Wenn konservative Politiker locker drauf los lügen und ihre dramatischen Bildungslücken offenbaren, ist das im Social-Media-Zeitalter insofern ein Problem, weil alles aufgezeichnet wird und sich meistens jemand findet, der solche Peinlichkeiten fact-checked. Auf Twitter, Facebook und Co erscheinen dann Videos mit dem Titel „XY debunked“, “Jon Stewart BREAKS THE INTERNET demolishing Republican TO HIS FACE“, „XY exposed“, „Live appearance backfired“, “Marjorie Taylor Greene LOSES IT with most insane claim possible”, „XY got destroyed“, „Lauren Boebert accidentally FALLS ON HER FACE“, oder „XY humiliated.“
Ein besonders schönes Beispiel ist die ultrakonservative Autorin Bethany Mandel, die mit ihrer Co-Autorin Karol Markowicz das Buch „Stolen Youth: How Radicals Are Erasing Innocence and Indoctrinating a Generation“ schrieb und ganz auf GOP-Linie dagegen wettert, wie „woke liberals“ versuchten amerikanische Familien zu zerstören. Im TV-Studio stellte Moderatorin Briahna Joy Gray ihr die Frage, was eigentlich „woke“ sei. Es folgte eine klassische „humilation“, weil Bethany Mandel bloß eine erbärmliche Hetzerin ist und nicht einen Hauch einer Ahnung davon hat, worüber sie redet. Die These ihres eigenen Buches konnte sich nicht erklären.
Es ist gleichermaßen lustig und empörend zu sehen, wie sich rechtskonservative, antiliberale Agitatoren um Kopf und Kragen reden.
Deswegen sind Youtuber wie David Pakman oder Brian Tyler Cohen oder die Meiselas-Brüder so erfolgreich. Man muss sich allerdings stets zweiter Tatsachen bewußt sein: Erstens empfinden die ultrarechten Hetzer grundsätzlich kein Schamgefühl und werden daher auch nicht im geringsten brüskiert, wenn sie der Lüge überführt werden. Zweitens gibt es in der Cohen-Meiselas-Pakman-Medienblase ohnehin keinen einzigen Fox-Zuschauer oder Trump-Wähler, der durch die dargebrachten Enthüllungen ins Zweifeln kommen könnte.
Der deutsche Ganzrechtsaußen Christoph Ploß, AfD-affiner Anti-Gender und Anti-Woke-Aktivist, blamierte sich vor einer Wochen im Bundestag bis auf die Knochen, als er großspurig die Ampel für ihre angebliche Technologiefeindlichkeit attackierte und en passant mitteilte, überall sonst in der EU wären bereits E-Fuels im Einsatz.
Hier wird erklärt, was E-Fuels sind und wieso sie eben nicht als Benzin-Ersatz in Frage kommen und daß außer Porsche kein einziger Autobauer derartiges plant. E Fuels sind nichts weiter als ein ultrarechter Talkingpoint, um die Maßnahmen gegen den Klimawandel zu diskreditieren. Außer Porsche-Freund Lindner und Profi-Klimazerstörer Wissing, steht niemand für diese Technik ein.
Ploß weiß gar nicht was E-Fuels sind und hat schon gar keine Ahnung, wo und ob sie im Einsatz sind.
[….] Grund dafür ist ein Auftritt von Ploß im Bundestag zum Tagesordnungspunkt »bezahlbare und klimafreundliche Mobilität«. Der CDU-Politiker hielt seine Rede zum Thema bereits am 3. März , [….]. Es ging darin unter anderem um E-Fuels – unter dem Begriff werden Kraftstoffe gesammelt, die nicht aus Erdöl gewonnen werden, sondern mithilfe von Strom aus Wasserstoff und Kohlendioxid. Sie sind ein Lieblingsprojekt von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seiner Partei, derzeit werden sie aber nur in kleinem Maßstab produziert, für den Massenverkehr sind sie nicht erhältlich. Christoph Ploß scheint das nicht zu wissen. In seiner Rede sagt er mit Blick auf eine anstehende Gesetzesänderung, »dass E-Fuels, dass klimaneutrale Kraftstoffe, dass E-Diesel« in Zukunft an Tankstellen vertrieben werden könnten: »Wir sind eines der letzten Länder in der Europäischen Union, in denen das nicht möglich ist«. Nach Ploß' kurzer Rede schaltet sich der Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar ein. Er habe nur eine ganz kurze Frage, sagt Gelbhaar. »Können Sie mir sagen, in welchen Ländern denn tatsächlich E-Fuels getankt werden?« Man sieht Ploß auf dem Video an, wie sehr ihn diese Aussage trifft. Er sucht nach Worten. Gelbhaar solle in die europäischen Nachbarstaaten gucken, sagt Ploß und ringt sich dann zu der Aussage durch: »Jetzt fehlt mir die Redezeit, die alle aufzuführen.« [….]
