Sonntag, 31. Oktober 2021

Der Christ des Tages – Teil XCIII

Der arme Joe Biden befindet sich schon wieder im Wahlkampf mit Donald Trump.

Am Dienstag wird in Virginia, vor Washingtons Haustür, ein neuer Gouverneur gewählt und IQ45 zeigt sich wieder einmal von seiner perfidesten unmenschlichsten Seite. Eine republikanische Partei, mit der man in so einem klassischen Swingstate um Inhalte diskutieren könnte, gibt es nicht mehr. Die bunte Koalition der Demokratischen Partei hat es mit einem homogenen Hass-Block aus fanatischen ReTrumpliKKKans zu tun, der schon lange jede Realität leugnet und blindlings seinem Lügen-Messias Trump folgt.

Trumps Jünger Glenn Youngkin könnte den strauchelnden Demokraten eine üble Niederlage verpassen, weil weite Teile das Landes nur noch nach dem größten Hetzer und Hasser suchen. Der 54-Jährige private-equity-Milliardär Youngkin poltert gegen die Maskenpflicht, will Abtreibung verbieten, die von den Demokraten eingeführten „background-checks“ beim Kauf automatischer Waffen abschaffen, Unternehmenssteuern kürzen, die Critical-Race-Theorie verbieten, Diskriminierungsschutz für Transgender beenden und lügt als Republikaner sowieso wie gedruckt.

[….] According to Politico, Youngkin "has hung his campaign on education" and The New York Times wrote that Youngkin's campaign has turned Virginia public schools into "a cultural war zone". Additional comments by Youngkin on the issue of education have been ranked false by fact-checkers. These include Youngkin's false accusation that his opponent, McAuliffe, would remove "the Pledge of Allegiance and the Fourth of July from curriculum" in schools, and Youngkin's false accusation that McAuliffe asked President Biden "to dispatch the Department of Justice and the FBI to try to silence parents in Virginia". Asked if he accepts the scientific consensus on the causes of climate change, Youngkin said he does not know what causes climate change and that the cause ultimately does not matter.  […]

(Wiki Youngkin)

Allerliebst, aber das macht Youngkin nur zu einem ganz durchschnittlichen GOPer der Ära Trump und zu einem aussichtsreichen Kandidaten für das Gouverneursrennen.

Es geht noch sympathischer bei Republikanern aus Virginia.

Der Christ des Tages Nr. 93 heißt Robert „Bob“ G. Good, ist 56 Jahre alt und zog im Januar 2021 für den 5. Kongresswahlbezirk von Virginia in das  Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten ein.

Accountability GOP
 

Als Schüler war er im Homosexuellen-Sport aktiv, als Wrestler der streng christlichen Privatschule Liberty Christian Academy. Anschließend startete er eine Karriere in der Finanzindustrie, engagierte sich als guter Konservativer aber auch stets für die Diskriminierung aller LGBTIQs, die er offensichtlich hasst wie die Pest. 


[.....] Bob’s involvement in wrestling would span four decades as a competitor, coach, administrator, and mentor of young men.  The lessons learned in the sport still impact his life today, along with the young men that he was able to influence over many years. [.....]

(Meet Bob)


Nachdem sein republikanischer Amtsvorgänger Riggleman ein wenig Liberalität im Umgang mit Schwulen zeigte, fegte er ihn bei der GOP-Vorauswahl weg.

[….] Good besiegte Riggleman mit 58 % der Stimmen der Parteidelegierten während eines Drive-Thru-Nominierungskongresses anstelle einer Vorwahl. Während des Wahlkampfes kritisierte Good Riggleman dafür, dass er die gleichgeschlechtliche Hochzeit von zwei ehemaligen Wahlkampfhelfern geleitet hatte.  Good trat 2020 mit einem rechtsextremen Wahlprogramm an, wobei er harte Ansichten zur Einwanderungspolitik und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe vertrat und sich mit Präsident Donald Trump verbündete. Good forderte die Aufhebung des Affordable Care Act und lehnte Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Bekämpfung der Ausbreitung von COVID-19, einer Pandemie in den Vereinigten Staaten, ab. Er trug keine Gesichtsbedeckung, unterstützte das Tragen von Gesichtsbedeckungen bei Wahlkampfveranstaltungen nicht und sprach sich gegen Einschränkungen für Unternehmen aus, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.  [….]

(Wiki Good)

In der Hauptwahl am 03.11.2020 gewann Good locker mit 53%:47% gegen den Demokraten Dr. Cameron Webb, denn dieser ist Arzt, glaubt an SarsCoVII, den Nutzen von Masken und Impfungen. So einen wollen die Virginianer natürlich nicht als ihren Repräsentanten im Kongress.

Nach seinem Wahlsieg agierte er, wie es sein Messias Trump erwartete. Nach damals gut 300.000 Covid19-Toten in den USA erklärte er, es gäbe gar keine Pandemie.

[…..] Rep.-elect Bob Good took the stage at Freedom Plaza on Saturday afternoon and looked out at a sea of masklessness. Thousands had come to march for President Trump — some carrying signs declaring the novel coronavirus a hoax.  They were just the kind of group, Good told the crowd, who “gets that this is a phony pandemic.”  “It’s a serious virus, but it’s a virus. It’s not a pandemic,” said Good (R), who will become Virginia’s newest congressman in the 5th Congressional District on Jan. 3. “It’s great to see your faces. You get it. You stand up against tyranny.”  Good’s denial of the existence of a pandemic flies in the face of an unprecedented surge in coronavirus infections, which have claimed the lives of nearly 300,000 Americans — including more than 300 in Good’s congressional district, according to a Washington Post analysis of coronavirus data. [….]

(WaPo, 14.12.2020)

Im Kongress stimmte er am 06.01.2021 gegen die Bestätigung des Wahlsieges von Joe Biden, der gut sieben Millionen Stimmen mehr als Trump bekommen hatte.

Die Demokraten hätten die Wahl gestohlen.

[….] A new poll conducted by the Wason Center for Civic Leadership at Christopher Newport University shows that 61% of Republican voters surveyed in Virginia believe Joe Biden did not legitimately win the presidential election, while another 11% said they were not sure. “This is the new Lost Cause in Virginia politics,” said Wason Center Academic Director Quentin Kidd in a statement. [….] A recent nationwide poll by the AP found that two-thirds of Republicans across the country believe Biden did not win the presidential contest fairly.  Some Republicans in the Virginia legislature have also questioned the legitimacy of Biden’s win. State Sen. Amanda Chase (R-Chesterfield), censured by her colleagues for calling rioters at the U.S. Capitol “patriots,” said she believed the election was stolen. In December, she echoed calls that Trump declare martial law to rerun the election in certain states. Republican Del. Dave LaRock (R-Loudoun) and newly elected Fifth District Virginia Congressman Bob Good similarly cast doubts on the election’s results.  [….]

(dcist 23.02.2021)

Wie alle guten Q-TrumpliKKKans hasst der fromme Christ Good aber nicht nur Demokraten, Transsexuelle und Schwule, sondern insbesondere auch alle Nicht-Weißen. Mehrfach reiste er an die Grenze zu Mexiko, forderte, die Mauer zu bauen und verlangte den Rücktritt Joe Bidens. Alle farbigen Einwanderer müssten aus der Einwanderernation USA rausgeworfen werden.

[….] Good is calling on President Biden to step up.

Good says that never in the history of the country has our own president purposely done more to harm his own country than Joe Biden has when it comes to the border crisis.  Good also says Biden is falsely representing what is actually happening. [….]

(ABC, 26.09.2021)

Good sehnt sich nach dem grundehrlichen Trump zurück und fordert dementsprechend ein sofortiges Impeachment von Joe Biden und Anthony Blinken – die beiden hätten nämlich gelogen. Herr Good versteht einfach besser als die schnöde Realität, was in den USA vorgeht.

Das Amerika Bidens steckt gehörig in der Patsche und für alle Probleme gibt es eine Ursache; weiß Good: Schuld wären die Schwulen und die Gay Marriage!

[….] While opposing a domestic violence prevention bill, a Republican claims nearly everything that “plagues our society” is a result of failing to follow “god’s rules for and definition of marriage”. […..]

