Mittwoch, 5. Dezember 2018

Schulcomputer

In der Schule war ich gut in Mathe.
Richtig gut. Nach der 10.Klasse als ich in die VS wechselte, gab es für diejenigen, die voraussichtlich Mathe als Abi-Prüfungsfach nehmen würden, als Zusatzkurse entweder „Mathe-Ergänzung“ oder „Informatik“.
Ich entschied mich natürlich für Mathe-Ergänzung, weil erstens die Typen, die in den Informatik-Kurs gingen die unangenehmsten Nerds und Spießer waren. Und zweitens waren Computer völlig sinnlose Dinger, mit denen ich in meinem weiteren Leben garantiert nie wieder zu tun haben würde.

Als ich drei Jahre später auf die Uni kam überlegte ich kurz, ob ich mir eine Schreibmaschine anschaffe, aber meine Profs versicherten mir, das wäre nicht nötig, da ich so eine perfekte ordentliche Handschrift hätte.
Eine Schreibmaschine hätte ohnehin nicht sehr viel geholfen, da ich jede Menge komplizierte Strukturformeln zeichnen musste.

Diese eigenartigen Nerd-Typen – klein, picklig und mit fettigen Haaren – gab es dann auch an der Uni. Die warfen mit Begriffen wie „286“ und „386“ um sich.
Und irgendwann passierte das Unglück; einer der Profs sagte, er würde zukünftig keine handgeschriebenen Protokolle mehr annehmen.
So eine Scheiße, nun also doch eine Schreibmaschine?
Ein Jura-Student, mit dem ich immer zechen ging, erzählte mir das erste Mal von einem „Laptop“. Das wäre auch eine Option. Theoretisch.
Aber die kosteten 10.000,- bis 12.000,- DM.
Was sollte ich also tun?
An der Uni, ich hatte gerade das Vordiplom hinter mir – und ich befand mich immerhin in einem naturwissenschaftlichen Fachbereich – gab es keine Computer, keine Möglichkeit den Umgang damit zu lernen. Und schon gar nicht gab es jemand, der mir 12.000,- gegeben hätte.
Am Ende schnappte ich mir einen von den Uni-Nerds, der aussah wie 12  und unverständliches Zeug sprach, um mich zu „VOBIS“ zu begleiten.
 Da konnte man sich Computer zusammen bauen lassen. Ein flimmernder Schwarz-weiß-Monitor, der 40 cm tief war, ein riesiger Nadeldrucker, der etwa eine Minute pro Seite brauchte und dazu noch einen sogenannten „Turm“, der mit lauter Modulen bestückt war, deren Namen und Funktion ich nicht begriff.
Das kostete mich DM 4.600,- und blieb mir stets rätselhaft.

Eine merkwürdige Zwischenzeit. Einerseits sollte man Computer verwenden, damit alternde Profs sich nicht mehr mit schlechten Handschriften quälen mussten, andererseits waren die nahezu unerschwinglich und niemand sagte einem wie man sowas benutzt.

Sehr viel weiter gekommen ist Deutschland in den nächsten 25 Jahren nicht.
Die deutsche Bundesbildungsministerin glaubt nicht, daß wir „5G“ brauchen.

[….] Forschungsministerin Karliczek „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig“
Forschungsministerin Anja Karliczek möchte sich bei dem Aufbau eines 5G-Kommunikationsnetzes in ländlicheren Regionen offenbar Zeit lassen. In einem Interview formulierte Karliczek das nun ziemlich deutlich. [….]

Deutschland ist digitales Entwicklungsland. Abgehängt in Europa.
Das sollte niemand wundern, wenn man Typen wie Dobrindt oder Oettinger damit beauftragt. Das Internet ist in Rumänien stärker und flächendeckender als hier.
Zur Ehrenrettung Anja Karliczeks sei aber gesagt, daß sie sich um wesentlichere Dinge kümmert.
Sie ist ähnlich homophob wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz ("Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal.") und will lieber die Ehe für alle zurücknehmen.
Und so bleibt Deutschland eben digitales Entwicklungsland, das Nationen wie Estland eine Generation hinterher hängt.

