Samstag, 25. Mai 2013

Lob Amerikas.



Wer nach der unfassbaren Präsidentschaft George W. Bushs, welche die gesamte Weltwirtschaft ruinierte, Abermillionen Flüchtlinge produzierte, Hunderttausende Gräber hinterließ und das Ansehen Amerikas auf einen Tiefstand zerrte, deprimiert war, konnte nach Obamas Amtsantritt im Januar 2009 kaum aufatmen.
Bevor der Neue irgendetwas anpacken konnte (falls er das überhaupt wollte), hatten sich die Amerikaner schon so sehr über ihre Courage einen schwarzen Demokraten zu wählen erschreckt, daß sie gleich bei den midterm-elections wieder umfielen und die Teebeutler in den Kongress schickten.
Daß Obama überhaupt gewählt wurde, erscheint uns ob seiner Hautfarbe und dem so lange herbeigesehnten Ende GWBs immer noch spektakulär. Aber das ist eine emotionale Sichtweise.
Sofern es in der amerikanischen Wählerschaft auch nur einen Funken Restverstand gab, hätten sie nach der katastrophalen Performance der Republikaner (2001-2009) und der Kandidatin Palin (die offensichtlich noch dümmer als Paris Hilton ist) auch eine Hydranten oder Mickey Mouse wählen müssen.
Anybody but Bush war das Motto der Stunde.
Diejenigen, die vier Jahre später bei der Präsidentschaftswahl 2012 furchtbar enttäuscht vom Friedensnobelpreisträger Obama waren, müssen sich fragen lassen, wieso sie überhaupt so viele Erwartungen hatten!
Wie der Lobbyisten-gesteuerte Kongress mit lauter abhängigen Abgeordneten, die 2/3 ihrer Zeit für das Wahlkampfspenden-Eintreiben aufwenden müssen, funktioniert, bzw nicht funktioniert, wissen wir doch alle.
Selbst moderateste Einschränkungen der Waffengesetze, wie sie auch über 90% der amerikanischen Bevölkerung wollen, wagen die Washingtoner Feiglinge nicht umzusetzen, da ihnen die NRA den Geldhahn abdrehen würde.
Man möchte die Akte Amerika zuklappen und eigentlich nie mehr an dieses verschrobene Land aus lauter ewig-gestrigen Brutalinskis mit Jesuskomplex und Zimmertemperatur-IQ denken.
 Die acht Bekloppten, die sich in dutzenden TV-Debatten als Herausforderer des US-Präsidenten blamierten, unterboten das grottige GWB-Niveau scheinbar spielend.
Acht Jahre hatte man über Bush Junior und seine sagenhaften Bildungslücken gelacht.
Und auf einmal erschien der Mann, der in Brasilien besorgt fragte „do you have blacks, too?“, sich in Mexico-Stadt nach der Landesprache erkundigte und dem Spanischen König Juan-Carlos erklärte er freue sich die REPUBLIK Spanien zu besuchen geradezu als Genie!
Im Vergleich zu Herman Cain und Michele Bachman wirkte der fanatische Kriegstreiber und ewige Rekordhalter im Todesstrafen-Unterzeichnen, geradezu sympathisch und weltmännisch.
Diese acht Gurken waren also das Beste, das sich unter 310 Millionen Menschen als Obamas Gegenkandidat finden ließ?
Man stellte sich schon vor wie einer dieser Schwachsinnigen im Oval Office säße und möglicherweise das Ende der Welt einläuten könnte, wenn er erst mal die nucelar codes in den Fingern hätte.
Die Wahlnacht verlief dann insofern überraschend, als Obamas Wiederwahl sehr viel deutlicher als prognostiziert war.
Dabei hatten die meisten Profi-Polit-Auguren immer wieder auf die magere wirtschaftliche Bilanz Obamas verwiesen. In einem Land, in dem als oberstes Gesetz „It’s the economy, stupid!“ gilt, könne jemand wie Obama gar nicht wiedergewählt werden und schon gar nicht gegen so einen erfahrenen Geschäftsmann und Multimillionär wie Romney.

Aber all die Experten hatten nicht beachtet, daß Amerika sich immer wieder als durchaus wandlungs- und lernfähig erwiesen hatte.
Veränderungen können in den USA viel schneller voran gehen, als es sich Europäer vorstellen können.
Amerika bringt zwar eine erbärmliche politische Klasse hervor, beeindruckt mit einem beachtlichen Nicht-Wissen und Nicht-Wissen-Wollen, aber in dieser heterogenen Großnation entstehen auch immer wieder Trends, die sich enorm schnell durchsetzen.