(Acyn, 26.10.2021)

Schwule wären „die Pest“.

[….] Der republikanische Kongressabgeordnete Bob Good hat am Dienstag im Plenum des US-Repräsentantenhauses gleichgeschlechtliche Hochzeiten für die meisten gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht. "Fast alles, was unsere Gesellschaft quält, kann der Missachtung von Gottes Moral-Gesetzen und seinen Regeln und Definitionen zu Ehe und Familie zugeschrieben werden", sagte der 56-jährige Parlamentarier aus dem Bundesstaat Virginia. Für "quälen" nutzte er das aufgeladene englische Wort "plague", das als Hauptwort "Pest" bedeutet. [….]

(Queer.de, 28.10.2021)

Samstag, 30. Oktober 2021

Fröhlicher Parteipersonalreigen.

Die drei Parteien, welche die noch amtierende Bundesregierung bilden, tauschten kurz nach der Bildung der Koalition am 14. März 2018 ihren Chef aus:

Markus Söder jagte am 19. Januar 2019 Horst Seehofer als Parteivorsitzenden der CSU vom Hof.

Annegret Kramp-Karrenbauer folgte im Dezember 2018 Angela Merkel als Parteivorsitzende.

Die SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Andrea Nahles löste im April 2018 Martin Schulz ab, wurde als Partei und Fraktionsvorsitzende zur ganz starken Frau der Partei, vermasselte beide Jobs aber so dermaßen, daß sie im Juni 2019 den abrupten Rücksturz in die Pfalz antrat.

Während der gegenwärtigen Regierungsbildung werden schon wieder vier bis fünf neue Parteivorsitzende benötigt, ohne daß jeweils ganz klar ist, in welchem Verfahren das geschehenen sollte.

Da ist zunächst einmal der CDU-Vorsitzende, Ex-Kanzlerkandidat und Ex-Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, der so sensationell versagte, daß er gleich alle drei Ämter loswird/loswurde. Die mehr als 300 Kreisvorsitzenden seiner Partei führten bei ihrem heutigen Treffen in Berlin eine Umfrage zu den Gründen für das totale CDU-Desaster durch.

[….] Die Ergebnisse werden im Saal auf einer Leinwand gezeigt. Grund Nummer eins mit über 80 Prozent: die Fehler von Armin Laschet. Er war in den Augen der Kreischefs schlicht der falsche Kandidat. [….]

(SPON, 30.10.2021)

Zu seinem Glück, lässt sich Laschet als Hardcore-Katholiban nicht von der schnöden Realität beeindrucken und wähnt sich auf Gottes vorbestimmten Wegen. Anderenfalls könnte so eine Stimmungslage innerhalb der eigenen Partei ein klein wenig unerfreulich auf das Gemüt wirken.  In NRW regiert der rechte Hardliner Wüst. Einen Kanzlerkandidaten braucht die CDU erst mal nicht, aber der Parteivorsitz ist hart umkämpft. Da die C-Parteien auf Bundesebene keinen einzigen Regierungsposten mehr zu vergeben haben, bleiben nur noch Partei- und Fraktionsvorsitz, um sich medial bei den Konservativen zu präsentieren. Fünf weiße rechte Männer aus NRW haben sich schon angemeldet, um der neue Laschet zu werden. Die drei Aussichtsreichsten – Röttgen, Merz und Spahn – sind allesamt schon für den Posten angetreten, wurden aber von den Parteidelegierten sogar als noch schlechter geeignet als AKK und/oder Laschet angesehen.

Auch die SPD tauscht mindestens einen Parteichef aus. Walter-Borjans kündigte an, nicht erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren. Norbert schrieb mir gestern:


[….] Lieber [….],

fünf Wochen ist es her, dass wir gemeinsam einen grandiosen Erfolg bei der Bundestagswahl feiern konnten: Die Sozialdemokratie ist wieder stärkste Kraft im Land. Jetzt stehen wir mitten in den Verhandlungen zur Bildung einer ungewohnten, aber schon erkennbar tatendurstigen Ampelkoalition. Unsere SPD kann damit zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die Vorherrschaft der CDU im Kanzleramt brechen!

Begonnen hat all das vor fast zwei Jahren mit den Mitgliedern der SPD: Nach 22 Regionalkonferenzen wurden Saskia und ich durch Euer Mitgliedervotum zu den Parteivorsitzenden gewählt. Vergessen werde ich diesen Moment niemals. [….]  Wir wollten ein Zukunftsprogramm, das klar ist in seinen Inhalten und bei dem die Mitglieder mitwirken können wie nie. Und: Wir wollten für eine neue Art der Kampagne sorgen, die frischer und selbstbewusster ist als in den vergangenen Wahlkämpfen. [….] Ich habe mich deshalb nach langer Überlegung dazu entschlossen, auf dem Parteitag im Dezember nicht wieder als Parteivorsitzender zu kandidieren. Ich tue das mit dem guten Gefühl, dazu beigetragen zu haben, dass es gut läuft. Neudeutsch würde man sagen: Mission accomplished. [….] Ich möchte mich schon jetzt bei Dir bedanken, [….]: Für das Vertrauen, für den Zuspruch, [….]  Dein Norbert [……]

(NoWaBo an die Parteimitglieder, 29.10.2021)

Allein schon die Dümmlichkeit, GWBs größenwahnsinnig-falschen Mission accomplished-Spruch aus dem Mai 2003 zu verwenden, zeigt schon wie ungeschickt NoWaBo als Parteivorsitzender agierte.

Tatsächlich hatte er orakelt, die SPD brauche eigentlich gar keinen Kanzlerkandidaten. Sein größtes Verdienst war es, Olaf Scholz machen zu lassen und immer wieder für viele Wochen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu verschwinden. Das erkenne ich ohne Ironie an; da Walter-Borjans erstens Scholz hasst und sich zweitens für den viel besseren Finanzexperten hält, war es durchaus ein Akt der Selbstdisziplin, Olaf immer vorzulassen.

Ich stimme allerdings mit vielen Politkommentatoren überein, die es a posteriori als glückliche Fügung betrachten, daß Scholz im Kampf um den Parteivorsitz knapp unterlag. Nur mit dem Wissen eine explizit linke Parteiführung zu haben, konnten kühnertsche Quertreiber diszipliniert werden und Scholz im Wahlkampf seine „Beinfreiheit“ bekommen. Etwas überraschend war allerdings die Rollenverteilung des Chef-Duos. Beide gelten in der Öffentlichkeit als Unsympathen, haben katastrophale Zustimmungswerte. Aber intern galt NoWaBo als weit umgänglicher, als die kratzbürstige Esken, über die sämtliche frühere Arbeitskollegen nur entsetzt die Augen verdrehten. Tatsächlich war es aber die eigensinnige Schwäbin, die obwohl ganz am linken Rande der SPD verortet, nicht nur mit dem Seeheimer Parteigeneral Klingbeil und Olaf Scholz, sondern insbesondere auch bestens mit Angela Merkel harmonierte.

Ob Saskia Esken ihr Amt ebenfalls zur Verfügung stellt, ist nicht bekannt.
Anders als ich vor zwei Jahren erwartete, sitzt sie aber relativ fest im Sattel. Sollte sie wieder antreten, würde sie erneut gewählt. Sie könnte als Teil einer Doppelspitze, oder auch als alleinige Parteivorsitzende agieren. Ihr werden allerdings auch Ministerambitionen nachgesagt und da Olaf Scholz sie schon im Wahlkampf für geeignet erklärte, wäre auch dieser Weg frei. In dem Fall würde sie sich aber auf das Regieren konzentrieren.

Die SPD braucht also entweder Null (wenn Esken allein Chefin würde), einen (wenn ein Co-Vorsitzender statt NoWaBo benötigt wird) oder zwei (wenn Esken auch ihr Amt abgibt und ins Kabinett geht) neue Vorsitzende.

