Murphys Global-Gesetz: Was schief laufen kann, läuft auch schief.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinpin scheint nach unseren westlichen Vorstellungen nahezu allmächtig zu sein. Er wird im Herbst formal in eine dritte Amtszeit gewählt. Dabei werden auch die anderen personalpolitischen Weichen des 1,4-Milliarden-Menschen-Reiches gestellt. Gestern wurde der Gründungstag der chinesischen Volksbefreiungsarmee gefeiert und nun strömen alle wichtigen chinesischen Politiker zum Strandort Beidaihe, um sich für Xis dritte Inthronisierung in die beste Ausgangsposition zu mauscheln. Das ist ohnehin die Stunde der Scharfmacher. Im Partei-internen Machtkampf ist es tödlich, außenpolitische Schwäche erkennen zu lassen und so übertrifft man sich in der Verdammung Taiwans und der USA.
Und ausgerechnet jetzt kommt, Nancy Pelosi, die Nummer Drei der USA, eingeflogen und setzt einen großen dampfenden Kackhaufen auf die "Ein-China-Doktrin", also den Heiligen Gral der KP.
Mein Besuch unterstreicht das unerschütterliche Engagement der USA für die Unterstützung der lebendigen Demokratie in Taiwan. Amerikas Solidarität mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan ist heute wichtiger denn je, da die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht.
Ganz China schäumt vor Wut. Die Volksarmee hält Seemanöver vor Taiwan ab, chinesische Kampfjets tangieren die Median-Linie.
[…] Zhao Lijian provoziert gern. Ganz oben im Twitterprofil des Sprechers des chinesischen Außenministeriums steht ein Meme, das sechsmal das gleiche Bild eines US-Tarnflugzeugs beim Bombenabwurf zeigt. Unter jedem Foto steht der Name eines Landes: Irak, Afghanistan, Pakistan, Somalia, Libyen, Syrien. »Geschichte ist immer ähnlich«, schrieb Lijian dazu. Die erste Botschaft des Tweets ist offensichtlich: Die USA sind der große Kriegstreiber auf dem Planeten. Die zweite ist eher implizit: Sollte es je zu einem Krieg um Taiwan kommen, ist klar, wer die Schuld trägt. […]
(Francesco Collini, 02.08.2022)
Nancy Pelosi macht mit ihrem Besuch auch Wladimir Putin, sowie allen Wagenknechtlern in Westeuropa, ein Geschenk. Russland festigt seine Bindung zu seiner Schutzmacht China, verurteilt offen das aggressive Vorgehen der NATO-Nation USA und kann dadurch wirksam die Legende untermalen, sich in der Ukraine gegen einen aggressiven Westen zu „verteidigen“. So jedenfalls bekommen die NATO-Staaten China garantiert nicht in das Russland-Sanktions-Boot.
Auch Joe Biden soll unglücklich über die Reiserei seiner 82-Jährigen Parteifreundin sein. Dabei sah er gerade ein ganz kleines bißchen besser aus, nachdem es seiner Administration gelungen war, Al-Qaida-Anführer Aiman al-Sawahiri zu ermorden und Joe Manchin aus der GOP-Phalanx zu brechen. Nun muss Biden aber tatenlos dem Treiben der mächtigsten US-Parlamentarierin zusehen, weil a) der Kongress unabhängig vom Weißen Haus handelt und sich b) insbesondere der frühere Kongressabgeordnete Biden jede Einmischung aus dem Weißen Haus verbeten hatte.
Da Pelosi im Gegensatz den Republikanischen Abgeordneten als sehr intelligent gilt, stellt sich die Frage: Warum zum Teufel tut sie das?
[….] Als hätte die Welt mit dem russischen Angriffskrieg, den drohenden Hungersnöten, dem Klimawandel und der Pandemie nicht schon genug Probleme, zieht in Fernost die nächste potenzielle Großkrise auf: Die Lage um Taiwan ist so angespannt wie noch nie, seit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Amt ist. [….]
Warum gießt die Top-Parlamentarierin nun einen ganzen Tanklaster Benzin ins globale Feuer?
Auch Pelosi steht vor den sehr wichtigen Midterms. Nach gegenwärtigen Stand der Umfragen und hunderter Wahlrechtsänderung, die es Demokraten auf Bundesstaaten-Ebene sehr erschweren zu gewinnen, sieht es düster für ihre Partei aus. Ihren Job als „Madam Speaker“ könnte sie bald los sein. Die am 26. März 1940 geborene Pelosi denkt an ihr Vermächtnis und sie war immer eine der schärfsten Kritikerinnen von autoritären Regimen, die insbesondere gegenüber China mehr Mut als andere bewies. 1991, zwei Jahre nach der Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, hielt sie ein demokratisches Plakat hoch.
Pelosi agiert seit 35 Jahren eine lautstarke Kritikerin des immer autokratischeren Regimes und sie sollte Recht behalten.