Auch wenn meine Taxifahrerin einst erklärte die Amerikaner wären das dümmste Volk  der Welt (einer These, der man zunächst einmal nicht widersprechen mag), sind sie immer noch zu internationalen Spitzenleistungen auf vielen Gebieten fähig.
Trotz des ungeheuer ungerechten und schwerfälligen Gesundheitssystems der USA, bringen die Amerikaner weltweit führende Mediziner hervor. Sie dominieren internationale Sportevents, sie haben Sänger, die singen können, Schauspieler, die schauspielern können, Schriftsteller, die schreiben können, Komiker, die wirklich komisch sind, erschaffen weltweit die besten Drama-Serien  und haben inzwischen sogar eingesehen, daß Ressourcen endlich sind.
So lange lachten wir über den PS-Wahn der amerikanischen Spritschluck-Monster-SUVs.
Aber auf einmal sind die Deutschen die Ewig-Gestrigen, die sich als einzige Nation der Erde gegen Tempolimit sperren und in Brüssel verhindern, daß sparsamere Autos gebaut werden.
 Amerika denkt auf einmal ökologisch, läßt auf bestimmten Highways keine Autos mit nur einem Insassen zu, zwingt also zum Car-Sharing.
 Penibel wird in trockenen Gegenden auf den Wasserverbrauch geachtet. Wehe dem, der einfach seinen Rasen sprengt, wenn das eigentlich verboten ist.
Scheinbar über Nacht ist in den Staaten eine neue, liberaler denkende Generation herangewachsen, die das unter Rotgrün noch vergleichsweise ultramodern wirkende Deutschland alt aussehen läßt.
Während in Berlin im Jahr 2013 CDU, CSU UND FDP im Bundestag gegen die völlige Gleichstellung der Homoehe stimmten, ist Amerika in Siebenmeilenstiefeln an uns vorbei gezogen.
Minnesota hat als zwölfter von 50 US-Staaten die sogenannte Homo-Ehe legalisiert. Gouverneur Mark Dayton unterzeichnete das Gesetz am Dienstag unter dem Jubel zahlreicher Zuschauer bei einer Zeremonie unter freiem Himmel in der Hauptstadt St. Paul. […] Noch 2011 hatte der von den Republikanern dominierte Kongress von Minnesota ein Referendum genehmigt, mit dem die Ehe zwischen Mann und Frau in der Verfassung des US-Bundesstaates als exklusiv festgeschrieben und Homo-Ehen damit für die Zukunft verhindert werden sollten.  Ein Jahr darauf, am 6. November 2012, lehnten die BürgerInnen von Minnesota den entsprechenden Verfassungszusatz allerdings ab, und wiesen die Regelung des politischen Streits um die Homo-Ehe zurück an die Legislative.    Minnesota ist der dritte Bundesstaat binnen zwei Wochen, der die gleichgeschlechtliche Ehe einführt. Am 2. Mai war Rhode Island den Schritt gegangen, am Dienstag vergangener Woche folgte Delaware.

Binnen weniger Jahre sind die konservativen Gegner der Homo-Ehe mit dieser Strategie gescheitert. […] Die amerikanische Gesellschaft hat ihre Einstellung zur Homo-Ehe rapide geändert, daran lassen die Umfragen keinen Zweifel. 1996 waren 27 Prozent bereit, sie zu akzeptieren, 2008 44 Prozent, heute sind es 53 Prozent.
Ähnlich radikal hat sich die Meinung zu internationalen Militäreinsätzen und der Haschisch-Frage geändert.
In Colorado und Washington avanciert der Joint nun nach einer Volksabstimmung zum legalen Genussmittel. Die Grasindustrie wittert das große Geschäft. Erstmals in der Geschichte der USA haben die Wähler von Colorado und Washington für eine völlige Legalisierung von Marihuana gestimmt. Nach den beiden Volksabstimmungen, die am Tag der Präsidentenwahl stattfanden, avanciert der Joint dort nun zum legalen Genussmittel. In Zukunft sollen Erwachsene, die älter als 21 Jahren sind, bis zu einer Unze (28 Gramm) Gras besitzen dürfen.

Auch für den Anbau, die Weiterverarbeitung und den Verkauf soll es neue Regelungen geben. Die Grasindustrie wittert jetzt das große Geschäft.
In Amerika gibt es ein deutlich modernes Familien- und Staatsbürgerschaftsrecht. Verhältnisse, von denen ich in Deutschland nur träumen kann!
Doppelte Staatsbürgerschaften sind generell erlaubt und wer in den Staaten geboren wird, ist automatisch Amerikaner. 
Trotz meiner Geburt in Deutschland uns eines deutschen Elternteils, bin ich nach wie vor Ausländer. So wollen es die antiquierten Regeln, die deutsches Blut vorschreiben.
Auch Eizellenspende, Leihmutterschaft und gemeinsame gleichgeschlechtliche Adoptionen kann man in Deutschland vergessen.
 In Californien ist das hingegen kein Problem.
Das Ehepaar Axel und Jürgen Haase mußte an die amerikanische Westküste fliegen, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Im Christlichen Deutschland ist das nach wie vor illegal.
Eine junge Mutter läuft an Familie Haase vorbei. Sie sagt: »Die sehen ja anbetungswürdig aus! Ist sehr viel Arbeit, oder?« Axel Haase sagt: »Wir haben uns daran gewöhnt.« Woran sie sich nicht gewöhnen können: die Kommentare in Deutschland. Ob Leihmutterschaft nicht ein Ausnutzen von Frauen sei, so was würden sie in Deutschland gefragt. Und in Kalifornien? »Hier«, sagt Jürgen Haase, »wollen die Leute wissen, warum das in Deutschland verboten ist.«
Und noch etwas ganz Neues gibt es in Amerika: Atheisten.
Als nach dem Tornado in Oklahoma-City CNN-Mann Wolf Blitzer von einer Überlebenden wissen wollte, ob sie dem Herrn nun dankbar sei, erklärte sie Atheistin zu sein!
Ein Schock-Moment im US-TV. Was macht so eine Frau in Oklahoma!