Anders als es heute die Süddeutsche Zeitung beschreibt, die von großen Problemen für Scholz und unwillkommener Unruhe an der Parteispitze orakelt……

[….] SPD: Die schöne Ruhe ist dahin

Der Rückzug von Norbert Walter-Borjans aus der Parteispitze bringt den Fahrplan von Olaf Scholz ins Kanzleramt durcheinander. Die SPD muss jetzt Personaldebatten führen - und mehrere Beteiligte zufriedenstellen. […..]

(Mike Szymanski, SZ, 29.10.2021)

…..halte ich es eher für einen Glücksfall, daß NoWaBo jetzt hinwirft, weil er damit Olaf Scholz bei seinem Frauen-Unterschuss-Problem sehr hilfreich ist.

Endlich ein Mann weniger. Ob er meinen Blog liest und auf mich gehört hat?

(….) Ich frage mich, wie Scholz unter diesen Umständen 50% der Posten mit Frauen besetzten will.  Es steht zu befürchten, daß mit Esken, Lambrecht und Schulze Frauen Ministerinnen werden, nur weil sie Frauen sind.

Bekanntlich hasst Norbert Walter-Borjans Olaf Scholz wie die Pest, während sich das Verhältnis Esken-Scholz deutlich erwärmt hat.

Vielleicht sollte NoWaBo zurücktreten und Esken den alleinigen Parteivorsitz überlassen. Das wäre schon mal ein Mann weniger.

Zur Not müssen im Bundeskabinett ein paar Geschlechtsumwandlungen vorgenommen werden.  Die Ampelaner haben ein kaum zu lösendes Frauenproblem. (….)

(Jetzt kommen die Männer, 17.10.2021)

Egal wie es kommt, ob ein Mann (beispielsweise Lars Klingbeil) in den Parteivorsitz wechselt, oder ob eine weibliche Doppelspitze Esken-Schwesig, oder eine der Damen allein Parteichefin wird: Es nimmt den Druck von Olaf Scholz, Frauen zu Ministerinnen zu machen. Damit steigen die Chancen für Karl Lauterbach Gesundheitsminister zu werden. Gut so.

Völlig unter dem Radar der Öffentlichkeit läuft eigenartigerweise die Parteivorsitzenden-Suche bei den Grünen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werden beide Parteivorsitzenden und damit zwei Realos als Bundesminister in das Ampelkabinett wechseln.

[….] Fünf Mitglieder des grünen Parteivorstands haben jetzt ein Mandat für den Bundestag. Neben Baerbock und Habeck sitzen auch die Vize-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Jamila Schäfer im Parlament, dazu Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Das aber ist mit der Grünen-Satzung nicht vereinbar. Maximal jedes dritte Mitglied des sechsköpfigen Bundesvorstands darf einen Sitz im Bundestag haben, also zwei Personen. Die grüne Parteispitze muss also umgebaut werden, auch aus einem weiteren Grund. Denn die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck werden demnächst wohl Ministerposten in einer Ampel-Regierung übernehmen. Die grüne Trennung von Amt und Mandat erlaubt es aber nicht auf Dauer, die Partei zu führen plus ein Regierungsamt auszuüben. Möglich ist das nur für acht Monate. Weshalb die Grünen bei einem Parteitag, der im Januar stattfinden dürfte, neue Parteivorsitzende finden müssen. [….] Für ihre Nachfolge an der Parteispitze sollen zwei Grüne bereits Interesse bekundet haben. Ricarda Lang, die stellvertretende Parteivorsitzende, ist zwar erst 27 Jahre alt, besetzt mit der Sozialpolitik aber ein wichtiges Feld. Die Parteilinke, die wegen ihres Gewichts digitalem Dauerspott ausgesetzt ist, gilt als furchtlose Rednerin und hat es als einzige ihrer Generation ins Kernteam grüner Ampel-Sondierer geschafft. Der hessische Realo Omid Nouripour taugt zwar nicht zum Volkstribun, hat sich aber als Außenpolitiker Respekt verschafft. [….]

(Constanze von Bullion, SZ, 30.10.2021)

Die Grünen stehen meines Erachtens vor größeren Personalproblemen als die SPD, da Habeck und Baerbock einerseits schwer zu ersetzen sein werden und zweitens als Minister eher noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, so daß ihren Nachfolgern das Simone Peter-Schicksal drohen könnte. Die Saarländerin war von 2013 bis 2018 Parteivorsitzende der Grünen und ist nicht nur jetzt schon völlig vergessen, sondern war auch während ihrer Amtszeit kaum wahrnehmbar.

Freitag, 29. Oktober 2021

Spahn hat es versaut.

Maskendeals, Fehlplanungen, widersprüchliche Maßnahmen, Impfchaos: Ein Teil der Bevölkerung, der Seuchenfreundliche nämlich, hat sich endgültig aus der Solidarität verabschiedet, ist nicht mehr empfänglich für medizinische und epidemiologische Fakten. Seit rund zwei Monaten sind bundesweit die meisten Impfzentren geschlossen, die Mitarbeiter entlassen und die mobilen Impfteams aufgelöst worden. Wer jetzt angesichts rasant steigender Inzidenzen einen Booster braucht, wird es schwerer haben. Die Intensivstationen nähern sich wieder der Arbeitsbelastungsgrenze, das Pflegepersonal ist am Ende der Kräfte; sie betreuen fast nur ungeimpfte Patienten, opfern sich auf, kämpfen um jedes Leben. Abhilfe könnte nur eine deutlich höhere Impfquote schaffen, aber neun von zehn Ungeimpften, sind vor Arbeit kollabierende Krankenschwestern und Ärzte, übervolle Leichenschauhäuser egal. Das habe keinen Einfluss auf ihre Entscheidung sich nicht impfen zu lassen.

[…..] Eine deutlich höhere Impfquote ist derzeit offenbar nicht sehr wahrscheinlich. Soeben hat das Bundesgesundheitsministerium eine Umfrage des Forsa-Instituts zur Haltung der Ungeimpften veröffentlicht. Demnach will die große Mehrheit dieser Gruppe auch ungeimpft bleiben: 65 Prozent geben an, sie würden sich in den nächsten zwei Monaten "auf gar keinen Fall" impfen lassen. Weitere 23 Prozent tendierten zu "eher nein". Nur zwei Prozent haben eine feste Impfabsicht, drei Prozent tendieren dazu. Sieben Prozent der Befragten sind unentschieden. Das Potenzial der deutschen Impfkampagne scheint vor dem Hintergrund dieser Daten nahezu ausgereizt zu sein - und die Hoffnung, die Impfquote noch relevant zu steigern, obsolet. Derzeit sind laut offizieller RKI-Statistik 77 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft, es wird angenommen, dass die reale Zahl leicht darüber liegt. Die Studie gibt auch Aufschluss darüber, warum Menschen eine Impfung ablehnen. Am häufigsten genannt wurden Sorgen um die Sicherheit der Impfstoffe: 74 Prozent der Ungeimpften sagten, sie hielten die Corona-Vakzine grundsätzlich für "zu wenig erprobt". Angst vor Impfschäden und Langzeitfolgen (von 62 Prozent genannt) und eine Ablehnung von mRNA- beziehungsweise Vektor-Impfstoffen (51 Prozent) sind maßgebliche Gründe. Die Studie zeugt auch von einem Bruch zwischen vielen Ungeimpften und politischen Entscheidungsträgern: 63 Prozent glauben, die Bundesregierung spreche "nicht ehrlich" über Corona, 67 Prozent finden den "Druck von außen" zu groß und wollen lieber "nach eigenem Ermessen handeln".  […]

(SZ, 28.10.2021)

Das euphemistische Wort „Impfmuffel“ suggeriert, es handele sich um schlecht gelaunte oder desinteressierte Phlegmaten, die man doch noch irgendwie überzeugen könnte.

Das ist ein großer Irrtum. Wer noch nicht hat, will auch nicht mehr.

