Es ist inzwischen eine Binsenweisheit: Die Konservativen in den USA haben mit Donald Trump die letzten Rudimente ihrer Programmatik über den Haufen geworfen.
Amerikaner töten, an Russland ranwanzen, die NATO lächerlich machen, mit Kim Yong Un kuscheln, Staatsdefizit in nie dagewesene astronomische Höhen treiben, Sex-und Pornoskandale, öffentliche Untreue, Freihandelsabkommen kündigen und den Warenverkehr mit immer neuen Zöllen blockieren – all das waren über Jahrzehnte die in Stein gemeißelten Todsünden republikanischer Politik.
Nun bejubeln sie all das, weil es ihr Führer tut. Rechte kennen keine Sachpolitik mehr, sondern nur noch Hass auf die anderen. Es muss also das getan werden, was Linke/Demokraten/Liberale nicht wollen.
Europäische Autokraten kopieren diese politisch (leider) erfolgreiche Strategie der Dekonstruktion. Es wird keine aufbauende Idee mehr präsentiert, keine Zukunftsplanung mehr entworfen, sondern nur noch rekapituliert, wogegen man ist, wen man hasst und was man zu verhindern trachtet.
Es ist nämlich einfacher Wähler zu gewinnen, weil man die gleichen Dinge hasst, als skeptische Menschen von einer positiven Idee zu überzeugen.
Wieso hassen aber FN-Franzosen, Pis-Polen, Fidesz/Jobbik-Ungarn,
Tory/UKIP-Briten, AFD/Wagenknecht-Deutsche, GOP-Amis, AKP-Türken neuerdings so
viel und offensiv?
Der Hass speist sich in fast allen Fällen aus Angst, Unwissenheit und gekränktem Selbstbewußtsein.
Die weltweite Bürgerrechtsbewegung hat den einst so stolzen Konservativen das Rückgrat gebrochen. Über Jahrhunderte konnten sie den Planeten durch Zufälle der Geburt (Geschlecht, Nationalität, Hautfarbe) dominieren.
Nun wird aber die aus ihrer Sicht natürliche Überlegenheit in Frage gestellt, weil sie lästigerweise all die Menschen, die man immer ohne Gewissensbisse ausnutzen und ausbeuten konnte, respektieren sollen.
Frauen, Schwule, Schwarze, Migranten, Queere, Umweltaktivisten, Sklavenbefreier, Klimaschützer, Feministinnen, Humanisten, Tierschützer, Greenpeace, UNHCR, Robin Wood, Sea-Shepherd, Oxfam, AI, Ärzte ohne Grenzen, Sea-Watch, Extinction Rebellion, Kinderschutzbund, Zentralrat der Juden, SIPRI und viele andere mehr stehen für eine Bedrohung der alten konservativen Weltordnung.
Die Rechten haben Angst vor den Rechten der anderen.
Intellektuell hoffnungslos damit überfordert, sich auf eine multipolare Welt einzustellen, in der neben ihrem eigenen Lebensmodel nicht nur Weitere existieren, sondern man diese auch noch respektieren soll, reagieren sie mit angstbeißen.
Migranten, Schwule, Frauen und Kinder gab es natürlich schon immer. Aber über Jahrhunderte hatten die sich unterzuordnen und öffentlich nicht in Erscheinung zu treten.
GOPer in Texas und Alabama haben nicht unbedingt etwas gegen Latino-Migranten, wenn diese still und artig zu Hungerlöhnen hinter ihnen her putzen, auf den Feldern ernten und ihren Rasen mähen. So wie damals die afroamerikanischen Sklaven auf den Baumwollfeldern.
Wenn sie aber in den Colleges auftauchen, im TV sichtbar werden, Kino-Rollen übernehmen, in Parlament gewählt werden, es sogar zum US-Präsidenten bringen, herrscht bei den Rechten Alarmstufe Rot, weil jeder einzelne eine Bedrohung ihrer exklusiven Welt darstellt.
