Freitag, 30. November 2012

New York im Glück



Es ist doch irgendwie hoffnungslos mit dieser Welt.

Wollten wir unseren Planeten einigermaßen biologisch intakt halten und dabei auch noch einen modus vivendi austüfteln, so daß sich die 7 Milliarden homo Sapiens nicht permanent die Köpfe einschlagen, wüßte man schon was zu tun wäre.
Weltweit haben sich Stiftungen, Institute, Universitäten und Non-Government-Organisationen dazu Konzepte ausgedacht.
Kein Wunder. 
Denn so wie es jetzt läuft, kann es nicht mehr lange weitergehen:
Fossile Brennstoffe in die Luft jagen, für Billionen Dollar Mordwerkzeug und Hightechwaffen aller Art in die Krisengebiete der Erde schaffen, täglich Dutzende Tier- und Pflanzenarte ausrotten, Tiere fressen, Trinkwasser verseuchen, eine Milliarde Menschen hungern lassen und täglich zigtausende Kinder an Unterernährung krepieren lassen.
Die Katastrophe kommt nicht überfallartig über uns, sondern sie steht schon viele Jahre am Horizont, während wir unbeirrt und sehenden Auges, schnurstracks auf sie zusteuern.
Das faszinierende an der Spezies Mensch ist seine Fähigkeit zur Erkenntnis und dann doch das diametrale Gegenteil des Richtigen zu tun.

Da hat vor einem Monat Supersturm Sandy in New York und New Jersey Schäden in Höhe von 50 Milliarden Dollar angerichtet, was sogar den Ex-Republikaner Michael Bloomberg dazu veranlasste die Wahl Obamas zu empfehlen, da nur er etwas gegen den Klimawandel unternehme.
Und im selben Monat ist es eben jener Obama, der beim Umweltgipfel von Doha (United Nations Climate Change Conference, 26.Nov. bis 07. Dez 2012) gleich mal auf die Bremse tritt.
 Bloß nicht zu viel Klima-Schutz!
The international community wants an indication that the US will not sabotage the climate talks, and that it will allow progress towards a legally-binding agreement by 2015. This was the one real victory over the US stalling strategy in Durban.
[…] We see that this wealthy country, which is responsible for more climate pollution in the atmosphere than any other, has no intention of investing more than a pittance to save even itself from a rapidly warming planet and very expensive climate impacts.
To the contrary, yesterday we saw President Obama signal that his priority at the moment is to avoid US climate responsibility. He actually signed a bill that bans Americans from complying with the climate policy of the EU. The most egregious case of illicit US climate exceptionalism was when President Bush “unsigned” the Kyoto Protocol, which Obama took for granted when he was inaugurated in 2009. Yesterday, President Obama signed a law that bans US-owned airlines from complying with EU climate pollution law.
By signing the anti-climate airlines bill (S.1956), President Obama accomplished nothing but a signal of obstinacy against serious climate pollution reduction efforts during Doha.
 Ganz grandios auch die Reaktion der Israelischen Regierung auf die Aufwertung der Palästinenser zu einem "beobachtenden Nicht-Mitgliedstaat"  - von den 193 UN-Mitgliedstaaten in NEW YORK hatten 138 Staaten dafür gestimmt.
Wenn man darüber nachdenkt welche von all den bekannten Nahost-Komplikationen das allergrößte Friedenshindernis ist, kommt man recht schnell zu dem Konsens, daß es die verrückte Siedlungspolitik ist. Sie steht allen Einigungsbemühungen im Weg. Die Siedlungen verhindern einen friedlichen modus vivendi, weil ihr ganzer Zweck ist, einen Palästinensischen Staat unmöglich zu machen.
Die fanatisierten Siedler schaffen Tatsachen, die noch nicht einmal eine starke wollende Israelische Regierung wegschaffen kann. Man denke nur an die unglaublichen Schwierigkeiten, die Ariel Sharon mit den gerade mal dreieinhalb Siedlern im winzigen Gaza-Streifen hatte.
Im Westjordanland aber ist die Lage aussichtslos.
Also, was könnte Bibi tun, um die Siedlungen wieder los zu werden?
Eine erste Reaktion Israels fällt harsch aus: Einen Tag nach der Entscheidung der Vereinten Nationen genehmigt die Netanjahu-Regierung den Bau Tausender neuer Wohnungen in Ost-Jerusalem und dem Westjordanland.
Israel wird 3000 neue Wohnungen in den jüdischen Siedlungsgebieten in Ost-Jerusalem und im Westjordanland bauen. Das teilte ein israelischer Verantwortlicher in Jerusalem mit. Damit forderte die konservative und siedlerfreundliche Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Weltgemeinschaft heraus.

