Freitag, 26. Oktober 2018

Die schnöde Wirklichkeit


Der verstorbene Karl Kardinal Lehmann war der Held der deutschen Linken.
Er galt als aufmüpfiger Kirchenfürst, der den Hardlinern im Vatikan so beharrlich widersprach, daß ihm Woytila und Ratzinger zur Strafe über 20 Jahre den Kardinalsrang verwehrten, der ihm als langjährigem Vorsitzenden eines der reichsten und größten Episkopate der Welt sicher zustand.

Nun ja, der Nahlessche Lieblingskleriker war allerdings auch kein Franz Kamphaus oder Jacques Gaillot, der tatsächlich Macht und Titel riskierte.
Der joviale Wein- und ABBA-Liebhaber wußte durchaus seine Schäfchen ins Trockene zu bringen.
Die ungebrochene Macht seiner Kirche war ihm allemal wichtiger als ein paar Kinder davor zu schützen von sexgeilen Mainzer Priestern durchgefickt zu werden.

Als der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Karl Kardinal Lehmann einmal gefragt wurde, warum denn vor 2010 so viele Bischöfe, die Kenntnis von kinderfickende Kaplanen hatten, nicht zur Staatsanwaltschaft gegangen wären, antwortete der Kirchenfürst ganz jovial, daß nicht alle Staatsanwaltschaften den Kirchen freundlich genug gesonnen wären. 
Seit wann dürfen eigentlich Kriminelle sich ihre Ankläger aussuchen, bzw entscheiden gar nicht erst zur Rechenschaft gezogen zu werden, weil der Richter nicht lieb genug ist?

Im Jahr 2007, also fünf Jahre nach den päpstlichen Leitlinien zum Kindesmissbrauch, die vorsahen pädophil übergriffige Priester zu melden, hatte der Mainzer Kardinal erklärt, wieso er sich nicht daran halten müsse – die Staatsanwaltschaften gefielen dem Herren im roten Kleid nicht.

O-Ton Karl Kardinal Lehmann:


Das ist der Kern der Religionen: Wir sind besser als die und dürfen das, was die noch lange nicht dürfen.
Im klaren Widerspruch zur Verfassung kassieren die Kirchen ab.

Daß Gesetze für alle gelten, also auch für die Kirche, kam dem Kardinal gar nicht erst in den Sinn und plapperte das in frappierender Offenheit direkt in die ARD-Kameras.

Diese Haltung ist heute Kern der Christenheit: Wir stehen über Euch und dürfen uns Dinge rausnehmen, von denen normale Menschen nicht mal träumen können.

Gerade ließ der Kölner Kardinal Woelki mal kurz seine Muskeln spielen, um eine Professur an der Uni Bonn zu verhindern, weil ihm der Kandidat nicht zusagte.
Eine staatliche Uni, die in einem säkularen Land ihre Professoren zu 100% mit Steuergeldern bezahlt muss sich im Jahr 2018 den Allmachtfantasien eines sexlosen Greises im Kleid und mit billiger Perücke fügen.

[….] Der Erzbischof verhinderte Berufung eines Professors. Theologen sehen Angriff auf Wissenschaftsfreiheit. Wissenschaftsministerium sieht Fehler.
Die Einmischung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki bei der Berufung eines Professors an der Uni Bonn ist für den Bochumer Theologen Georg Essen „ein Beispiel für den ausufernden Machtanspruch der katholischen Kirche“. [….]

Ebenso dreist nehmen evangelische und katholische Christen für sich in Anspruch Menschen nach ihrer sexuellen Orientierung und religiösen Zugehörigkeiten diskriminieren zu können.

Krankenhäuser, Altenheime und Kindergärten, die zu 100% vom Steuerzahler finanziert werden, die sich aber unter kirchlicher Trägerschaft befinden setzen immer noch eine „Juden unerwünscht, Schwule unerwünscht, Muslime unerwünscht, Atheisten unerwünscht, Lesben unerwünscht, Wiederverheiratete unerwünscht“-Politik durch.