Das ist der Kern der #MAGA-Bewegung. Die USA soll wieder so werden wie 1950, als Bunte, Queere, Arme, Ausländer nichts zu sagen hatten. Jede einzelne dieser Eigenschaften, die einen Menschen anders als den heterosexuellen, weißen, rechten, westlichen Mann machen, stellt einen eigenen Trigger dar, der erst Angst und dann Hass auslöst. Kommen mehrere Trigger zusammen, können Konservative ihren Hass nicht mehr zügeln. Staatssekretärin Chebli ist ein Paradebeispiel dafür und regt CDU, CSU und AFDP fürchterlich auf.
(….) Diese Leute, die David Bergers, NeverforgetNikis, Jürgen Elsässers, Hildmans, Kubischecks, Stürzenbergers, van Laacks, Lengsfelds verfügen über einen unendlichen Vorrat von Hass und Häme. Die Hetze sprudelt jeden Tag wieder neu aus ihnen heraus und jeder kann ein Opfer dessen werden. Insbesondere auch diejenigen, mit denen sie eben noch Seite an Seite standen. Die Hetze trifft aber nicht jeden gleich intensiv. Sie haben eine Handvoll „Lieblinge“, die sie über alle Maßen triggern, wenn nämlich viele verschiedene Trigger in einer Person vereint sind.
Zu den Personen, deren Namen nur erwähnt werden muss, um diese rechtsextremen Hetzer pawlowsch zu sabbern und knurren zu bringen gehören George Soros (reich, liberal, Jude, Trump-Gegner, Philanthrop), Claudia Roth (Grün, Frau, bunte Kleidung, LGBTI-freundlich, Menschenrechtsaktivistin), Sawan Chebli (SPD, Frau, Muslima, ärmliche Herkunft, Aufsteigerin), Anetta Kahane (Jüdin, links, Aktivistin, Einsatz für Migranten) und Greta Thunberg (jung, Frau, unangepasst, Klima).
Es sind also insbesondere Frauen, auf die neben den wirklich gefährlichen oben genannten Hetzern auch die bekannten publizistischen Figuren des rechten Randes der Demokratie, also Maaßen, Tichy, Matussek, Broder, Sarrazin, losgehen wie ein Knallfrosch im Nitroglycerin-Bad.
Das lässt sich zweifellos psychologisch mit einer tief verunsicherten Männlichkeit erklären; diese alten konservativen Männer fühlen sich bedroht, wenn eine Frau sich nicht gehorsam in die zweite Reihe einordnet, womöglich aus eigener Kraft gegen Widerstände Karriere macht und auch noch selbstbewußt auftritt.
(…..) Sawsan Chebli, 40, geboren in Berlin, ist dafür ein Paradebeispiel.
Sie ist Tochter palästinensischer Flüchtlinge, die lange Zeit in Deutschland nur geduldet wurden und sich als Staatenlose vieler Rechte beraubt durchschlugen. Erst mit 15 Jahren bekam Chebli ihren ersten Pass – und damit die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit zehn Geschwistern hauste sie in einem Moabiter Zimmer; insgesamt waren sie 12 arme, ungebildete Kinder. Erst in der Schule hörte sie das erste mal deutsch. Die Chancen standen katastrophal schlecht.
Aber sie ist schlau. Was dann folgte ist nicht das typische
Flüchtlingsschicksal:
1999 Abitur am Lessing-Gymnasium.
2004 Abschluss an der FU Berlin als Diplom-Politologin und Expertin für internationale Beziehungen.
2010 bis 2014 war sie Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport
2014 bis 2016 stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts.
2016 ist sie Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund.
2016 Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales.
Man ahnt schon, Chebli passt nicht gut in Schubladen. Sie ist überzeugte Muslimin, aber säkular, trägt kein Kopftuch, macht Karriere als deutsche Beamtin. Sie engagiert sich in der SPD, tritt für Frauenrechte ein, hält aber ihr Privatleben radikal aus der Öffentlichkeit fern. Im Vergleich zu vor Selbstbewußtsein platzenden Politikern des Schlages Spahn, Söder oder Altmaier ist sie scheu und unauffällig.
Aber im Gegensatz zu vielen deutschen Karrierepolitikerinnen ist sie nicht auf den Mund gefallen, vertritt ihre Meinungen auch dort wo es wehtut und inszeniert ganz gern mal ihren Erfolg.
