Freitag, 31. Oktober 2014

Jeder desavouiert sich so gut er kann.


Einer der größten Unterschiede zwischen meinen in Amerika lebenden Verwandten und mir waren immer die verschiedenen Feiertage.
Obwohl die drüben intensiv praktizierende Katholiken sind, spielt Pfingsten bei Ihnen keine Rolle. Einen Pfingstfeiertag gibt es nicht.
Das Ami-Weihnachten ist am 25.12., das Deutsche am 24.12.
Ein Quasi-Feiertag ist in Amerika natürlich der Superbowltag, von dem alle schon lange vorher reden. Als Eingedeutschter weiß ich noch nicht einmal was das eigentlich genau ist.
Schließlich die gewaltig inszenierten Halloween- und Thanksgiving-Tage, die man aus US-Filmen und TV-Serien kennt.
Bevor ich in den 90er Jahren „Roseanne“ glotze, hielt ich Halloween immer für eine alberne Fasching-Variante, ohne zu ahnen welch Aufwand der gemeine USaner dafür betreibt.
 Norddeutschen sind Fasching und Karneval ohnehin suspekt.
Es gibt ein Kinderbild von mir, auf dem ich als Zauberer für eine Grundschulveranstaltung aufgebrezelt bin und sehr unglücklich aussehe.
Es ist offenbar zutiefst in meiner Persönlichkeit verankert, daß ich weder Moden mitmache, noch irgendwelche Verkleidungen akzeptiere.
Dieses Zaubererbild, auf dem ich vermutlich ungefähr sieben Jahre alt bin, dokumentiert mein letztes Einknicken.
In meinen Teenagerjahren kamen Motto-Partys in Mode. Toga-Party, Black and White-Party, Hawaii-Party. All das bokottierte ich grundsätzlich.

Es ist wenig geheimnisvoll wie das amerikanische Halloween nach Deutschland schwappte. Als der Kölner Karneval 1991 wegen des Golfkrieges abgesagt wurde, saßen die Hersteller von billigen Pappnasen und Plastikperücken auf einem Warenberg im Wert von mehreren hundert Millionen D-Mark und suchten verzweifelt nach einer Möglichkeit den Ramsch unter das Volk zu bringen.
So starteten sie die Halloweenwerbeinitiative und der doofe deutsche Michel machte sofort mit.

Inzwischen laufen in allen deutschen Städten am 31.10. banal kostümierte Blagen umher und nerven friedliche Bürger mit Lärm und Aufdringlichkeit.
Wie ich diese dirigierten Kommerz-Kids hasse.


Allerdings ist meine persönliche Abneigung kein Argument dafür anderen Menschen ihr Leben zu reglementieren.
So ist das nun einmal, wenn man in der Stadt wohnt; dann muß man diese Belästigungen wie Straßenfeste, Kirchenglocken oder Autolärm ertragen.
Weihnachtsdeko und Silvesterböllerei gefällt mir auch nicht, aber in einer Demokratie ist man zur Toleranz aufgerufen und muß die Mehrheit machen lassen.


Und so werde ich auch Halloween aushalten.
Meine Haustürklingel ist ohnehin abgestellt.

Überhaupt nicht verstanden haben die Kirchen das Prinzip der Demokratie.
Sie würden lieber ihre privaten Minderheitensichten jedem diktieren:
Kein Sex vor der Ehe, kein Analverkehr, keine Kondome.
Das klappt nach wie vor mit beachtlichem Erfolg; wie das Karfreitagstanzverbot zeigt.

Bei Halloween wallt die Empörung der Profi-Empörten besonders hoch.
Wie immer, wenn es darum geht sich möglichst effektiv zu blamieren, liegt die dümmste Bischöfin der Welt, Margot Käßmann, gut im Rennen.
Ich bin ehrlich beeindruckt mit welch hoher Frequenz die fromme Hannoveranerin mit neuen Doofheiten vorprescht!

Ich denke, Katholiken stimmen mir zu, dass die Auswüchse von Halloween wenig mit ihrem Gedenktag zu tun haben. Inzwischen gibt es Auflagen, die Halloweenpartys um Mitternacht zu beenden, weil der Klamauk ausartet. Die Aufforderung „Süßes oder Saures“ bleibt dann nicht lustig, sondern wird zur Bedrohung.  Da wurde im letzten Jahr ein älterer Mann zusammengeschlagen, weil Jugendliche mit seinen Gaben nicht zufrieden waren. Ein anderer wurde verprügelt, weil er sich auch noch über das heftige Klingeln um 21.30 Uhr beschwert hatte. Scheiben werden eingeschlagen, Autos zerkratzt, Busfahrer mit Eiern beworfen im Namen des Geisterkultes.
Wer aber etwas gegen Halloween sagt, wird zum Spaßverderber. Soziologen sprechen inzwischen von einer Karnevalisierung der deutschen Gesellschaft nach dem Motto: Gut ist nur, was mir Spaß macht. Da hat es der Reformationstag schwer.
[…]  Aber im Ernst sind Luther und die Reformation Kulturgut. Bitte sagen Sie es weiter: Am 31. Oktober ist Reformationstag!
Wie heißt es in der Bibel: „Lasst euch nicht verführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten.“
(1. Korinther 15,33)   Bleiben Sie behütet!

Ach ja, die Käßmann. Wenn wir gegen alles vorgingen, bei dem jemand verprügelt wird oder eine Autoscheibe zerkratzt wird, müssen selbstverständlich auch Sylvester, Fußballspiele, das Oktoberfest und nahezu jede öffentliche Veranstaltung verboten werden.

Aber sie hat Recht, auch Katholiken stimmen ihr zu.
Der in diesem Blog vielfach geehrte Erzbischof Schick tutet ebenfalls ins Käßmann-Horn.