 Wir wissen auch eigentlich wie man mit sinnvoller mit Migrationsbestrebungen und Drogenkonsum umgehen könnte.
Stattdessen setzt fast die gesamte Weltgemeinschaft auf das so eindeutig gescheiterte Konzept der massiven Kriminalisierung.
 Die Menschen investieren massiv in Sicherheitstechnik, Gefängnisbauten und Wachpersonal. 
Der sinnigere Weg, nämlich die vielen Milliarden lieber in Bildung und Sozialarbeit zu stecken, Drogen zu legalisieren, damit den kriminellen Kartellen die Existenzgrundlage zu nehmen und unglaubliche Ressourcenverschwendung bei Justiz und Polizei zu beenden, wird konsequent ignoriert.

 Kein anderes Land sperrt so viele Menschen ein wie Amerika. Nicht Russland, nicht Saudi-Arabien, nicht China. Die USA stellen nur fünf Prozent der Weltbevölkerung, aber 25 Prozent der globalen Gefängnispopulation. 2,3 Millionen Menschen sitzen hinter Gittern. Die Ausgaben der Bundesstaaten für den Strafvollzug sind in den vergangenen 20 Jahren sechsmal so schnell gestiegen wie ihre Hochschulinvestitionen. 70 Milliarden Dollar lassen sich die USA den Gefängnisbetrieb jährlich kosten. Kein Wunder, dass Privatunternehmen davon profitieren wollen.  [….]
Wer die Geschäftslogik der Knast AGs verstehen will, muss in Jahresberichten der Corrections Corporation nachschlagen. Als Warnhinweis an Investoren hieß es dort vor ein paar Jahren: 'Gesetzesänderungen im Drogen- und im Einwanderungsrecht könnten die Zahl der Personen reduzieren, die festgenommen, verurteilt und eingesperrt werden.' Selbst Bertolt Brecht hätte sich so etwas kaum ausdenken können, schreibt der New Yorker: 'Ein kapitalistischer Betrieb, der auf der Grundlage menschlichen Elends gedeiht und alles dafür unternimmt, dass nichts getan wird, um dieses Elend zu lindern.' […]
Die Gefängnisindustrie ist zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden. Ganze Gemeinden sind von ihr abhängig. Zum Beispiel Florence, ein Wüstenkaff zwischen Phoenix und Tucson. Wachscheinwerfer hüllen Florence nachts in orangefarbenes Licht. Die Kleinstadt zählt 8000 Einwohner und 17000 Häftlinge, verteilt auf neun Vollzugsanstalten, staatliche und private. […]
Jahrzehntelang profitierte die Branche vom Krieg gegen die Drogen. Gesetze, die Abhängige und Kleindealer wie Schwerverbrecher behandelten, versprachen einen ständigen Zufluss neuer Gefangener.
(Moritz Koch, Süddeutsche Zeitung, 22. November 2012)

 Und zum dritten mal heute eine Meldung aus NEW YORK. 
Dort war dieser Montag ein ganz mieser Tag für die Gefängnisindustrie.

