Samstag, 31. August 2024

West-Ermattung

Es wirkt, als sei das Jahrzehnte her. Als es nach der Wannseekonferenz 2.0 doch eine erkleckliche Menge Menschen auf die Straße trieb, um sich gegen die braune AfD/CDU-Welle zu formieren.

Aber in Wahrheit sind nur acht Monate vergangen. Jede Hoffnung auf Wiederstand gegen den faschistischen Mob ist verloren. Der deutsche Michl lässt es wieder einmal einfach geschehen.

Dabei wußten wir schon im Januar 2024 von den drei Landtagswahlen in Gruselstan, die uns morgen in Sachsen/Thüringen, sowie in drei Wochen in Brandenburg.

Es wird mit höchster Wahrscheinlichkeit in allen drei Ländern zu einer rechtsradikalen ¾-Mehrheit der Putin-Fans kommen.

Grüne, Linke und Sozi finden bei der Ost-Bevölkerung ohnehin kein Gehör mehr. Es hätte an den Konservativen gelegen, demokratische und humanistische Werte aufrecht zu erhalten. Aber genau wie 90 Jahre zuvor, versagt die CDU und entscheidet sich selbst für einen zutiefst menschenfeindlichen völkischen Kurs, um die Nazis weiter zu stärken.

Der Parteivorsitzende Merz selbst gibt den rechtsradikal-xenophoben Kurs vor. CDU/CSU/FDP gießen Öl ins Nazi-Feuer.

Die Deutschen haben aus 1945 doch nichts gelernt. Bestenfalls geben sie nur ihren Widerstand gegen den Faschismus auf. Viele begrüßen aber, was da kommt.

Während es in prosperierenden West-Enklaven wie Hamburg noch so etwas wie Bürgersinn und demokratische Gepflogenheiten gibt, muss man Ostdeutschland verloren geben. Den Freiheitsschock von 1989 haben sie nie verwunden. Sie können nur mit diktatorischen Mittel eingehegt werden. Der Historiker Prof. Ilko-Sascha Kowalczuk (*1967 in Ost-Berlin) macht sich keine Illusionen über seine Ossis-Landsleute.

[…..] Kowalczuks Thema sind die Erblasten der Diktatur und die daraus folgenden Selbsttäuschungen danach. Hier sein Grundriss: Die DDR war ein Mitläuferstaat, in dem nur eine winzige Minderheit wirklich oppositionell war, nicht zuletzt weil sie die aktiven Unzufriedenen konstant an den Westen verlor. Sie war ganz Staat (und kaum Gesellschaft), der als Arbeitgeber, Lebensplaner und Rundumversorger auch Garant des sozialen Netzes war, das ganz an die Arbeit geknüpft war. Ihre „antifaschistische“ Ideologie war vor allem antiliberal, antikapitalistisch, antidemokratisch. Darunter florierten ungebrochen düstere Affekte von Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus. Bequemlichkeit und Ressentiment, das ist das giftige Erbe der Diktatur im Osten.

Die sogenannte Friedenserziehung war in Wahrheit militaristisch. Behinderte und Kranke – Kowalczuk hatte einen behinderten Bruder – wurden an den Rand gedrängt, ja gemobbt. Die Revolution von 1989 war eine Sache von Wenigen, während die meisten hinterder Gardine abwarteten und vor allem auf Zutritt zum westlichen Konsumparadies hofften. Die befremdliche Russenliebe entstand erst in der Gorbatschow-Zeit, seit 1985, als Widerspruch zur Verknöcherung der späten Honecker-Jahre. Und immer verglich man sich mit dem Westen, schon vor 1989, um dann umso enttäuschter von ihm zu sein.

Der wichtigste Befund: Kaum jemand im Osten habe, so Kowalczuk, die repräsentative, liberale Demokratie verstanden, die Mühsal der Kompromissfindung, die anstrengende Forderung nach eigener Beteiligung im Klein-Klein des politischen Alltags. Das Verhältnis zu Staat und Politik blieb unreif, infantil und paternalistisch, faul, fordernd und dauerenttäuscht zugleich. Man hübscht sich die Vergangenheit mit Geschichtslügen auf, spricht von Solidarität, wo es keine gab, ergeht sich in Gekränktheit, Selbstmitleid und Ostalgie. Es geht also eher um einen Kulturkampf als um soziale Schieflagen, so Kowalczuks Tenor.  [….]

(Gustav Seibt, 19.08.2024)

Keine Hoffnung, nirgends.

[….] Nach fast 34 Jahren wird es – vor allem mit Blick auf den kommenden Wahlsonntag – Zeit zuzugeben, dass die Wiedervereinigung krachend gescheitert ist. Statt einer starken Demokratie in der Mitte Europas ist ein tief verunsichertes Land entstanden, das aus zwei Teilen besteht, die sich nicht verstehen und noch weniger zu sagen haben, ähnlich wie Belgien oder Sizilien in Italien  (der Vergleich stammt aus der NYT) Ein Land das international seine Rolle nicht findet und als Koloss auf tönernen Füßen Europa nicht führt sondern behindert. Die Alt-Nazis aus dem Westen, dort radikal aber unbedeutend, haben in der Mentalität des Ostens einen fruchtbaren Boden gefunden, auf dem sie gedeihen und mittlerweile die Diskurse bestimmen bis hinein in die Grüne Partei. Hier wächst nichts zusammen und es gehört auch nicht zusammen. Die Wiedervereinigung war von Tag eins ein revanchistisches und nationalistisches Projekt vorbei an den Menschen in Ost und West. Die rheinische Bonner Republik war nicht perfekt, aber historisch folgerichtig und politisch wie kulturell ein integraler Bestandteil des Westens. Diesen Verlust bedauere ich im Rückblick zutiefst.  [….] Vielleicht ist es vor den morgigen Landtagswahlen auch nochmal wichtig daran zu erinnern, dass die Ostdeutschen, die 1990 auf die Straßen gegangen sind, dies nicht für Freiheit und Demokratie getan haben, sondern für schnelles Geld, mit der Drohung einer Flüchtlingswelle, wenn es nicht sofort kommt. Freiheit und eine demokratische Verfassung, in vielem moderner und besser als das Grundgesetz, hatten sie nämlich schon, erkämpft von einer DDR-Opposition ein Jahr zuvor, als es noch Mut brauchte. Es sind in erster Linie diese Freeloader von damals und ihre Epigonen, die morgen AfD oder BSW wählen werden. […..] Letzte Bemerkung zu den morgigen Landtagswahlen: In Deutschland leben mindestens 22 Millionen Migrant*innen, die trotz höherer Arbeitslosigkeit, diskriminierenden Arbeitsverboten und einem höheren Anteil an Menschen in den Sozialsystemen netto (also nach Abzug aller Kosten für diese Gruppe) seit Jahrzehnten jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag dort einzahlen. Besonders unser Rentensystem würde ohne sie schnell kollabieren, vor allem weil die migrantische Bevölkerung im Durchschnitt fast 13 Jahre jünger ist, als die biodeutsche. Die Wiedervereinigung wiederum hat geschätzt zwischen 1.5 bis 2.6 Billionen also 2600 Milliarden gekostet, bei derzeit knapp 12 Millionen Ostdeutschen. Von den ostdeutschen AfD-Wählenden sind 78 % über 40 und 36% sogar über 60 Jahre alt. Trotzdem lassen wir es zu, dass diese krakeelende rassistische Minderheit die politischen Diskurse bestimmt und uns mittenhinein in einen wirtschafts- und sozialpolitischen Harakiri führt. Wie bescheuert und nationalistisch verblendet kann ein Land eigentlich sein, dass die Bedürfnisse derer ignoriert, die seine Zukunft sind und ihnen das Leben schwer macht, obwohl genau sie die Lebensbedingungen der Krakeeler seit 1990 maßgeblich und ungefragt mitfinanziert haben und ihre Renten bezahlen werden? [….]

