Mittwoch, 31. Oktober 2018

Wochenend und Feiertag


Das ist doch verrückt, heute haben wir Hamburger einen christlichen Feiertag, den noch nicht mal die Bayern zelebrieren.
Reformationstag zu Ehren des radikal sadistischen Antisemiten Martin Luther.
Völlig ungewohnt für mich als Abonnent der Süddeutschen Zeitung.

[….]  Reformationstag erstmals Feiertag in Hamburg
Die Menschen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen haben am 31. Oktober erstmals den Reformationstag als regulären gesetzlichen Feiertag begangen. Die evangelische Nordkirche stellte das ökumenische Gespräch zwischen Protestanten und Katholiken und den interreligiösen Dialog in den Mittelpunkt. [….]

Verdammt, in Hamburg gehen ohnehin nur 0,5% der Christen sonntags in die Kirche und ohnehin sind Christen längst eine Minderheit.

Es kommt mehrfach im Jahr vor, daß nur meine Hamburger Zeitungen vor der Tür liegen und die SZ fehlt, weil mal wieder irgendein christlicher Unsinn in Süden alles lahmlegt.
Heute fehlten erstmals Mopo und Abla, während die Bayern immerhin eine Feiertagsausgabe bereiteten.

Ich verstehe diesen Schwachsinn mit den gleichgeschalteten Feiertagen nicht und vorgeschriebenen Geschäftsschließungen nicht.
Andere Länder, wie die USA zeigen, daß man keine Ladenschlussgesetze benötigt. Es steht doch den Branchen frei einen arbeitsfreien Tag einzuführen, wenn sie möchten. So sind im Hamburg die Friseure montags geschlossen und Ärzte nehmen sich mindestens den Mittwoch-Nachmittag frei. Handwerker erreicht man nicht mehr am Freitagnachmittag.

Wenn alle Menschen zur selben Zeit frei haben, können sie den Tag ohne Arbeit sehr schlecht nutzen, weil Behörden, Geschäfte und Arztpraxen dann ebenfalls geschlossen haben.
Es wäre eine Win-Win-Situation bei Beibehaltung der Wochenarbeitszeit jedem Betrieb zu erlauben 24/7 geöffnet zu haben.
Die Angestellten könnten sich Schichten aussuchen, die ihrem persönlichen Biorhythmus am besten entsprächen. Studenten könnten Nachtschichten als Nebenjobs übernehmen und jeder könnte seinen freien Tag so legen, wie es konveniert.

Die derzeitige völlig starre Wochenend- und Feiertagsstruktur führt zu absurden Zeitverlusten, weil sich immer wieder am Vorabend von gesetzlichen Ruhezeiten absurde Überfüllungen in den Läden ergeben. Man steht jeden Morgen und jeden Abend sinnlos im Stau, produziert unfassbare Mengen an CO2 zusätzlich, weil alle gleichzeitig arbeiten, während die Straßen Sonntags völlig leer sind.
Das ließe sich alles entzerren und gleichmäßiger nutzen.

Stattdessen pressen wir die Tagesabläufe der Menschen in eine große Schablone, weil ein imaginärer Rachegott das angeblich mal so forderte.
Und dafür musste ich letzten Samstag bestraft werden.
Ich durchlebte Grauenvolles. Menschenverachtendes!
ICH war nämlich gestern Nachmittag, an einem Samstag bei IKEA! IKEA HH-Schnelsen, das es seit 1989 gibt.
Ein Wunder, daß ich das überlebt habe.
Obwohl neben der Filiale seit meinem Letzten Besuch (im vorherigen Jahrtausend) ein gewaltiges dreistöckiges Parkhaus zusätzlich erbaut wurde und außerdem zwei weitere noch größere Filialen in HH eröffneten (2002 IKEA Moorfleet als Deutschlands größte Niederlassung und 2014 IKEA Altona als weltweit erstes Innenstadtgeschäft), war auch das verdammte Ding in Schnelsen so rappelvoll, daß ich schon eine halbe Stunde auf dem Parkgelände rumkurven musste, vor aggressiven Berufs-Mamas in Skoda-Roomstern und Großfamilien in fetten SUVs floh, bis ich mich schließlich in 10 km Entfernung vom Eingang abstellen konnte.