New York erlebt einen Tag ohne jedes Gewaltverbrechen - zum ersten Mal in der Polizeigeschichte. […] Am Montag soll das bisher Undenkbare nun eingetreten sein: mehr als 24 Stunden lang niemand erschossen, niemand erstochen, niemand aufgeschlitzt, jedenfalls nach Aktenlage der Polizei. Paul Browne, dem Sprecher des New York Police Department, war dieser Umstand ein eigenes Presse-Statement wert.

Donnerstag, 29. November 2012

Langsam reicht es - Teil VI




 Bevor sich Guido Westerwelle offiziell geoutet hatte, wußte „man“ schon lange, daß er schwul ist.
Das war insofern relevant, als die FDP und Guido selbst - übrigens bis heute - im Bundestag gegen gleiche Rechte für Homosexuelle stimmten.
Als Rot/Grün vor 12 Jahren die sogenannte „Homoehe“ erlaubte, sagte der Abgeordnete Westerwelle „Nein“.
Er sitzt auch jetzt einträchtig in einer Koalition, die gegen Ehegattensplitting und Adoptionen bei gleichgeschlechtlichen Paaren stimmt.
Nur outen kann man ihn nicht mehr, um seine Glaubwürdigkeit zu unterminieren. Es kennt sowieso jeder „Herrn Mronz“ und die Glaubwürdigkeit der Liberalen wurde schon vor Jahren restlos entsorgt.

Als Guido noch ungeoutet war, hatte das außerdem den Vorteil für die Yellowpress, daß man ständig spekulieren konnte, wer wohl der geheime Freund des FDP-Chefs ist. 
Lange hielten sich Gerüchte, es müsse ein ganz hohes Tier sein, das die Beziehung unbedingt geheim halten wolle.
Von mehreren Seiten hörte ich damals, daß Guido Westerwelle und Giovanni di Lorenzo, Chef des Tagesspiegels, ein Paar wären.
Als ich einen Berliner Freund, der auch Journalist ist, nach Belegen für diese Geschichte fragte, lachte er mich glatt aus. Das wisse doch schon seit Jahren JEDER, daß Guido und Giovanni zusammen schliefen.
Es passte auch alle gut zusammen. 
Man konnte sich so manchen neoliberalen Artikel im Tagesspiegel erklären.
Insbesondere der Aufstieg der FDP-freundlichen Ursula von Weidenfeld zur Tagesspiegel-Vizechefredakteurin (ab 2001) passte ins Bild.
Di Lorenzo und Westerwelle schienen auch eine Menge persönliche Gemeinsamkeiten zu haben. Beide sind im gleichen Alter, legen Wert auf schickes Ambiente und gehören zweifellos zu den eitelsten Personen der Bundesrepublik.  Sie tun alles dafür ihr Gesicht in die Kamera zu halten. Diese Paarung hätte also auch enorme Karriere-Vorteile gebracht; beide Männer hätten sich gegenseitig protegieren und pushen können.
Daß Westerwelle sein Outing so auffällig lange hinauszögerte erklärte sich ebenfalls durch den Liebhaber di Lorenzo - er wollte nämlich seinen weiteren Aufstieg beim Holtzbrinck-Konzern nicht durch Gerüchte gefährden, er habe seinen Job nur durch den Politstar-Westerwelle erhalten.
Es passte alles perfekt.

Der einzige Haken an der schönen Geschichte ist, daß sie nicht stimmt.

Guido und Giovanni hatten nicht nur nie was miteinander, di Lorenzo ist noch nicht mal schwul. 
Im Gegenteil; er ist stramm katholisch und hat mit der Moderatorin Sabrina Staubitz eine Tochter.