Erzbischof Schick: Sinn der Heiligen statt Halloween-Unsinn
Es ist Zeit, die Führung unseres Lebens Christus zu übertragen
Erzbischof Schick: 'Die Heiligen kommen wieder!'
Hinter Halloweenspektakel steht eine Kultur des Todes
Der Nihilismus ist die Hölle
[….] Zu Allerheiligen ruft der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick dazu auf, die Ideale der Heiligen und anderer wichtiger Persönlichkeiten unserer Geschichte ins Bewusstsein zu bringen und die chaotischen Auswüchse von Halloween-Feiern zu verhindern. „Man kann auch feiern und Spaß haben mit einem Martinsumzug, einer Nikolausfeier oder einer Cäcilia-Lichterprozession“, sagte der Bamberger Oberhirte am Mittwoch. [….]
Schick, Käßmann, immer weiter so!
Ich bin sehr dafür, daß die verkrampfte Nörgeligkeit der vom Steuerzahler fürstlich finanzierten Kirchenfürsten deutlich wird.
Umso schneller werden die Menschen aus Euren Vereinen flüchten.


Absurd ist der Vorwurf, Halloween sei heidnischen Ursprungs. Selbst das christliche Allerheiligen, auf das Halloween von der Wort-Herkunft zurückgeht (All Hallows' Eve), war im ersten Jahrhundert noch ein allen römischen Göttern im Pantheon geweihtes Fest. Die Christen haben Heidenbräuche gern in ihrem Jahreskreis vereinnahmt. Das war naheliegend und praktisch: Der Festtag blieb, Inhalte und Anlass wechselten. Wegen keltisch-heidnischen Ursprungs Halloween ablehnen? Wer diesen Maßstab konsequent umsetzt, kann auch manch christliches Fest beerdigen.
Die Vehemenz, mit der Spielverderber, wie die sonst geschätzte Margot Käßmann [Hahahahahahahaha], gegen Halloween wettern, hat weniger theologische als emotionale Gründe. Die Enttäuschung, dass der für Protestanten wichtige Reformationstag im Kommerztrubel und im Zuge der schön-schaurigen Halloween-Kostüme untergeht. Dabei sollten die zur knöchernen Nüchternheit neigenden Protestanten lieber ihr zum Reformationstag passendes Lied "Nun freut euch, lieben Christen g'mein" als Parole begreifen, über ihren Schatten springen, das kindliche Treiben zu Halloween als fröhliche Randerscheinung des Reformationstags akzeptieren und eifrig "Luther-Bonbons" verteilen, die Bonsche mit dem Konterfei des Reformators.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Danke Helmut Schmidt


Beerdigungen können würdig ablaufen, sind aber übelicherweise nicht gerade angenehm, wenn man emotional beteiligt ist.
Ich habe diese Erfahrung früh gemacht.

Die meisten Jungs haben in der Grundschule einen besten Freund.
Meiner hieß Mark und a posteriori bin ich der Meinung, daß wir uns wirklich sehr gern mochten.
Ich jedenfalls wollte immer möglichst viel Zeit mit ihm verbringen.
Obwohl, oder vermutlich eher „weil“ wir so unterschiedlich waren, ergänzten wir uns perfekt.
Ich war 1 ½ Jahre jünger, aber besser in der Schule und der kontemplative Typ.
Er war mehr der klassische „Rabauke“, der sich immer selbstlos vor mich stellte, wenn irgendjemand gemein zu mir war.
Marks Elternhaus war…. nun ja, das würde zu persönlich werden.
De facto wohnte Mark teilweise bei mir.
Kurzfristig verloren wir uns etwas aus den Augen, nachdem ich mit neun Jahren die Schule wechselte.
Es würde mich brennend interessieren, was aus ihm geworden wäre - wenn er nicht mit 14 bei einem Verkehrsunfall gestorben wäre.

Am Tag der Beerdigung hatte ich meine erste prägende Erfahrung mit der Kirche.
Von der Bibel hatte ich schon im Konfirmandenunterricht gehört, aber den Kurs hatte ich bereits abgebrochen - trotz der Drohung des Pfarrers dann keine Geschenke zu bekommen.
Da meine Eltern aber beide schon lange aus der Kirche ausgetreten waren, schreckte mich das wenig.
Mark hingegen wollte sich unbedingt konfirmieren lassen - WEGEN der Geschenke. Ob er an Gott geglaubt hat, weiß ich nicht. Die Beerdigung war jedenfalls kirchlich.

Man setzte mich neben Marks Mutter, die nicht gerade überraschend die ganze Zeit heulte und immer wieder stammelte, daß ihr Sohn genauso groß wie ich wäre.
Dem Pfarrer, der bei seiner Rede soeben Marks tiefe Gläubigkeit anhand des Konfirmationsspruchs „bewiesen“ hatte, missfiel es außerordentlich gestört zu werden.
Daher herrschte er die weinende Mutter während der Trauerrede an, sie solle sich gefälligst zusammenreißen - schließlich bewiese der frühe Tod ihres Sohnes, daß Gott ihn besonders geliebt habe.

„Whom the gods love, die young“ - das ist ja das was man in der Situation am liebsten hört.

Das ist lange her und nach einigen weiteren miesen Beerdigungen, glaube ich zu wissen wie man es besser macht.
Ich habe auch schon Beerdigungen als nächster Angehöriger geplant und durchgeführt und wage zu behaupten, daß ich in dieser Disziplin weit besser bin.
Einer der Tricks ist mit den engen Angehörigen und Freunden zu Lebzeiten das Thema zu besprechen, so daß man als „Hinterbliebener“ genau weiß, was der Tote gern gehabt hätte.
Noch besser ist natürlich seine Beerdigung selbst zu planen.
Meine eigene Beerdigung ist seit fast 20 Jahren detailliert festgelegt. Ich habe einen Vertrag mit einem Institut abgeschlossen und trage stets eine Kontaktkarte bei mir.
Wenn mir also morgen auf der Straße ein Ziegelstein auf die Birne fällt, muß wer immer mich findet, nur diese Nummer anrufen und alles läuft von selbst, ohne daß ein Verwandter noch Entscheidungen treffen müßte.
Man kann die Aktion auch ohne Brimborium und Peinlichkeiten durchführen.