Schon vor der Eingangstreppe dann ein Menschenauflauf wie bei der Duisburger Loveparade. Auf der Treppe kam man immer nur eine Stufe voran, stellte sich mit beiden Beinen drauf und spürte dann den warmen Currywurstatem vom Hintermann im Nacken, das Kaugummischmatzen des Nebentypen im Ohr.
Mein Plan war dann mir schlau einzuprägen wo die verdammte Essplatzabteilung ist, damit ich nicht dem vorgezeichneten Rundgang folgen müsste, den alle anderen Lemminge gehen würden.
Aber offensichtlich empfanden die anderen Arschgeigen IKEA nicht als unangenehm überfülltes Möbelgeschäft, in dem man bedauerlicherweise wegen seiner Arbeitszeiten nur am Samstag seinen Esstisch und die beiden Stühle kaufen könne (die der blöde Hermes einem von OTTO gleich zweimal nicht geschickt hatte, weil sie die Adresse nicht finden konnten).
Nein, das miese Psychopack genoss die Sardinendosen-Folter offensichtlich. Kaum wurde die Eingangstreppe hinter sich gelassen, breiteten sich Shopoholics aus, hakten sich ein, so daß hinter ihnen Drängelnde keinesfalls vorbei konnten, verlangsamten ihre Schritte in Zeitlupe und sobald sich auch nur die kleinste Gasse bildete, durch die ich hätte vorbei gehen können, blieb genau dort eine tratschende Familie stehen, oder eine dicke 13-Jährige im Smombi-Modus vergaß ob ihrer Tipperei auf dem rosa lackierten Mobiltelefon ganz und gar ihre Füße zu bewegen.
Dazwischen im Abstand von ca 45 Sekunden immer wieder die Durchsage, Herr Müller-Lüdenscheidt oder Elke Dinkel-Dinges möge sich jetzt im SMÅLAND Kinderparadies einfinden, weil offensichtlich der kleine Kevin oder die kreischende Schackeline Amok lief.
Als ich endlich in der unteren Ebene ankam, um mich durch den Kleinramsch bis in die Halle mit den Möbelpaketen durchzukämpfen, wurde es sogar noch schlimmer. Ein Gewusel wie in einem Megastaat von Wanderameisen auf Droge.
Papas, die mit aggressivem Blick an ihren Einkaufswagen klebten, während die Frauen ausschwärmten, um jeden kleinen Tand in die Hand zu nehmen und dann der hinter mir stehenden Person zuzugrölen wie schön das sei und daß man das so gut gebrauchen könnte – vorausgesetzt man finde raus wozu das eigentlich gedacht wäre.
,Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam'.
Ein regelrechter kollektiver Kleinteile-Kaufrausch. Wie können die Menschen nur so raffgierig werden und sich so manipulieren lassen all den Scheiß in den Wagen zu werfen?
Wagen, die natürlich immer nur mir im Weg standen und mich hinderten, zur Abholhalle Regal 47, Fach 9 (Tisch Lerhamn) und Regal 49, Fach 3 (Stuhl Stefan) vorzudringen. Man braucht nicht noch ein hunderter Pack Teelichte, das zwanzigste Paket Servietten, die man eh nicht benutzt und Klobürsten in allen Farben.
 Vermutlich waren es irgendwelche Kobolde, die auch meinen Wagen mit dem ganzen Mist vollgestopften, so daß ich den verdammten Tisch unter den Arm klemmen musste, weil auch mein vierrädriger Begleiter schon zum Bersten gefüllt war.
Außerdem gingen schon in der Möbelhalle die Kassenschlangen los. 22 endlose Menschen- und Warenketten, welche die Kassenscanner zum Dauerglühen brachten. Beeb beeb beeb beeb beeb. Eine ganze Halle voller Dauerbeepen, das auch gut erklärt wie Ingvar Kamprad es zu einem der reichsten Männer der Welt brachte.
Die drei Jahre in der Kassenschlange war ich nicht nur von im Einkaufskoitus befindlichen Habenhabenhaben-Menschen eingekeilt, sondern auch noch von der IKEA-Weihnachtsdeko umzingelt. Unfassbare Massen von künstlichen Tannenzweigen, Weihnachtsmanngeschenkpapieren, roten Schleifen und ähnlicher augenkrebserregender Plastikdeko, die offensichtlich noch nie zuvor gesehen wurden und daher auch noch auf die ohnehin schon prall gefüllten Wagen getürmt wurden. Warum???
Wenigstens da konnte ich cool bleiben. Weihnachten? Da gehe ich schon 30 Jahre nicht hin.
Vielleicht war ich als Sozialphobiker auch nur von dem Menschentausendfüssler zu erschöpft. Meine Beine wurden weich und die bescheuerten grauen Plastik Nypon-Übertöpfe schleuderte ich mit so einer Wucht auf das Kassenband, als ich schließlich dort ankam, daß sie wie ein Flummi gleich in die Menschenmenge am Ausgang sprangen.
Was für ein Alptraum. Da musste ich mir noch die Nypons von einer dieser dicken 13-Jährigen mit Lolli im Mund zurückbringen lassen, weil ich mit Harödt und Morgondoft bepackt nicht aus der Schlange kam.
Was war ich froh endlich auf dem Parkplatz angekommen zu sein.
Aber da debakulierte ich erst richtig, indem ich, ausgerechnet ICH, der sich seit 100 Jahren über verwirrte Autosucher lustig macht, tatsächlich meine eigene Karre nicht wiederfand und so lange rumirrte, daß ich schon ernsthaft in Erwägung zog, jemand könnte mein Auto geklaut haben.
Was ja merkwürdig wäre, weil das doch schon im Jahr 2012, als ich es mal schätzen ließ, nur 600 Euro wert war. Und seitdem gilt „Beule frei!“.
Es war ja auch doch noch da. Ich vermute aber, daß einer dieser garstigen SUV-Drängler es einfach woanders hingeschoben hatte.
Ja, so war das bei IKEA.