(Dirk Ludigs, 30.08.2024)

Freitag, 30. August 2024

Wie peinlich, Berlin!

Am 08.Mai 1945 wurden nicht von eben auf jetzt, alle rassistischen, antisemitischen Hitler-Fans auf wundersame Weise in moralisch handelnde und humanistisch denkende Demokraten verwandelt.

Seit 1949 gab es daher immer wieder Kräfte, die danach trachteten, die Demokratie wieder zu zerschlagen, gruppenbezogenen Menschenhass wieder zu beleben und der Welt Deutschland wieder von seiner garstigsten Seite zu präsentieren.

In den letzten fünf Jahren sind augenscheinlich die AfD und Social Media-Algorithmen die größten Gefahren aus dieser Richtung.

Betrachtet man die gesamten 76 Jahre BRD, verdient sicher der rechtspopulistische Hetzverlag SPRINGER das Etikett als größte Gefahr der Demokratie.

Kontinuierlich säen die Sexisten bei WELT und BILD Misstrauen gegen Parlamentarier, Wahlen, Minderheiten, die Jugend, Queere, Ausländer, Flüchtlinge. Verbreiten immer zu Fake New. Die Döpfner-Reichelt-BILD nimmt dabei die übelsten Verschwörungstheorien mit, trampelt auf Vergewaltigungsopfern rum und holt sich täglich Rügen des Presserates ab.

SPRINGER ist eine einzige Sudelmaschine, die manisch davon besessen ist, Deutschland zu Grunde zu richten. Seit vierzig Jahren trägt die Giftschleuder Friede Springer dafür die Verantwortung.

[Axel C. Springer heiratete] (….) 1978 Friede Riewerts, die 30 Jahre jünger als er war und als Kindermädchen bei ihm gearbeitet hatte.

Mit Friede bekam Axel Springer keine Kinder mehr, aber dafür konnte sie sich gegen seine drei leiblichen Kinder Barbara Choremi (*1933), Axel Springer Junior (1941-1980), Raimund Nicolaus Springer (1962-2022) und die Enkel im Kampf um das Erbe durchsetzen.

Bis vor Kurzem kontrollierte Kindermädchen Friede allein das drei bis fünf Milliarden schwere Erbe. Dabei spielt das Geld die kleinste Rolle.

Friede, 80, ist aufgrund ihrer publizistischen Power eine enorm mächtige Frau.  Insbesondere CDU, CSU und FDP können kaum gegen ihren Willen regieren. Sie gilt als eine der ganz wenigen engen Vertrauten Angela Merkels und nahm für die CDU in der 12., 13., 14., 15., 16. und 17. Bundesversammlung – 2004, 2009, 2010, 2012, 2017 und 2022 an der Wahl des Bundespräsidenten teil.

Friede Springer dirigiert die rechtspopulistischen Drecksschleudern der BILD-Familie und kann jeden ihr unliebsamen Gedanken zu Fall bringen.

Niemand weiß so genau, welcher Art das Verhältnis von Friede Springer, 80, und Matthias Döpfner, 60, ist. Ob da erpresserische oder sexuelle Aspekte eine Rolle spielen, kann ich nicht beurteilen. Es gibt nur Gerüchte. Tatsache ist aber, daß Döpfner Macht und Milliarden von Springer erbt, bzw bereits geerbt hat.  

[….] Friede Springer besaß (Stand 2012) 5 % der Aktien der Axel Springer SE, vor allem jedoch 90 % der Gesellschaftsanteile der Axel Springer-Gesellschaft für Publizistik GmbH & Co., welche wiederum mit 47,3 % an der Axel Springer SE beteiligt ist. Sie fungiert als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des nach der Bertelsmann SE & Co. KGaA zweitgrößten deutschen Medienkonzerns. Am 24. September 2020 gab die Axel Springer SE bekannt, dass Springer einen großen Teil ihrer Anteile am Medienkonzern an Unternehmenschef Mathias Döpfner überträgt und ihm darüber hinaus die Stimmrechte an ihrem verbleibenden Aktienpaket übergibt. Springer verkaufte einen Anteil von rund 4,1 Prozent am Konzern an Döpfner und übertrug ihm zusätzlich rund 15 Prozent ihrer Anteile als Schenkung – so kontrollieren sie künftig jeweils rund 22 Prozent. [….]

(Wikipedia)

Das Axel-Springer-Vermögen landet also letztlich in der Döpfner-Familie. Dort macht sich auch schon die nächste Generation als rechte Verschwörer und Schwurbler einen Namen.

Matthias Döpfners Sohn Moritz arbeitet als Büroleiter für den ultrarechtsradikalen Trump-Fan Peter Thiel, der mit seinem 10-Milliarden-Dollar-Vermögen die QTrumpliKKKans finanziert und dazu just auch Sebastian Kurz einstellte. Man versteht sich unter Schwurbelmilliardären.