Unpraktisch ist natürlich, wenn der unter die Erde zu Bringende anders als ich eine Berühmtheit ist.
Dann müssen möglicherweise Fans und Presse berücksichtigt werden.
Dennoch könnte sich eine berühmte Sängerin oder ein großer Sportler dem Rummel entziehen.
Ich kann keine Notwendigkeit erkennen einen Robert Enke unter Beteiligung Zehntausender in einem Stadion aufzubahren. Widerlich taktlos.

Ganz schwierig wird es bei toten Staatsmännern oder Ehrenbürgern. Dann gibt es tatsächlich eine Pflicht des Staates oder der Nation eine entsprechende Würdigung durchzuführen.
Wer allerdings eine Ehrenbürgerschaft annimmt oder als Regierungschef fungiert, akzeptiert damit auch ein solches Ende.
Manch einem gefällt es. Maggie Thatcher soll mehrere Jahre ihre eigene Beerdigung geplant haben und war peinlich darauf bedacht den Aufwand, der um die 1997 in Paris zerschellte Prinzessin betrieben wurde, noch deutlich zu übertreffen.

Hamburger Ehrenbürger werden traditionell im „Michel“ verabschiedet. Obwohl wir eine sehr säkulare Stadt sind, in der Gläubige eine Minderheit stellen, ist die imposante Hauptkirche St. Michaelis das Wahrzeichen Hamburgs. „Der Michel“ prangt auch auf der 2-Euro-Münze Hamburgs.

Ich selbst war Zaungast als am 25.11.2002 im Michel der Staatsakt zum Tode des Hamburger Ehrenbürgers Rudolf Augstein stattfand.
Helmut Schmidt, sowie der amtierende Bundeskanzler Schröder und der amtierende Bundespräsident Rau fuhren in einem Kleinbus vor, während Augstein-Tochter Franziska ebenfalls unprätentiös zusammen mit Heribert Prantl im Taxi vorfuhr.
Sie war es auch, die nach der unbeholfenen Rede des amtierenden Bürgermeisters von Beust die in Erinnerung bleibenden Worte "Den toten Löwen ziehen auch die Hasen an der Mähne" sprach. Spätestens seit diesem Auftritt verehre ich Franziska Augstein.

Auch am 24.03.2002 sah ich am Michel vorbei, als die große Hamburger Ehrenbürgerin Marion Gräfin Dönhoff mit einem Staatsakt verabschiedet wurde.
Diesmal war Raus Rede gut, aber es war Helmut Schmidt, der brillierte, als er seine enge Freundin würdigte.

Der Michel kann einen würdigen Rahmen bieten.
Unpraktisch ist nur, daß es sich dabei immer noch um eine Kirche handelt.
Bei Trauerfeiern meldet sich daher gerne ein Bischof zu Wort und den allgegenwärtigen Michel-Pastor kann man ohnehin nicht vermeiden.
Dazu muß man wissen, daß der „Michel-Pastor“ in der Hamburger Society so etwas wie der heimliche Bischof des Nordens ist.
Einen prächtigeren Job gibt es nicht für Evangelen in Hamburg.
Es gab in den letzten hundert Jahren nur sieben Hauptpastoren von St. Michaelis.

August Wilhelm Hunzinger 1912–1920
Simon Schöffel 1922–1954
Hans-Heinrich Harms 1960–1967
Hans-Jürgen Quest 1967–1987
Helge Adolphsen 1987–2005
Alexander Röder seit 2005

Dagegen sind selbst Pontifikate kurzlebig. Niemand gibt den Job freiwillig ab.
Insbesondere Helge Adolphsen war in einem Maße promigeil, daß er öfter in den Boulevardblättern auftauchte als heutzutage Judith Rakers – und die drängelt sich bekanntlich vor jede Kamera und geht zu jeder noch so abstrusen Veranstaltung, wenn für sie in Bild in Abla, Mopo oder BILD rausspringt.
Adolphsen war diesbezüglich extrem unhanseatisch. Man sagte ihm nach, daß er sogar an roten Ampeln sofort anfing zu grinsen, weil er das Rotlicht für eine Fernsehkamera hielt. Es ist kaum möglich ein Bild von ihm zu ergooglen, auf dem er nicht manisch breit grinst und sich in die Bildmitte gedrängelt hat.


Die Wege der Hamburger Hauptpastoren in die Politik sind kurz; 2005 wurde der Hauptpastor Lutz Mohaupt von St. Jacobi Senatssprecher des CDU-Oberbürgermeisters Ole von Beust.

Diese Selbstbegeisterung des Hauptpastors korrelierte ganz wunderbar mit der grotesken Maximalhalskrause, die Pfaffen in Hamburg tragen.
Sie wirken damit immer wie eine umgekehrte Klobürste und sind schon deswegen so schlecht ernst zu nehmen.

Bischöfin Fehrs



Adolphson durfte gefühlte 10.000 mal seine Ansichten in Kolumnen des Hamburger Abendblattes ausbreiten und obwohl ich wirklich extrem abgehärtet gegen religiotischen Blödsinn bin, haute der Ober-Michelaner mich mit seiner fast an Käßmann heranreichenden Dummheit immer wieder um.

Den gegenwärtigen Amtsinhaber Alexander Röder kenne ich noch aus der Schule; wir haben beide in demselben Gymnasium Abitur gemacht.
Offensichtlich muß das für die Religiosität nichts bedeuten, obwohl auch das Institut für Evangelische Theologie der Hamburger Uni direkt an die Labore grenzte, in denen ich jahrelang studierte, haben wir offensichtlich etwas unterschiedliche Ansichten zur Religion entwickelt.
Röder ist für mein Gefühl nicht ganz so mediengeil wie sein Vorgänger und ich lese auch deutlich weniger über ihn – was ich für ein gutes Zeichen halte.

Aber bei den vermaledeiten Staatsbegräbnissen nutzt er natürlich die Gelegenheit sich in Szene zu setzen.

