Sonntag, 28. Februar 2021

Sarrazin 2.0

Unglücklicherweise hat die SPD wieder einen wunderlichen gerontigen bärtigen Berliner Brausekopf in ihren Reihen, der immer mehr in rechts-bösartige Abwege abdriftet.

Außer mir wagt niemand nach einem Parteiordnungsverfahren nach § 35 des Parteiordnungsstatuts zu fragen, weil das bekanntlich die schärfste Waffe einer Partei ist.

Aber der Fall Sarrazin hat gezeigt wie extrem schädlich es ist, wenn die Parteiführung zu vorsichtig und unprofessionell mit solchen zunehmend abstoßenden Opas umgeht.

Die längerfristigen Parteibindungen werden immer schwächer. In der flüchtigen Social-Media-Welt mit eine Großzahl nur minimal informierter Wähler, kann ein abschreckender Pöbel-Pascha sehr viel mehr Schaden anrichten, als 1.000 engagierte Parteimitglieder an der Basis Gutes tun können.

 [….] § 35  Parteiordnungsverfahren

(1) Gegen ein Mitglied, das gegen

1. die Statuten oder

2. die Grundsätze oder

3. die Ordnung der Partei verstößt,

kann ein Parteiordnungsverfahren durchgeführt werden. Gegen die Grundsätze der SPD verstößt insbesondere, wer das Gebot der innerparteilichen Solidarität außer Acht lässt oder sich einer ehrlosen Handlung schuldig macht. Gegen die Ordnung der Partei verstößt insbesondere, wer beharrlich Beschlüssen des Parteitages oder der Parteiorganisation zuwider handelt.

(2) In dem Parteiordnungsverfahren kann erkannt werden auf:

1. die Erteilung einer Rüge,

2. die zeitweilige Aberkennung des Rechts zur Bekleidung einzelner oder aller Funktionen (§ 11 Abs. 1) bis zur Dauer von drei Jahren,

3. das zeitweilige Ruhen einzelner oder aller Rechte aus der Mitgliedschaft bis zur Dauer von drei Jahren,

4. den Ausschluss aus der Partei. […..]

(SPD Organisationsstatut)

Wir können es uns in den 20er Jahren des dritten Jahrtausends bei demoskopischen Werten deutlich unter Raumtemperatur nicht mehr leisten, alternde Problemfälle aus missverstandener Solidarität mitzuschleppen.

Auch wer über Jahrzehnte hauptberuflich für die Sozialdemokratie engagiert war, darf keinen Freibrief dafür bekommen mit antihumanistischen Ekeligkeiten ganze Bevölkerungsgruppen zu beleidigen und damit zur Inkarnation des Wahlausschlusskriteriums zu werden.

Natürlich gibt es in der SPD viele Meinungen, die mir nicht gefallen.

Als Mitglied muss ich hinter den Grundwerten des Parteiprogramms stehen und mehr als 51% der aktuellen Politik mittragen.

Parteien sind heterogene Gebilde, in der politische Meinungsbildung stattfindet.

Unter 420.000 Mitgliedern sind naturgemäß auch Zahllose, die andere Auffassungen als ich vertreten. Es wäre absurd anzunehmen, hunderttausende Menschen stimmten in jeden Unterpunkt jedes Spiegelstrichs der SPD-Bürgerversicherungspläne überein.

Aber es gibt die großen Linien, die nicht überschritten werden können.

Wir akzeptieren keinen Sexismus, keinen Antisemitismus, keine Xenophobie, keine Homophobie, keine Kriegstreiberei und keine unsolidarischen Konzepte.

Wer Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihres Portemonnaie-Inhalts oder sexueller Orientierung abwertet, muss sich bei AfD oder FDP umsehen; hat aber keinen Platz in der SPD.   Ein Parteiordnungsverfahren bietet eine ganze Klaviatur von Maßnahmen; keineswegs steht am Ende immer ein Parteiausschluss.