Eigentlich hätte man den Italiener also wieder mögen können. Als Redakteur der Süddeutschen Zeitung, Initiator vieler Aktionen gegen Rechtsradikalismus und Moderator der Sendung „Live aus dem Alabama“ hatte er mir wirklich gefallen.
 Insofern irritierte mich seine vermeidliche Geschmacksverirrung mit Westerwelle.
Dennoch kam es nicht so weit, daß ich di Lorenzo wieder liebhaben sollte.
Zum einen wurde seine Eitelkeit immer extremer und zum anderen geriet er journalistisch immer mehr auf Abwege.
Im Februar 2010 schaltete sich di Lorenzo in die Hartz-IV-Debatte ein, wobei er eine "massenhafte Einwanderung in die sozialen Netze" unterstellte.“ (Wiki)
Ein anderer Total-Flop war sein devotes Guttenberg-Huldigungsbuch, mit dem er den notorischen Lügner und Blender zurück nach Deutschland zu holen versuchte.

Der Papst-Bewunderer und Kirchgänger kaufte den stramm rechtskatholischen Rheinischen Merkur auf, gliederte ihn in die ZEIT ein.
In einem Aufsatz für die neue ZEIT-Beilage „Christ-und Welt“ verkündete er stolz vor jeder Mahlzeit ein Gebet zu sprechen.
Kirche ist allerdings von meinem Leben nicht zu trennen, zu stark ist meine christliche, genauer gesagt: meine katholische Prägung gewesen. […]  Vor knapp zwei Jahren habe ich mit meinem Freund und Kollegen Axel Hacke ein Buch über die Werte unseres Lebens veröffentlicht; es trägt den Titel „Wofür stehst Du?“. Besonders eine Passage daraus hat eine Flut von Zuschriften und Kommentaren ausgelöst. Es geht darin nicht etwa um ein sexuelles Bekenntnis, sondern um ein religiöses. Ich schreibe da, dass wir seit einigen Jahren zu Hause wieder etwas haben aufleben lassen, was lange verschüttgegangen war: Vor dem Essen wird still gebetet, auch wenn Gäste da sind. Ich habe den Satz hinzugefügt: „Sehr oft ist es der schönste Moment des Tages.“
[…]   Ein ähnlich emotionales Bedürfnis spürte ich an dem Tag, als Johannes Paul II. starb. Diese Szene schildere ich ebenfalls in unserem Buch: „Wenige Stunden vor (dem Tod des Papstes) machte ich mich mit meiner späteren Frau auf den Weg zur St.-Hedwigs-Kathedrale in der Nähe des Berliner Gendarmenmarkts. Es war schon spät, und in der Kirche waren viele junge Leute, die nicht so aussahen, als seien sie geübte Besucher von Gottesdiensten. In diesem Moment fühlte ich mich ganz und gar eins mit meiner Kirche. Das Gefühl war: Nicht wir waren ihm, dem Papst, im Sterben nahe, sondern der Papst war sterbend bei uns.
(Giovanni die Lorenzo in Christ und Welt 18/12)
Die ganze ZEIT wandelt sich mehr und mehr zum Kirchenblatt.
 Es geht weit über eine journalistische Nähe zum Christentum hinaus. So bewirbt die ZEIT beispielsweise offensiv, die im eigenen Verlag erscheinenden „Ethik-DVDs“ des notorischen Lügners Bischof Wolfgang Huber.

Die von Evelyn Finger mit erbärmlichen journalistischen Mitteln geleitete ZEIT-Rubrik „Glauben und Zweifeln“ ist kaum jemals etwas anderes, als eine Plattform für religiöse Eiferer.

Als Zeit-Abonnent bekomme ich jeden Mittwochabend ZEIT-Werbung mit einem di Lorenzo-Video zugeschickt. Der Versuchung sein Gesicht jedem zu präsentieren kann die Inkarnation der Eitelkeit natürlich nie widerstehen.
Gestern war dort zu hören/lesen:
Sehr geehrter Herr Tammox
am Donnerstag erscheint die neue ZEIT mit dem Wichtigsten aus Politik, Wirtschaft, Wissen und Kultur. Ich freue mich, Ihnen hier einige Themen der neuen Ausgabe vorstellen zu können.
[…]   Gesellschaft: Wo Gott nichts zu suchen hat – Ob es um Gotteslästerung, Beschneidung oder Kruzifixe geht; wer mit Glauben Politik macht, schürt immer Unfrieden. Soll Religion deshalb Privatsache sein? Ein Streit, der zur Zukunftsfrage wird.  […] Geht es denn ohne einen religiösen Leitfaden im Politischen Leben???
Ihr
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur
 (ZEIT-Brief vom 28.11.2012)  
Bei so einer Ankündigung eines notorischen Religioten, erwartet man nichts Gutes.
Aber es kam schlimmer als schlimm.