Im Gegensatz zu mir haben 99% der Prasser anschließend natürlich noch die Kantine aufgesucht und auch hinter den Kassen hatten all die Großfamilienmitglieder sämtliche Hände voller Waffeln, Eis und Schmalzgebäck.
Homo homini lupus. Ich verstehe es nicht. Wieso bleibt da jemand länger als unbedingt nötig?
Aber Menschen sind nun mal vollkommen abartig. Die gehen auch zu Kuschelparties oder in Darkrooms, drängeln sich bei Schlagermoves und auf Weihnachtsmärkten, schwitzen mit Wildfremden in Saunas, um schrumpelige Gerontengenitalien zu betrachten oder quetschen sich zu horrenden Preisen und Volksmusikgegröle in Oktoberfestbierzelte, um anschließend aus allen Köperöffnungen gleichzeitig in armdicken Strahl zu göbeln.
WIDERLICH.
Zölibat und Antinatalismus sind die einzigen Lebensformen für mich!

Dienstag, 30. Oktober 2018

Wähler mit vollen Hosen


Timing ist viel wert.

Angela Merkel ergriff 1999 die Chance CDU-Generalsekretärin zu werden als der Rest der Partei noch in Schockstarre wegen der totalen Wahlniederlage war.
Immerhin ist 1998 immer noch die einzige Bundestagswahl in der Geschichte der Bundesrepublik, bei der eine komplette Regierung in die Opposition geschickt wurde. Niemals vorher und auch in den 20 folgenden Jahren wagten die ängstlichen deutschen Wähler so einen Schritt. Den meisten Deutschen fehlt offensichtlich politische Phantasie, weil sie immer mindestens eine Partei in die neue Regierung wählen, die sie schon aus der Alten kennen.
Dementsprechend schlotterten vielen Anfang 1999 die Knie. Ein grüner Außenminister? Wie sollte das denn gehen? Würde der etwa in Turnschuhen seine Antrittsbesuche machen? Ein Sozi als Agrarminister? Den würden die stramm rechten Bauern doch mit Forken und Mistgabel verjagen.
Und schließlich Schröder, der Landespolitiker. Der könnte doch international nur versagen ohne die vielen Kontakte, die Kohl nach 100 Jahren im Amt gesammelt hatte. Finanzminister Lafontaine wurde gleich zum „gefährlichsten Mann Europas“ ausgerufen, bloß weil er ankündigte den völlig abgehobenen Finanzderivatehandel möglicherweise einigen Regeln zu unterwerfen.
Aber es kam sogar noch schlimmer; schon bei ihrer Vereidigung am 28.10.1998 verweigerten sieben Bundesminister, inklusive des Kanzlers die Eidesformel „so wahr mir Gott helfe!“
Die CDU tobte. Eine Regierung, die so abgebrüht und überheblich wäre auf den Beistand Gottes zu verzichten, wäre zumindest der Untergang Deutschlands.
Da war es also, das rotgrüne Chaos.