[….]  Eng vernetzt ist Thiel auch mit dem Chef des Springer-Konzerns, Mathias Döpfner. Als Jury-Mitglied des Frank-Schirrmacher-Preises hat Döpfner mit dafür gesorgt, dass der rechte Venture-Kapitalist den Preis erhielt. Döpfners Sohn Moritz arbeitet laut der Business-Website Datanyze als Büroleiter für Thiel. Springer spielt mit seinem Boulevard-Blatt Bild eine Schlüsselrolle dabei, rechtsextreme Corona-Leugner und Impfskeptiker zu mobilisieren.

Sebastian Kurz selbst kennt Thiel seit Jahren. Als Bundeskanzler hielt er stets engen Kontakt zu Aufsteigern, die Millionen scheffelten. Zu seinem näherem Umfeld gehörten der 44-jährige Immobilienspekulant René Benko, der die deutschen Kaufhausketten Karstadt und Kaufhof aufgekauft und ausgeschlachtet hat, sowie die Wirecard-Manager Markus Braun (52) und Jan Marsalek (41), die einen milliardenschweren betrügerischen Bankrott hingelegt haben.

Was Kurzʼ genaue Aufgaben als „Global Strategist“ von Thiel Capital sein werden, ist bisher nicht bekannt. Der abgebrochene Jura-Student hat weder fachliche noch wirtschaftliche Qualifikationen vorzuweisen, dafür verfügt er als ehemaliger Bundeskanzler über ein weit verzweigtes Netz von Kontakten, das er nutzen kann, um Thiels reaktionäre politische Ziele voranzutreiben. [….]

(Peter Schwarz, 6. Januar 2022)

Wie Döpfer/Springer in Berlin denken, dürfte zuletzt durch die Personalien Reichelt und Poschardt bekannt sein.

Mit Demokratie, Pressefreiheit und Humanismus hat das nur noch bedingt zu tun.  Matthias D. teilt in internen Mails an die WELT- und BILD-Führungsriege ordentlich aus.

[….] Döpfner beschreibt da pointiert, was sich (an ihm) in den vergangenen Jahren auch in der Realität beobachten ließ. [….] Mathias Döpfner also über Ostdeutsche: "Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen." Und: "Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig."

Mathias Döpfner über "M", mutmaßlich Angela Merkel, als diese gerade zornig nach Thüringen telefoniert hatte, nachdem dort die CDU mit Hilfe der AfD den FDP-Menschen Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt hatte: "Das Land hat jeden Kompass verloren. Und M den Verstand. Sie ist ein sargnagel der Demokratie. Bald hat die afd die absolute Mehrheit."  Mathias Döpfner über die westliche Welt: "free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs".

Mathias Döpfner über seine Kompassnadel und - ja, davon muss man ausgehen - Friedrich den Großen: "Mein Kompass geht so: Menschenrechte - keine Kompromisse. Rechtsstaat - zero tolerance ... Lebensstil (( was Ficken und solche Sachen betrifft - Fritz zwo: jeder soll nach seiner Fasson (oder facon)...))". [….] Mathias Döpfner schließlich über die Erderwärmung: "ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen." Das muss man kurz innerlich sortieren. Hier beklagt ein milliardenschwerer Mann, der in den USA mit Peter Thiel und Elon Musk verkehrt, dessen Sohn das Büro von Thiel in Kalifornien leitet, "das absolute scheitern der Eliten". Hier versucht ein Verleger und ehemaliger Verlegerverbandspräsident und wortgewaltiger Verfechter unabhängiger Presse, Einfluss auf die politische Berichterstattung von Bild zu nehmen ("Kann man noch mehr für die FDP machen?") - wobei man nicht weiß, wem deshalb mehr Mitgefühl gebührt, der Bild-Redaktion oder der FDP, einer auch in aktuellen Umfragen wieder mal eh angezählten Partei? [….]

Auf den Vorwurf, er nehme Einfluss auf die Bild-Berichterstattung, lässt er ausrichten: "Zur These, Mathias Döpfner nehme Einfluss auf BILD, kann ich nur sagen: ich hoffe doch sehr. Das ist als CEO und Miteigentümer mein Job. Aber über allem steht die Freiheit der Redaktionen. Und nichts schütze ich so sehr und leidenschaftlich." Döpfners Denke war schon lange offenkundig. In der gehobenen Berliner Gastronomie wird Döpfners Nähe zu Christian Lindner niemanden überraschen. Dass dessen Partnerin Franca Lehfeldt für den Konzern arbeitet, wurde spätestens bekannt, als sie vor der Eheschließung von einem FDP-Parteitag berichtete und nach der erwartungsgemäßen Kritik daran zu einem Gesundheitsmagazin versetzt wurde. [….]

(Laura Hertreiter und Cornelius Pollmer, 13.04.2023) (….)

(Rechte Kapriolen, 13.04.2023)

Friede und Matthias wären nicht die rechten Verschwörer, die sie sind, wenn sie wie normale Deutsche, Erbschaftssteuer gezahlt hätten. Natürlich betrogen sie das Volk um hunderte Millionen.

(….) Wer richtig viel Geld hat und daher bei seinem Tod (oder vorab bei Schenkungen) hunderte Millionen oder gar Milliarden zu verteilen hat, berechnet den Teil, der ans Finanzamt abgezwackt werden muss, nicht nach der Otto-Normalverbraucher-Formel:

(Erbe – 20.000 €) mal 0,3 = 36.600 €.

Für Superreiche gilt eine Spezialformal für den Betrag, den Herr Lindner abbekommt:

ErbeSchickimickisteuertrickser mal 0% = 0 Euro

So machte es BMW-Erbin Johanna Quandt, als sie zu Lebzeiten Milliarden an ihre Kinder Susanne Klatten und Stefan Quandt übertrug.

So machten es die Brüder Theo und Karl Albrecht, als sie Dutzende Milliarden steuerfrei an ihre Kinder Karl Albrecht jr. und Beate Heister, bzw Berthold und Theo Albrecht. jr. verschoben.

So machten es Friede Springer und Matthias Döpfner, als die alte Konservative dem jungen Erzkonservativen Milliarden schenkte. Über die eingangs genannte alte Dame, die von ihren 142.000 Euro tatsächlich fast 30% Steuern an den Staat zahlte, kann Döpfner nur herzlich lachen.

