangen, aber ich bin und bleibe nach wie vor US-Amerikaner, obwohl ich inzwischen versucht habe Deutscher zu werden.

Das ist das zweite Problem, das in der veröffentlichten Meinung nicht vorkommt:

Meinen Antrag auf Einbürgerung stellte ich Anfang 2019. Alle geforderten Unterlagen konnte ich problemlos liefern. Ich wurde nie straffällig, habe nie Sozialleistungen bezogen, lebe ich gesicherten finanziellen Verhältnissen.

Allein, die Einbürgerungsbehörde arbeitet kaum an meinem Fall.
Die letzte Mitteilung vom Amt für Migration Hamburg erhielt ich am 04.10.2021. Um über meinen Einbürgerungsantrag „abschließend zu entscheiden“ müsse geklärt werden, wo meine Mutter am 01.01.1950 (sic!) wohnhaft gewesen wäre. (…)

(Tiefsitzende europäische Xenophobie – Teil II, 30.11.2022)

Der deutsche Staat versagt nach wie vor dabei, deutsche Menschen wie mich willkommen zu heißen.

Das liegt an antiquierten Gesetzen aus der Nazizeit, an denen Schwarz, Gelb und Braun eisern festklammern. Die wiederum frönen ihren eigenen dumpfen völkischen Maßstäben, oder wollen, mindestens genauso schlimm, in den braunen Sümpfen nach Wählern fischen.

Allerdings könnte die Behörde auch bei der gegenwärtigen Rechtslage solche Anträge in größerer Geschwindigkeit, als einen Brief alle zwei Jahre, bearbeiten.

Das funktioniert aber auch nicht, weil die Schwarzen in 16 Jahren Dauerregierung mit sprudelnden Einnahmen komplett dabei versagten, ihre Hausaufgaben zu machen und Deutschland auf die Zukunft vorzubereiten. 16 Jahre Merkel, CDU und CSU: Deutschland befindet sich im Niedergang, kann die staatlichen Grundfunktionen nicht mehr leisten.  Eine verheerende Bilanz, für die aber auch das tiefsitzende Phlegma des Urnenpöbels verantwortlich ist. In allen Umfragen liegt die CDU weit an der Spitze. Die Neuerungen durch die Ampel gefallen nicht, man sehnt sich schon wieder nach bräsigem Nichtstun, nach Scheuer, Spahn, Altmaier und AKK zurück.

Mein Antrag auf Einbürgerung versandet offensichtlich auch wegen der katastrophalen personellen Unterversorgung und die nicht vorhandene Digitalisierung. Nach 12 Jahren unterbrochen zuständigen CSU-Bundesministern, die sich das Volk nun so dringend zurückwünscht.

[….] Mehrere Monate Wartezeit, 15.000 unbearbeitete E-Mails: Die Ausländerbehörde in Frankfurt am Main kommt nicht mehr hinterher. Hier erklärt die Sachgebietsleiterin Annika Allendorff, woran das liegt.

»Man muss das klar sagen: Wir sind in einer desolaten Situation. Mit dem Bearbeiten der Aufenthaltserlaubnisse kommen wir nicht mehr nach. Ich kann verstehen, dass sich die Menschen darüber beschweren. Für sie geht es um die Existenz. [….] Es dauert im Moment eben drei oder vier Monate, bevor wir überhaupt antworten können. [….] Für uns Mitarbeiter ist diese Situation alles andere als schön. Manche Kolleginnen und Kollegen werden im Internet beschimpft. Es gibt Antragsteller, die reichen Untätigkeitsklagen oder Dienstaufsichtsbeschwerden ein. Das kostet uns noch mehr Zeit, weil wir solche Fälle außer der Reihe bearbeiten müssen. Darunter leiden alle, die sich keinen Anwalt leisten können. [….] Gleichzeitig fehlt Personal. 32 der 136 Kolleginnen und Kollegen sind in Elternzeit oder langzeiterkrankt, zum Teil wohl auch durch die hohe Belastung. Im Moment betreut jeder Sachbearbeiter bei uns ungefähr 2500 Menschen. Das ist nicht zu schaffen. [….]

 (DER SPIEGEL Nr.51, 17.12.2022, s.11)

Selbst in einer für Zuzügler so attraktiven Stadt wie Hamburg, in der überdurchschnittliche Löhne gezahlt werden, sind wir an das Personalmangel-bedingte Nichtfunktionieren gewöhnt.

