Samstag, 31. Januar 2015

Komplexe Persönlichkeit.


Es ist wohlfeil über Eitelkeiten und Geltungsbewußtsein von Politikern zu klagen.
Menschen mit sympathischen Eigenschaften wie Zurückhaltung, Bescheidenheit, Altruismus, Introvertiertheit, Kontemplation und Besonnenheit werden gar nicht erst Spitzenpolitiker, weil man sich mit so einem Rüstzeug nicht auf der Ochsentour nach Oben durchsetzen kann.
Ja, genau. Das System ist schuld. Und natürlich der Urnenpöbel, der solche unerschütterlichen Typen mit genügend Selbstbewußtsein für eine ganze Stadt offensichtlich so toll findet, daß er sie immer wieder wählt.

Ein solcher Mann mit sehr breitem Kreuz und der unerschütterlichen Überzeugung selbst der beste zu sein, ist mein direkter Vertreter im Parlament.

Es fällt mir immer noch schwer ein Urteil über meinen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs aus Hamburg-Mitte zu fällen.

Kahrs, 51, Oberst der Reserve, Rechtsanwalt dürfte bundesweit vor allem durch seine Rolle als Sprecher des Seeheimer Kreises bekannt geworden sein.
Der Sohn zweier sozialdemokratischer Senatoren in Bremen, saß zunächst ab 1993 fünf Jahre in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, bevor er 1998 in rabiater Weise einen meiner absoluten Lieblingspolitiker, nämlich den Bundestagsabgeordneten von Hamburg-Mitte, Freimut Duve verdrängte.
Duve war einer dieser Ausnahmepolitiker, der 100% integer und frei von Eitelkeit agierte. Hochgebildet und bescheiden zugleich, gehörte er zu der kleinen Gruppe Parlamentarier, die ihre komplette Steuererklärung veröffentlichten, Diäten spendete und sich stets für die Schwächsten einsetzte.
Ich war sehr wütend, als ich Kahrs vor die Nase gesetzt bekam, zumal Duve 1998 sehr gern weiter gemacht hätte!
Aber, das muß man zugeben; Kahrs sitzt fest im Sattel. Er wurde seit 17 Jahren immer wieder direkt und mit Hamburger Rekordergebnis in den Bundestag geschickt.

Warum sollte ich unzufrieden sein?

In solchen Fällen hilft eine stichwortige Pro- und Contra-Liste.

PRO

Kahrs ist ein vorbildlicher Wahlkreispolitiker, den man dauernd vor Ort trifft, der seit 20 Jahren ununterbrochen „Bürger“ zu Hause besucht (er bringt immer selbstgebackenen Kuchen mit), der hier verwurzelt ist, seine Wähler detailliert und kontinuierlich über seine Tätigkeit in Berlin unterrichtet und der ständig Bustouren seiner Wähler nach Berlin organsiert, so daß sie seinen Alltag miterleben können.

Er hat als anerkannter Haushaltspolitiker und Seeheimer seine persönlichen Karriereziele erreicht, schielt nicht auf Regierungsämter, so daß er völlig offen und direkt auch mal gegen die Parteilinie argumentiert.

Kahrs ist schwul und war meines Wissens auch der erste geoutete Schwule in der SPD-Bundestagsfraktion 1998. Daher hat er einen besonderen Blick für Minderheiten und setzt sich intensiv für deren Rechte ein. So ist er beispielsweise stellvertretender Sprecher der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe.

Er verfolgt konsequent und unerschütterlich liberale Positionen, wie die Abschaffung des Meister- und Innungszwanges.

Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in der IHK
Die Kammerpflichtmitgliedschaft ist nach wie vor ein Reizthema. Ich habe mich seit meiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten für die Abschaffung des Kammerzwangs stark gemacht. Fortschritte auf dem Gebiet sind bisher leider am Widerstand der CDU/CSU gescheitert. Auch die FDP zeigt sich bei diesem Thema alles andere als wirtschaftsliberal und macht weiter Stimmung für den Zwang.
Ich behalte das Thema weiter im Auge, und zahlreiche Zuschriften von betroffenen Unternehmern bestärken mich darin. Der antiquierte Kammerzwang behindert oft gerade kleinere und mittlere Unternehmen. Große Kammern machen unter anderem ihren eigenen Mitgliedern Konkurrenz. Viele Mitglieder halten die zu leistenden Abgaben verglichen mit den Leistungen der Kammern für viel zu hoch.

Kahrs ist ein begnadeter Redner, der ohne Manuskript jederzeit sachlich und verständlich vortragen kann.
Als einer der ganz wenigen Politiker spricht er in Talkshows wirklich Klartext, ohne Floskeln und inhaltsfreie Polithalbsätze. Er redet im wörtlichen Sinne „druckreif“. Das kann außerordentlich informativ sein, da er sehr klar stellt was er will, wie die Situation ist und woran ganz genau eine Änderung scheitert. Damit ist er das diametrale Gegenteil der Kanzlerin, die bekanntlich stundenlang wolkige Allgemeinplätzchen von sich gibt, ohne daß sich ein einziger Zuhörer anschließend erinnern könnte, was sie eigentlich sagen wollte.