[….] Verlegerin Friede Springer (78), die Witwe von Unternehmensgründer Axel Springer, teilte am 24. September 2020 mit, für wen sie sich als ihren Nachfolger entschieden hat. Der Glückliche heißt Mathias Döpfner und ist bislang Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE. Er hat von ihr 4,1 Prozent Konzernaktien für 276 Millionen Euro gekauft. 2,8 Prozent gehörten ihm schon vorher. Zusätzlich bekam er von seiner Gönnerin ein Aktienpaket von 15 Prozent geschenkt – ein in diesem Umfang einmaliger Vorgang. Die großzügige Gabe ist rund eine Milliarde Euro wert, Döpfners Kapitalanteil an der Gesellschaft europäischen Rechts (SE) liegt danach bei 21,9 Prozent. Für solche Transaktionen sind grundsätzlich hohe Einkommen- und Schenkungssteuern fällig. Dazu haben die Dame und der Herr aber keine Lust. Frau Springer hatte deshalb eine Woche vor dem Verkauf besagte 4,1 Prozent an ihre Friede-Springer-Stiftung übertragen. Die ist als gemeinnützig anerkannt und muss weder Schenkungs- noch Einkommenssteuer zahlen. Döpfner hat seine Anteile formal von der Stiftung gekauft, der Fiskus geht leer aus.  Bei ihm selbst war es etwas komplizierter. Da die Schenkung außerhalb der Familie geschah, wäre der höchste Steuersatz von 50 Prozent fällig. [….] Aber für reiche Leute finden sich fast immer Um- und Auswege. In diesem Fall sind das die sogenannten Poolverträge. Friede Springer hat Döpfner nicht nur 15 Prozent Aktien geschenkt, sondern ihm auch das Stimmrecht für ihre verbleibenden Anteile von rund 22 Prozent eingeräumt. Der Manager kontrolliert damit mehr als 44 Prozent und kommt über die 25-Prozent-Schwelle. Und deshalb kann er eine »Verschonungsbedarfsprüfung« beantragen. Wenn sein Privatvermögen kleiner ist als der fällige Steuerbetrag, kann dieser erlassen werden. So wird es wohl kommen, da sind sich alle Beobachter einig. [….] Der Topmanager – zugleich Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) – ist ja kein armer Mann. Im vergangenen Jahr hat er Schätzungen zufolge rund 6,6 Millionen Euro Gehalt, 2,1 Millionen Versorgungszulagen und 15 Millionen Euro Boni kassiert. Dazu kommen künftige Dividenden: Mit seinen knapp 22 Prozent Kapitalanteil hätte Döpfner im vergangenen Jahr rund 50 Millionen Euro einstreichen können.  Übrigens hat der Trick in ähnlicher Form schon vor acht Jahren funktioniert. Im August 2012 verschenkte die Verlegerin ein Aktienpaket von 2,8 Prozent im Wert von 73 Millionen Euro an ihren Mathias. Auch dafür musste er kaum Schenkungssteuer bezahlen, wie der Deutsche Steuerberaterverband damals vermutete. [….]

(Verdi, 15.10.2020)

Döpfner und Springers Vorgehen ist sowohl asozial, als auch im höchsten Maß ungerecht. Superreiche betrügen den Staat mit legalen Tricks, die aber Ärmeren nicht zur Verfügung stehen, um Milliarden.

Hinzu kommt aber der staatszersetzende Aspekt. Denn die Dame, die 36.600 Euro an das Finanzamt überwies und es bisher auch ganz richtig fand, das zu tun, fühlt sich nun von Finanzpolitikern, die den Döpfner-Coup ermöglichen, verschaukelt und verliert das Vertrauen in unseren Staat.  (…)

(Die Gelben und die Reichen, 21.04.2023)

Wie geht man nun mit einer so durchtriebenen und Demokratie-gefährdenden Frau wie Friede Springer um?

Die CDU hat da eine Idee:

[…..]  Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will Verlegerin Friede Springer die Ehrenbürgerwürde verleihen. Das Land Berlin teilte mit, der schwarz-rote Senat wolle auf Initiative Wegners die 82 Jahre alte Unternehmerin Springer dem Abgeordnetenhaus als neue Ehrenbürgerin Berlins vorschlagen.  […..]

(Tagesschau, 20.08.2024)

Unglaublich, aber wahr: Die Deutschen, die Berliner lesen BILD und wählen CDU.

Donnerstag, 29. August 2024

You cannot fix the stupid – Teil II

 Es ist ebenso reizvoll, wie sinnlos, auf die inflationär herausgeschleuderten US-Wahlumfragen zu starren. Es gibt kein Verhältniswahlrecht. Es wird fehleranfällig nur online befragt, die Stichproben betragen oft nur wenige hundert Befragte bei einer Bevölkerung von 335 Millionen Menschen, nicht alle Trump-Wähler bekennen sich zu ihm, in allen republikanisch regierten Staaten gibt es eine Fülle von Gesetzen, die Wahlberechtigten die Stimmabgabe schwer bis fast unmöglich machen, man darf nur wählen, wenn man sich lange vorher in einem komplizierten Verfahren registrieren lässt, Trump schnitt 2016 und 2020 erheblich besser ab, als von den Umfragen vorhergesagt und die Fehlermarge beträgt 4-5 Prozentpunkte.

Natürlich ist es sehr angenehm zu sehen, wie sich die Umfragen ein bißchen weg von Trump drehen und damit die Sache nicht mehr ganz so hoffnungslos aussieht, wie vor zwei oder drei Monaten. Aber unter den oben genannten Umständen bei ein oder zwei Prozentpunkten Harris-Vorsprung, die Wahlmänner eines Swing-States Harris zuzurechnen, ist fahrlässig.

Aber selbst, wenn das Wunder geschehen sollte und Kamala Harris am 05.11.2024 mehr als 270 Wahlmänner auf sich vereinigen kann – was sicherlich erst Tage oder Wochen später feststeht, weil die USA genetisch unfähig sind, Stimmen korrekt und schnell auszuzählen – wird die orange Pest eine Niederlage niemals akzeptieren und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Gewalt gegen den Staat aufrufen. Viele Demokraten wünschen sich aus diesem Grund einen Harris/Walz-Erdrutschsieg, so daß niemand bei Verstand ernsthaft das Ergebnis bezweifeln kann.

Aber ich halte das für Wunschdenken. Erstens wird es keinen überragenden Vorsprung geben und zweitens würden Trumps fanatische Verschwörungstheorie-Gläubige ein deutliches Ergebnis erst Recht bezweifeln.

Selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, daß einigen relevanten GOPern am 06.11.2024 urplötzlich ein Rückgrat wachsen sollte und sie einen haushohen Harris-Sieg als Gelegenheit ansehen sollten, sich doch vom maximal-kriminelle Psycho, der sie in eine Serie von Wahlniederlagen führte, zu trennen, bleiben die zig Millionen völlig der Realität entrückten Fanatiker, die ihn wählen als ihren Messias verehren. Insbesondere amerikanische Christen beten die unvorstellbare Trump-Vulgarität an.