Als Experten für das Thema holten sich Evelyn Finger und di Lorenzo ausgerechnet den schwersten Religioten der gesamten deutschen Politik.

Wolfgang Thierse, der gerade vor einer Woche angesichts von zwei neuerlich publik gemachten Todesfällen bei Säuglingsbeschneidungen massiv für Pimmel-Verstümmelung im Bundestag eintrat.

Ein „Religiot“ wird eigentlich durch eine „partielle Denkschwäche“ oder eine „Inselverarmung bezüglich religiöser Dogmen“ gekennzeichnet. 
So ein Mensch kann in allen anderen Gebieten sehr intelligent sein.
Eigentlich.
Bei Thierse hingegen schwappt seine religiotisch-dezimierte Hirnleistung weit in den normalen Denkprozess hinüber. 
Seine Aussagen zur allgemeinen Politik geraten dadurch zuweilen so hanebüchen, daß man weniger von „Religiotie“, denn von „Grenzdebilität“ sprechen muß.
 Der „Atheist-Media-Blog“ gab für das heutigeThierse-Interview in der Zeit dementsprechend auch ein „Eternal Facepalm.“
Dem kann ich mich nur anschließen. 
Thierse ist inzwischen so verblödet, daß es gar nicht mehr lohnt auf seine einzelnen Aussagen inhaltlich einzugehen. 
Der Prozess war übrigens ein Schleichender. Als Thierse 1989 bundesweit bekannt wurde, erschien er noch sehr vernünftig und war wegen seiner germanistisch geschliffenen Formulierungskunst durchaus beliebt.
Nach 23 Jahren sind dem Hardcore-Katholiken durch sein schweres Leiden an Morbus Religiosus aber Urteilungsvermögen und Sachverstand vollständig abhanden gekommen.

Eine Auswahl aus dem Thierse-Interview mit Evelyn Finger und Karsten Polke-Majewski von heute:
 Ohne Glauben ist kein Staat zu machen
Thierse: Daran müssen sich die Europäer gewöhnen, Religion verliert nicht an Bedeutung. Sie führt keine bloße Restexistenz im privaten Raum.  […] Ich staune darüber. Religion ist heute vitaler, als die Religionskritiker vorhergesehen haben.
[…] Es gibt aber nicht nur Fundamentalismus im Islam oder bei den Evangelikalen, es gibt auch eine Art atheistischen Fundamentalismus. Der gegenwärtige Streit über die Beschneidung bringt jedenfalls eine beträchtliche antireligiöse Militanz an den Tag.  […] Es mehren sich aber die Stimmen derer, die aus dem weltanschaulich neutralen Staat einen parteiischen Staat der Religionslosen und der Laizisten machen wollen. Das halte ich für falsch. Da bin ich überempfindlich, denn das habe ich alles schon erlebt. In der DDR gab es keinen Religionsunterricht an den Schulen, keine Militärseelsorge, keine öffentlichen Bekenntnisse. Und siehe da, das Ding ging unter! Tatsache ist, Religionslosigkeit kann gefährlich sein. Denken Sie nur an die schlimmsten religionslosen Verbrecher des 20. Jahrhunderts: Stalin, Hitler, Mao Zedong, Pol Pot.
[…] Ich will einmal die Frage beantworten: Ist Religion überhaupt Privatsache? Und da sage ich einmal Ja und zweimal Nein. Ja, weil der Glaube des Einzelnen seine persönliche Sache ist und nicht vom Staat diktiert werden darf. Nein, weil Religion, zumal christlicher Glaube, nicht bloß das Fürwahrhalten von Glaubenssätzen ist, sondern auch Einweisung in ein gutes und sinnvolles Leben, in soziale Praxis und damit auch in Politik. Und noch mal Nein, weil die Gesellschaft vom Engagement der Bürger lebt, die aus ihren starken Überzeugungen heraus handeln, die über den eigenen Egoismus hinaus auf das Gemeinwohl zielen. Da sind Religionen geradezu unersetzlich.
[…]
Wenn ich als Christ sage, alle Menschen sind Kinder Gottes und haben genau darum die gleiche Würde – dann können Andersgläubige, zum Beispiel Atheisten, diese Prämisse nicht teilen, aber die Konsequenz daraus schon: dass Menschenwürde für alle Menschen gilt.
[Staatlicher Unterricht über Religion] würde die Religionsgemeinschaften eher schwächen, die so unendlich viel für unsere Gesellschaft leisten, was der Staat nicht leisten kann. Wenn er alle Werte selber formulierte, würde er ein allmächtiger, allzuständiger, totalitärer Staat. Den missglückten Versuch habe ich in der DDR erlebt.
 Zur inhaltlichen Kritik verweise ich auf einen Kommentar von Thomas Hummitzsch im Diesseitsmagazin.
Ich bin leider zu schwach, um noch weiter über Thierse zu schreiben, ohne in nicht jugendfreie Sprache zu verfallen.
Außerdem möchte ich die AMB-Kommentare zu dem Thierse-Interview empfehlen.

