Bevor ich einen Internetzugang und damit eine Emailadresse bekam, war es für jeden ganz selbstverständlich, einen Vorrat an Briefmarken zu haben, die Post aus dem Briefkasten zu nehmen und selbst Briefe einzuwerfen.
Jeder kannte die Portopreise. In den 1990ern gab es diese längere Phase, als der Standardbrief, die Schallmauer von einer Mark erklommen hatte. Das schien einerseits sehr teuer, war aber andererseits so eine angenehm runde Summe, daß die Post lange keine weitere Erhöhung vornahm. Ab dem 1. September 1997 aber, kostet das Porto 1,10 DM. Ich erinnere mich genau daran, weil dem zuständigen CSU-Bundespostminister Wolfgang Bötsch nicht eingefallen war, daß ein Bedarf an 10 Pfenning-Briefmarken entstehen könnte.
Ein echter Schildbürgerstreich. 83 Millionen Menschen in Deutschland saßen auf ihren gehorteten 1DM-Briefmarken, die über Nacht quasi unnütz geworden waren, strömten in die damals noch reichlich vorhandenen Postfilialen und prallten schon an den „keine 10-Pfening-Marken!“-Aushängen an der Tür ab. Es war zum Verrückt-werden, oft wurden Briefe aus der Not heraus mit 2 DM frankiert.
Vorausschauendes Denken ist in der Politik offensichtlich ein Problem, wenn es um Zeiträume geht, die über einer Wahlperiode liegen.
So sind Landesspolitiker, die alle vier oder fünf Jahre gewählt werden, ganz offensichtlich nicht in der Lage, von der Geburtenrate auf die Zahl der eingeschulten Kinder sechs Jahre später zu schließen.
Als ich in den 1970ern auf das Gymnasium kam, waren wir fünf Parallelklassen à 37 bis 38 Schüler. Einige Fächer konnten wegen des Lehrermangels erst mit Jahren Verspätung unterrichtet werden, die versprochenen Lateinkurse kamen nie zu Stande. Chemie begann erst in der 10. Klasse. In der Pausenhalle hing eine große Karikatur von einem grotesk mit Schülern überfüllten Pausenhof, vor denen ein einzelner Lehrer stand. In seiner Sprechblase stand „Guten Tag, ich bin die Lehrerschwemme, seid Ihr der Pillenknick?“
Über Jahrzehnte hielt sich das Klischee von den arbeitslosen Lehramtsstudenten, die alle Taxi fahren mussten, weil die Verhütung in den 1960ern zu immer weniger Kindern führen würde. Mein Leben lang musste ich aber als Angehöriger eines „geburtenstarken Jahrgangs“ erleben, wie überrascht man an Schulen, Ausbildungsbetrieben und Universitäten von unserer Anzahl war.
Woher kommt die Überraschung?
Müssten Kultusminister nicht aus den Geburtenzahlen präzise Prognosen für zukünftige Schüler- und Azubi-Zahlen anfertigen können? Sollte es nicht möglich sein, aus dem Alter der Lehrer zu extrapolieren, wann diese in Rente gehen?
Aber das ist höhere Mathematik.
CDU-Mann Bötsch hatte es bei der Verknappung der 10-Pfenning-Briefmarken von 1997 mit einer unmittelbaren Folge der Preiserhöhung von 100 Pf auf 110 Pf zu tun.
Der am meisten überraschte Minister ist aber Jens Spahn. Der Mann, der so katastrophal regiert, daß wohl nur einer von 83 Millionen Bürgern glücklich ist: Andi Scheuer, der lange Zeit wie einst George W. Bush davon ausgehen musste, für ewig der schlechteste Präsident seit Washington/Minister seit 1945 zu sein und dann angesichts der Horrorperformance Trumps/Spahns in erstaunlich mildem Licht dasteht.
[….] Der zum Glück bald Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat parallel die Logistik der Impfstoffverteilung schon wieder vermasselt. Die bestellten Mengen werden vorerst nicht ausgeliefert werden können, Haus- und Betriebsärzte, die einen Großteil der Booster-Kampagne stemmen sollen, müssen sich gedulden. Kam wohl wieder überraschend, dass die sechs Monate nach der Zweitimpfung auch wirklich nach sechs Monaten um sind und die Menschen, die eine Drittimpfung brauchen, auch wirklich alle möglichst schnell einen Piks haben wollen. [….]
Ich wiederhole mich, aber das Unerträglich an der Corona-Pandemie ist gerade ihre Vorhersehbarkeit. Es tritt immer das ein, das seit Monaten prognostiziert wird. Die nicht irren Bürger, also etwa zwei Drittel der Bevölkerung, müssen in vollkommen überraschte Politikergesichter gucken, die spahning grinsend erklären, das hätten sie wirklich nicht kommen sehen.
Jens Spahn schafft dabei sogar den doppelten und dreifachen Bötsch, indem er von den unmittelbaren Folgen seiner eigenen Maßnahmen völlig überrumpelt wird.
Er ist verblüfft, als nach einem guten Jahr weltweiter intensiver Forschung an Corona-Impfstoffen, ein Corona-Impfstoff entwickelt wird. Ein Impfkonzept, eine Lieferungs-Infrastruktur hat er nicht vorbereitet.