Das rechtsradikale Hass-Pack geht schließlich jeden noch so abstrusen Wahnsinn Trumps mit. Wie sollte man derartig debile Trumpanzees jemals wieder in die Realität eingliedern?

[…..] Erst vor wenigen Tagen hatte Mark Zuckerberg angekündigt, sich im laufenden US-Wahlkampf neutral zu verhalten – und im gleichen Atemzug scharfe Kritik an der Biden-Regierung geäußert. Nun droht Donald Trump dem Meta-Chef mit harten Konsequenzen, sollte Facebook versuchen, die Präsidentschaftswahlen in illegaler Weise zu beeinflussen.

Wie der »Telegraph« berichtet, wirft der Ex-US-Präsident Zuckerberg in seinem noch unveröffentlichten Buch »Save America« vor, bereits 2020 Einfluss auf die Wahlen genommen zu haben. Der Tech-Riese hatte unter anderem Anzeigen blockiert, hinter denen mutmaßlich Wahlbetrug stand.

Für Trump wertet dies nun als Wahlbeeinflussung. Er kündigte dem Medienbericht zufolge an, Zuckerberg und sein Unternehmen bei der diesjährigen Wahl genau zu beobachten. »Wenn er diesmal etwas Illegales tut, wird er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen – wie andere, die bei der Präsidentschaftswahl 2024 betrügen.«

Auf seinem sozialen Netzwerk »Truth Social« schrieb Trump bereits im Juli, er werde Wahlbetrüger in einem noch nie dagewesenen Ausmaß verfolgen, sollte er erneut Präsident werden. Dass er 2020 selbst massiv Einfluss auf die Stimmauszählung nehmen und die offizielle Feststellung von Joe Bidens Wahlsieg verhindern wollte, erwähnt Trump nicht.  [….]

(SPON, 29.08.2024)

Wie kann man einen Modus Vivendi mit 70 Millionen Menschen finden, die einen hochkriminellen, radikal egomanen, rassistischen, sexistischen, extrem vulgären, chronisch lügenden Vergewaltiger anständigen Menschen, wie Biden oder Harris als Commander In Chief vorziehen?

Die begeistert einem grell geschminkten Geronten zujubeln, der über Behinderte herzieht und sich über Veteranen verächtlich macht?

[…..] Trump entweiht die Gräber gefallener Soldaten, nur um wieder im Mittelpunkt zu stehen.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat macht ein Nationalheiligtum zum Schauplatz eines unwürdigen Spektakels. Er spannt mit voller Absicht die trauernden Angehörigen von Soldaten ein, die in Afghanistan ums Leben kamen.

[…..] Zwischen den weißen Grabsteinen auf dem Arlington Cemetery, Symbol für die Kriegsnarben der Vereinigten Staaten, ließ er sich mit Angehörigen einer Gefallenen filmen. Politische Anlässe sind verboten auf dem Friedhof, Trumps Aufnahmen waren nicht genehmigt im Abschnitt 60, wo er einen Kranz niederlegte für Sergeant Nicole Gee. Die Marinesoldatin war eine von 13 Todesopfern der US-Truppen bei einem Bombenanschlag während des chaotischen Rückzugs aus Afghanistan. Einige Angehörige machen dafür Präsident Joe Biden verantwortlich. Trump versucht nun, auch dessen Vizepräsidentin Kamala Harris etwas anzuhängen.

Scheinheilig behauptet Trump, er habe nur trauernden Angehörigen beistehen wollen. Ausgerechnet er, der sich um den Militärdienst drückte, der sich über den republikanischen Kriegshelden John McCain lustig machte, weil der Vietkong diesen gefoltert hatte, und der Gefallene als Verlierer verhöhnte. Nun zieht Trump genüsslich die Kontroverse in die Länge, die um seinen Missbrauch eines Nationalheiligtums entbrannt ist. Zuerst veröffentlichte er Fotos, am Tag danach auch Videos, begleitet von empörten Rechtfertigungen, alles in der Hoffnung, den Abzug aus Afghanistan im Gespräch zu halten – den er selbst als Präsident in die Wege geleitet hatte. Die Episode belegt, dass Trump bereit ist, über Leichen zu gehen, zumindest über die Gräber der Gefallenen. Es wäre eine billige Pointe, hätte seine Selbstbesessenheit nicht schon zum blutigen Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 geführt.  [……..]

(Fabian Fellmann, 29.08.2024)

Der Trumpismus ist so viel mehr als Trump.

Wenn ihn die Kugel am 13.07.2024 tödlich getroffen hätte, wäre er als Präsidentschaftskandidat ausgeschieden, aber zum Märtyrer geworden. Seine zig Millionen Wähler wären noch fanatischer antiamerikanisch geworden. Die moralisch völlig verdorbenen Top-GOPer würden sich alle Mühe geben, sich seinen Jüngern als originalgetreuer Ersatz zu präsentieren.

Eigentlich gehören die 75 Millionen Trump-Wähler von 2020 in lebenslange Sicherheitsverwahrung. Aber dafür gibt es selbst in den USA nicht genug Gefängnisse.

Mittwoch, 28. August 2024

Keine echte Scham mehr, nirgends

Durch den Trumpismus wurde das Koordinatensystem der politischen Scham zerstört. Ich weiß gar nicht mehr, was ich noch fühlen soll, wenn Erdoğan die EU-Kommissionspräsidentin demonstrativ abseits sitzend platziert, wenn Putin europäische Staatsoberhäupter, wie Minderwertige am Ende Kilometer langer Tische hocken lässt oder eine amtierende EU-Außenministerin Karin Kneissl im Peinlich-Dirndl vor Putin auf die Knie sinkt.

Man schüttelt den Kopf oder lacht die Figuren aus.

Ich wurde am Ende der Schmidt- und am Anfang der Kohl-Jahre politisch sozialisiert. Natürlich gab es damals enorm viele Konservative in Deutschland, die CDU wählten und den dicken korrupten Pfälzer als Kanzler wollten. Aber selbst die härtesten SPD-Hasser und Schmidt-Gegner hätten ihm nie abgesprochen, international bella figura zu machen. Egal, auf welchem Kontinent Schmidt auftrat und welchen Staatschef er traf, man konnte immer beruhigt sein, daß er wie sein Vorgänger Brandt, einen guten Eindruck machen würde. Charismatisch, hochgebildet, polylingual. SPDler aus der Zeit konnte man bedenkenlos Reden vor einer amerikanischen Elite-Uni oder einem britischen College halten lassen. Man wußte, sie würden in geschliffenem englisch, in gut sitzenden Anzügen, intelligente Dinge sagen und die Nation nicht blamieren.