[….] Ähnliche Beobachtungen machte ein Team des TV-Formats „Galileo“: Es hatte in einem Experiment versucht, 90 Ungeimpfte auf verschiedenen Wegen vom Piks zu überzeugen. Das Ergebnis: Nur sieben ließen sich in der Sendung doch noch impfen.[….] Die Macher des Experiments versuchten Verschiedenes: So waren etwa Corona-Patienten eingeladen, von ihren schweren Verläufen und Long Covid berichteten. Doch statt Emotionen zu erwecken, führten die Schilderungen bei den Impfgegnern eher zu Ungläubigkeit. Auch Schauspieler, die sich als vermeintliche Impfgegner plötzlich „umentschieden“ und so eine Gruppendynamik erzeugen sollten, brachten Hardliner zu keinem Sinneswandel. Sogar Geldanreize bis zu 1000 Euro blieben wirkungslos.  Nur zwei Teilnehmer ließen sich dann doch noch piksen – für die Aussicht auf einen 5000-Euro-Lotteriegewinn.   [….]

(MoPo, 29.10.2021)

In den drei Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen, sowie in Teilen BWs, haben wir gewaltige Inzidenzen von bis zu über 600 (Mühlheim am Inn), weil sie im sogenannten „Eso-Belt“ liegen.

  Das sind Regionen enormer Aluhut-Dichte, in denen schon lange Homöopathen, Bachblüten-Enthusiasten, Heilpraktiker-Jünger, Reiki-Gläubige, Viren-Leugner , Algesiologie-Kunden, Esoteriker, radikal egomane Impffeinde und Leerdenker aller Couleur um die Blocksberge tanzen.  Die sind immun gegen rationale Menschen.

[….] Der Chef des Rosenheimer Gesundheitsamts, Wolfgang Hierl, [….] vermutet zweierlei: Zum einen würden sich in seiner Region überdurchschnittlich viele Leute für Naturheilkunde und Alternativmedizin interessieren. Wenn diese Haltung aber die Prävention behindert – dann könne das „ins Auge gehen“, so der Gesundheitsamtschef. [….] Die Impf-Schlusslichter sind zugleich auch die Inzidenz-Meister: Nur 56,5 Prozent der Sachsen sind vollständig immunisiert, gestern riss der Freistaat die 200er-Hürde bei den Inzidenzen. Schlimmer sieht es nur noch in Thüringen aus: Im Schnitt hat das Land eine Inzidenz von 241,8.   [….]

(Mopo, 28.10.2021)

Nein, die Pandemie ist nicht vorbei. Bisher starben in Deutschland 95.606 Menschen an Covid19. Gestern starben 121 Menschen an Corona, also alle 12 Minuten einer.

Jens Spahn hielt sich leider nicht an die Ratschläge des sehr viel besser informierten und intelligenteren Karl Lauterbach. Nun sind ein Drittel der Deutschen für das Impfen verloren. Herdenimmunität ist nicht mehr möglich; das große Sterben wird zurückkehren.

[….] Jene, die jetzt noch nicht geimpft sind, wollen einfach nicht. Fast 90 Prozent der Ungeimpften haben die Absicht, genau das zu bleiben. Das ist gleich aus mehreren Gründen bitter.   Zum einen zeigt es die kommunikativen Fehler, die in Deutschland im Umgang mit der Pandemie passiert sind. Die Skeptiker hielt man lange für eine vernachlässigbare Gruppe, die Bedeutung von Falschinformationen im Internet wurde völlig unterschätzt. Mit dem Resultat, dass es nicht nur Menschen gibt, die sich aus Sorge vor vermeintlichen medizinischen Risiken nicht impfen lassen wollen. Die Gruppe derer, die eine Impfung verweigern, weil sie politischen Entscheidungsträgern grundsätzlich misstrauen, hat offenkundig eine beängstigende Größe erreicht. Das ist auch mit Blick auf die Zukunft dieser Gesellschaft gefährlich.  [….] Die kommunikativen Anstrengungen müssen dramatisch erhöht werden, in allen sozialen Gruppen. Fehlinformationen, die bei Messenger-Diensten und in sozialen Netzwerken kursieren, muss viel mehr akkurate Information entgegengesetzt werden. [….]

(Angelika Slavik, SZ, 29.10.2021)

Die Alumenschen des Eso-Belts scheinen es drauf anzulegen auch in Deutschland osteuropäische Verhältnisse zu generieren.

[….] Nirgendwo in Europa starben binnen 24 Stunden so viele Menschen an Covid-19 wie in der Ukraine: 765 neue Todesfälle wurden am Mittwoch gemeldet. Eine Frau aus der Stadt Donezk schildert der ARD, was sie in einem Krankenhaus erlebt hat: „Uns wurde gesagt, dass auf einer Etage 44 Patienten liegen, alle schon etwas älter. Für 44 Personen gab es eine Pflegerin, einen Bereitschaftsarzt und einen Chefarzt, der alle behandelt.“  Die Ukraine kämpft wie andere Länder in Osteuropa mit einer Corona-Welle nie gekannten Ausmaßes. Auch in Rumänien ist die Lage schlimm: Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei über 531, fast alle Krankenhäuser sind überbelegt. [….] Wie dramatisch die Lage ist, zeigt ein Video aus dem Uniklinikum Bukarest, das das rumänische Investigativportal „Recorder“ jüngst unter dem Titel „So sieht eine Gesundheitskata­strophe aus“ veröffentlichte.  „Wer noch sitzen kann und in halbwegs passablem Zustand ist, bleibt im Stuhl. Nur Patienten im kritischen Zustand bekommen ein Bett“, erklärt ein Pfleger in dem Clip und bereitet einen windschiefen Schreibtischstuhl für einen neuen Patienten vor. Eine andere Mitarbeiterin sagt: „Es ist die Hölle, wie im Krieg.“ Teilweise würden sich die Patienten auf den Fluren gegenseitig wegschubsen, um an Sauerstoffgeräte zu kommen, berichtet die Ärztin Victoria Arama. Sie nennt die Lage in Bukarest „apokalyptisch“. Eine Krankenschwester fasst schulterzuckend den Frust des Personals zusammen: „Sie sind alle nicht geimpft. Alle nicht!“ [….]

(Miriam Khan, 29.10.2021)

Was also tun, wenn dieses eine Drittel Spinner im Lande mit Vernunft nicht mehr erreichbar ist?

 [….] Die Kurven gehen steil nach oben: Infektionszahlen, Krankenhauseinweisungen, Todesfälle. Die Corona-Situation in Bulgarien und Rumänien ist komplett außer Kontrolle, die Bilder aus den überfüllten Intensivstationen sind erschreckend. Der Hauptgrund für das Desaster: In den beiden EU-Staaten sind verhältnismäßig wenige Menschen vollständig geimpft (Bulgarien: 20 Prozent; Rumänien: 30,7). Und auch bei uns stagniert seit Monaten die Impf-Quote. [….] Ich verstehe das nicht. Es muss doch mittlerweile allen Menschen bewusst sein, dass nur eine Impfung einen hohen Schutz bietet. [….] Was ist das eigentlich für eine Ignoranz? Wo die Impfquoten niedrig sind, wird es ungemütlich. Wo viele Menschen sich dem Piks verweigern, werden Menschen, die sich nicht impfen lassen können oder ein schwaches Immunsystem haben, gefährdet. Kleine Kinder, ältere Menschen, Kranke. Ich verstehe nicht, warum einige Menschen das selbst nach anderthalb Jahren Pandemie noch immer ignorieren. Mich macht das fassungslos. [….]

(Julian König, 28.10.2021)

Kommentator König versteht die Impfgegner nicht. Das verstehe ich.

Einen Lösungsvorschlag hat er nicht.

Appelle an Vernunft und Solidarität von Seuchenfreunden sind ganz offensichtlich ohne Effekt. Meiner Ansicht nach bleiben daher nur zwei Auswege:
 

 A) Impfpflicht für alle Menschen, die mit anderen Menschen in Kontakt kommen.

Anders als Annalena Baerbock immer behauptet, ist das durchaus rechtlich möglich. Stichwort „Masernimpfpflicht“.

B) Ungeimpfte ungeimpft lassen, aber dafür radikal aus dem öffentlichen Sozialleben aussperren.