Daß sich auch Kirchen an Gesetze halten müssen, sehen sie bis heute nicht ein und klagen dummdreist dagegen sich dem Rechtsstaat fügen zu müssen.

[…..] Der Europäische Gerichtshof hatte erst im vergangenen April entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal und unbegründet die Zugehörigkeit zu einer Kirche verlangen dürfen.
Die Diakonie muss einer abgelehnten Stellenbewerberin, die konfessionslos ist, eine Entschädigung zahlen.
Das entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Die Sozialpädagogin hatte sich 2012 vergeblich um eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Nachdem sie abgelehnt worden war, klagte sie auf Entschädigung. Sie bekam jetzt gut 3.900 Euro zugesprochen. Zur Begründung hieß es, die Bewerberin sei aufgrund ihrer fehlenden Kirchenzugehörigkeit ungerechtfertigterweise benachteiligt worden. Es habe keine Gefahr bestanden, dass sie das Ethos der Kirche beeinträchtigt hätte. [….]

Eine ungeheuerliche Dreistigkeit, da Einrichtungen unter Klerikaler Leitung ohnehin schon massiv gegenüber allen Mitbewerbern bevorteilt sind, da sie sich nicht an Tarifverträge halten müssen, keine Streiks und keine Gewerkschaften dulden müssen und zudem auch noch von Steuerzahlungen befreit sind – ein Privileg, welche sich der Steuerzahler rund 20 Milliarden Euro im Jahr kosten lässt.
Aber selbst das reicht ihnen noch nicht, nein, ihre Mitarbeiter diskriminieren wollen sie auch noch ungestraft.

 […..]  Der EuGH dagegen holt die Kirchen aufs rechtsstaatliche Festland. Das bedeutet nun nicht, dass die Kirchen zu gewöhnlichen Arbeitgebern herabgestuft werden. Natürlich definieren allein sie ihre religiösen Grundsätze, und selbstverständlich sind die Gerichte gehalten, das kirchliche Ethos zu achten. Das hat auch der EuGH betont. Neu ist allerdings, dass staatliche Gerichte die Rationalität solcher Personalentscheidungen kontrollieren - und sie gegen die Grundrechte der Arbeitnehmer abwägen. Nur "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderungen" an die Kirchentreue der Mitarbeiter sind erlaubt. Kirchliche Mitarbeiter treten also vor Gericht künftig auf Augenhöhe mit ihrem Arbeitgeber auf; sie sind nicht länger Schachfiguren im kirchlichen "Proprium". Willkommen im Rechtsstaat. […..]

Aber auch wenn es in einigen Teilen der Welt zarte Versuche der Behörden und Juristen gibt den Kirchenfürsten schonend beizubringen, daß sie keine weltlich allmächtigen Mittelalterpotentaten mehr sind, ist dieses neumodisch-sozialistische Gedankengut noch nicht bis zu den schmuckbehängten zölibatären Opis in den bunten Kleidern im Vatikan durchgedrungen. Das räumt sogar der außerordentlich katholophile Herr Drobinski notgedrungen ein.

Weltweit wird offenbar, wie viel sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche es in dieser Kirche gegeben hat; es drängt die Frage, ob und inwieweit die zölibatäre Lebensform der Priester und das Allmachtsdenken der Kleriker dazu beigetragen haben. […..] Man habe einander ernsthaft zugehört, heißt es in der Synode. Ob das genügt, junge Menschen zu überzeugen? Wird das der Brief tun, den der Papst an die Jugend schreiben will? Ein Teilnehmer sagt nüchtern: "Vielen wird das nicht reichen." […..]

Gefällt mir. Die Kirchen zeigen ganz klar ihren Unwillen sich an Moral und Gesetze zu halten. Sie wollen weiterhin diskriminieren und denken gar nicht daran alles zu tun, um Kinder davor zu schützen von den 400.000 katholischen Priestern sexuell missbraucht zu werden.
Da wir das jetzt alle wissen, wird es leichter die verbliebenen Mitglieder davon zu überzeugen aus der weltgrößten Hategroup auszutreten.