[….] US House of Representatives Speaker Nancy Pelosi has arrived in Taiwan, defying warnings from China and concerns from the White House. But she has a long history of criticising the Chinese government.
Most famously in 1991, two years after large-scale protests in Beijing were crushed by the Chinese government, she visited Tiananmen Square and displayed a banner honouring the deceased demonstrators.
For its part, the Chinese government has made no secret of its disdain for Ms Pelosi, once labelling her "full of lies and disinformation".
the event and chasing the lawmakers out of the square. [….] Ms Pelosi, who also helped lead a resolution condemning China's actions in 1989, has continued to speak out about the "massacre" of demonstrators over the years.
Most recently, she issued a statement to mark the 33rd anniversary of the protests this year, calling the demonstrations "one of the greatest acts of political courage" and slamming the Communist Party's "oppressive regime".
At a meeting with then-Chinese Vice-President Hu Jintao in 2002, Ms Pelosi tried to pass him four letters expressing concern over the detention and imprisonment of activists in China and Tibet, and calling for their release. [….] Seven years later, Ms Pelosi reportedly hand-delivered another letter to him - by then President of China - calling for the release of political prisoners including prominent dissident Liu Xiaobo.
Liu was named the winner of the 2010 Nobel Peace Prize but was not allowed to travel to Norway to accept the award. He died of cancer in 2017 while still in Chinese custody.
Ms Pelosi has opposed China's bids to host the Olympic Games as far back as 1993 on the basis of its alleged human rights abuses.
She was one of the lawmakers that unsuccessfully urged then-US President George W Bush to boycott China's Summer Olympics opening ceremony in 2008.
This year, the Speaker of the House again led calls for a "diplomatic boycott" of Beijing's 2022 Winter Olympics over the treatment of Uyghur Muslims in China. [….]
Während Trump und die US-Republikaner sehr Russland- und insbesondere Putin-affin sind, weil der Kreml-Herrscher ganz klar ihre Sehnsüchte nach einem weißen, heterosexuellen, autokratischen, christlichen Herrscher verkörpert, hegen die Demokraten eher Sympathien für die Ukrainische Seite. Bidens starke Unterstützung für Kiew ist populär bei ihnen.
Eins der ganz wenigen Themen, bei denen es noch relative Einigkeit im amerikanischen Volk gibt, ist aber das Unbehagen gegenüber China.
Man fühlt sich gedemütigt von der eigenen Import- und Finanzabhängigkeit, will den alleinigen Status einer Supermacht verteidigen. Es ist einer der ganz großen Wahlkampfschlager Trumps, auf China einzudreschen.
Nur zu gerne werfen Republikaner den Demokraten Schwäche gegenüber Peking vor.
[….] Ein Besuch in Taiwan zum jetzigen Zeitpunkt ist aus ihrer Sicht daher nur konsequent: Angesichts des zunehmenden Säbelrasselns der Führung in Peking gegenüber dem kleineren Nachbarn will sie ein Signal der Verbundenheit mit der Inselrepublik aussenden. Natürlich spielen dabei aber auch innenpolitische Erwägungen eine Rolle: Die oppositionellen Republikaner werfen Biden und seinen Demokraten vor, im Umgang mit Peking zu nachgiebig zu sein. Im heraufziehenden Kongresswahlkampf gehört die Kritik an der angeblich zu laschen Chinapolitik der Demokraten ins Repertoire jedes republikanischen Kandidaten. Bei vielen Wählerinnen und Wählern, die China für den neuen Hauptfeind der USA halten, kommt das gut an. Mit einem spektakulären Besuch in Taiwan kann Pelosi also praktisch im Alleingang eine wichtige Flanke ihrer Partei in diesem Wahlkampf schließen. [….]
Alle Beteiligten, inklusive Nancy Pelosi, sind besessen davon, zu beweisen, die größten Testikel zu haben. Nach dem jetzt schon legendären stundenlangen Biden-Xi-Telefonat, in dem der Chinese unverhohlen wie nie Drohungen ausstieß und der Kalifornierin vorschreiben wollte, nicht nach Taipeh zu fliegen, blieb der sich als Supermacht verstehenden USA gar nicht mehr die Möglichkeit, sich NICHT darüber hinwegzusetzen. Biden, Pelosi und alle Demokraten hätten sich sonst jeden Tag im Wahlkampf von den Trumpisten anhören müssen, vor Peking eingeknickt zu sein, während Trump „tough on China“ wäre. (Was nicht stimmt, denn Xi konnte die Trump-Familie ganz billig gegen ein paar hundert Millionen für Ivankas chinesische Konzessionen einkaufen.) Es wäre das Todschlagargument im Midterm-Wahlkampf geworden.
Xi (69), Trump (79), Biden (79) und Pelosi (82) befinden sich also alle im Wahlkampf.
Da muss Frieden draußen bleiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Feedback an Tammox