Nur wenige Wochen später, im Januar 1999 beendete der Urnenpöbel die rotgrüne Mehrheit im Bundesrat, indem er nach der Anti-Ausländerkampagne Merkels den ultrakonservativen Roland Koch zum hessischen Ministerpräsidenten machte und fürderhin kein einziges rotgrünes Gesetz mehr erlassen werden konnte, ohne daß der CDU neoliberale Zugeständnisse gemacht werden mussten.
Aber in dieser Wirbelzeit griff Merkel nach der Macht in ihrer Partei. Erst als Generalsekretärin und dann, als Wolfgang Schäuble massiv beim Lügen und Betrügen erwischt wurde, sogar den Parteivorsitz.
Die CDU war so am Boden, daß niemand den Job wollte und der Schäuble-Sturz kam so schnell, daß kein Andenpaktler vorbereitet war.
Die nächste Bundestagswahl kam regulär im Jahr 2002, der Termin war zu erwarten. Die westdeutschen Unionsmänner waren vorbereitet und keineswegs gewillt dieser geschiedenen ostdeutschen Protestantin die Kanzlerkandidatur zu überlassen. Eine Frau als Kanzlerin? Das würde nicht funktionieren.
Immer noch fürchtete man sich vor dem Neuen und diese Ossi-Frau, gerade mal acht Jahre Ministerin unter Helmut Kohl und vier Jahre Parteichefin/Generalsekretärin war noch zu neu. Nach nur 12 Jahren hatte man sich nicht an sie gewöhnt.
Merkel verstand und akzeptierte das; sie war noch nicht stark genug und mußte am 11. Januar 2002 demütig nach Wolfratshausen zum Frühstück ins Haus des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber fahren. Karin Stoiber zeigte dort die Rolle der Frau, die man für angemessen hielt: Kochen, Bedienen, Abwaschen.
So wurde der Bayer zweiter CSU-Kanzlerkandidat nach Strauß 1980 und frohlockte am Wahlabend des 22.09.2002 kurz nach 18.00 Uhr „ich werde nun ein Glas Sekt öffnen!“

    An dieser Stelle ein kleiner Einschub: Ich habe Stoiber Anfang 2002 bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung der Hamburger CDU auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz erlebt und an dem Tag begriffen, daß er nicht Kanzler werden würde.
Als Bayerischer König war der Mann offensichtlich gewöhnt, daß ihm überall gehuldigt wurde, ihm die Massen zujubelten. In Hamburg aber kamen nur 100 bis 200 „Fans“, die zahlenmäßig den Stoibergegnern von den Jusos deutlich unterlegen waren.
Das brachte den C-Kanzlerkandidaten völlig aus der Fassung. Er konnte sich offensichtlich beim besten Willen nicht erklären was ihm da in Norddeutschland widerfuhr. Menschen, die ihn nicht mochten? Auf die er irgendwie reagieren musste? Wo war die Begeisterung? Stoiber war dermaßen außerstande die Situation außerhalb der Grenzen Bayern zu verstehen, daß damit schon seine Kanzlerträume beendet waren.