[….] Möglicherweise müssen wir bei weiter zunehmenden Fallzahlen eine gesellschaftliche Diskussion führen, ob Lockdownmaßnahmen nur für Ungeimpfte gelten. Ich fände das gerechtfertigt, wenn es darum gehen sollte, die stationäre Versorgung zu sichern. Schließlich sind es derzeit vor allem die Ungeimpften, die mit schweren Covid-Verläufen in den Kliniken behandelt werden müssen. Kinder oder andere Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, sollten davon natürlich ausgenommen sein. [….]

(Ärztepräsident Klaus Reinhardt, 29.10.2021, DER SPIEGEL 44/2021)

Finde ich gut. Geöffnete Gastronomie, Geschäfte und Kulturbetriebe bei ausschließlich 2G und 3G, während gleichzeitig strikter Lockdown für Impfverweigerer gilt. Ungeimpfte dürfen nicht mehr als Pfleger arbeiten, kein Restaurant betreiben, kein Lebensmittelgeschäft führen, nicht mehr als Profi Fußball oder Tennis zu spielen.

Sie brauchen sich nicht impfen lassen, aber dann sollen sie hübsch zu Hause sitzen bleiben.

Donnerstag, 28. Oktober 2021

Peinlich, peinlich Italien!

Wenn die ultrafromme Agathe Lukassek von Katholisch.de scharfe Kritik übt, kann sich der Kritisierte gratulieren; offensichtlich hat er ins Schwarze getroffen.

Heute ist Frau Lukassek sauer auf Alices Schwarzers „Emma“, die den Papst kritisiert hatte, indem sie ihm ihren "Sexist Man Alive"-Award für den "sexistischsten lebenden Mann" zuerkannte.


Wie alle Religioten, ist Frau Lukassek offenbar zu blöd, um den Streisand-Effekt zu begreifen, und trägt nun dazu bei, die Kunde von dem Negativ-Preis zu verbreiten.

[…..] Auch dieser Papst ist der Chef eines Apartheidsystems, in dem Frauen Menschen zweiter Klasse sind. Allein aufgrund ihres biologischen Geschlechts sind sie die Dienerinnen der frommen Herren und schrubben die Kirchenböden. Sie sind ausgeschlossen vom Spenden der Sakramente und der Priesterweihe, also vom eigenständigen Zugang zu Gott. Der führt exklusiv über die frommen Herren.  Auch im 21. Jahrhundert steht der Vatikan an der Spitze des ältesten, hermetischsten Männerbundes dieser Welt. In dem sich nicht zufällig Männer, die Männer lieben, besonders wohlfühlen. Und dieser Papst sorgt dafür, dass es immer so weitergeht. Mit der Frauenverachtung, kaschiert in Idealisierung. Und mit der sexuellen Gewalt, lange ignoriert.  Dieser Papst bekämpft nicht nur nicht den epidemischen, strukturellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (von den Frauen ganz zu schweigen), er schützt auch Täter und Mitwisser. Allein in Frankreich gab es seit den 1950er Jahren mehr als 300.000 Opfer und ca. 3.000 Täter. Doch nicht er hat wenigstens im 21. Jahrhundert eingegriffen, sondern die Basis hat Seine Heiligkeit dazu zwingen müssen.  Dieser Papst brüskiert die zahllosen engagierten Katholikinnen auf der Welt, die seit Jahrzehnten um das Recht kämpfen, Priesterinnen oder wenigstens Diakoninnen werden zu dürfen. Er erklärt ihnen gönnerhaft: „Ein solcher Reduktionismus (wie die Forderung nach dem Priestertum auch für Frauen, Anm. d. Red.) würde uns zu der Annahme veranlassen, dass den Frauen nur dann ein Status in der Kirche und eine größere Beteiligung eingeräumt würden, wenn sie zu den heiligen Weihen zugelassen würden.“ Und weiter: Das würde „auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrages führen“. Alles klar, Heiliger Vater. Wir arbeiten gerne weiterhin für Mutter Kirche, fleißig und anonym – ohne Mitsprache, ohne Macht, ohne Lohn. Wir Frauen sind das so gewohnt. […..]

(Emma, 25.10.2021)

Wie goldrichtig die EMMA mit ihrer diesjährigen Auszeichnung liegt, zeigen weitere Meldungen dieser Tage.

Mit den drastischen homophoben Maßnahmen der rechtsklerikal-autokratischen Regierungen in Polen und Ungarn, setzt Franziskus‘ Kirche immer mehr Menschenfeindlichkeit um.

[….] Für Kaja Godek war es ein großer Erfolg, dass der von ihr ins Leben gerufene Gesetzentwurf es auf die Tagesordnung des polnischen Parlaments schaffte: Der "Stop LGBT" genannte Gesetzentwurf will Regenbogenparaden von Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Minderheiten verbieten. Aber auch jegliches andere öffentliche Eintreten für gleichgeschlechtliche Ehen, Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare oder andere Rechte für sexuelle Minderheiten sowie generell "ein Verbot für die Propagierung anderer sexueller Orientierungen als heterosexueller". Der Sejm, die untere Kammer des polnischen Parlaments, wollte am Donnerstagabend über den Entwurf abstimmen. [….] Warschau würde auch sein miserables Verhältnis zur EU weiter verschlechtern. Selbst PiS-Politiker wunderten sich, dass ihre Führung den Gesetzentwurf nicht etwa in einem Parlamentsausschuss beerdigt hat, sondern zur Beratung ansetzte. Spekuliert wird, dass PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sich im Parlament so die Zustimmung der stramm rechtsnationalistischen, gegen LGBT-Rechte eintretenden Konföderation sichern wolle. [….]

(Florian Hassel, SZ, 28.10.2021)

Auch in Ungarn sind die katholischen Bischöfe die stärksten Stützen des xenophoben, antisemitischen und homophoben Orbán-Regimes.

Es gibt eine lange antihumanistische Tradition der römisch-katholischen Kirche, die allerschlimmsten faschistischen Terrorregime von Franco, Mussolini über Tiso bis Hitler zu unterstützen.

(….)  Bedford-Strohm scheint es also nicht zu stören, daß Franzls Abgesandte in Polen einen stramm nationalistischen menschenfeindlichen Antiflüchtlingskurs an der Seite der diktatorischen PiS fahren.

Papst Franz ernannte sogar Jaroslaw Kaczynskis PiS-Freund Marek Jedraszewski zum Erzbischof von Krakau. Mit dem Segen des Papstes wird nun der Umbau der polnischen Demokratie in eine faschistoide Diktatur betrieben.

Bedford-Strohm scheint es also nicht zu stören, daß Franzls Abgesandte in Ungarn demonstrativ ihren Stolz auf Victor Orban zelebrieren.

László Kiss-Rigó, Bischof von Szeged-Csanád (Süd-Ungarn) und Péter Kardinal Erdő, Erzbischof von Esztergom-Budapest und Primas von Ungarn betätigen sich als xenophobe und homophobe Hetzer, die den autokratischen und demokratiefeindlichen Ministerpräsidenten antreiben noch brutaler gegen Flüchtlinge vorzugehen. (….)

(Friede, Freude, Kinderfi**en, 06.02.2017)

Der Kuriale Kampf gegen Menschenrechte (auch wenn es der Vatikan nicht glaubt: Schwule und sogar Frauen sind auch Menschen!) findet aber nicht etwa nur auf fernen Kontinenten oder Osteuropa statt, sondern überall im Herzen Europas.

Unter tätiger Beihilfe der Kleidermänner Franzels, sorgte gestern der Italienische Senat dafür, daß Queere weiterhin diskriminiert werden dürfen.

Das von dem Sozialdemokraten Alessandro Zan eingebrachte Anti-Diskriminierungsgesetz „DDL ZAN“ wurde gestern gemeinsam von Nazis, Rechtspopulisten und Katholiken beerdigt.

Das Recht andere Menschen zu diskriminieren ist der Signature-Move organisierter Christen weltweit.

