Natürlich kennt man die Eidgenossen. Sie sind für viele Dinge berühmt: Handwerkskunst, Uhren, Schokolade, Käse, Wintersport und natürlich die Schweizer Garde des Papstes.
Ich war auch immer ein großer Fan von Jean Ziegler und habe 1990 mit großer Faszination sein „Die Schweiz wäscht weißer“ gelesen, das aber bei vielen Schweizern nicht gut ankam.
Es ist in Deutschland üblich, sich über das Schwyzerdütsch lustig zu machen, das ähnlich wie Niederländisch, verächtlich als „Halskrankheit“ bezeichnet wird.
Völlig unkomisch. Ich mag beide Sprachen und finde, gerade die Deutschen sollten es dringend unterlassen, andere Sprachen zu verballhornen.
Besonders liebe ich es, wenn Schweizer Hochdeutsch sprechen. Darin liegt in meinen Ohren so ein angenehmer Singsang. Ich habe schon erlebt, von einem irritierten Schweizer gefragt zu werden, wieso ich ihn so weggetreten angucke und mußte ihm erklären, das sei keinesfalls despektierlich gemeint, ich hörte einfach seiner Sprachmelodie so gern zu.
Das war dann für uns beide unangenehm.
Wie die Schweiz genau funktioniert, weiß aber kaum jemand in Hamburg. Sie ist eben kein EU-Land, funktioniert ohne Euro und organsiert sich mit einem, den anderen deutschsprachigen Ländern wenig ähnlichen politischen System.
Wir sind schließlich ziemlich auf Brüssel fixiert. Daher „kennt man“ auch viele Minister und Regierungschefs aus anderen Europäischen Nationen. Nur eben nicht die Schweizer Vertreter, weil die nie dabei sind. Und was ist eigentlich die offizielle Amtssprache; Rätoromanisch aus dem Kanton Graubünden? Darunter kann Hamburger sicher nichts vorstellen.
Da ich den aus Frankreich stammenden Johannes Calvin und die Calvinisten so stark mit Genf und dem „Schweizer Arbeitsethos“ assoziiere, halte ich die Schweiz für einen protestantischen Staat.
Tatsächlich bezeichnen sich rund drei Viertel der Schweizer als Christen.
Die Mehrheit aller Schweizer – knapp 40% - ist aber römisch-katholisch.
Ein Viertel ist evangelisch-reformiert und weitere 6% gehören zu Freikirchen.
Die bekanntesten Schweizer Kleriker; darunter der nach Liechtenstein verbannte Erzbischof Wolfi Haas, der emeritierte Bischof Vitus Huonder (Chur), der KTV-Extremist Pfarrer Hans Buschor, Kurt Kardinal Koch (ehemaliger Bischof von Luzern) oder Opus Dei-Mann Joseph Maria Bonnemain (Bischof von Chur); sind allesamt erzkonservative Knochen.
Die Schweizer Kinder, die unter dem Einfluss Schweizer Katholiken aufwuchsen, stellen unglücklicherweise aber gar keinen Sonderfall dar.
Hier ist die Schweiz, wie jedes andere katholisch geprägte Land. Völlig durchschnittlich. Schweizer Geistliche missbrauchten, vergewaltigten und quälten tausende Kinder – stets beschützt von den Topklerikern, denen die Opfer gleichgültig waren.
[….] Die 136 Seiten sind nur der Anfang, eine Art erster Überblick nach einem Jahr Forschungsarbeit. Nichtsdestotrotz ist das, was zwei Professorinnen und drei Historikerinnen und Historiker am Dienstag in Zürich vorstellen, erschütternd: 1002 Fälle sexuellen Missbrauchs durch katholische Kleriker, kirchliche Angestellte und Ordensangehörige können die Forscher für die Schweiz und den Zeitraum 1950 bis heute belegen.
Die fast 1000 Betroffenen, die das Forschungsteam identifiziert hat, waren zu 74 Prozent minderjährig, unter ihnen waren sogar Säuglinge. Die gut 500 Beschuldigten wiederum waren und sind fast ausschließlich männlich, der Anteil an geweihten Männern ist nach Aussage der Wissenschaftler "sehr, sehr hoch". Mehr als die Hälfte der Fälle ereignete sich laut der Studie im Rahmen der Gemeindearbeit, also in der Seelsorge, dem Ministrantendienst oder bei der Kinder- und Jugendarbeit.
Die übrigen Vorfälle spielten sich in katholischen Heimen, Schulen und in Ordensgemeinschaften ab. Die Kirche habe häufig mit Vertuschung auf Missbrauchsfälle reagiert, schreiben die Historiker. Die Täter wurden innerhalb der Schweiz oder sogar ins Ausland versetzt; das kirchliche Strafrecht wurde oft nicht angewendet. Die Ergebnisse der Studie seien zweifellos nur die Spitze des Eisbergs, sagt Marietta Meier, Geschichtsprofessorin an der Uni Zürich und eine der beiden Leiterinnen des Projekts. Das habe einerseits mit dem begrenzten Zeitrahmen zu tun, aber auch mit vernichteten Akten und einer mutmaßlich sehr hohen Dunkelziffer. Man müsse davon ausgehen, dass nur ein kleiner Teil der Fälle überhaupt jemals gemeldet wurde, so Meier und Co-Leiterin Monika Dommann. [….]
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