Als 2010 die von mir adorierte Hamburger Ehrenbürgerin Loki Schmidt im Michel mit einem Staatsakt geehrt wurde, war es wieder so weit.

Die Honoratioren kamen…

Unter den rund 2200 Trauergästen im Michel sind Kanzlerin Angela Merkel (kam mit dem Hubschrauber eingeflogen), die Alt-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Horst Köhler mit ihren Gattinnen. Neben zahlreichen weiteren Politikern sind auch Prominente aus Wirtschaft, Kultur und Sport gekommen. Darunter Schriftsteller Siegfried Lenz und Hamburgs Fußball-Idol Uwe Seeler.
(BZ 01.11.2010)

…und mit ihnen Alexander Röder, der sich mit Banalitäten über die Atheistin Loki Schmidt blamierte.

Den kirchlichen Teil der Trauerfeier übernehmen Hauptpastor Alexander Röder und Landesbischof i. R. Professor Eduard Lohse. Er sagt über Loki Schmidt: „Bis zuletzt hat sie viel Gutes bewirken können, mit Warmherzigkeit vielen Menschen geholfen und große Anerkennung und Verehrung erfahren.“
(BZ 01.11.2010)

Scheinbar ist es so bei dieser Art Großbeerdigungen, daß viel Unsinn und Banales gesprochen wird. Bei Loki Schmidt kam erschwerend hinzu, daß ihr Tod unglücklicherweise in die Miniamtszeit des vollkommen überforderten feisten Heidelbergers Christoph Ahlhaus fiel.
Was muß das für eine entsetzliche Qual für den armen Helmut Schmidt gewesen sein, den pyknischen CDU-Raffke zum Tod seiner Ehefrau anzuhören?
Scheinbar ist es so bei dieser Art Großbeerdigungen, daß es aber auch immer einen gibt, der die richtigen Worte findet.
In diesem Fall war es Lokis Freund Henning Voscherau, der es anders als sein Nachnachnachfolger Ahlhaus vermochte genau das Richtige zu sagen.

 Es gibt sehr wenig Hamburger Ehrenbürger.

Zu ihnen gehörten Max Brauer Ida Ehre, Gerd Bucerius, Herbert Wehner, Rudolf Augstein, Marion Gräfin Dönhoff und Siegfried Lenz.
Es leben gegenwärtig nur sechs von ihnen; darunter Prof. John Neumeier und Michael Otto.

Da ist es schon außerordentlich bemerkenswert, daß nicht nur die Ehrenbürger Helmut Schmidt und Marion Dönhoff eng befreundet waren und Jahrzehnte zusammen arbeiteten, sondern daß sogar DREI Ehrenbürger, nämlich Helmut Schmidt, Loki Schmidt und Siegfried Lenz zusammen mit Lilo Lenz über ein halbes Jahrhundert eine intensive Freundschaft pflegten.

Daß Lenz am 07.10.2014 starb dürfte ein katastrophaler Schlag für Helmut Schmidt gewesen sein, der mit ihm seinen letzten guten Freund verlor.
Zur Person Lenz muß ich an dieser Stelle nichts sagen.
Es erschienen hunderte Nachrufe, die ihn in den höchsten Tönen lobten.
Ich schließe mich dem an. Lenz war 2001 hochverdient zum Ehrenbürger erhoben worden und ich kann mich den Lobeshymnen nur anschließen. Ein großartiger Mann.

Weniger schön ist es natürlich, wenn ein atheistischer Sozialdemokrat wie Lenz am 28.10.2014 beim Staatsakt im Michel von Hauptpastor Röder für das Christentum vereinnahmt wird.

Und da bin ich wieder bei meinem Schulfreund Mark:
Pfaffen haben keinerlei Schamgefühl und nutzen das Leid anderer in dreister Weise aus, um für ihre Agenda zu werben.
Röder blamierte sich bei Lenz auf ganzer Linie.

Siegfried Lenz waren viele Talente anvertraut, und er hätte sie noch länger nutzen können. Manches hätte er gern noch weiter durchdacht, bearbeitet und aufgeschrieben. Doch es sollte genug sein für dieses große und lange Leben. Ein großes Leben?
Als wir, liebe Frau Lenz, über einen passenden Psalm für diese Trauerfeier sprachen, zögerten Sie, als ich jenen vorschlug, in dem der Beter zu Gott sagt: "Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin." So hätte er nicht von sich gesprochen. Siegfried Lenz war bescheiden, wenn es um seine Person ging, und darin wohl liegt der Ursprung seiner Größe als Mensch und als Schriftsteller, dass er alles, was ihm an Talenten gegeben war, nutzte und pflegte, um es mit anderen zu teilen. Ein reich beschenkter Mensch, der seinerseits durch die vielen Jahrzehnte seines literarischen Schaffens Generationen beschenkt, zum Nachdenken und zum Suchen angeregt, gerührt und zum Schmunzeln gebracht hat.
[….]  es beglückte ihn, wenn ein Mensch in seinen Werken etwas finden konnte, worin er sich entdeckte, das zu ihm passte, das einen Weg öffnete und das Denken weiterführte. Fünf Zentner oder Talente Silber wurden dem Knecht in der Erzählung aus dem Matthäusevangelium anvertraut. Das war eine unvorstellbar große Summe, mit der der Knecht im guten Sinne "gewuchert" hat, um noch viel mehr daraus zu machen - doch nicht für sich. Als sein Herr nach langer Zeit zurückkehrt, empfängt der Knecht weit mehr als nur ein Lob. Ihm wird ein Weg gewiesen: "Geh hinein in deines Herrn Freude." Dürfen wir diese biblische Erzählung einfach übertragen?
Siegfried Lenz hat viele Talente geschenkt bekommen und hat sie in vielfacher Weise genutzt […] und - ja, ich wage dieses Wort - als ein Hirte, der Weg- und Lebensweisungen gab, ohne stolz voranzugehen und seine Herde gar nicht im Blick zu haben, sondern hinter ihr zu bleiben in aller Bescheidenheit, aber mit größter Wachsamkeit. […] Siegfried Lenz lebt in seinen Werken weiter. Der christliche Glaube sieht noch weiter und glaubt und verkündet ein Leben in der Ewigkeit Gottes hinter der Grenze des Todes. Aus diesem Glauben heraus wächst die Gewissheit, dass Siegfried Lenz das Wort dessen gehört hat, der ihm in diesem Leben so viel anvertraut hatte, dass er Jesus Christus gehört hat, der zu ihm sagt: "Geh hinein in deines Herrn Freude." In solchem Glauben möge Ihre Trauer gewandelt und das Andenken an Siegfried Lenz zum Staunen und der Freude geführt werden, dass er so reich beschenkt war und so reich hat schenken können. Amen.