Deus Ex Machina am 29. November 2012 - 17:28
“In der DDR gab es keinen Religionsunterricht an den Schulen, keine Militärseelsorge, keine öffentlichen Bekenntnisse. ”
–> Wow, und im 3. Reich trug jeder Soldat “Gott mit uns” auf dem Gürtel, die Waffen wurden gesegnet etc. und trotzdem hat es von den gottlosen Bolschewiken den Arsch versohlt bekommen und ging unter.
Skydaddy am 29. November 2012 - 18:19
Ich glaube, beim kommenden Weihnachts-Ketzerpodcast können wir in den Kategorien “Gotteswahn” und “dümmster Spruch” Thierse einen Sonderpreis für sein Lebenswerk verleihen.
AMB am 29. November 2012 - 18:26  
Thierse labbert Scheiße, keine Frage. Das Problem dabei ist, dass Thierse kein Niemand ist und sein Müll in einer großen Zeitung ablädt.
Drawing Warrior am 29. November 2012 - 19:26
Was glaubt der Mann eigentlich, was er mit seinem Gefasel erreicht?
Wenn ich ein Theist wäre und mich zum Atheismus äussern will, dann habe ich die verdammte Pflicht mich mal für 5-10 Minuten mit dem Thema zu beschäftigen.

Hinterfragerin am 29. November 2012 - 20:37  
Ich bin mir nicht sicher ob der Mann die offenkundige Absurdität seiner eigenen Argumentation, sein Messen mit zweierlei Maß, seine pauschalisierende Abwertung nichtgläubiger Menschen (mangelndes Wertefundament, inhärent undemokratisch, egoistisch) nicht erkennt – dann zweifle ich an seiner Intelligenz. Oder ob er sie sehr wohl kennt, aber Propaganda betreibt – dann zweifle ich an seiner Integrität.
 Mich überrascht bei den Themen Thierse und ZEIT gar nichts mehr.

Der skandalösere Vorgang ist aber, daß die ZEIT vernünftige Meinungen gar nicht erst einholt, Thierse so eine Plattform schafft und seine schweren Lügen einfach so stehen läßt.

Mittwoch, 28. November 2012

Wahrheitsverteilung



Angie im Dilemma.