Kahrs ist im besten Sinne „vernünftig“, also ideologiefrei. Er vertritt seine Standpunkte ganz unabhängig davon, ob das gerade populär ist. So unterstützt er ausdrücklich die allgemeine Wehrpflicht – obwohl das derzeit wirklich niemand mehr haben möchte.

Er ist angstfrei und hat keine Angst irgendwo in Ungnade zu fallen.

Kahrs ist ein entschiedener Gegner der religiotischen Parteiplatzpatrone Andrea Nahles, die er nur zu gerne von ihrem schädlichen Einfluss auf die SPD abhalten würde.

CONTRA

Kahrs ist leidenschaftlicher Offizier mit einem offensichtlichen Drang ins Militärische. Wenn man sich bei pazifistischen Waffenexport-Gegnern wie Jan van Aken einklinkt und ihre Recherchen im Rüstungsdschungel mitverfolgt, trifft man früher oder später auch auf Kahrs, der bis heute gerne auf internationalen Waffenmessen gesehen wird und seine Verbindungen in die Rüstungsindustrie pflegt.
Er gehört dem Präsidium des Förderkreises Deutsches Heer und ebenfalls dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik an.
Kahrs ist so gut mit einigen Wirtschaftszweigen vernetzt, daß er gerne auch mal ganz direkt große Wahlkampfspenden annimmt, ohne daß man  genau weiß von wem und zu welchem Zweck sie stammen.

Der von dem Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs geführte SPD-Kreisverband Mitte hat nicht nur vom Panzerhersteller "Krauss-Maffei-Wegmann", sondern auch von deutschen Marineschiffbauern Geldspenden erhalten. Das berichtete das Magazin "Stern" am Mittwoch und berief sich auf mehrere schriftliche Belege, die ihm vorliegen würden. Danach hätten die Hamburger Thyssen-Krupp Marine Systems und die Bremer Lürssen Werft dem Parteibezirk in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt 13 000 Euro überwiesen.
Beide Unternehmen wollen die neuen, 2,2 Milliarden Euro teuren Fregatten F-125 für die Bundesmarine herstellen. Kahrs ist gegenwärtig im Haushaltsausschuss des Bundestages für den Verteidigungsetat zuständig. Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass bereits der Münchner Panzerhersteller "Krauss-Maffei-Wegmann" und die nordrhein-westfälische Rüstungsfirma "Rheinmetall" an den Kreisverband Mitte Spenden überwiesen hatten. Dem "Stern" zufolge soll Rheinmetall im Jahr 2005 25 000 Euro überwiesen haben, der Panzerhersteller 9000 Euro. Beide Unternehmen betrieben die Projekt System & Management GmbH, die den neuen Bundeswehr-Schützenpanzer Puma bauen solle.

Kahrs ist ein extrem umtriebiger Strippenzieher als Kreisvorsitzender.
Man sagt ihm nach, daß er maßgeblich dafür verantwortlich war, daß der Parteilinke und Nahles-Freund Niels Annen sein Bundestagsmandat im eigentlich völlig sicheren Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel verlor.
Statt dessen wurde auf mehr als dubiose Art der Hamburger Juso-Chef Danial Ilkhanipour Herrn Annen vorgezogen; so daß das die CDU damals den roten Sitz gewann.

Herr Kahrs mauschelt offenbar in seinem privaten Politumfeld ganz gern.

1992 erstattete Silke Dose, Mitglied im Hamburger Juso-Landesvorstand und innerparteiliche Konkurrentin, Anzeige wegen wiederholter, nächtlicher anonymer Telefonanrufe. Sie vermutete einen Stalker. Die Fangschaltung der Ermittler ergab Kahrs als Anrufer. Das Strafverfahren gegen Kahrs, in dem ihn Ole von Beust vertrat, wurde gegen Zahlung der Gerichtskosten und eines Bußgeldes von 800 DM eingestellt. Daraufhin forderten ihn im August 1992 über 50 Hamburger Sozialdemokraten erfolglos zum Rücktritt von allen politischen Ämtern auf.
Seit 2002 ist Kahrs Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Hamburg-Mitte. Bei der Wahl zum Hamburger SPD-Landesvorstand im März 2007 wurde Kahrs zunächst nicht gewählt, konnte sich aber in der Nachwahl im Juni 2007 mit einer Stimme Mehrheit durchsetzen.