Die Frechheit Röders sogar trotz des Widerwillens der Witwe Psalmen zu verwenden, nach denen Gott für das Lenzsche Talent verantwortlich war, muß man erst einmal haben.
Wer Lenz‘ Bücher auch nur ein bißchen kennt, dem biegen sich bei der Predigt die Fußnägel hoch.
Scheinbar ist es so bei dieser Art Großbeerdigungen, daß es aber auch immer einen gibt, der die richtigen Worte findet.
Vorgestern war es wieder Helmut Schmidt, der seinen toten Freund tapfer gegen den Pfaff verteidigte.

Es war aber ebenfalls Helmut Schmidt, der sich einer wohlüberlegten Spitze gegen das christliche Zeremoniell in Hamburgs schöner Hauptkirche nicht enthalten konnte. Michel-Pastor Alexander Röder hatte einleitend von "wir Christen" gesprochen und eine nicht ganz passende Bibelstelle zum Zentrum seiner Rede gemacht: ein Gleichnis über fünf Zentner Silber, deren selbstlose Vermehrung durch uns "Knechte" mit der freudigen Einkehr beim Herrn belohnt werde.
Dieser Eingemeindung von Lenz ins Christliche musste Schmidt im Geiste der Aufrichtigkeit, die er als Kern ihrer Freundschaft beschrieb, widersprechen: Er und "Siggi", wie er Lenz konsequent nannte, seien sich immer darüber im Klaren gewesen, dass sie "keinen metaphysischen Trost erhoffen dürfen, der uns über die Vergänglichkeit hinweghelfen könne".
Keine andere Rede reichte an diese Mischung aus tiefer Betroffenheit und Reserve gegen falsche Trostworte heran. […]

Sehr erfreulich, wenn ein Mann in einer Kirche das Wort ergreift und den Pastor verbal auskontert.

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Rollköpfe


Thomas de Maizière gehört zu den hartnäckig positiv konnotierten Ministern.
Image ist alles.
Dabei weiß man aus seinen Jahren als Verteidigungsminister, daß er a) seinen Job nicht kann und b) lügt.
Gegenwärtig debakuliert er in beeindruckender Weise beim Aufbau eines sicheren Kommunikationsnetzes für Regierung und Bundesbehörden.
„Heillos überteuert, chaotisch geplant“ nennt der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe das abhörsichere Kommunikationsnetz, das de Maizière eigentlich so langsam mal fertig stellen sollte.
Es wird aber bloß teurer und ausgerechnet von amerikanischen Firmen, die bisher auch für die NSA arbeiteten ausgebaut.
Und sicher wird es ohnehin nicht. Fertigstellungstermin: St. Nimmerleinstag.
Dabei handelt es sich in diesem Fall um eine genuine Aufgabe für den Innen- und Verfassungsminister.
Es gab da ja auch mal einen gewissen Snowden und seitdem munkelt man, daß womöglich auch irgendwann irgendwer deutsche Behörden und Minister abhören könnte. Aber offensichtlich sieht man in Kanzleramt und Innenministerium keine Dringlichkeit sich dagegen zu wappnen.
Hacker aller Länder seid willkommen!

Wer als Minister in verschiedenen Ministerien so offensichtlich und blamabel versagt, müsste eigentlich längst entlassen sein.
Bei anderen Minister-Totalausfällen war der Tenor in der veröffentlichen Meinung entsprechend eindeutig. Es gab niemanden, der zum Ende der Amtszeiten Pofallas oder Jungs oder Scharpings nicht die Daumen gesenkt hatte.
Aber es was war auch klar, wieso sich die Malus-Minister im Amt hielten.
Hinter Jung stand Roland Koch, Pofalla genoss den Segen Merkels und Scharping wurde wegen des schlechten SPD-Gewissens geduldet. Er war der gestürzte EX-Parteichef und EX-Fraktionschef, der ohnehin auf einem minderwichtigen Posten gelandet war. Da mochte man nicht nachtreten.
Zum Glück war Schröder aber das Land wichtiger als Parteiraison und so feuerte er den radelnden Rudi doch noch eines Tages.
Traditionell sind die innerparteilichen Verpflichtungen innerhalb der CDU und CSU viel stärker als bei Sozen und Grünen.
Die Unionspolitiker knüpfen starke Seilschaften (Stichwort „Andenpakt“) und sichern sich gegenseitig Pöstchen auf Kosten des Steuerzahlers.
In der SPD werden hingegen gerade Parteifreunde gerne unter Feuer genommen.
Kaum vorstellbar, daß ein Sozi-Politiker, der dermaßen viel gelogen und versagt hat wie von der Leyen oder Horst Seehofer den nächsten Parteitag überstünde.
De Maizière benötigt allerdings ähnlich wie von und zu Guttenberg gar keine besondere Protektion von oben.
Er wird von der gesamten Presse in stoischer Gewohnheit als besonders vertrauenswürdig und fähig beschrieben.
Es scheint fast wie pawlowsch antrainiert. Selbst bei kritischen Artikeln, wie dem im aktuellen SPIEGEL über sein Versagen beim Aufbau eines abhörsicheren Netzes, wird gebetsmühlenartig darauf hingewiesen wie untypisch das für ihn sei, gelte er doch als hervorragender Planer.