[…..]  Das italienische Parlament hat die Einführung eines Gesetzes gegen Homophobie abgelehnt. Bei einer Abstimmung im Senat, der kleineren der zwei Kammern, sprachen sich am Mittwoch 154 Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf aus, 131 dafür. Vor allem die rechten Parteien Lega und Fratelli d'Italia waren gegen den Gesetzesvorschlag, der in Italien als ddl Zan nach dem Initiator Alessandro Zan von den Sozialdemokraten bekannt ist.  Der Gesetzestext sah unter anderem vor, Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Identität zu verhindern und auch zu ahnden. Homophobie wäre im Strafgesetzbuch Rassismus gleichgestellt worden; es hätten Freiheitsstrafen gedroht. Im Herbst 2020 hatte der Entwurf das Abgeordnetenhaus als erste Kammer passiert. Im Senat aber wurde die Abstimmung hinausgezögert – nun ist das Gesetz gescheitert. [….]

(Stol.it, 27.10.2021)

Es darf also weiter gegen LGBTIQs gehetzt werden in Italien.

Da ist der Vatikan glücklich.

[…..] Auch die Katholische Kirche gehörte zu den Kritikern des geplanten Gesetzes[….] Der Vatikan äußerte mit einer Verbalnote an die italienische Botschaft beim Heiligen Stuhl jüngst ebenfalls ähnliche Bedenken. „Wir sind gegen jede Haltung oder Geste der Intoleranz oder des Hasses gegenüber Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung", erläuterte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Seine Sorge gelte lediglich möglichen „Auslegungsproblemen", wenn ein Text „mit vagem und ungewissem Inhalt" verabschiedet werden sollte. Am Ende müsse die Justiz entscheiden, was eine Straftat sei - und was nicht.

  Darum müsse im vorliegenden Regelwerk vor allem der Begriff der Diskriminierung präzisiert werden, forderte der Kardinal. So vermeide man, unterschiedlichste Dinge „in einen Topf" zu werfen. Er sehe die Gefahr, dass im Extremfall jedwede Unterscheidung zwischen Männern und Frauen strafbar sein könnte. Dies wolle die Kirche verhindern. […..]

(Vatikan News, 28.10.2021)

2021 im Herzen Westeuropas. Kann man sich nicht ausdenken.

Franziskus, Du bist so 1 Pimmel!

[….] Außenminister Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung sprach danach von einer »Schande« und beklagte bei Facebook, dass Homosexuelle in Italien nach wie vor diskriminiert würden. Sein jetziger Parteichef, der frühere Ministerpräsident Giuseppe Conte, sagte, dass man im Parlament noch nicht so weit sei wie in der Gesellschaft generell. Enrico Letta von den Sozialdemokraten twitterte: »Sie wollten die Zukunft stoppen. Sie wollten Italien zurückwerfen.« Diesmal hätten sie zwar gewonnen. »Aber das Land steht auf der anderen Seite. Und das wird sich schon bald zeigen.« Von einer »Schmach für das Land« schrieb Arbeitsminister Andrea Orlando. [….]

(SPON, 28.10.2021)


 

Mittwoch, 27. Oktober 2021

Antizyklisch besetzen

Auch in der linksliberalen politischen Szene gibt es leider den Hang zu populistisch-bekloppten Vereinfachungen.

„Kann man ein Klimakanzler sein, wenn der 12 Zylinder Dienstwagen ca. 20 l auf 100 km rausbläst?“ fragte heute ein Spaßvogel auf Facebook. Sofort stiegen Tausende Kommentatoren ein, die allesamt das Bild des Karriere-geilen, auf Dienstprivilegien bestehenden Heuchelpolitikers zeichneten.


Dabei ist die Frage natürlich selten dämlich; kein Kanzler kann sich selbst aussuchen, wie der Dienstwagen gepanzert ist. Personen der Gefährdungsstufe 1 (dazu gehören unter anderem Kanzler, Innen-, Außen- und Verteidigungsminister) müssen besonders beschützt werden. Überall in den westlichen Demokratien werden Politiker getötet. Vor weniger als zwei Wochen wurde der britische Parlamentarier David Amess umgebracht. Der Mord am hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke geschah am 1. Juni 2019 in Istha. Ende 2019 überstand Hamburgs Innensenator Grote nur durch die Panzerung seiner Limousine zusammen mit seinem zweijährigen Sohn unverletzt einen Anschlag. Außenminister Joschka Fischer riss das Trommelfell, weil er mit derartiger Wucht von einem Farbbeutel am Kopf getroffen wurde.

Wolfgang Schäuble und Oskar Lafontaine überlebten bei nur sehr knapp Mordanschläge. Schäuble ist seither querschnittsgelähmt.

Also, ja, selbstverständlich müssen Kanzler in schweren Panzerlimousinen fahren. Auch ein Linker oder Grüner Kanzler hätte so ein Fahrzeug. Die Klimapolitik hat damit nichts zu tun.

Der nächste forderte, einen General zum Kriegsminister zu machen.


Ahnung vom Job zu haben, wäre in der Tat nicht schlecht. Man sollte nicht völlig Fachfremde ernennen, die sich wie Gröhe, von der Leyen, Kramp-Karrenbauer, Glos, Guttenberg, Dobrindt, Scheuer, Westerwelle, Niebel oder Karliczek überhaupt noch nie vorher mit dem Sujet ihres Ministeriums beschäftigt haben.

Deswegen sollte unbedingt Lauterbach Gesundheitsminister werden und nicht Esken. Leider stehen die Chancen für den Fachmann heute noch schlechter!  Es sollte aber auch kein Apparatschik sein, wie zB ein Ärztekammerfunktionär, weil der Minister das Gesamtbild übersehen soll.

Ein General als Verteidigungsminister wäre völlig falsch. Militärs, die immer an militärische Lösungen denken, nein Danke. Der Boss auf der Hardthöhe muss eine zivile Person bleiben.  Auch Zivilisten können sich mit Verteidigungspolitik beschäftigt haben. Das müssen nicht zwangsläufig korrupte Karriere-affine Fehlbesetzungen wie von der Leyen oder AKK sein.

Neben Schmidt und Leber gilt Peter Struck als bester Verteidigungsminister, den es in Deutschland je gab. Er war in der Bundeswehr extrem beliebt, hatte selbst aber noch nicht mal Grundwehrdienst abgeleistet, nie als Rekrut eine Kaserne von innen gesehen.

Es ist ein großes Missverständnis, ein Ministeramt wäre am besten mit einem Lobbyisten besetzt, der sich stets darum bemüht, möglichst viel Geld für seinen Bereich rauszuschlagen.

Julia Klöckner ist ein abschreckendes Beispiele für die Fehlbesetzung eines Ministeramts. Statt das Gesamtbild im Auge zu haben, an klimatische Auswirkungen, Umweltschutz, die Gesundheit der Verbraucher, Nachhaltigkeit oder gar das Tierwohl zu denken, lobbyierte sie fleißig für die klassische flächenverbrauchende, tierquälende, grundwasserverseuchende monokulturelle Agrar-Großindustrie.

Landwirtschaftsminister sollte lieber eine Person wie Renate Künast sein, die eben nicht schon immer auf der Payroll des Bauernverbandes steht und schon in Jugendjahren als Weinkönigin für die uralten konservativen Winzer warb.

Es ist ein ähnliches Sumpf-Problem wie in den klassischen Zeitungsredaktionen.

Kaum ein deutsches Medienhaus, das es wagt die Kirche mit einem Atheisten oder gar Kirchenkritiker zu belästigen. Die Kirche wird stets in Watte gepackt. Nur fromme Journalisten dürfen über die Frommen im öffentlichen Auftrag sprechen.  Das ist einer der von mir immer wieder beklagten Presse-Missstände. Alle Kirchenthemen werden von frommen Gläubigen behandelt. Dafür hat Springer Badde und Englisch, der Tagesspiegel die unvermeidliche Claudia Keller, die Zeit Frau Finger und die SZ eben Matthias Drobinski.

(……) Man stelle sich vor über die CDU würden nur noch CDU-Mitglieder schreiben. Oder nur noch Soldaten über die Bundeswehr. 

Geht es um die Grundfrage des Christentums in Deutschland – was geht da eigentlich so sagenhaft schief, daß jedes Jahr Hunderttausende aus der Religionsgemeinschaft flüchten, während aus anderen Kontinenten ein reger Zulauf herrscht – wird es bei den großen Zeitungen ganz gediegen.