Es ist ja ehrenwert von Kahrs, daß er seinen Kumpel Edathy nicht fallen läßt, nur weil der jetzt sozial geächtet wird.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete für Hamburg-Mitte, Johannes Kahrs, hat Sebastian Edathy, im Zuge der Ermittlungen um die Kinderpornographie-Affäre als „feinen Kerl“ und „echtes Talent“ bezeichnet. Zudem pflegt er ein freundschaftliches Verhältnis zu Edathy. Als Zeuge im Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre hat Kahrs offenbar erhebliche Erinnerungslücken. Auf die Frage, wann er selbst zum letzten Mal Kontakt zu Edathy gehabt habe, antwortete er mit den Worten: „Das kann ich ihnen nicht so genau sagen."

Sich aber vorm Edathy-Untersuchungsausschuss so dreist rauszureden, indem er immer wieder behauptet gar nichts mehr zu erinnern, ist  schon frech.

Auf die Frage, wie sein Verhältnis zu Michael Hartmann sei, antwortet der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs: "Freundschaftlich, feiner Kerl". Das hatte er vorhin auch über Sebastian Edathy gesagt.   Kahrs bejaht die Frage, ob er es für glaubwürdig halte, dass Hartmann Edathy informiert habe. Aber er wisse es nicht, fügt er hinzu. Wann er zuletzt Kontakt zu Edathy gehabt habe, kann Kahrs dem Ausschuss nicht mehr sagen.
Und dann noch die Frage: Wie ist denn ihr Verhältnis zu Herrn Oppermann? Antwort Kahrs: "Feiner Kerl."
Seit vielen Minuten erinnert er sich jetzt nicht. Will einfach nicht sagen, worum es in der von ihm zuvor beschriebenen "Gerüchteküche" gegangen sei. Ob man sich in der SPD-Fraktion über die Gesundheit sorgte oder ob man mehr wusste. Er selbst wusste ja, dass etwas mit Internet im Raum stand, dass Edathy deshalb für keinerlei Amt kandidieren wollte.
Kahrs bleibt hart. "Kann ich Ihnen nicht sagen." - "Kann ich mich konkret nicht dran erinnern." - "Es ist über ein Jahr her. Was genau wann in welcher Abfolge war, daran kann ich mich nicht erinnern."
Er war aber überrascht, als Edathy im Zusammenhang mit Ermittlungen in der Zeitung stand. Wie genau er davon erfahren hat, weiß er nicht mehr.
Jetzt ist er fertig. "Alles Gute und bis demnächst", sagt Eva Högl. [….] Zum Zeugen Johannes Kahrs, der sich über bald zwei Stunden kaum erinnern konnte, merkte Schuster an: "Johannes Kahrs hat eine einzigartig arrogante Vorstellung abgeliefert, auch eine "einzigartige Herabsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, weil ich nicht glaube, dass er sich nicht erinnert!“

Und last: Kahrs hilft als Denkmalfachmann dabei Hunderttausende Euro an die Kirchen zu verschieben.

Bund steigt mit ins Rettungsboot
[…] Kirchensanierung in Wittenburg: Engagement aller Akteure hat sich gelohnt, 400 000 Euro für ersten Bauabschnitt des Gotteshauses
Trafen sich zu einem freudigen Anlass: MdB Johannes Kahrs, Bürgermeisterin Dr. Margret Seemann, Bürgervorsteherin Sybill Moß, Fördervereins-Vorsitzende Dr. Barbara Gubalke und Pastor Martin Waack. Die Sanierung der Bartholomäus-Kirche kann demnächst beginnen. […]

1 Kommentar:

  1. Ein extrem wichtiges Thema. Die Frage, warum Politik nicht funktioniert, beantwortest du gleich am Anfang: "Das System ist schuld.". Genauso ist es. Das system ist auch schuld, wenn sich die Blutsauger ein Lächeln aufsetzen und Zugeständnisse von der Politik bekommen. Menschen, denen man vertrauen kann, die nicht für Geld ihre Integrität opfern, haben deshalb keine Chance, weil sie sich nicht durchsetzen können. Money makes the world go round!

    Dein Beispiel Kahrs ist exemplarisch. Du stellst ihn charakterlich bipolar dar. Und so musst du als Politiker sein. Sein Wahlkampf zahlt sich nicht von allein.

    Eben wegen dieses "Systemfehlers" , wählen viele gar nicht mehr. Schuld an allem ist das Geld selbst. Es verdirbt den Charakter, weil es den Charakterlosen hilft. Soziale Arbeit, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft - das zählt dann irgendwann nicht mehr. Menschen mit solchen Eigenschaften sterben aus. Der Systemfehler sorgt genau dafür. Erfolg haben jene, die keine Skrupel haben, ihre Spekulationsverluste senilen Rentnern aufzuschwatzen. Diese Gesellschaft ist bald völlig wertlos. Irgendwann führt man aus sozialen Gründen die Sklaverei wieder ein. Wenn das nicht schon längst passiert ist.

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