Geschäfte sind geschlossen, weil es keine Verkäufer gibt, das Amtsgericht meines Bezirks hat eine einzige Stunde pro Woche Telefonsprechzeiten, Feuerwehr und Sanitäter, sogar der Polizeinotruf sind notorisch überlastet. Krankenhausnotaufnahmen weisen Patienten ab, ein Postbote kommt nur noch alle paar Tage und Pakete sollte man gar nicht erst bestellen. Händeringend wird nach Altenpflegern, Ärzten, Physio- und Psychotherapeuten, sowie Kindergärtnern gesucht.

Natürlich kann Klara Geywitz keine 400.000 Wohnungen im Jahr bauen lassen. Selbst, wenn in dieser Krise die Baumaterialien aufzutreiben wären: Es gibt dafür schlicht und ergreifend keine Handwerker.

Auch nach 10 Monaten Krieg und Energiekrise, nach Wirtschaftseinbruch und Inflation, müssen die Hamburger Handwerksbetriebe neue Aufträge abschmettern.

Wärmepumpen? Gibt es nicht.  Im Jahr 2018 berichtete das Abendblatt von der drastischen „Wachstumsbremse durch Fachkräftemangel“ im Handwerk. 13 Wochen Wartezeit im Schnitt müssten Hamburger einkalkulieren, wenn sie einen Klempner oder Elektriker brauchten.

Die Lösungen liegen auf der Hand. Weg mit dem Meisterzwang, Arbeitserlaubnis für alle Flüchtlinge, Willkommensprogramme für Einwanderer. Passiert ist stattdessen: NICHTS! Vier Jahre später sitzen wir in derselben Misere und harren der Verrentung der Boomer entgegen. Dann wird spätestens alles zusammenbrechen.

[….] Der Präsident der Handwerkskammer Hamburg, Hjalmar Stemmann, macht wenig Hoffnung auf schnellere Termine bei Handwerksbetrieben. „Im Moment sind wir nach wie vor in einer angespannten Situation“, sagte der 59-Jährige in einem Interview des „Hamburger Abendblatts“ (Donnerstag). Wartezeiten von neun Wochen seien bei vielen Gewerken verbreitet. „Mit am größten ist die Wartezeit bei der Installation von Wärmepumpen. Aber nicht wegen der Handwerker, sondern wegen der Lieferzeiten der Geräte, das kann schon mal bis zu neun Monate dauern.“  [….]

(Hamburger Abendblatt, 29.12.2022)

Scholz hat das natürlich erkannt und möchte trotz der irren Dauerkrisenpolitik auch langfristig Lösungen finden. Erleichterte Einwanderung ist aber offenbar nicht möglich, da CDUCSU, sowie AFDP jede vernunftorientierte Politik aus völkischer Verbohrtheit blockieren.

Dem Urnenpöbel gefällt die braune Blockade. AfD und CDUCSU legen in Umfragen zu. Die Parteien, die Abhilfe bei den deutschen Megakrisen schaffen wollen, werden abgestraft. Man will lieber untergehen und auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückschrumpfen, statt sich eine moderne Migrationspolitik zu geben.

Lieber homogen deutsch und weiß im Slum, als prosperierend und modern als Multikultigesellschaft.

[…] Deutschland braucht Zuwanderer dringender als umgekehrt [….] Ohne einen Anstieg der Zuwanderung steht Deutschland vor einer wirtschaftlich existenzbedrohenden Krise. Viele Unternehmen könnten ohne ausreichend Fachkräfte nicht überleben und Deutschland würde langfristig große Teile seines Wohlstands einbüßen. Und ohne eine Gesellschaft, die offen für Zuwanderung aus allen Regionen der Welt ist, werden Deutschland und Europa die gegenwärtigen Krisen nicht lösen und bei der wichtigen ökologischen und digitalen Transformation scheitern.

Es gibt erheblichen politischen Widerstand gegen eine deutlich stärkere Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturkreisen und mit anderen Religionen. Die gegenwärtige Diskussion erinnert sehr an die Forderung eines konservativen Politikers vor 20 Jahren: »Kinder statt Inder«. [….] Wir sollten uns die harten Zahlen und Fakten über die Entwicklungen der Demografie und Fachkräfte in Deutschland bewusst machen, und was dies für unseren Wohlstand in Zukunft bedeuten wird. Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands der vergangenen 70 Jahre wäre ohne eine massive Zuwanderung nicht möglich gewesen. Deutschland litt bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren unter einem Fachkräftemangel, welcher sich seit den 2010ern deutlich verschärft hat.