Er werde eine Infographik nachreichen, faselte er hilflos. Auch Ploß muss sich nicht sorgen, daß er, wieder einmal, als Idiot ertappt wurde, lesen nur diejenigen, die ihn ohnehin nicht wählen.
Der Preis, für die peinlichste Rede dieser Woche im Bundestag - geht an: @christophploss VIDEO Herzlichen Glückwunsch
Seine Fans kann er leicht mit einer antiwoken, antigrünen Jammertirade auf Kurs halten. Im Gegenteil; daß ein Grüner und der „liberale“ SPIEGEL ihn aufmischen, verleiht ihm Authentizität in seiner rechtspopulistisch-verschwörungstheoretischen Blase. Ploß geht zum Talk am liebsten zum Profi-Hetzer Julian Reichelt, der just Karl Lauterbach als „übelsten Demagogen und Hochstapler, den es in der Geschichte der Bundesrepublik gab“ diffamierte und über seine Mitarbeiterinnen bei der BILD „bumsen, belügen, wegwerfen“ schrieb.
Ploß und Reichelt passen wunderbar zusammen. Die lassen sich nicht durch Fakten oder die lästige Realität verwirren! Der Urnenpöbel liebt es und billigt der CDU höchste Kompetenz zu.
[….] Um E-Fuels ging es in der restlichen, insgesamt zwei Minuten langen Rede des 37-Jährigen nicht mehr. Dafür wurde Ploß noch persönlich: „Herr Kollege Gelbhaar, Ihr Auftritt bei der ganzen Debatte ist wirklich das Symbol, warum die Grünen hier in Berlin abgewählt wurden.“ Auf die ihm versprochene Infografik musste Stephan Gelbhaar noch mehr als eine Woche lang warten. Erst am 11. März schob Ploß die fehlenden Details aus seiner Rede nach. Ploß retweetete eine Karte die zeigt, wo in Europa schon überall synthetische HVO-Kraftstoffe getankt werden können. Ein „Servicetweet“ für Stephan Gelbhaar sei das. Was der 37-Jährige dabei offensichtlich übersehen hatte: HVO-Kraftstoffe sind keine E-Fuels, sondern hydrierte Pflanzenöle. [….] Zuerst war die Debatte dem „Spiegel“ aufgefallen. Das Medienhaus erhielt zu seinem Bericht „Hamburger CDU-Chef Ploß blamiert sich mit Aussage über E-Fuels” sogleich mehrere verärgerte Mails des Politikers, die der MOPO vorliegen. [….] Würde Ploß sich daran halten, bei Unwissenheit nichts zu einem Thema zu sagen, könnte er sich „viel Scham und allen anderen die Ressourcenverschwendung für absurde Debatten in politisch eigentlich anspruchsvollen Zeiten ersparen“, unkte Jenny Jasberg (39), Fraktionschefin der Grünen in der Bürgerschaft. „Einfach ahnungslos“, urteilte Influencerin und Kolumnistin Marie von den Benken (33). Stephan Gelbhaar reagierte ebenfalls: „Tolle Nebelkerze“.
Christoph Ploß zeigte sich auch auf Twitter vom Gegenwind unbeeindruckt. „Für Technologieoffenheit, gegen Verbotskultur! Für Soziale Marktwirtschaft, gegen Planwirtschaft! Für den CO2-neutralen Verbrennungsmotor, gegen grüne Ideologie“, twitterte er am Sonntagabend. Und stellte sich zugleich als Opfer dar: „Auch an diesem Wochenende erleben diejenigen, die sich für E-Fuels einsetzen, wieder Hass und Hetze aus dem linken Spektrum.“ [….]
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