[…..]  Die Lehrer arbeiten vornehmlich mit Smartboards, einer interaktiven Tafel. Und die Lehrbücher sind demnächst auch digital. So ist das in Estland. Dort gehört das digitale Klassenzimmer längst zum Bildungsalltag. In Deutschland dagegen müssen sich häufig hunderte Schüler im Unterricht ein paar Dutzend museumsreife Computer teilen. Breitbandanschluss? WLAN? Fehlanzeige.
Umso bizarrer wirkt der Streit, den Bund und Länder beim sogenannten Digitalpakt für Deutschlands Schulen aufführen. Berlin bietet fünf Milliarden Euro an, um die Kreidezeit dort endlich zu beenden, […..] Nach der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch in Berlin haben sich die Fronten hier sogar noch weiter verhärtet. So droht der Digitalpakt grandios zu scheitern. Zumindest liegen die Mittel dafür bis auf weiteres auf Eis.
[…..] Kleinstaaterei im globalen und digitalen Zeitalter, das geht gar nicht. Bund und Länder müssen dringend zu Potte kommen. Sonst heißt es: Setzen, sechs! [….]

Auf Druck der SPD stellte nun der Bund den Ländern einige Milliarden für Schulcomputer zur Verfügung.

Theoretisch.

Praktisch wehren sich aber die Unionsländer NRW, Sachsen, Bayern, sowie Baden-Württemberg (de facto auch CDU, die Grünen dort sind nicht mehr von der Union zu unterscheiden) vehement gegen die Milliarden.

[…..] „Es ist in Ordnung, dass wir jetzt in ein Vermittlungsverfahren kommen. Ich rate den Ländern, die Einigung nicht zu verzögern. Eltern und Kinder in ganz Deutschland warten darauf, dass die Digitalisierung endlich auch in ihrem Schulalltag stattfindet. [….]
(Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende, 05.12.18)

Nein, nein, nein, meine Suppe esse ich nicht.
Bevor Laschet, Söder und Co sich in ihre Schulpolitik reinreden lassen, sollen deutsche Schüler lieber in der digitalen Steinzeit sitzen bleiben.

[….] Schämt euch, Länder! […..] Es ist bezeichnend, dass über den Föderalismus nur noch dann geredet wird, wenn es ums Geld geht. Dann wachen die Länder auf, dann fällt ihnen ein, dass die Schule und die Bildung ihre Sache ist, um die sie sich kümmern wollen und sollen. Dann raunen sie mit Ehrfurcht und mit Stolz in der Stimme vom Bildungsföderalismus und von der ureigenen Sache der Länder. Sie sollten sich genieren. Die Länder haben die Bildung verkommen lassen, die deutsche Bildungslandschaft ist keine Landschaft, sondern nur noch ein einziger Verhau.
Bildung und Schule sind, so steht es im Grundgesetz, Ländersache. Die Länder pochen auf ihr Recht, aber aus dieser Pocherei besteht der Großteil ihrer Tätigkeit. Für große inhaltliche Debatten reicht die Kraft nicht mehr, für die Harmonisierung der 16 Bildungspolitiken der 16 Bundesländer auch nicht. […..] Der reale Bildungsföderalismus ist ein törichter und enger Föderalismus. In seiner jetzigen Form ist er antiquiert. Das Lamento der Bildungsföderalisten über den Digitalpakt ist ein Lamento über ihre eigenen Defizite. [….]

2 Kommentare:

  1. Was da ausgehandelt wurde, ist ein bisschen schräg, weil die Länder jeweils die Hälfte dazulegen müssen. Bedeutet, dass wieder nur die reichen Länder die Gelder abrufen werden. Die Initiative sollte gerade denen helfen, die es dringend brauchen. Unter der Prämisse der Zuzahlung ist das aber nicht der Fall. Darum das Nein, welches vor dem Hintergrund durchaus verständlich erscheint.

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