Ohne die massive Zuwanderung von jungen, hochmotivierten und qualifizierten Europäer*innen – in manchen Jahren mehr als 300.000 Menschen netto – hätte Deutschland sich seit 2005 nicht von seinem Zustand als »kranker Mann Europas« erholen können.

Selbst eine so starke Zuwanderung wird in den kommenden 20 Jahren bei Weitem nicht ausreichen, um die riesige Fachkräftelücke zu füllen. Bereits heute gibt es trotz Wirtschaftsflaute knapp zwei Millionen offene Jobs in Deutschland. In den kommenden zehn Jahren werden weitere fünf Millionen Menschen mehr in Rente gehen, als junge Menschen in den Arbeitsmarkt nachkommen. Die Lücke von sieben Millionen bei insgesamt 45 Millionen Erwerbstätigen beträgt knapp 16 Prozent. [….]

und mehr Offenheit für Zuwanderung aus allen Teilen der Welt werden essenziell für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands und die Frage sein, ob wir als Gesellschaft in der Lage sind, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Die Hoffnung ist, dass Gesellschaft und Wirtschaft sich dieser Realität bewusst werden, bevor es zu spät ist.  [….]

(Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. 29.12.2022)

Mittwoch, 28. Dezember 2022

Abschied von einer Hamburger Institution  

Jeder, der als Kind in Hamburg lebte, verbindet viele Erinnerungen mit Hagenbecks Tierpark. Über 1.850 Tiere leben in den Gehegen und der Parkanlage. Dazu kommt das 8.000 Quadratmeter große Tropen-Aquarium mit weiteren 14.300 Tieren. Hagenbeck ist der einzige in Familienhand befindliche Tierpark Deutschlands.

Erst liebte ich die Tiere, wollte da immer hingehen. Als Teenager begriff ich aber, wie grausam das Delphinarium ist, was Hospitalismus ist, daß man Schimpansen und Gorillas nicht in winzige Glaskästen stecken darf, was artgerechnete Haltung und „Enrichment“ sind, daß es kein Vergnügen für Elefanten und Kamele ist, von lärmenden Besuchern „geritten“ zu werden.

Ein Vierteljahrhundert boykottierte ich den berühmtesten Zoo Deutschlands.

Immerhin lernten die Hagenbecker aber auch dazu. Die Schandflecken, wie das Affenhaus und Delphinarium, wurden ganz aufgeben. Leoparden wurden aus ihren kleinen Käfigen geholt. Es gab weniger Tierarten, dafür mehr Individuen, die in viel größeren Gehegen lebten. Elefantenreiten wurde abgeschafft und zum Unmut der Besucher wurde das Füttern bis auf wenige Ausnahmen verboten. Den Tieren ist nicht geholfen, wenn sie Zentnerweise Süßigkeiten fressen.

In dem neuen Tropenhaus und dem Eismeer, leben die Tiere sicherlich nicht, wie in freier Wildbahn, aber sie haben viel mehr Platz, die Gegebenheiten sind viel besser ihrem natürlichen Lebensraum angepasst. Sie werden nicht mehr bloß verwahrt und gefüttert, sondern auch einigermaßen artgerecht unterhalten.

Grundsätzlich sind Zoos moralisch sehr problematisch. Ob Publikumsmagneten wie Eisbären, Löwen und Elefanten überhaupt artgerecht gehalten werden können, bezweifele ich. Besser geeignet sind sicherlich die gerade bei Kindern beliebten kleineren Tiere – Meerschweinchen, Karnickel, Capybaras (Wasserschweine), Maras (Pampashasen), Ziegen, Pfauen, Schwäne – die auf dem riesigen Gelände weitgehend frei herumlaufen können und machen, wozu sie Lust haben. Dabei ist besonders wichtig, daß sich die Viecher zwar unter die Besucher mischen können, es aber auch geschützte, abgetrennte menschenfreie Bereiche gibt, in die sie sich zurückziehen können.

Das Gegenargument, daß dennoch für Tiger- oder Nashornhaltung spricht, sind die Arterhaltungsprogramme. Es gibt in freier Wildbahn ausgestorbene Tiere, die (fast) nur noch in Zoos vorkommen. Die Zoos sind international vernetzt, erfassen die Genome der einzelnen Individuen. Jeder Großzoo ist auf ein paar Tierarten spezialisiert, die sich bei ihm mit möglichst wenig Inzucht fortpflanzen sollen, indem ihnen andere Tierparks genetisch möglichst nicht verwandte Exemplare schicken.