Außerdem sind wir Menschen, denen auch mal etwas Unsinniges oder Beleidigendes rausrutscht. Man kann um Entschuldigung bitten, Besserung geloben, so daß keineswegs der Stab über einem gebrochen werden muss.

Wenn man aber wie Wolfgang Clement hartnäckig über Jahre die soziale Grundausrichtig der Partei bemäkelt und schließlich mit all seiner Prominenz zur Wahl einer Konkurrenzpartei aufruft, schädigt man offensichtlich die SPD.

Thilo Sarrazin hatte als Berliner Finanzsenator immer schon provokante Sprüche gegen die Berliner Behäbigkeit rausgelassen, machte aber eine hervorragende Fachpolitik.

Von meiner Zeitungskioskfrau ließ ich mir 2009 extra die Ausgabe der Kulturzeitschrift "Lettre International" besorgen, weil ich genau den Zusammenhang verstehen wollte, in dem Sarrazin darüber ätzte „kleine Kopftuchmädchen“ zu „produzieren“.    Das war aber leider eindeutig. Ab dem Zeitpunkt hatte er nichts mehr in der Partei verloren und wie wir heute wissen, wurde es in den nächsten elf Jahren immer schlimmer. Heute ist das Ex-SPD-Mitglied eine Ikone der AfD.

Beim ehemaligen stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden und ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse gibt es bedauerlicherweise ebenfalls ein Muster.

Wir Wessis haben den Zottelbart ab 1989 dafür bewundert in der DDR opponiert zu haben, die Ost-SPD mitaufgebaut zu haben.

Na gut, er war Katholik, aber war die Kirche in Ost-Berlin nicht eine verständliche Schutzmaßnahme gegen die SED?

Regine Hildebrandt, die ich bis heute bewundere, kommt schließlich auch aus einem kirchlichen Widerstandsmilieu.

Thierse hatte zwar diese meiner Ansicht nach abstoßende ungepflegte Optik, aber auch das war ich bereit als DDR-Widerstands-Mode zu akzeptieren, zumal er sprachlich als echter Germanist außerordentlich gepflegt wirkt.

Er kennt die Bedeutung seiner Worte, spricht nahezu druckreif und gleitet nicht in inhaltslose Floskeln ab.

Ich mag gebildete Politiker. Thierse engagiert sich gegen Rechtsradikalismus; auch das ist eine meiner persönlichen Kernanliegen, so daß ich über Strubbelbart und Frömmelei hinwegsehen kann.

Thierse wird rabiat, wenn er es mit Säkularismus zu tun bekommt, so wie beispielsweise im Jahr 2010, als sich säkulare Sozis organisieren wollten.

(…..) Der vorbildliche Redner und Bürgerrechtlicher Thierse hat leider auch eine dunkle Seite - und damit meine ich nicht den grotesken Zottelbart.
Er ist überzeugter Katholik und auf Männer von der Pädo-Fraktion in den roten Kleidern läßt er nichts kommen.
Thierse unterstützte das berüchtigte „Pro-Reli“-Volksbegehren in Berlin, obwohl die Initiatoren reichlich logen und falsche, diffamierende Behauptungen ausstreuten.
Die Initiative ging so hanebüchen vor, daß sogar eine Gruppe „Christen pro Ethik“ entstand, weil sie die dreisten Lügen der „Pro-Reli“ -Bande, die Schüler separieren und ausgrenzen wollte, nicht unterstützen mochten.

Das ist eben immer dasselbe mit Christen - auch wenn die noch so sympathisch erscheinen mögen- irgendwann kommt doch ihre hässliche Fratze zum Vorscheinen.

Thierse zeigte sein wahres Bürgerrechtsgesicht spätestens als sich die lobenswerte Initiative „Laizisten in der SPD“ zusammenfand.
Einige hundert Sozis wollen im Oktober 2010 einen offiziellen innerparteilichen Arbeitskreis gründen.