Wir befinden uns im letzten Viertel der Legislaturperiode. Da ist es einerseits Zeit noch einmal verschärft Geschenke an die reichen Gönner zu verteilen (falls womöglich doch eine andere Regierung gewählt werden sollte) und sich andererseits vor dem Volk als gerecht und gut darzustellen.
 Ersteres geschieht gerade wieder durch die Abschaltprämie.
 Millionenbescherung.
Großkunden können künftig durch einen kurzfristigen Verzicht auf einen Teil ihres Stromverbrauchs Tausende Euro verdienen. […]
Die Kosten dieser Regelung, die zunächst für drei Jahre befristet ist, zahlt jeder Verbraucher indirekt über seine Stromrechnung. Nach Angaben der Bundesregierung sind es für einen Vier-Personen-Haushalt zwischen einem und zwei Euro pro Jahr.
 Etwas ungünstig ist nur, daß beide Absichten sich widersprechen. 
Je mehr die Großen und Reichsten noch reicher gemacht werden, desto ärmer werden diejenigen, die das zu bezahlen haben. 
Das gefällt dem Urnenpöbel nicht unbedingt, obwohl er mit dem FDP-all-time-Rekordergebnis von 2009 explizit die Umverteilung von unten nach oben bestellt hatte.

Werden dann aber eben diese Resultate im Armuts- und Reichtumsbericht augenfällig, ist es auch wieder nicht recht.

CDU, FDP und CSU wählen den klassischen Merkel-Ausweg aus diesem Dilemma. Sie lügen und vertuschen.

Mit der Wahrheit steht die Kanzlerin grundsätzlich auf Kriegsfuß. Massives Mogeln durchzieht insbesondere ihre Euro-Politik, also jenes Thema, für das ihr der Urnenpöbel eine gigantische 80%-Kompetenz bescheinigt. Die Wähler wollen eben verarscht werden.
Die teuerste Salami der Welt. Offiziell hat die Bundesregierung in Brüssel den erneuten Schuldenschnitt für Griechenland verhindert. Tatsächlich ist der längst Realität. Doch Kanzlerin Merkel setzt weiter auf Salamitaktik bei der Krisenlösung. Die Opposition sollte endlich ihre Unterstützung dafür aufgeben.
Zuerst wollten sie überhaupt nicht retten. Dann akzeptierten sie einen vorübergehenden Mechanismus. Dann einen permanenten. Dann kam die Notenbank mit einem theoretisch unbegrenzten Aufkaufprogramm für Staatsanleihen. Und jetzt kommt der Schuldenschnitt - so gestaltet, dass man ihn politisch kleinreden kann. Wenn der Prozess in dieser Geschwindigkeit weitergeht, dann haben wir 2014 die Transferunion, 2015 den Euro-Bond, 2016 die europäische Republik und 2017 die europäische Fußballnationalmannschaft..[…].
 Etwas zu viel der lästigen Wahrheit befand sich auf im aktuellsten Reichtums- und Armutsbericht. 
Aber keine Bange - Gelbe und Schwarze fälschten die Ergebnisse rechtzeitig zur Veröffentlichung.
Politik beginnt bekanntlich mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Dies wird insbesondere von Union und FDP immer wieder betont. Wenn ihnen diese Wirklichkeit nicht passt, werden Fakten einfach verdreht oder gänzlich weg gelassen.    Der Armuts- und Reichtumsbericht verkommt unter Schwarz-Gelb zu einem Instrument der Propaganda. Von der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, das wahre Ausmaß von Armut und Reichtum in der Gesellschaft zu erforschen und darzustellen, bleibt wenig.
(Pressemitteilung Nr. 1059/12der Grünen Bundestagsfraktion vom 28.11.12, Markus Kurth, Sprecher für Sozialpolitik)
„Ich mach mir die Welt, widiwidiwitt, wie sie mir gefällt“
Peinliche Schönfärberei.
"Die Privatvermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt". Selbst die FDP wird keinen Wissenschaftler finden, der diesen Satz widerlegen kann. Trotzdem wurde die Passage gestrichen, genauso wie andere kritische Stellen. Das sagt mehr über den Zustand der Koalition aus als über die Situation der Armen in Deutschland.
[…] Dass es vier Millionen Menschen gibt, die weniger als sieben Euro die Stunde verdienen, ist auch nicht erfunden. Trotzdem fehlt diese Aussage jetzt. Und warum soll eine Regierung nicht sagen, dass es das Gerechtigkeitsempfinden von Menschen verletzt, wenn die Löhne zwischen Gut- und Geringverdienern auseinandergegangen sind? Doch selbst diese Passage ist entfernt.
Der geschönte Bericht zeigt vor allem, wie groß der Graben in der Koalition ist.
Mich wundert wirklich, daß sich noch irgendjemand über Mogel-Merkel wundert.