Aber auch das ist ein etwas schales Argument. Nutzen die aufwändigen Transporte und die Kosten überhaupt etwas, wenn dann ein paar Dutzend Tiere einer Art überleben, die ohnehin keinen Lebensraum mehr haben und nie wieder frei und wild leben können werden?

Sollten wir nicht lieber alle Ressourcen dafür verwenden, Lebensraum zu erhalten, indem zum Beispiel Schutzgebiete aufgekauft werden?

Aber auch das funktioniert nicht bei jeder Art. Vielen Tieren macht der Klimawandel zu schaffen. Eisbären verhungern, wenn es zu warm ist, so daß das Meer nicht zufriert. Das wird man schlecht mit Geld beeinflussen.

Meine Verbindung zu Hagenbeck wuchs wieder mit der NDR-Zoo-Serie Leopard, Seebär und Co, von der zwischen 2007 und 2018 volle 200 Episoden produziert wurden.

Die Serie spielte eine große Rolle bei der Bespaßung von Alten und Dementen, die sich tagsüber langweilen, sich aber nicht mehr auf ein Buch oder TV-Geschichten mit Handlungssträngen konzentrieren können. Für sie sind Zoo-Serien ideal. Mit der Zeit bildet man sich ein, die Pfleger zu kennen, begreift die Abläufe hinter den Kulissen.

Umso trauriger also, daß die bis aufs Blut zerstrittenen zwei Hauptzweige der Eigner-Familie Hagenbeck, als letzte Gemeinsamkeit den „Diktator“ Dirk Albrecht, 73, also Zoo-Chef einsetzten.

Der Mann ist ein derartiger Tyrann, daß er einen Gerichtsprozess nach dem nächsten gegen die Angestellten führt, sie mit Schikanen überhäuft, willkürlich entlässt. Selbst die Hamburger Landesregierung mischte sich ein, nennt Albrecht „starrsinnig.“

[….] Hamburg. Die Schlammschlacht im Tierpark Hagenbeck wird erneut zum Fall für die Justiz: Wie die Hamburger Staatsanwaltschaft am Mittwoch bestätigte, hat der Betriebsrat eine weitere Strafanzeige gegen den Tierpark-Geschäftsführer Dirk Albrecht erstattet.

Der Vorwurf lautet auf Behinderung der Arbeitnehmervertreter, was nach Paragraf 119 des sogenannten Betriebsverfassungsgesetzes mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft werden kann.   [….]

(Abendblatt, 18.05.2022)

Ein Drittel der Tierpfleger hat bereits aus Verzweiflung gekündigt. Das ist äußert ungewöhnlich. Tierpfleger verdienen zwar eher schlecht, bleiben aber üblicherweise lebenslang bei Hagenbeck, weil sie sich den Tieren verpflichtet fühlen.

Es ist wie in einem Pflegeheim. Man muss sich immer um sie kümmern, egal ob Silvester oder Sonntag ist. Tierpfleger streiken deswegen nicht. Der Sadist Albrecht ließ ihnen aber keine Wahl, da eine Zusammenarbeit mit ihm unmöglich ist und so kam es im August 2022 erstmal zu Warnstreiks.

[….] "Die Geschäftsführung führt einen regelrechten Kampf gegen die eigenen Beschäftigten und wendet dabei Strategien des "Union Busting" an, um den Betriebsrat einzuschüchtern", sagte der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, David Stoop, am Mittwoch. Unter "Union Busting" verstehen Gewerkschaften die systematische Bekämpfung ihrer Arbeit. Der Tierpark Hagenbeck wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Der Streit bei Hagenbeck beschäftigt auch die Justiz. Auf eine Anfrage der Linken teilte der Senat mit, dass in den vergangenen zwei Jahren 33 Verfahren gegen die Geschäftsführung eingeleitet wurden. In drei Fällen ermittele die Staatsanwaltschaft wegen der Vorwürfe der Behinderung des Betriebsrats und wegen Betrugs im Zusammenhang mit Kurzarbeitergeld. "Die Vielzahl an Gerichtsverfahren zeigt, dass etwas gehörig schiefzulaufen scheint bei Hagenbeck", sagte Stoop. Im August dieses Jahres hatten Beschäftigte für bessere Arbeitsbedingungen bei Hagenbeck gestreikt. Bislang weigere sich der Geschäftsführer Dirk Albrecht jedoch, sich mit der Gewerkschaft an einen Tisch zu setzen, kritisierte IG-Bau-Regionalleiter André Grundmann.  […]

(dpa, 09.11.2022)

Nur die Hagenbeck-Familie könnte Dirk Albrecht rauswerfen.