Die nächste Bundestagswahl im Jahr 2005 war wieder nach Merkels Geschmack. Sie hatte mit ihrer sechsjährigen Dauerblockade-Politik im Bundesrat Rot/Grün und Deutschland zermürbt. Über sechs Jahre war sie „Mrs Njet“, gönnte Schröder und Fischer nicht den kleinsten Erfolg. Ihre Prioritäten waren ganz klar; erstens Merkel, zweitens die CDU und erst an dritter Stelle das Land.
Dieser perfide Charakterzug wurde besonders deutlich, als sie zu ihrem berühmten Kriecher-Besuch am Vorabend des Irakkrieges nach Washington reiste, schleimspurziehend in Bushs Hintern schlüpfte und als lästige Petze in der Washington Post ihre eigene deutsche Bundesregierung beschimpfte. Mit ihr als Kanzlerin würde Deutschland an der Seite der USA und Englands nach Bagdad einmarschieren.
Der destruktive Politikstil Merkels, den sie später als Kanzlerin mit ihrer inzwischen so berühmten „asymmetrischen Demobilisierung“ perfektionieren sollte, half ihr Schröder fertig zu machen bis dieser 2005 das Heft des Handelns an sich riss und Neuwahlen ausrief.
Wie schon 1998/99/00 waren die anderen C-Parteigrößen völlig überrumpelt. Wer sollte antreten? Das hatten die Andenpaktler um Koch, Wulff und Co noch nicht ausgewürfelt. Und so schnappte sich Merkel die Kanzlerkandidatur weg.
Es hätte angesichts der desaströsen Umfragen für Rotgrün ein einfacher Sieg werden müssen. Bis zu 20 Prozentpunkte lag die Union vor den Sozis, die absolute Mehrheit war wahrscheinlich. Da forderte Merkel gern die von der INSM soufflierten Dinge ein, radikaler Sozialabbau, Kopfpauschale in der Gesundheitspolitik, Flattax nach Paul Kirchhof, drastische Steuersenkungen von Konzerne und Superreiche. Eine große Koalition mit der SPD schloss sie grundsätzlich aus.
Es sollte einer ihrer letzten parteitaktischen Kardinalfehler werden.
Gerd Schröder zeigte, daß er eben nicht der Genosse der Bosse oder der Verräter der Arbeitnehmer war, sondern stemmte sich quasi im Alleingang so vehement gegen den maximalen Sozialabbau à la Merkel, daß er den 20-Prozentpunkte Rückstand auf die CDUCSU fast komplett aufholte und schließlich bis auf einen Prozentpunkt an Merkel herankam.
Ein Desaster für die CDU-Chefin. Hätte die Wahl nur drei Wochen später stattgefunden, wäre sie vielleicht nie Kanzlerin geworden und Schröder wäre im Amt geblieben.
Gerd Schröder rettete der SPD die kurz zuvor noch für unmöglich gehaltene Regierungsbeteiligung, erkämpfe Sozial- und Finanzministerium für die Sozis.
Bundeskanzler Schröder ist es zu verdanken, daß die brutale neoliberale Wirtschaftspolitik des Leipziger CDU-Parteitages à la Merz und Westerwelle nie Realität wurde.
Eine Rolle spielte aber natürlich auch die stets vorhandene Veränderungsfurcht der Deutschen, die auch 2005 eben nicht wagten eine ganz andere Regierung zu wählen, sondern lieber die SPD im Kabinett behalten wollten.
Merkel lernte ihre Lektion: Nie wieder irgendwelche Festlegungen! Nie wieder Programmatik.
Es folgten bekanntlich 13 Jahre des vagen Mäanderns, des Verdrängens, Verschiebens und Abwartens. 13 Merkel-Jahre, in denen sich die Deutschen so sehr an die Frau gewöhnt, die 1990 Ministerin wurde und nun seit 28 Jahren ununterbrochen in der ein oder anderen Spitzenfunktion Deutschlands steht, daß ihr angekündigter Partialrücktritt Linke wie Rechte ängstigt.


Wie im Jahr 2005 durch die Neuwahlankündigungen Merkels parteiinterne Rivalen um die Kanzlerkandidatur überrumpelt wurden, so überrumpelt sie jetzt insbesondere Jens Spahn, der sich sehr gern noch drei Jahre gegen eine alternde Parteichefin als forscher Minister profiliert hätte.
Für ihn ist der Wechsel an der Parteispitze offensichtlich zu früh.
Wie wichtig Timing ist, hat aber ausgerechnet Merkels einstiger Intim-Gegner Friedrich Merz begriffen, der nicht eine Minute zögerte und seinen Hut in den Ring warf, bevor Daniel Günter und Armin Laschet ihre Schnappatmung unter Kontrolle bekamen.

Im Rennen um den Parteivorsitz sind nach gegenwärtigem Stand also Merz, Spahn und Kramp-Karrenbauer.
Meines Erachtens sind das gute Aussichten.
Da wird mir wohlig eiskalt ums Herz.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der islamophobe Trump- und Kurz-Freund ist beliebt wie Fußpilz.
AKK, die fromme Homophobe aus der Provinz kämpft heute noch gegen gleiche Rechte für Alle.
Finanzhai Merz dürfte ein Traumgegner für alle Linken sein.