Die Opposition tut nun auf einmal so, als sei es eine irgendwie neue Erkenntnis, daß die Schwarzgelben lügen und betrügen wie sie nur können. 
Guttenberg, Wulff, Koch-Mehrin - um nur mal ein Beispiel aus jeder Koalitionspartei zu nennen - sind eben keine Einzelfälle, sondern symptomatisch für den vollständigen Kollaps jeder Moral der Merkel-Regierung.
Mit massiver Kritik reagieren SPD, Linke und Grüne auf den Umgang der Bundesregierung mit dem Armuts- und Reichtumsbericht. Die von der SZ aufgedeckten Glättungen seien der Beweis, dass Schwarz-Gelb ein "gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit" habe. […]
"Die Schönung des Berichts ist schäbig", sagte Linken-Chefin Katja Kipping zu Süddeutsche.de. Ähnlich formulierte Andrea Nahles ihre Kritik: Sie sprach von einer Vertuschung von Seiten der Bundesregierung. "Wer die Realität ausblendet und ignoriert, kann keine gerechte Politik machen", erklärte Nahles auf Anfrage von SZ.de. […] Claudia Roth, Parteivorsitzende der Grünen, sagte SZ.de: "Die Wirklichkeit, für die Schwarz-Gelb verantwortlich ist, ist selbst der Regierung Merkel zu düster. Sie will sich ihr verweigern, statt das Problem anzupacken." Anders seien die Streichungen im Armutsbericht nicht zu erklären. Die Regierung Merkel verkaufe die Menschen in Deutschland für dumm. Aber "die merken längst, dass die Politik von Schwarz-Gelb sie ärmer macht und nur einer ganz bestimmten zahlungskräftigen Klientel nützt."
Roths Amtskollege Cem Özdemir attackierte ebenso die Regierung für den geschönten Bericht. Anstatt daraus die richtigen politischen Schlussfolgerungen zu ziehen, missbrauche die Bundesregierung den Bericht mit "dreisten Verfälschungen zur Manipulation der öffentlichen Meinung", sagte Grünen-Chef Özdemir.
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) erklärte, die Regierung sei selbst "nicht mehr ganz normal", wenn sie es "für einen ganz normalen Vorgang hält, die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland zu leugnen". Die Koalition aus CDU, CSU und FDP habe "ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit". […]
 Frau Roth ist aber auch etwas verwirrt, wenn sie ernsthaft annimmt, daß die Wähler noch irgendwas merkten!

Die aktuellsten Zahlen (Deutschlandtrend vom 08.11.12) ergeben klar, daß Merkel die beliebteste Politikerin Deutschlands ist. 
Fast 70% der Wähler sagen ausdrücklich, sie wären mit ihrer Arbeit „zufrieden.“
Sie, die gar nichts entscheidet, nur wurschtelt und nie führt wird im direkten Vergleich mit Steinbrück von 62% als „starke Führungspersönlichkeit“ genannt, während ihr SPD-Herausforderer nur 22% erhält.
Sagenhafte 65% der Deutschen meinen das Land sei bei der gegenwärtigen Regierung „in guten Händen.“

Glückwunsch, Frau Schavan; Ihr Projekt der vollständigen Verdummung des deutschen Volkes, haben Sie offenbar sehr erfolgreich abgeschlossen!

Wenigstens etwas, das noch klappt!