Aber sie lassen lieber den ganzen Tierpark zu Grunde gehen und verzichten auf die halbe Belegschaft.

Damit wären wir beim zweiten großen Hagenbeck-Problem: Die Hagenbecks sind Arschlöcher. Sie behandeln ihre Mitarbeiter wie Dreck und wollen sich auch 2022 noch nicht von ihrem Gründer-Großvater Carl-Hagenbeck distanzieren, der mit seinen europaweiten Menschenzoos berühmt und sagenhaft reich wurde.

Die Zeiten des alten Carl Hagenbeck, der kontinuierlich neue Wildtiere und Menschen in Afrika einfangen ließ, um sie in seinem Hamburger Zoo vorzuführen, sind vorbei.

Es ist keine Hundert Jahre her, daß man hier bei mir vor der Tür in Hamburg entrechtete Menschen in Käfige sperrte und anglotze.

Gerne wurden „Schau-Neger“ auf Jahrmärkten gezeigt. Carl Hagenbeck ließ für seinen Zoo in Hamburg allerlei „wilde Afrikaner“ einfangen und zeigte sie den höchst interessierten Hanseaten in seiner „Völkerschau“.
Den christlichen Besuchern kam es gar nicht in den Sinn, daß es irgendwie unmoralisch sein könnte, neben Löwen und Antilopen auch Hottentotten und Zulus in Käfigen zu zeigen.
Die Körperlichkeit der vielen afrikanischen Völkerschauen in Deutschland faszinierte insbesondere die Frauen in Deutschland - hatten sie doch in der Regel noch nie nackte Männer gesehen.


Blütezeit der Völkerschauen in Europa war zwischen 1870 und 1940. Allein in Deutschland wurden in dieser Zeit über 300 außereuropäische Menschengruppen vorgeführt. Teilweise lebten in diesen „anthropologisch-zoologischen Ausstellungen“ gleichzeitig über 100 Menschen.

(Wiki)


Tatsächlich konnten die in Hamburg gefangenen Afrikaner noch von Glück reden. Es war nämlich durchaus auch üblich „Neger“ aus praktischen Erwägungen auszustopfen oder des einfacheren Transports halber nur ihre Köpfe auszustellen.
Noch heute lagern in den Kellern der Berliner Charité kistenweise getrocknete Köpfe von Menschen aus allen Gegenden Afrikas.

(Tammox 15.02.2011)

Auch heute weigert sich Claus Hagenbeck das Unrecht anzuerkennen.

[….] Doch Hagenbeck schweigt sich dazu konsequent aus, dabei hatte man vor zwei Jahren nach Protesten selbst eine kritische Aufarbeitung angekündigt. Wiederholt hat Panorama bei Hagenbeck angefragt. Es gibt kein Interview zum Thema, keine Antworten auf viele Fragen. Der Tierpark verweist immer wieder auf das gleiche schriftliche Statement. Darin heißt es: Die Menschen "arbeiteten als Darsteller mit Verträgen und Gage für Hagenbeck". Carl Hagenbeck habe die Teilnehmer der Völkerschauen "als Gäste" gesehen und nie misshandelt. Dessen Urenkel und heutiges Familienoberhaupt Claus Hagenbeck lehnt ein Interview ebenfalls ab. Dabei hat er sich in der Vergangenheit durchaus zu dem Thema geäußert, sieht sie offenbar aber nicht kritisch. In einer Dokumentation aus dem Jahr 2020 sagt Hagenbeck: "Völkerschauen waren ja eine Kunstform. Es wurden ja nicht Sklaven hier nach Europa geholt, sondern es waren Gaukler, die in ihrem Heimatland gegaukelt haben."  In einem früheren TV-Statement aus dem Jahr 2003 räumte er indirekt eine Inszenierung der ausgestellten Menschen als Wilde ein. Offenbar amüsiert berichtete er: "Was die Veranstalter nicht gerne sahen, war, dass die Eingeborenen in Anführungsstrichen, die sich ja hier präsentierten als wilde Menschen, dass die sich abends Schlips und Kragen umbanden und nach St. Pauli zum Tanzen gingen. Das war nicht gerne gesehen, weil dann ja der Nimbus der Wilden, Fremden etwas aufgelöst wurde." [….]

(Panorama 24.11.2022)

Es hilft alles nichts. Ich muss Hagenbeck wieder boykottieren.