Er ist furchtbar überrascht, als nach den Schulferien wieder die Schule losgeht und sich nicht wie von Zauberhand von ganz allein Luftfilterungsanlagen in den Klassenräumen materialisiert haben.
Er führt Maskenpflicht ein und staunt, daß Masken knapp werden.
Er wundert sich über die Knappheit von Schnelltests, nachdem er selbst im Sommer die Produktion der Tests runterfahren ließ und nun 2G+ einführt.
Er staunt über die Probleme, Impftermine zu bekommen, nachdem er die Impfzentren schließen ließ.
Er wird komplett überrumpelt, als nach der Alpha-, Beta- und Gamma-Variante des SarsCov2, noch eine weitere Mutante entsteht. Omikron in the house! Potzblitz.
Er ist wie vom Donner gerührt, als nach seiner dringenden Aufforderung, sich impfen und boostern zu lassen, während er gleichzeitig die Impfstofflieferungen an die Arztpraxen um 50% kürzt, die Moderna- und BioNTech-Vorräte alle sind.
Wer hätte denn DAS ahnen können?
[…..] Der Druck auf Ungeimpfte ist in den vergangenen Wochen kontinuierliche erhöht worden, zugleich ergingen Aufrufe zu Boosterimpfungen – so auch in Frankfurt am Main. Dort aber muss die Stadtverwaltung nach eigenen Angaben ihr Impfangebot schon wieder einschränken, wegen fehlender Dosen. Ab Dienstag seien keine Impfungen mehr an der Hauptwache möglich und auch Sonderimpfaktionen müssten abgesagt werden, teilt die Stadt mit. Grund sei, dass die vom Gesundheitsamt bestellten Impfungen vonseiten des Bundes einseitig reduziert worden seien. »Ganz Frankfurt ist stinksauer auf Berlin – und mir fehlen ehrlich gesagt die Worte«, erklärt Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Besonders bitter: Nur wenige Stunden, nachdem Feldmann den Startschuss für einen sogenannten »Impfexpress« gegeben hatte, musste bereits dessen Ende verkünden. Laut seinem Gesundheitsdezernenten Stefan Majer mussten Impfteams bereits Impfwillige wegschicken - weil sie nicht genügend Impfstoff zur verfügung hatten. »Und das in einer Situation, in der die Infektionszahlen nur eine Richtung kennen – steil nach oben. Dafür fehlt den Menschen zu Recht jedes Verständnis«, so Feldmann. […..]
Es scheint fast so, als ob Jens Spahn im Angesicht seines Ministerendes den Karren absichtlich noch so tief in den Dreck fahren will, daß der nächste Gesundheitsminister den Saustall kaum wieder in Gang bekommen kann.
Je katastrophaler die Lage, desto größer die Chance für Spahn, daß die Wähler beginnen werden, seinen Nachfolger verantwortlich zu machen. Je heftiger das Sterben auf den Intensivstationen, je länger der Lockdown über die Wintermonate, desto eher wird man vergessen, was Spahn angerichtet hat.
[….] So katastrophal ist das Erbe von Jens Spahn
Er ist das Gesicht des Missmanagements in der Corona-Krise geworden: Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Offenbar planlos versucht er seit über einem Jahr der Pandemie Herr zu werden – und stolpert über eigene Versprechen. Wer sein Nachfolger wird, ist unklar. Sicher ist jedoch: Allein das Chaos zu beseitigen ist eine Herkules-Aufgabe. Der zweite Corona-Winter, die vierte Infektionswelle. Doch wer dem Bundesgesundheitsminister zuschaut, könnte meinen, wir befänden uns im ersten Krisenmonat. Nicht entschlossenes Handeln und klare Kommunikation bestimmen die Corona-Politik, sondern hektisches Ausbessern verpasster Gelegenheiten. So wollte Spahn die Auslieferung von Biontech-Impfstoff an Ärzte begrenzen, während die Zahl der Corona-Neuinfektionen rasant steigt. [….] Gleichzeitig hat Spahn alle Bürger ab 18 Jahren zur Booster-Impfung aufgerufen – ohne den Vorgang zuvor konkret zu planen. Das Ergebnis: Chaos und meterlange Warteschlangen vor und in den Arztpraxen und den Impfzentren. Das Hauptproblem: Es steht vor Ort zu wenig Impfstoff zur Verfügung. Wie die „Bild“ berichtet, haben 100.000 Ärzte für diese Woche 8,57 Millionen Dosen Impfstoff bestellt – 4,65 Millionen von Biontech und knapp 4 Millionen von Moderna. Doch es kann wohl nur knapp die Hälfte der bestellten Menge von Biontech ausgeliefert werden. [….] In Niedersachsen droht ab Montag der Ausfall von bereits vereinbarten Impfterminen und die Verschiebung des Starts in 180 zusätzlichen Impfpraxen. Doch nicht nur der Impfstoff, auch die Corona-Selbsttests sind knapp. Auch hier das Problem: Hohe Nachfrage trifft auf ein zu kleines Angebot. Vielerorts ist es derzeit nicht möglich, Tests zu bekommen – im Sommer wurde aufgrund der entspannten Lage die Produktion heruntergefahren. [….]
Danke! Jemand musste es ja mal so deutlich sagen und gut zusammen fassen. Wer weiß, vielleicht wird Spahn eines Tages noch Bundeskanzler. ;-)
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