Allerdings sind nicht alle Unionsminister gleichermaßen sakrosankt.
Alexander Dobrindt ist als Internet- und Verkehrsminister so geeignet wie Rainer Calmund als Jockey.
Das weiß jeder und selbst konservativste Blätter wie FAZ und WELT würden seine Gaga-Mautpläne nicht verteidigen.
Man weiß aber auch, daß Dobrindt nur in der undankbaren Rolle als Seehofersche Sockenpuppe steckt und ohnehin keine eigene Meinung haben darf.
Als Homunculus des mächtigen Bayerischen Ministerpräsidenten hat man gewissermaßen im politischen Drachenblut gebadet und ist unverwundbar.
Allerdings geht in den letzten Monaten so einiges schief im Staate Bayern.
Die letzten Wahlen liefen suboptimal, Seehofer übertreibt seinen Schlingerkurs bei Gymnasien und Energiewende, seine Kronprinzessin Aigner stellt sich auch in Bayern als ungeaignert heraus und angesichts der massiven Versagens bei den Münchner Bürgerkriegsflüchtlingen bekommt auch Seehofer viel schlechte Presse.
Da werden auf einmal semipotente Staatsminister schon mal gallig. Söder pflegt inzwischen eine echte Feindschaft zu Seehofer und rüttelt an dessen Stuhl. Wie in der CSU üblich kämpft er natürlich nicht mit offenen Visier, sondern „hinterfotzig“.
Söder greift Dobrindt an; wohlwissend daß die Schläge in Wahrheit Crazy Horst treffen.

Nun könnte auch Dobrindts Stuhl ein bißchen wackeln. Sein machtpolitisches Seilschaftennetz wird langsam fragil.

Fachpolitisch ist er ohnehin ein Totalausfall.
Es könnte sein, daß seine dienstliche Dekapitation doch schneller als geplant erfolgt.

 [….] Die Einführung einer Vignettenpflicht sei nun nicht mehr für das komplette Straßennetz geplant, bestätigte Dobringt. "Mein Konzept sieht eine Infrastruktur-Abgabe für Bundesfernstraßen vor", sagte er dem Münchner Merkur. Dazu gehören alle Autobahnen und Bundesstraßen. [….] Dobrindt sagte, sein Gesetzentwurf sei fertig. "Ich werde ihn Ende der Woche vorstellen." Für den Bund erwartet er deutlich mehr als 300 Millionen Euro aus der Maut. "Und das dauerhaft jedes Jahr." Bei einer Maut auf allen Straßen hatte er einen Ertrag von jährlich 600 Millionen Euro veranschlagt.[….]

300 Millionen Einnahmen für eine xenophobe Populismusmaßnahme, deren Durchführung einen bürokratischen Aufwand der Extraklasse und etwa dreimal so hohe Kosten verursacht!
Willkommen in Schilda.

Dabei wäre die Lösung so einfach!
Schon jetzt nimmt Deutschland 33 Milliarden Euro aus der Kraftstoffsteuer ein. Damit werden genau diejenigen besteuert, die die Straßen auch tatsächlich benutzen. Um weitere 300 Millionen einzunehmen, müßte man die Steuer nur um einen Viertelcent erhöhen und ohne die geringsten rechtlichen oder bürokratischen Probleme wäre die Maut erledigt.

Dienstag, 28. Oktober 2014

Was schert mich meine Meinung von gestern?


Wenn ich eins hasse, dann ist es diese NIMBY-Mentalität.
So kann unsere Gesellschaft nicht funktionieren, wenn jedes Projekt, das zum Wohle aller geplant wird, zu Fall gebracht wird, weil die nörgelnden Anwohner das verhindern. Deswegen lehne ich auch die plebiszitären Elemente, die immer mehr um sich greifen, rundweg ab. Plebiszite bedeuten Diktatur der Inkompetenz.
Viele Entscheidungen sind schon für die Volksvertreter, die sich professionell mit den Themen beschäftigen, sehr schwer zu fällen. Wie sollte das ausgerechnet dadurch besser werden, wenn man die all die Analphabeten, Ungebildeten und Doofen hinzuzieht? Gefängnisse, Pflegeheime, Bahnhöfe, Trinkerräume, Psychiatrien, Asylunterkünfte, Obdachlosenprojekte, Tierheime, KITAs und vieles mehr, werden nun einmal benötigt. Wenn man vorher die Nachbarn fragt, ob sie es schön finden, wenn derartiges neben ihnen gebaut wird, klappt gar nicht mehr.
Die großen deutschen Städte sind durchNIMBYsiert.
Die Berliner erklären in allen Umfragen, daß Wohnungsnot und steigenden Mieten die größten Probleme der Stadt wären. Wenn aber der Senat etwas dagegen unternehmen will, indem er bauen läßt, rotten sie sich empört zusammen und verhindern das Entstehen neuer Wohnungen.

In Hamburg hatten wir den ekelhaften Gucci-Protest der reichen Elbvorortler, die verhinderten, daß Kinder weniger reicher Eltern die gleichen Bildungschancen erhalten, obwohl CDU, SPD, Grüne und LINKE sich massiv dafür einsetzten.
Ganz besonders abscheulich ist gegenwärtig der von rechten Kommunalpolitikern gekaperte Protest gegen das Busbeschleunigungsprogramm des Hamburger Senats.

Natürlich sehe ich solche Volksabstimmungen weniger kritisch, wenn sie zufälligerweise so ausgehen, wie ich es mir wünsche.
Auch das kommt vor.
Zum Beispiel stoppte „ das Volk“ im August 2014 die von CDU, AFD und dubiosen Investoren geplante Seilbahn über Hamburg. Gut so!