(…..) Marion Dönhoff schrieb schon in den 1990er Jahren ihr bedeutendes Werk „Zivilisiert den Kapitalismus“ und legte damals schon dar, was uns dann richtig offensichtlich 2008 mit der Weltfinanzkrise ereilte.
Welche Gegenmeinung soll man da noch einnehmen, wenn jemand so offensichtlich voll ins Schwarze getroffen hat.
Bezweifelt denn noch irgendeiner, daß den internationalen Spekulanten das Handwerk gelegt werden muß? Ich würde dazu gern eine SERIÖSE Stellungnahme lesen, die mir erklärt weswegen das Derivatehandeln und Spekulieren mit Lebensmitteln eigentlich sein muß.
Es gibt auch Menschen, die sich dafür einsetzen.
So schrieb CDU-Darling Friedrich Merz, den heute noch fast die ganze Partei zurücksehnt, im Jahr 2008 sein Buch „Mehr Kapitalismus wagen“.
Wenn jemand so rechts argumentiert, merkt man allerdings meistens sehr schnell wieso das so ist. In Merz‘ Fall hängt das offenbar damit zusammen, daß er für den Hedgefonds „TCI“ arbeitet und persönlich damit sehr reich geworden ist.
Darauf läuft es fast immer hinaus.
Wenn jemand etwas offensichtlich Unsinniges beschließt, wie zum Beispiel den Merkel’schen Freifahrtschein für CO2-verschleudernde schwere Limousinen, dann erfolgte dies natürlich nicht aus Überzeugung, sondern auf Druck.
Eine Millionenschwere Lobby ist sehr effektiv.
Waffenexporte, AKW-Subventionen, tierquälerische Geflügelzucht – wieso so etwas erlaubt ist, kann relativ leicht beantwortet werden.
Gier, Geld, Macht. (……)
(Verschiedene Journalisten, 28.10.2013)

Viele Linke und Linksliberale beginnen sich nun aber zu fürchten, ganz wie es dem deutschen Wahlverhalten entspricht.
Merz? Das war doch der, der die HartzIV-Sätze für viel zu hoch hielt, meinte, man könne auch mit 132 Euro im Monat auskommen.

[…] Friedrich Merz bringt außerdem noch folgende – im Kampf gegen CumEx und Steuersparmodelle sicherlich ebenfalls äußerst hilfreiche – Verbindungen mit:
„Merz war bis Februar 2014 Partner der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown LLP, seither ist er nunmehr Senior Counsel; sein Kanzleisitz ist Düsseldorf. Weiterhin gehörte er den Aufsichtsräten der AXA Konzern AG  […] der DBV-Winterthur Holding AG, der Deutsche Börse AG  […] und der IVG Immobilien AG  […] an. Weiterhin gehörte Merz den Beiräten der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH und der Commerzbank AG  […] […] Merz war darüber hinaus Mitglied des Verwaltungsrates der BASF Antwerpen N. V. […] Heute ist er Vorsitzender der Aufsichtsräte der WEPA Industrieholding SE und der BlackRock Asset Management Deutschland AG. Anfang Januar 2010 wurde er in den beratenden Verwaltungsrat der Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt. […] Weiterhin ist Merz Mitglied im Verwaltungsrat der Stadler Rail AG.
Seit März 2016 ist er als Aufsichtsratschef (active chairman) und Lobbyist für den deutschen Ableger des weltweit größten Vermögensverwalters BlackRock tätig. Seit Dezember 2017 ist er Aufsichtsratsvorsitzender des Köln/Bonner Flughafens. […] (Wikipedia)

Ganz Recht, Chris!
So ein CDU-Chef erscheint mir aus demokratietheoretischen Gründen äußerst wünschenswert. Da weiß man woran man ist und welches die Alternativen sind.
Wird Merz Kanzlerkandidat, kann niemand mehr behaupten CDU und SPD unterschieden sich gar nicht. Dann gibt es eine echte Wahl.

[….] Mehrheit wünscht sich Friedrich Merz als neuen CDU-Chef
Friedrich Merz will Angela Merkel beerben und CDU-Chef werden. Das kommt in der Bevölkerung gut an. In einer SPIEGEL-ONLINE-Umfrage schneidet der Konservative unter den gehandelten Kandidaten am besten ab. [….]

So wie ich mir auch keinen sympathischen Papst wünsche, sondern mich über ultrakonservative, prunksüchtige Typen mit abstoßender Physiognomie wie Tebartz-van-Elst oder Ratzinger oder Gröer oder Krenn freue, weil die wirkungsvoll die Anhänger aus ihrem eigenen Verein vertreiben, wären auch Merz oder Spahn für mich ideale CDU-Chefs.
Sie könnten nämlich nicht als Großstadt-affine Modernisierer durchkommen.