Die Gottlosen wagen sich sogar schon ins Parlament vor.
Juan Mendez ist demokratischer Abgeordneter im US-Bundesstaat Arizona. Bisher galt es als eine akzeptierte Tradition, dass vor jeder Sitzung des Repräsentantenhaus ein Gebet gesprochen und die teilnehmenden Abgeordneten dabei aufgefordert wurden, ihren Kopf zu senken. Mendez brach mit dieser Tradition und zitierte ausgerechnet einen Atheisten.

“Die meisten Gebete in diesem Raum beginnen mit der Aufforderung, dabei den Kopf nach vorne zu senken”, sagte Mendez laut der Phoenix NewTimes. “Ich würde euch diesmal aber bitten eure Köpfe nicht zu senken. Ich bitte euch stattdessen, euch umzusehen, all die Männer und Frauen in diesem Raum anzusehen. In diesem Moment, in dem wir diesen außergewöhnlichen Moment erfahren am Leben zu sein und unsere Arbeit dieser einen Aufgabe widmen, das Leben aller Menschen in diesem Staat zu verbessern”, sprach Mendez.

[…]  “Carl Sagan schrieb einst: Für kleine Lebewesen, wie wir es sind, ist Liebe die einzige Möglichkeit die unvorstellbare Weite (Anm., des Universums) alleine durch Liebe zu ertragen”, schilderte Mendez. […] Nach seiner Ansprache erklärte Mendez, dass er lediglich einer von 1,3 Millionen Menschen sei, die in Arizona lebten und keine Mitglieder einer Kirche oder einer Religion seien. “Ich hoffe, dass dies eine neue Zeit in Arizona einleiten wird, wenn hier auch Ungläubige dieselbe Wertschätzung erhalten, wie es bei Gläubigen der Fall ist”, erklärte Mendez zum Schluss.
Nun müssen Palin, Santorum und Bachman wohl ihre Auswanderung planen.
Fragt sich nur wohin. Uganda?

4 Kommentare:

  1. Religion ist immer da auf dem Rückzug, wo die Realität sich breit macht. Die degenerierten Träumer, die den Menschen ihre törichte Vorstellung vom Paradies aufnötigen wollen, müssen im Angesicht solcher Katastrophen kleinlaut das Feld räumen. Da versagt das gesamte Glaubenskonstrukt.

    Ein Gott, der tatenlos dabei zusieht, wie Kinder sterben, hat keine Anbetung verdient. Ein solcher Gott existiert einfach nicht. Und egal, was Religionsstifter sich einfallen lassen. Darüber, können sie nicht hinwegtäuschen.

    Schande über die, die deren Lügen glauben und ihren Kindern noch damit den Kopf verdrehen lassen. Religion ist nicht Glaube, Religion ist nicht Kultur. Das wollen die Kichen lediglich suggerieren, um über den Mangel an Wahrheit und Fakten hinwegzutäuschen. Jede Religion ist Lüge, jeder Gott erfunden!

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  2. Schon richtig!

    Aber natürlich ist Amerika immer noch ein verdammt religiöses Land.
    Viel religiöser als man es sich von einer technisch so fortschrittlichen Nation eigentlich vorstellen kann.
    Der Einfluß all der Prediger und Bischöfe auf politische Entscheidungen ist schon noch enorm!

    LGT

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  3. Für mich sind diese Gedanken heute bezügloch Lob und Kritik sehr interessantund bisweilen sogar aufregend! Herzlichen Dank dafür! Eine kritische Bemerkung meinerseits möchte ich aber doch hier loswerden: Bisweilen habe ich bei Ihren Gedanken den Eindruck, dass die Einstellung zur Homo-Ehe für Sie das Maß aller Dinge zu sein scheint, obschon sie doch für den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Gesellschaft, ja auch den Bestand und die Pflege der Demokratie nur marginale Bedeutung hat. Die uneingeschränkte und gleichberechtigte gesetzliche Anerkennung ist gut und richtig. Aber sie betrifft eben nur eine marginale Minderheit. Als Kriterium für Demokratie und Fortschritt, erscheint mir das zu hoch bewertet.

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  4. Hier ist die ausführliche Antort darauf:

    http://tammox2.blogspot.de/2013/05/zu-schwul.html

    LGT

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