Als 1982 Kohl durch den hinterlistigen FDP-Verrat an die Macht kam, verspürten wir alle echte Scham. Es war, lange bevor der Begriff „Fremdscham“ aufkam, stets ZUM MITSCHÄMEN, wenn er auf Auslandsreisen ging. Er sprach lediglich Pfälzisch. Kein Wort englisch, musste immer einen Dolmetscher dabei haben. Er war nicht witzig, nur minimal gebildet, hatte diese unglückliche Birnenfigur und trug schlecht sitzende Anzüge. Wir litten mit, wenn er unterwegs war. Es kursierten Fettnäpfen-Karikaturen und tatsächlich leistete er sich Peinlichkeit um Peinlichkeit, so daß selbst seine konservative Amtskollegin Thatcher den Abgang des Sozis Schmidt beklagte.

Kohl schleppte Reagan auf einen SS-Friedhof, ließ Staatsgäste Saumagen fressen, blamierte sich in Polen mit dem Gang auf den Anaberg, schlug dem japanischen Kaiser mit seinen Riesenpranken auf die Schulter, zelebrierte Saunagänge mit seinen Männerfreunden und traf sich in ausgebeulter Strickjacke mit Gorbatschow, den er zuvor mit Goebbels verglichen hatte.

Ausgerechnet der deutsche Historiker Kohl redete so. Die vollen 16 Amtsjahre gruselte ich mich; sehnte mich nach Schmidt zurück, dem niemals so etwas Peinliches passiert wäre.

Es war nicht nur Kohl. Gelegentlich blamierten sich auch andere Konservative im Ausland. Man könnte es durchaus neudeutsch als konservativen „signature move“ bezeichnen, Deutschland international in Verlegenheit zu bringen. Insbesondere, wenn es um deutsche Vergangenheit ging. So begrüßte der CDU-Bundespräsident Heinrich Lübke 1962 bei einem Besuch in Liberia die Anwesenden mit „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“ und raunte der des Deutschen mächtigen Queen Elisabeth II. bei ihrem Staatsbesuch im Schloß Brühl vor einem Konzert „Equal goes it loose“ zu.

Kohls extrem eitler Außenminister Klaus Kinkel, manövrierte sich mit Brüllanfällen gegen Israel, ins Abseits.

[….] Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) hat Israel vor einer Belastung der Beziehungen zur Europäischen Union gewarnt. »Wenn Sie es nicht lernen, mit uns zu arbeiten«, drohte Kinkel vorvergangenen Freitag Avraham Primor, dem israelischen Botschafter in Bonn, dann werde es »zu einer echten Krise« kommen. Kinkel ist verstimmt, weil er bei der Unterzeichnung des Friedensabkommens Israels mit Jordanien am 26. Oktober als Vorsitzender des EU-Ministerrates keine Rede halten durfte. Deutschland und die anderen europäischen Länder, so der deutsche Außenminister zu dem Diplomaten, würden auf Bitten Israels ständig »die Kastanien aus dem Feuer holen«. Die Europäer finanzierten den Friedensprozeß im Nahen Osten »mehr als jeder andere«, ernteten dafür jedoch nur »Verachtung und Geringschätzung. So kann es nicht weitergehen«, empörte sich der Kanzler-Stellvertreter bei dem Botschafter. Besonders aufgebracht war Kinkel, weil sein russischer Kollege Andrej Kosyrew bei der Friedensfeier sprechen durfte. Rußlands Beitrag zum Friedensprozeß sei jedoch vergleichsweise dürftig gewesen. »Sogar die paar Rubel, die er hat, bekommt er von uns«, beschwerte sich Kinkel bei Primor, »und ihn ziehen Sie uns vor!« Die israelische Tageszeitung Maariv fragte vergangene Woche, ob Kinkel tatsächlich so »naiv und unsensibel« sei, sich nicht vorstellen zu können, »welches Schauern es in jedem Israeli hervorgerufen hätte«, wenn auf der Unterzeichnungszeremonie ausgerechnet »ein Vertreter Deutschlands eine Begrüßungsrede« gehalten hätte.  [….]

(SPIEGEL 1994)

Das war wirklich zum Mitschämen; ich bekomme heute noch eine Gänsehaut vor Grusel, wenn ich mich an die Episode erinnere.

Übertroffen wurde das allerdings 1994 noch vom CSU-Bundespräsidenten Roman Herzog, der ausgerechnet in Polen mit peinlichster Unkenntnis über die deutsche Schreckensherrschaft – die Deutschen hatten 1939-1944 jeden fünften Polen getötet – auffiel.

[….]  Eigentlich wollte Roman Herzog auch gar nicht über das Ausland sprechen, sondern über das Inland, über die Notwendigkeit, der jungen Generation in Deutschland jene Erfahrungen mit der Nazizeit zu vermitteln, die die Zeitgenossen so häufig „aus Schuld- und Schamgefühl“ verdrängt haben. Um diesem begrüßenswerten Ziel näherzukommen, bedarf es nach Herzog „neuer Sprachregelungen“. Hoffen wir, daß Herzog diesen der Praxis bürokratischer Normierung entlehnten Ausdruck weder wörtlich noch übertragen meinte, sondern einfach sagen wollte, daß wir die Schreckensgeschichte des Nazismus unsern Kindern auf lebendige und bewegende Weise näher bringen sollten. Hierzu also will Roman Herzog einen Beitrag leisten, durch einen Besuch in Warschau am 1. August, anläßlich des 50. Jahrestages des Aufstands.

Welches Aufstands? Daß unser Präsident bei Gelegenheit seines Besuchs „im Warschauer Ghetto sein will“, legt die Vermutung nahe, daß er den Warschauer Aufstand 1944 mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 verwechselt. In diesem Falle käme er ein Jahr zu spät. Ein solcher Besuch wäre auch nicht durchführbar, denn das Ghetto existiert nicht mehr. Was die Nazis von ihm übrigließen, fiel nach 1945 vollständig der Stadterneuerung zum Opfer. Falls der Präsident aber den Warschauer Aufstand von 1944 meint, so wäre der Besuch einer der nationalen Gedenkstätten naheliegend, die diesem Aufstand gewidmet sind.