Politische Physik

Montag, 29. Oktober 2018

Ablenkungsmanöver


Das Thema, mein Thema ist natürlich Merkels heutiger Macht-Teilrückzug.
An einer Erkenntnis führt aber nichts vorbei. Sie hätte 2017 nicht noch mal antreten sollen, sondern es nach 12 Jahren gut sein lassen sollen. Man hätte es ihr hoch angerechnet selbstbestimmt abgetreten zu sein. Nun muss sie mit der Schmach leben wie so viele andere Regierungschefs der Hybris erlegen zu sein, sich selbst für unverzichtbar zu halten.
Natürlich stimmte ihre Analyse, daß die Welt 2016/2017 ganz besonders aus den Fugen geraten war und schlecht noch mehr Chaos gebrauchen konnte.
Aber es war ganz offensichtlich völlig falsch anzunehmen, eine ewige Kanzlerin Merkel könnte dem Niedergang der Rasse Mensch in den Jahren 2017/18 irgendetwas entgegensetzen.
Sie war früher schon stets die Bremserin und im Herbst ihrer Macht fehlt ihr erst Recht die Energie internationale Megaprobleme zum Besseren zu wenden.

[….] Da draußen spielt sich derweil die Wirklichkeit ab: In Brasilien gewinnt ein Faschist die Wahl.
In Istanbul wird ein Journalist im Konsulat eines Landes, das einen brutalen Krieg in Jemen führt und dem Deutschland dennoch Waffen liefert, getötet und offenbar zerstückelt. Aber der so genannte Westen streitet über die angemessene Antwort.
Der Westen? Der amerikanische Präsident kündigt das Abkommen zum Verbot nuklearer Mittelstreckenwaffen, jener Waffen, die im alten Ost-West-Konflikt vor allem Deutschland gefährdet hätten. Gegner dieses Präsidenten finden Rohrbomben in ihrer Post. In einer Synagoge werden Juden erschossen.
Der Westen ist zerbrochen. Barack Obama war sein letzter Präsident. […..]

Merkel war nie eine Gestalterin und auch jetzt sieht sie nur hilflos zu, spielt international keine Rolle. Aber auch in der Bundespolitik ist ihre präsidiale polit-abstinente Regierungsmethode am Ende. Es nervt nur noch, wenn Probleme wie Diesel, Kohleverstromung, Pflegekräfte, Einwanderungsgesetz, Wohnungsnot einfach ignoriert werden.
Vor sechs Wochen gab es eine handfeste Regierungskrise, weil man um die Affäre Maaßen kreißte. Das halbe Kabinett war am Ende schwer beschädigt, als man endlich einen Weg fand diesen einen untauglichen B9-Beamten des Innenministeriums loszuwerden.
Maaßen ist aber immer noch als Verfassungsschutzpräsident im Amt. Seehofer setzt den Koalitionsbeschluss einfach nicht um und selbst dafür fehlen Merkel der Elan und die Autorität.

That said, ist es unter den gegenwärtigen Umständen schlau von Merkel diesen Paukenschlag zu tun, da sie damit Handlungsfreiheit gewinnt. Was sollen AfD, Pegida und David Berger eigentlich jetzt grölen? „Merkel muss weg“ war doch ihre gesamte Daseinsberechtigung. Einen heftigen Tritt versetzte Merkel auch dem Mann, den sie nicht als Nachfolger will. Für Jens Spahn kommt dieser Wechsel zu früh. Er war bisher nur sehr auffällig, aber konnte politisch noch nichts umsetzen, ist hoffnungslos unbeliebt.
Horst Seehofer ist heute auch für den letzten bayerischen Provinzler zum politischen „walking dead“ geworden.
Der hat den Schuss nicht gehört, wenn er sich weiter an seinen CSU-Vorsitz krallt.
Ganz nebenbei schaufelte Merkel ebenfalls einen Kübel Politpech über die SPD, indem sie selbst relativ souverän das Heft des Handelns in die Hand nimmt und Andrea Nahles damit noch schwächer und hilfloser wirken lässt.