Meiner Ansicht nach ist es das Normalste der Welt, daß eine Frau mit dem Hintergrund zwischen Zurückhaltung und Vorlautheit mäandert. Ihre Kollegen sehen das scheinbar nicht so; sie wird leidenschaftlich gehasst dafür, daß man sie so schlecht einordnen kann.
[….] Viele ehemalige Kollegen verdrehen bei Erwähnung ihres Namens mindestens die Augen. Chebli erregt Misstrauen, Abneigung, Wut, Neid. Als sie vor eineinhalb Jahren als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement ins Berliner Rote Rathaus wechselte, gingen bei ihr Morddrohungen ein. Im Netz wurde sie als "trojanisches Pferd der Muslimbrüder" bezeichnet und als "Migranten-Aschenputtel" beschimpft. [….]
Zu allem Übel ist die zierliche Staatssekretärin auch noch attraktiv und zieht sich gern sehr schick an. Weißhaarige Alpha-Männer mit Testosteronüberschuss verwirrt das. Sowas kennt Seehofer nicht aus Bayern. (…….)
Ein weiterer Multi-Trigger der verängstigen rechten Kleingeister ist der LINKE Bundestagskandidat Shoan Vaisi.
[…..] In Iran gehöre ich der Minderheit der Kurden an, was allein schon zu Konflikten mit dem Staat führt. Ich bin seit meiner Jugend politisch aktiv, habe mich vor allem für die Rechte von Minderheiten und Frauen eingesetzt. Direkt nach dem Abitur wurde ich wegen meines politischen Engagements vom Staat verfolgt. Am Ende hatte ich die Wahl: Entweder ich würde für viele Jahre in Iran ins Gefängnis gehen und gefoltert werden, oder ich verlasse das Land. So bin ich dann zu Fuß in die Türkei gelaufen und schließlich in Deutschland gelandet. Schnell habe ich mich hier bei den Linken engagiert. In Iran gehörte ich ebenfalls einer linken Gruppierung an. […..]
(S. Vaisi, Spiegel-Interview, 02.04.2021)
Links, Flüchtling, Kurde, Iran – da kommt so einiges zusammen, um Rechte dazu zu bringen mit den Zähnen zu klappern und sich sofort einzunässen.
[……] Shoan Vaisi kandidiert für den Bundestag – „Alptraum“ der Rechten[……] Tareq Alaows wollte eigentlich im September für die Grünen in den Deutschen Bundestag einziehen. Doch als Geflüchteter, der 2015 aus Syrien nach Deutschland kam, zog er derart viel Hass auf sich, dass er im März den Rückzug seiner Kandidatur bekannt gab. Als Grund führte er damals „die hohe Bedrohungslage für mich und vor allem für mir nahestehende Menschen“ auf. Für viele war Alaows’ Rückzug ein Schock. Auch für den Essener Shoan Vaisi. Doch er fühlte sich dadurch auch angespornt. Nach dem Motto: Jetzt erst recht. „Zwei Tage nach Alaows’ Rückzug habe ich meine Kandidatur für den Bundestag bekannt gegeben“, erzählt der 31-Jährige. [……] „Die Aufmerksamkeit hat mich positiv überrascht“, sagt Vaisi, der sich in den zehn Jahren seit seiner Ankunft in einem Erstaufnahmelager im hessischen Gießen ein extrem flüssiges Deutsch erarbeitet hat. Überrascht habe ihn, obwohl damit ja leider zu rechnen war, aber auch der Hass, der ihm entgegenschlägt. [……] Auf Twitter hat Vaisi deshalb zum Thema Hass eine markante Botschaft veröffentlicht: „Die Drohungen gegen Alaows haben gezeigt, wie erschreckend die Vorstellung, dass ein Geflüchteter im deutschen Bundestag sitzt, für die Rassisten in Deutschland ist. Ich möchte ihren Alptraum wahr werden lassen.“ [……]
(Fabian Scheuermann, FR, 03.07.2021)
Tja, liebe Nazis, mögen Menschen wie Vaisi weiterhin so mutig sein, unsere Kultur und Gesellschaft bereichern, auf daß Ihr braunes Gesochs stets die Hosen voll habt!
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