(Weinen mit Robert – 06.08.2013)

Die zukünftigen Ampel-Minister sollen klug und möglichst auch Fachpolitiker sein.

Aber es ist keine ausreichende oder gar hinreichende Qualifikation, so wie Christian Lindner auf Platz 1 der Kurzwahlliste der reichsten Industrie- und Finanzlobbyisten zu stehen, bereitwillig die Wünsche der FDP-Großspender von der Automatenlobby (Paul Gauselmann) oder Hotellobby (Baron von Finck) oder Privatkassenlobby (Deutsche Krankenversicherung) zu erfüllen.

Christian Lindner, der Fanboy der Reichen und Adligen, der Börsianer und Großindustriellen, ist stolz auf seine Verbindungen zu den finanzkräftigen reichsten 1% Deutschlands. Daher fordert die FDP auch ungeniert Steuerentlastungen für die Superreichen, lehnt Sozialausgaben ab und setzt auf die seit 40 Jahren widerlegte Wirkung von Trickle-Down-Wirtschaftspolitik.

Die Affinität zum großen Geld qualifiziert Porsche-Fahrer und Luxusuhrensammler Lindner aber eben gerade nicht für den Job des Finanzministers.

Wer wirklich etwas von internationaler Finanzpolitik und Ökonomie versteht, beispielsweise weil er als renommierter Experte schon den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen hat, warnt daher ausdrücklich vor einem Finanzminister Lindner.

[….]  Wirtschaftsnobelpreisträger warnt vor Christian Lindner als Finanzminister!

In einem Gastbeitrag für die »Zeit« werfen die Ökonomen Joseph Stiglitz und Adam Tooze dem FDP-Chef eine »vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda« vor. Sie plädieren dafür, dass die Grünen den Finanzminister stellen. [….]

(Spon, 27.10.2021)

Dienstag, 26. Oktober 2021

Der Pimmel des Senators.

Andy Grote, der Hamburger Innensenator, ist ein Kiez-Gewächs.

Der 53-Jährige Sozi gehört zum Distrikt St. Pauli-Süd, engagierte sich im Problem-Bezirk Hamburg-Mitte, zog 2008 für St. Pauli in die Hamburger Bürgerschaft ein und wurde 2012 rotgrüner Bezirksamtsleiter in „Mitte“; lebt bis heute auch selbst auf dem Kiez.  Nach dem überraschenden Rücktritt des Hamburger Innensenators Michael Neumann, machte Olaf Scholz Grote im Jahr 2016 zu dessen Nachfolger.

Rund um die Reeperbahn hatte er den Unsinn mit den Hamburger „Gefahrengebieten“ erlebt.  Während der CDU-Regierung in Hamburg (2001-2011) war diese Regelung in das Polizeirecht gekommen und auch mit Hilfe der Grünen, in Person des Grünen Justizsenators Till Steffen (in der schwarzgrünen Regierung 2008-2011) ausgeweitet wurden.  Drei Gefahrengebiete – eines in St. Georg, zwei in St. Pauli – wurden dauerhaft eingerichtet, so daß die Polizei ohne konkrete Anlässe allerlei Maßnahmen (Durchsuchen, Kontrolle, Festsetzen) durchführen konnte. Als Innensenator schaffte Grote die hochumstrittenen Gefahrengebiete ab, die alle Bewohner ganzer Stadtteile unter Verdacht gestellt hatten und großes Misstrauen gegenüber der Polizei zur Folge hatte.

Ein Innensenator hat es in Hamburg traditionell sehr schwer, da die sehr Polizei-feindliche linke Szene hier so stark ist, wie sonst nur in Berlin und Leipzig.

Seit den Hafenstraßen-Zeiten in den 1980er Jahren und den Kämpfen um die bundesweit berühmte Rote Flora, ist die linksautonome Bevölkerung ein Machtfaktor.

Die 150-Sekunden-Reportage „Sondereinsatzkommando Wand und Farbe“ der Sendung Extra3 von 1994 ist immer noch ein Klassiker und illustriert sehr schön das Verhältnis von Polizei und Autonomen in Hamburg

Bemerkenswert ist aber wie besonnen die SPD-Senate vorgehen. Bürgermeister von Dohnanyi fand in den 80er Jahren eine friedliche Regelung, die bis heute hält. Die Rote Flora wurde trotz der geifernden Forderungen von CDU und AfD nie geräumt, man fand einen belastbaren Modus Vivendi zwischen Polizei und autonomer Szene.

(….) 1981 wurde der aristokratische Nadelstreifen-Sozi Klaus von Dohnanyi (*1928) Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und tat seinen berühmten Gorbatschow-Schritt. In einer total festgefahrenen Lage, half er sich, indem er die Perspektive wechselte.

(………)  Die Hafenstraßenbewohner rüsteten sich 1987 zur finalen Schlacht, hatten ihre Häuser mit NATO-Draht verbarrikadiert und hocken mit Wurfgeschossen bewaffnet auf den Dächern, während 5.000 schwer bewaffnete Polizisten anrückten, um dem „Schandfleck“ endgültig ein Ende zu bereiten. Bei einer Erstürmung wurde mit Todesopfern gerechnet, weil beide Seiten zahlreich und zum Äußersten entschlossen waren.

Dann aber griff von Dohnanyi ein, stoppte die unmittelbar bevorstehende Räumung, bestand auf einer „politischen Lösung“, weil er daran glaubte, sich friedlich mit den Bewohnern verständigen zu können.  Das politische Risiko für ihn war gewaltig; er wäre sicherlich die längste Zeit Bürgermeister gewesen, wenn die Hausbesetzer mit Gewalt reagiert hätten.

Tatsächlich verstanden sie aber, daß hier ein Ehrenmann sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale warf und stellten sich als vorbildliche Vertragspartner heraus. Man sprach vom „Hafenstraßen-Wunder“; von Dohnanyi erhielt für seinen Mut später die Theodor-Heuss-Medaille.

Der Friede konnte bis heute weitgehend erhalten bleiben, obwohl die Hamburger Polizei sicherlich nicht mit allen politischen Entscheidungen einverstanden war und den Linksautonomen demonstrativ ruppig begegnet.

Es ist aber auch bei den Uniformierten bekannt, daß die halbmilitante Szene in der Hafenstraße, der Schanze, der Flora humanistische, internationalistische Ziele verfolgt und keineswegs in erster Linie Lust an Prügelleien verspürt.  Beim G20-Desaster im Juli 2017 gingen Polizeikräfte aus ganz Deutschland gegen die Demonstranten aus ganz Europa vor. (…………….)

In ersten Reaktionen forderten natürlich AFDP und CDU Hamburgs, sowie alle konservativen Journalisten, nun müsse es aber endgültig der Neuen Flora an den Kragen gehen. Sofort stürmen und räumen!  Die „Chaoten“ bekamen in dieser Lynchstimmung allerdings Hilfe von völlig unerwarteter Seite. Die Hamburger Polizei wendete sich an die Öffentlichkeit und nahm ausdrücklich die Schanzenbewohner und Rote-Flora-Aktivisten aus der Schußlinie. Man kenne sich; die Hamburger Autonomen hätten mit der G20-Gewalt nichts zu tun gehabt.   Es ist eine eigenartige Form der Coexistenz der großen autonomen Szene in Hamburg und der Polizei eingetreten.  (….)

(Hamburgs Law And Order-Partei, 05.05.2021)

Angesichts dieses über Dekaden friedlich gelebten Miteinanders, sind linksextreme Attacken auf Innensenator Grote besonders bedauerlich. Zumal dieser nicht etwa ein ortsfremder Stahlhelm-Politiker ist, sondern aus der kommunalen Verwaltung der Gegend um die Reeperbahn kommt und mit seiner Familie bis heute dort lebt. 2019 wurde ein Anschlag ihn verübt und zwar nicht etwa auf seinen Amtssitz oder seine Wohnung, sondern auf sein Auto, als er sein zweijähriges Kind zur Kita brachte.