Die Fronten und Mehrheitsverhältnisse waren dem Bericht zufolge schon vor der Abstimmung klar. Die CDU und die neu im Bezirksparlament vertretene AfD sind für die Seilbahn - die große Mehrheit mit 36 von 51 Stimmen dagegen. Die Einwände der Gegner: Die Seilbahn nütze nur dem Musicalbetreiber sowie dem Seilbahnhersteller und überlaste die jetzt schon stark beanspruchten Anwohner in den angrenzenden Vierteln. Zudem unterstellten die Grünen, Linken und Piraten der Initiative "Hamburger Seilbahn - Ich bin dafür!" im Auftrag der Investoren zu handeln.

Mit einem deutlichen Ergebnis von 63,4% Nein-Stimmen prallte der rechte Politblock diesmal an den Bürgern ab.

Besonders heikel sind bei Volksabstimmungen Groß- und Größtveranstaltungen.
Viele Jahrzehnte lang waren das klare Angelegenheiten.
Fast alle Bewohner einer Stadt freuten sich und fühlten sich geehrt, wenn bei ihnen Ballspielmeisterschaften oder Olympische Spiele stattfanden.
Die Wirtschaft profitierte, die Stadtväter standen werbewirksam im Rampenlicht und die Nation war stolz.

Inzwischen setzte aber beim Pöbel ein Erkenntnisprozess ein:
Das Bachsche IOC und die Blattersche FIFA werden nicht mehr als Hort der Moral anerkannt.
Statt edler Ziele rund um Frieden und Völkerverständigung, liegen nun Umweltschäden und explodierenden Kosten auf der Agenda.
Bei Sochi und Katar, munkelt man, könnte womöglich sogar Schmiergelder geflossen sein!
Mit einem unwilligen Volk muß man schon Putin heißen, um für 50 Milliarden Dollar zwei Wochen Schlittschuhlaufen und Buckelpistenspringen zu organisieren, ohne daß es Ärger gibt.

Mit 54% lehnten die Bayern 2013 eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018 in Garmisch-Patenkirchen ab.

In Berlin und Hamburg will man sich nach jeweils grandios gescheiterten Bewerbungen nun erneut für die Sommerspiele 2024 bewerben.
Vor dem Hamburger Rathaus weht schon die Olympische Fahne.
Heute Morgen konnte man noch in den Hamburger Zeitungen lesen, der Deutsche Olympische Sportbund DOSB würde sich erst im Februar 2015 entscheiden – nach den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und nach der Wahl des neuen Bürgermeisters Müller in Berlin.
Bürgermeister und DSOB haben die Hosen voll. Volksentscheide könnten die Bewerbung zu Fall bringen und eine enorme internationale Blamage verursachen.
Und das mit einem deutschen IOC-Präsidenten, der schon im Fall Oslo debakuliert hatte.

Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Der DOSB ging völlig überraschend heute in die Offensive.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wird sich mit Berlin oder Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 und eventuell auch 2028 bewerben. Diese einstimmige Entscheidung teilte das DOSB-Präsidium nach seiner Sitzung am Dienstag in Neu-Isenburg mit. In den vergangenen Wochen hatte der Verband noch den Eindruck erweckt, zunächst die Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Anfang Dezember in Monaco abzuwarten und dann eine Entscheidung zu treffen.
Nun soll bereits auf der DOSB-Mitgliederversammlung am 6. Dezember in Dresden ein entsprechender Beschluss verfasst werden, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. "Wir sind fest davon überzeugt, dass es eine große Chance für die dann eine Stadt und für den gesamten deutschen Sport ist", fügte Hörmann an.
[…]  Die derzeit noch geringe Unterstützung in der Bevölkerung in Hamburg und Berlin wertete Hörmann nicht als Nachteil. Bei einer durch den deutschen Dachverband in Auftrag gegebenen Umfrage sprachen sich in Hamburg nur 53 Prozent der befragten Bürger für Olympische Spiele in der Hansestadt aus, in Berlin waren es sogar nur 48 Prozent, 49 Prozent waren dagegen. "Wir müssen für das Produkt werben und die Bürger überzeugen", erklärte Hörmann.

Dann mal los, liebe Olympia-Nimbys. In diesem Fall bin ich an Eurer Seite!


Montag, 27. Oktober 2014

100% Christen, 0% Moral



Die Deutschen und die Welt; das ist so ein Kapitel für sich.

Man weiß gar nicht so recht, ob Gröhe, von der Leyen, Dobrindt und Merkel einfach nicht wollen, oder ob sie wirklich fachlich so unfassbar unfähig sind, daß sie nicht können.

Es gibt aber Angelegenheiten, die weniger an den politischen Fähigkeiten scheitern, sondern an der völligen Amoralität des Bundeskabinetts, das zu 100% die christliche Formel „so wahr mir Gott helfe“ beim Amtseid benutzte. 100% der Minister sind Christen. Einige Figuren wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Kauder oder Nahles oder Steinmeier oder Gröhe sind sogar ausgesprochen fromm.
Von der Leyen setzte sich schon in Niedersachsen massiv für „Kinder und Kirche“ ein, brachte als Bundesministerin mit Kardinal Sterzinsky und Bischöfin Käßmann eine Initiative für mehr Gebete in den Familien auf den Weg. Eifernd propagiert Ursula von der Leyen die Erziehung nach christlichen Werten meldete der SPIEGEL 2006.
Vier Jahre später versuchte sie sogar die Erziehung ALLER Kinder in Deutschland christlich zu gestalten.

Ursula von der Leyen möchte christliche Werte wieder zum Fundament der Erziehung machen. Mit Vertretern der christlichen Kirchen trifft sie sich in Berlin zu einem "Bündnis für Erziehung" - Juden und Muslime sind ebenso wenig eingeladen wie Lehrer, Erzieher oder Eltern. […]
Es sei "im höchsten Maße irritierend", dass die Ministerin zum Auftakt ihres Bündnisses ausschließlich die christlichen Kirchen einlade, kritisierte GEW-Vorstandsmitglied Norbert Hocke.
Von der Leyen wolle "anscheinend in einem exklusiven Kreis mit den christlichen Kirchen festlegen, was wertvolle Erziehung ist". Gerade bei einem solch sensiblen Thema müsse es aber einen gemeinsamen Dialog aller gesellschaftlichen Akteure geben.