Oder will der Präsident anläßlich des Gedenkens für den Warschauer Aufstand in besonderer Weise des jüdischen Widerstands gedenken? Tatsache ist, daß eine Reihe überlebender jüdischer Bürger Polens sich dem Aufstand von 1944 anschlossen — sie konnten das aber in der Regel nur tun, indem sie ihre Glaubenszugehörigkeit verleugneten. Der ganze Komplex des Verhältnisses von polnischem und jüdischem Widerstand ist im heutigen Polen zu kontrovers, so emotionsbeladen, daß die Stellungnahme eines deutschen Staatsgasts ungefähr das letzte ist, was dem deutsch- polnischen Verhältnis nottäte.   […..]

(taz, 01.06.1994)

Ich habe mich so geschämt für Deutschland. Das war auch einer der Hauptgründe über meine Freude der rotgrünen Regierungsübernahme 1998. Endlich konnte man wieder entspannt mitverfolgen, wie Schröder und Fischer im Ausland auftraten und Deutschlands Ansehen in der Welt enorm verbesserten. Insbesondere die intensiven Bemühungen, um den illegalen Angriffskrieg auf den Irak 2003 zu verhindern, sowie die Zwangsarbeiterentschädigung, wurden Deutschland nicht nur im Nahen Osten hoch angerechnet.

Ab Januar 2001 waren es die USA, die in Person von George W. Bush und Rumsfeld dieses schreckliche Mitschämen auslösten. Ich habe meine Mutter, die Amerika so sehr liebte und Bill Clinton verehrte, sogar einmal weinen gesehen, als GWB nach Europa reiste, um für den Krieg zu trommeln und dem spanischen KÖNIG Juan Carlos, der ihm am Flughafen begrüßte, entgegnete, er freue sich, in der REPUBLIK Spanien zu sein. GWB brachte es nach Lübke und Kohl wieder zur meisterhaften Fettnapf-Treffsicherheit und produzierte, wo er hinkam, Peinlichkeits-Skandale. So hielt er die in Mexiko gesprochene Sprache für „mexikanisch“ und fragte seinen Amtskollegen in Brasilien, ob sie eigentlich auch Schwarze hätten.

Die Regel war eigentlich, daß Außenminister, Präsidenten und Regierungschefs gebildet und so diplomatisch versiert waren, daß sie eben nicht peinlich auffielen, wenn sie außerhalb ihrer Landesgrenzen ihr Volk repräsentierten. Deswegen waren "I know the human being and fish can coexist peacefully"-GWB und Saumagen-Kohl so ungeheuer peinlich und auffällig.

Aber eine Generation weiter, nachdem uns Internet und Social Media so verblödet haben, daß überall auf der Welt die groteskesten Clowns in die Regierung gewählt werden, wäre ein tobender Kinkel kaum noch eine Meldung wert.

Das Mitschämen ist zum Dauerzustand nivelliert. Erdoğan, Berlusconi, Duterte, Bolsonaro, Trump, Johnson sind permanente Realität. Als professionelle Tabubrecher, unterbieten sie sich täglich selbst. Zudem lauern überall noch schlimmere rechtsextrem debilisierte Lautsprecher, die ebenfalls vom Urnenpöbel umjubelt werden.

Die ungeheuerlichen Entgleisungen Sahra Sarrazins und Höckes, sind so alltäglich, daß man sich an die NS-Anleihen gewöhnt und gar nicht mehr nachfragt, ob sie aus Bösartigkeit oder Dummheit ihren Unsinn von sich geben. Wagenknecht liebt Putin und hasst Israel. So viel ist klar. Aber lügt sie bewußt über Gaza und die Ukraine, um ihre rechtspopulistischen Wähler aufzuhetzen, oder weiß sie als Deutsche wirklich nicht besser, was ein „Vernichtungskrieg“ ist?

Schämt sie sich denn gar nicht, ausgerechnet wenige Tage vor den Wahlen in zwei Bundesländern, die erstmals eine relative faschistische Mehrheit in zwei Landtage bringen könnten, einen Krieg mit dem Zentralrat der Juden anzuzetteln?

Was ist das nur für ein moralisch völlig verkommenes Weib?

[….] Das Grauen, das Hitlerdeutschland 1941 gegen die Sowjetunion entfesselte, nennen die Historiker heute Vernichtungskrieg. Er war nicht, nach dem preußischen Militärtheoretiker Clausewitz, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Er war das Ende jeder Politik, ein Wahnsinn mit Methode; sein Ziel war eine rassistisch motivierte, völlige Zerstörung von Staat und Gesellschaft durch Massenmord und Versklavung, er begleitete den Holocaust, die Ermordung von sechs Millionen jüdischer Menschen.

Dennoch wird der historisch so schrecklich klar belegte Begriff inflationär in Debatten über heutige bewaffnete Konflikte gebraucht. Putins Russland führt in der Ukraine einen verbrecherischen Angriffskrieg, seine Armee begeht entsetzliche Kriegsverbrechen. Netanjahus Israel hat auf das antisemitische Pogrom der Hamas mit einem Feldzug geantwortet, der jenseits legitimer Selbstverteidigung Tausende ziviler Todesopfer forderte und weiterhin fordert. Aber keiner von beiden Kriegen ist ein Vernichtungskrieg im Sinne des Zivilisationsbruches durch die Nazis. Es ist nicht anzunehmen, dass Sahra Wagenknecht das nicht weiß, wenn sie Israel einen „Vernichtungsfeldzug“ gegen die Palästinenser vorwirft.

Die Frontfrau des nach ihr benannten Bündnisses BSW würde dergleichen selbstredend niemals über Putins Krieg sagen, für den sie gern so viele Entschuldigungen vorbringt. Den Begriff gegenüber dem jüdischen Staat zu verwenden, ist eine kalkulierte Geschmacklosigkeit, für die sie der Zentralrat der Juden in Deutschland völlig zu Recht kritisiert, [….]

(Joachim Käppner, 28.08.2024)

Dienstag, 27. August 2024

Dreiste CDU-Parteipolitik

Friedrich Merz ist nicht an sachorientierter Politik interessiert.

Er will kein gutes Leben für seine Landsleute.

Er ordnet seinem persönlichen Machtstreben alles unter. 

Merz verbreitet rechtspopulistische Lügen, statt an Lösungen zu arbeiten.

Ginge es um Abschiebungen, hätte man das nach bisherigem Recht tun können.

[….] Warum wurde Issa al H. nicht abgeschoben?