[….] Der Dienstwagen des Hamburger Innensenators Andy Grote (SPD) ist am Freitagmorgen mit Steinen und Farbbeuteln beworfen worden. Nach Angaben der Polizei ereignete sich der Angriff um kurz nach 8 Uhr. Wie Grote selbst auf Twitter mitteilte, saß auch sein zweijähriger Sohn mit in dem Wagen. Der Vorfall ereignete sich, als das Auto an der Kreuzung Hein-Hoyer Straße/Simon-von-Utrecht Straße im Stadtteil St. Pauli verkehrsbedingt abbremsen musste. Mehrere maskierte Menschen hätten sich dem Fahrzeug genähert und dieses angegriffen, so die Polizei. An dem gepanzerten Dienstwagen des Innensenators entstand nur ein geringer Sachschaden. Bei einem dahinter fahrenden, zweiten Fahrzeug ging eine Scheibe zu Bruch.  [….]

(NDR, 13.12.2019)

Liebe Linksautonome – den Senator mit Gewalt zu attackieren, ist ohnehin nicht zu rechtfertigen. Aber das zu tun, während er sein Kleinkind dabei hat und den Zweijährigen zu gefährden, ist moralisch extrem verdorben.

Wenige Wochen später begann die Corona-Zeit. Hamburg kann sich immerhin glücklich schätzen mit dem habilitierten Labormediziner Peter Tschentscher einen ausgesprochenen Fachmann als Regierungschef zu haben.

Zusammen mit der Sozial- und Gesundheitssenatorin Leonhard, sowie dem Innensenator Grote, steuerte er Hamburg besser als andere Millionenstädte durch die Pandemie.

Wenn nach anderthalb Jahren feierwütige Jugendliche die Erfolge im Kampf gegen die Pandemie immer wieder gefährden, indem sie auf Hygieneregeln pfeifen, sich nicht impfen lassen und sich eng zusammenrotten, habe ich volles Verständnis dafür, daß Andy Grote deutliche Worte findet. So geschah es auf Twitter, nachdem im linken Szeneviertel Schanze immer wieder „Cornern“ zu Massenbesäufnissen ausgeartet war.

[….] Am 30. Mai hatte sich der Hamburger Innensenator Andy Grote über die Feiern in Hamburg beschwert. „Manch einer kann es wohl nicht abwarten, dass wir alle wieder in den Lockdown müssen... Was für eine dämliche Aktion!“, schrieb er. […..]

(RND, 09.09.2021)

Wie inzwischen halb Deutschland weiß, antwortete ein User; möglicherweise verärgert über Grotes eigenen kleinen Coronaregel-Fehltritt, mit den Worten „Andy, Du bist so 1 Pimmel“ und bekam Besuch von der Staatsanwalt.

An dieser Stelle möchte ich zwei Dinge festhalten:
Erstens finde ich es absolut richtig, wenn gegen Hass und Beschimpfungen im Internet vorgegangen wird. Der Anschlag auf Grotes zweijährigen Sohn hat gezeigt, welche Folgen das haben kann.

Zweitens war es nicht Grote, der dem Pimmel-Kommentator die Polizei auf den Hals hetzte. Das kann er gar nicht.

Dafür gibt es unabhängige Staatsanwaltschaften, mit denen der Innensenator nichts zu tun hat. Zudem muss ein Durchsuchungsbefehl von einem unabhängigen Richter unterschrieben werden.

Wer im Internet gegen Menschen hetzt, bekommt völlig zu Recht gelegentlich Besuch von der Staatsanwaltschaft.

[….]„Dass in diesem Fall die Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung veranlasst hat, ist deren autonome Entscheidung, auf die auch niemand von außen Einfluss nimmt“, erklärte Grote am Donnerstag. Aber allen müsse klar sein: „Wenn wir gegen strafbare Hass- und Beleidigungstaten im Netz konsequent vorgehen wollen, dann sind hierzu auch häufig Durchsuchungen erforderlich.“  Das möge für den einen oder anderen überraschend sein, aber inzwischen fänden solche Durchsuchungen auch regelmäßig statt. Natürlich gebe es schwerwiegendere Fälle, räumte Grote unter Hinweis auf rechtsextremistische Taten oder sexualisierte Übergriffe auf Frauen im Netz ein. „Andererseits wollen wir doch eigentlich alle, dass auch im Netz respektvoll mit uns umgegangen wird.“ Und bei aller Berechtigung auch harter, verbaler Auseinandersetzungen müsse sich niemand beleidigen lassen, auch nicht im Netz. „Nicht nur als Politiker wird man häufig mit Häme, Hass und Beleidigungen im Netz konfrontiert“, sagte Grote. Wenn dabei die Qualität einer Straftat erreicht werde, dann rate er allen ausdrücklich immer, Anzeige zu erstatten, damit die Tat auch verfolgt werden könne.  […..]

(RND, 09.09.2021)

Der Fortgang der Causa ist bekannt. Erst tauchten „Andy, Du bist so 1 Pimmel“-Aufkleber rund um seine Wohnung auf dem Kiez auf, dann bemalte die Rote Flora mit einem Verweis auf die eingangs erwähnte „SOKO Wand und Farbe“ von 1994 ihre Hauswand mit dem Pimmel-Zitat.

Die Polizei geriet angesichts der vielen „so 1 Pimmel“-Zitate in ein Dilemma.

Sie durfte es wegen des Polizeirechts („Legalitätsprinzip“) nicht ignorieren, machte sich aber zunehmend lächerlich, weil sie gegen all die Pimmelschreiber in Hamburg nicht gewinnen konnte.

[….] Nachdem die Polizei zuletzt „Pimmel-Aufkleber“ in der Stadt abkratzte, rückte sie nun am Sonntag zur Roten Flora für Malerarbeiten aus. Eine niedrige zweistellige Zahl an Einsatzkräften – die genaue Anzahl will die Polizei auf MOPO-Anfrage aus Gründen der „Einsatztaktik“ nicht nennen – sicherte die Plakatwand und andere Beamte übermalten den Spruch. Am Montagmorgen war allerdings der alte Spruch wieder angepinselt worden. Also folgte prompt ein erneuter Auftritt der Polizei-Malerkolonne. Und am Abend schlug wiederum die Rote Flora zurück und ergänzte den Spruch gleich noch mit einer Strichliste als „Ergebnis-Anzeige“ (3:2 für die Flora) und einem Aufruf zu Grotes Rücktritt. [….]

Was kostet das ständige Übermalen die Polizei? „Die Kosten werden nicht gesondert berechnet, das Übermalen geschieht durch ohnehin im Dienst befindliche Einsatzkräfte“, so Polizeisprecher Florian Abbenseth. Den Spruch einfach stehen zu lassen und damit Ressourcen zu sparen komme allerdings auch nicht in Frage, weil eine Beleidigung im Raum stehe. „Auch wenn die Polizei sich gerne mit anderen Dingen beschäftigen würde, greift hier ein Dilemma: Die Polizei unterliegt dem Legalitätsprinzip und ist bei Anhaltspunkten für das Vorliegen von Straftaten zum Einleiten strafprozessualer Maßnahmen per Gesetz verpflichtet“, begründet Abbenseth das Vorgehen. […..]

(MOPO, 25.10.2021)

Die Polizei und Grote stecken nun also mitten im „Pimmelgate“, haben sich zur internationalen Lachnummer gemacht.

Welchen Ausweg gibt es da noch?

Richtig, nur einen: Polizei und Senator lassen ihr Ego bei Seite und handeln nach dem Motto „der Klügere gibt nach“.

Genau das geschah heute.

[….]  Die Polizei stellt das Übermalen nun ein, wie eine Polizeisprecherin mitteilte. Man habe entschieden, dass man »aus dieser Spirale rausmüsse«.

Auch eine Entscheidung Grotes trug demnach dazu bei: Der Innensenator hatte der Staatsanwaltschaft kürzlich signalisiert, dass er nicht gewillt sei, bei jeder neuen Beleidigung dieser Art einen Strafantrag zu stellen. Daher könne die Polizei auf eine Anzeige in diesen Fällen verzichten, sagte die Sprecherin. [….]

(SPON, 26.10.2021)

Gut gemacht.