Es ist zu vermuten, daß die streng gläubige Protestantin gern wie einige ihrer Ministerkollegen eine Führungsrolle in der EKD übernehmen würde, um dort mit Göring-Kirchentag, Beckstein und Käßmann um die Wette zu frömmeln.

Leider ist für von der Leyen durch das gewaltige Vermögen, das beide Familienzweige, also die Albrechts und die von der Leyens zusammentrugen eine Mitgliedschaft in der offiziellen evangelischen Kirche unmöglich. Ihr Kirchensteuerbeitrag wäre immens.
Also ist von der Leyen ebenso wie ihre wohlhabenden frommen Kolleginnen Kristina Schröder und Erika Steinbach in einer beitragsfreien Freikirche, die Vermögende aufnehmen, ohne sie mit acht oder neun Prozent „Kirchensteuer“ zur Kasse zu bitten.
Gerade diejenigen, die sich so stark für die Kirchensteuerverquickung des Staates aussprechen, meinen damit aber in der Regel einen Zwangsbeitrag für die Ärmeren.
Die richtig Reichen handeln entweder große Rabatte mit den Diözesen aus, oder aber entziehen sich wie von der Leyen komplett der innerchristlichen Solidarität.

Aber kommen wir zurück zu politischen Moral des Christenkabinetts.

Moralisch wurden auch und gerade Militäreinsätze begründet.
Elf Jahre Bundeswehr in Afghanistan bedeuteten in den letzten vier bis fünf Jahren, daß die deutschen Soldaten ihre Unterschlupfe nicht mehr verließen. Sie verbrachten in der Mehrzahl ihre gesamte Einsatzzeit aus Sicherheitsgründen innerhalb ihres Camps.
Denn draußen, im richtigen Afghanistan ist es zu gefährlich. Da könnte ja einer schießen. Da müßte erst einer für Sicherheit sorgen, bevor die Bundeswehrsoldaten ihre Bunker verlassen könnten. Und wer sollte das sein?
Die Bundeswehr geriet dadurch in Abhängigkeit von einheimischen Helfern, die alle gefährlich Aufgaben übernahmen und als Übersetzer dienten.
Es mußte in der Regel viel nackte Verzweiflung herrschen, bevor ein Afghane sich der Bundeswehr als Hiwi andient. Die wiedererstarkten Taliban verhängen gegen solche „Kollaborateure“ die Todesstrafe.
Ein bekanntes Problem vieler Invasionsarmeen, die auf einheimische Hilfe angewiesen sind.
Die US-Armee und die Briten bieten ihren Helfern deswegen Schutz an und fliegen sie aus, wenn ihre Leben bedroht sind.
Das ist auch das Mindeste.

Der fromme Christ und ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière sieht es genauso.

Sie haben für Deutschland ihr Leben riskiert - tausende afghanische Helfer von Bundeswehr und deutscher Entwicklungshilfe. Dafür gab die Bundesregierung ihnen ein einfaches Versprechen: Deutschland ist ein Land, das Dankbarkeit kennt. Ein Land, das auch in Zukunft für ihre Sicherheit sorgt. "Für den Fall, dass Sie bedroht sind - latent oder offen - bieten wir Ihnen auch Schutz in Deutschland. Darauf können sich alle verlassen", sagt der Bundesinnen- und frühere Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in einem Video seines Ministeriums.

Da die Bundeswehr nun tatsächlich abzieht, kommt es zum Schwur.
Viele Mitarbeiter der Deutschen in Afghanistan sehen sich massiven Todesdrohungen ausgesetzt.
Und wir lernen, was die Versprechen der frommen Christenminister wert sind: Nämlich GAR NICHTS!

Deutschland lässt afghanische Helfer im Stich
Afghanische Ortskräfte waren unsere Helfer - zum Beispiel als Dolmetscher. Jetzt drohen ihnen die Taliban mit dem Tod. Trotzdem wird ihnen die Ausreise nach Deutschland oft verweigert.
[…]  Für afghanische Ortskräfte wurde in Berlin bereits vor einem Jahr ein einheitliches Verfahren eingeführt. Die Zwischenbilanz fällt ernüchternd aus: 1.105 sogenannte Gefährdungsanzeigen wurden bisher bearbeitet, 60 Prozent dieser Anträge afghanischer Mitarbeiter wurden abgelehnt, weil eine "besondere" Gefährdung nicht vorliege. […] So wurden nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" Anträge trotz konkreter Drohungen abgelehnt. Und das, obwohl die Afghanen in Taliban-Gebieten für die Deutschen tätig waren. "Oft erschließen sich für mich die Ablehnungen nicht", sagt Pro-Asyl-Anwalt Victor Pfaff. Vor allem, wenn es sich um Dolmetscher handle, "wo also jeder hingehen und zuschauen kann und die betreffende Person erkennen kann". Konkrete Gründe für die Ablehnung werden meist nicht mitgeteilt, die Entscheidungen sind rechtlich kaum anfechtbar.
"Hier trifft deutsche Bürokratie auf afghanische Wirklichkeit", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach dazu und warnt: "Wenn sich herumspricht, dass man noch eine zweite Lebensversicherung braucht, wenn man bei den Deutschen arbeitet, weil die sich anschließend zu wenig um die Mitarbeiter kümmern, dann ist das auch eine Gefährdung für unsere Einsatzkräfte in der Zukunft." Der ehemalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) hält den Umgang mit afghanischen Helfern für skandalös. "Wir stehen ganz einfach in der Pflicht, diese Menschen, die sich in jeder Hinsicht für Deutschland eingesetzt haben - für die Soldaten, für die Entwicklungshelfer - jetzt ganz unbürokratisch und schnell aufzunehmen."
Gerade de Maizière, der jetzige Innen- und frühere Verteidigungsminister, könne hier schnell handeln - wenn er wirklich wolle. "Aber offensichtlich fehlt hier auch der Wille", meint Robbe. […]

Man kann gar nicht so viel fressen,….