[…..] Darum waren die Wahlen in Bayern und Hessen viel mehr als Regionalwahlen - es waren Signale nach Berlin. Merkel hat sie endlich so verstanden. Andrea Nahles nicht.
Aber was versteht Andrea Nahles überhaupt? Was sie am Sonntagabend zeigte, war das Delirium der Macht. Alles was sie da sagte, vom "verbindlichen Fahrplan", von der "Halbzeitbilanz", nach der zu entscheiden sei, ob die SPD in der Koalition noch "richtig aufgehoben" sei, das war das elende Politikergerede, das die Leute nicht mehr hören wollen. Aufwachen Andrea! Es ist vorbei. […..]

 Das muss man der SPD-Chefin schon lassen; in Punkto politischer Dummheit ist sie ein einsam strahlender Solitär. So unfähig und schwer von Begriff war noch kein Parteichef. Die fromme Provinztrulla aus der tiefen Eifel blamiert die Genossen nicht nur mit jedem öffentlichen Statement, sondern scheint den Rest der Zeit einfach nur enthirnt zu chillen. Als sie die parteiinterne historische Kommission abschaffte, scheint sie gleich auch alle zukunftsorientierten Arbeiten gestoppt zu haben. Es gibt keine Planung, keine Strategie, überhaupt keine Gedanken an morgen.
Eine funktionierende Partei wird nicht immer bloß von der Gegenwart überrascht, sondern bereitet sich auf verschiedene Szenarien vor, um nicht überrumpelt zu werden. Dafür gibt es eigentlich Grundsatzabteilungen und Planspiele aller Art
Nur Nahles träumt tumb in den Tag hinein.
Merkel könnte den Parteivorsitz abgeben?
Jeder Journalist durchdenkt solche garantiert eintretenden Zäsuren, bereitet sich vor, analysiert was das bedeuten könnte, bastelt Strategien für alle Fälle.
Nur das Nahles-WBH taumelte blind und arglos vor sich hin, ist dementsprechend vollkommen überrascht und hat keine Ahnung wie es reagieren soll.

[…..]  Nahles und Schäfer-Gümbel stehen in der Berliner SPD-Zentrale, der Hesse bekommt immerhin ein paar nette Worte. Am Abend vorher hat er die Hauptverantwortung für die Niederlage bereits der Bundespartei zugeschoben. Sieht Nahles am Tag danach auch so: Schäfer-Gümbel habe nichts falsch gemacht. Das wirkt nicht nur bitter, auch trist.
Dann kommen die Eilmeldungen. Angela Merkel wird sich vom CDU-Vorsitz zurückziehen, auf dem Parteitag im Dezember nicht erneut kandidieren.
Nahles soll das jetzt kommentieren. Aber was soll sie sagen?
Es ist ja offensichtlich: Merkel versucht einen Befreiungsschlag, damit ihre Partei der Abwärtsspirale entkommen möge. Die CDU hat, das ist der Eindruck der vergangenen Monate gewesen, ein Personalproblem. Das geht Merkel jetzt an. Die SPD dagegen hat ein Koalitionsproblem. Das packt Andrea Nahles weiterhin nicht an.
[…..]   Auch mit ihrem "Fahrplan" gelingt Nahles kein Befreiungsschlag. "Zu dröge", "Koalitionsvertrag light", so lauten die Urteile. […..]  Die SPD befindet sich in einer durchweg unbequemen Situation. […..]  Derzeit ist es völlig unklar, wie lange die Koalition noch hält. Zurück bleibt eine ratlos wirkende SPD, die sich weder Neuwahlen wünscht, noch wirkliche Personaldebatten leisten kann. [….]

Das muss man sich mal vorstellen; die Mikadokanzlerin, die sich seit 1990 hartnäckig weigert zu sagen was sie eigentlich will in der Politik, die nie inhaltlich wird und möglicherweise schon vor Jahren in ein Wachkoma fiel, wirkt noch handlungsstark verglichen mit der pyknischen SPD-Führerin aus der Pfalz.
Andrea Nahles wurde heute von Frau Merkel wie ein trotteliges Schoßhündchen, das auf den Flokati gekackt hat mit der Nase noch mehr in die Scheiße gedrückt, während die Kommentarspalten vor Merkel-Respektkundgebungen überquellen.
Schon jetzt wird Merkel vermisst.
Auch da ist sie Nahles weit voraus. Schwer vorstellbar, daß ihr jemand eine Träne nachweint, falls sie sich eines Tages final zum Beten und Stricken auf ihren Bauernhof in Weiler zurückbeamt.
Überflüssiger in der Bundespolitik ist höchstens noch Crazy Horst.