Im Februar 2023 liegt die Akte von Issa al H. beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). H. soll nach Bulgarien überstellt werden. Dort ist er erstmals in der EU registriert worden von der Polizei, dort soll auch sein Asylverfahren laufen. So sieht es das EU-Recht vor. Innerhalb von wenigen Wochen antworten die bulgarischen Behörden nach Informationen unserer Redaktion: Sie nehmen Issa al H., kein Problem. Das Bamf stellt den Abschiebebescheid aus, zuständig für H.s Überstellung nach Bulgarien ist damals die Ausländerbehörde in Bielefeld. Doch am Tag der Abschiebung treffen Mitarbeitende der Behörde Issa al H. nicht in seiner Unterkunft in Paderborn an. Sie ziehen wieder ab. Warum die Ausländerbehörde nicht ein zweites Mal versucht, Issa al H. abzuschieben, bleibt unklar. Eine Erklärung kann sein: Die Organisation von Flug, Begleitung durch Bundespolizisten und die Absprache mit den bulgarischen Behörden dauert zu lange. Nach sechs Monaten, im Sommer 2023, endet die Frist für die Überstellung. Issa al H. geht in ein „nationales Asylverfahren“ über, das Bamf erteilt dem Syrer einen „subsidiären Schutzstatus“. Er ist nun legal in Deutschland. Er zieht nach Solingen in eine Aufnahmeeinrichtung.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat Aufklärung angekündigt. Abschiebungen sind Ländersache, die lokalen Behörden vor Ort verantwortlich. Die Frist von sechs Monaten kann laut EU-Recht auf 18 Monate verlängert werden, wenn eine Person „abgetaucht“ ist. Doch offenbar gab es hierfür keine Hinweise. Auch wenn Issa al H. am Tag seiner geplanten Abschiebung nicht in seiner Unterkunft gewesen ist, soll er laut Medienberichten dort gelebt und auch regelmäßig dort gewohnt haben.  […..]

(WAZ, 27.08.2024)

Die betroffenen Städte, Bielefeld, Paderborn und Solingen liegen alle im Bundesland NRW, welches seit 2017 von der CDU mit dem für Abschiebungen zuständigen CDU-Innenminister und Hardliner Herbert Reul regiert wird, der seit 30. Juni 2017 amtiert.

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz stammt aus Brilon, ebenfalls in NRW, blickt durch die parteipopolistische Brille und erkennt also, wer in diesem Fall die Schuld an der nicht stattgefundenen Abschiebung hat: Die SPD natürlich!

Der SPD-Bundeskanzler agiert wie immer nüchtern und sachorientiert.

Auch nach den widerlichen AFDesken Attacken der christdemokratischen Hetzer, bemüht er sich konstruktiv um Lösungen, damit so ein Versagen, wie das der CDU in NRW nicht mehr vorkommt. Merz hingegen palavert zur Freude des brauen Ossi-Pöbels von Tabubrüchen, Vertragsbrüchen, Rechtsbrüchen und Demokratiebrüchen – alles solle nun möglich sein.

[….] Der Kanzler findet es grundsätzlich richtig, dass der Oppositionsführer in dieser Frage Zusammenarbeit anbietet. "Aber genau so richtig ist, dass wir das machen entlang der Prinzipien, die für die Demokratie und die Art und Weise, wie wir dieses Land miteinander gestalten, wichtig sind", sagt Olaf Scholz bei einem Wahlkampfauftritt in Jena. "Es gelten unsere internationalen Verträge. Es gelten die Regeln der Europäischen Union. Es gilt das, was unser Grundgesetz uns vorschreibt." Praktische Vorschläge seien willkommen, betont der Kanzler. Tabubrüche aber, wie Merz sie andeutet - das wird deutlich - fallen für ihn nicht in diese Kategorie. Die Abschiebung von Straftätern nach Syrien und Afghanistan, daran arbeite die Bundesregierung bereits: "Da gibt es jetzt ja diejenigen, die schnelle Sprüche haben: 'Muss man einfach machen.' Aber wir wissen, dass das harte Arbeit ist."

Davon, dass ihm das Land entgleite - wie Merz behauptet -, will der Kanzler nichts wissen. Er gibt sich in Jena kämpferisch: "Und statt der Sprücheklopfer und der Dahinten-Reinrufer haben wir sogar gehandelt: Mit ganz vielen Gesetzen haben wir die Grundlage dafür geschaffen, dass die Zahl derjenigen, die irregulär nach Deutschland kommen zurückgegangen ist. Und wir wollen den Pfad fortsetzen."  [….]

(Tagesschau, 27.08.2024)

Merz hingegen beharrt auf Maßnahmen, die ohnehin rechtlich nicht durchsetzbar sind und schürt damit noch mehr Hass und Wut bei den Wählern in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Er hetzt das Volk vorsätzlich auf, weil er ein bösartiger, verantwortungsloser und egomaner Spaltpilz ist, der niemals Regierungsverantwortung erlangen darf.

Merz und die Abschiebung sind wie Trump und die von ihm verhinderte „border bill“.

Die beiden Rechtspopulisten werfen der eigenen Regierung Knüppel zwischen die Beine, weil sie sich danach sehnen, den faschistischen Mob noch mehr in Wallung zu bringen.

[…..]  Nach dem Attentat von Solingen bietet CDU-Chef Friedrich Merz Bundeskanzler Olaf Scholz Zusammenarbeit an – beschimpft ihn und seine Regierung aber gleichzeitig. Das klingt nicht nach einer ernsthaften Offerte, sondern nach Wahlkampf. [….]  Und es ist so schön einfach, als Opposition der regierenden Konkurrenz Versagen vorzuwerfen – wohl wissend, dass Forderungen schöner klingen, wenn man rechtliche, finanzielle, personelle und Zuständigkeitshürden nicht erwähnt.

CDU-Chef Friedrich Merz hat sich offenbar klar für Wahlkampf entschieden. Wie ein ernst gemeintes Angebot zur Zusammenarbeit klingt es jedenfalls nicht, wenn er die Regierung zum gemeinsamem Handeln auffordert, der Gegenseite aber Worthülsen, Sprüche und „dumme Redensarten“ vorwirft und vor wie nach einem Treffen mit Scholz dessen Regierungskraft anzweifelt.

Es ist ein ähnliches Vorgehen wie Ende 2023, als Merz eine Zusammenarbeit mit der Regierung nach einem Treffen mit Scholz für unmöglich erklärte – auch weil dieser verständlicherweise nicht seine Koalition opfern wollte. Wie damals ist auch jetzt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern entscheidend, etwa, wenn es darum geht, Abschiebungen effektiver zu machen. Merz bleibt die Pose. Der Sache hilft persönliche Befindlichkeit und Parteitaktik nicht. [….]

(Daniela Vates, RND, 27.08.2024)