Die neue Gruppe hat die Unterstützung mehrerer Bundestagsabgeordneter, darunter sind Carsten Schneider aus Erfurt, der frühere Staatsminister Rolf Schwanitz und die rheinland-pfälzische Abgeordnete Doris Barnett. Auch der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig und die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorstandssprecherin der KfW-Bankengruppe, Ingrid Matthäus-Maier, haben sich angeschlossen.

Gründer Nils Opitz-Leifheit begann vor einem Jahr Interessierte zu sammeln:   […..] […..]
Die Positionen des künftigen Arbeitskreises sind allesamt lobenswert.

Ich hoffe, daß ich die Umsetzung noch erleben werde.
Dabei werden bloße Selbstverständlichkeiten angemahnt, die ohnehin laut Grundgesetz geboten sind.
Gesetze und öffentlicher Raum müssen neutral bleiben. Neutrales öffentliches Bildungswesen. Abschaffung von Rechtsprivilegien, Steuerprivilegien und Finanzprivilegien der Kirchen. Gleiche Mitarbeiterrechte. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist kein Kirchenfunk, etc.

Das ist zu viel für Thierse.
Er, der Sprecher des Arbeitskreises "Christinnen und Christen in der SPD" möchte offenbar lieber einen Kirchenstaat à la Vatikan - auch wenn das mit dem Grundgesetz nicht zu machen ist.
Und mit der germanistischen Contenance ist es auch vorbei.
Nicht nur, daß er die Positionen der Laizisten inhaltlich ablehnt; nein, ginge es nach Thierse dürften die sich noch nicht mal zum Diskutieren treffen.
Rede - und Gedankenfreiheit auf Wiedersehen!

"Das Programm der Laizisten ist das Programm eines kämpferischen Atheismus", sagte er dem Abendblatt. "Ich warne die SPD davor, zu einer atheistischen und antireligiösen Partei zu werden."
Thierse […] sieht die Gefahr einer "künstlichen Distanz" durch das Laizisten-Programm. "Die SPD hat mit den beiden großen Kirchen immer in einem freundlich-sachlichen Verhältnis zusammengearbeitet. Dieses Verhältnis sollte unbedingt beibehalten werden."
(Nina Paulsen. 17.08.10)

Da biegen sich mir die Fußnägel hoch!
Wie kann man nur so einen Unsinn reden? (….)

(Ein netter Sozi?, 24.08.2010)

Seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013, wird der heute 77-Jährige Katholik aber immer verbiesterter.

Er wirbt nicht etwa nur für seine Glauben, sondern dreht den Spieß um, indem er zunehmend Ungläubige attackiert.

Dabei ist er wenig zimperlich und verbreitet erschreckende Lügen.

Es ist womöglich altersbedingt, aber es ist sehr auffällig wie er von Jahr zu Jahr immer intoleranter wird und aggressiv gegen Nicht-Katholiken austeilt.

Genau das ist aber der Bereich, der eben nicht mehr mit den SPD-Grundsätzen vereinbar ist.

Wir sind tolerant und dreschen nicht mit dem verbalen Holzhammer auf Ketzer ein.

Auch Andrea Nahles ist Katholidiotin wie Thierse. Auch sie geht mit ihrem Glauben hausieren, aber sie teilt nicht bösartig gegen Konfessionsfreie aus.

Wer es wagt das Karfreitags-Tanzverbot zu kritisieren, bringt Thierse sofort zur Weißglut.

(…..) Statt aber ihre Privilegien zu genießen, so lange sie bestehen, bemühen sich Kirchisten glücklicherweise unfreiwillig selbst darum diese zu schleifen, indem sie mit besonders dümmlichen und rücksichtslosen und arroganten Aussagen vorpreschen.

Hardcore-Katholik Wolfgang Thierse ist dafür immer gut, der auch diese Woche mal wieder eifrig damit beschäftigt war seiner Partei und seiner Kirchen möglichst stark zu schaden.

[….] Tanzverbot-Streit in der SPD: Thierse kontert Kühnert scharf

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die Forderung von Juso-Chef Kevin Kühnert kritisiert, das Tanzverbot an Karfreitag abzuschaffen.   Er sei erstaunt darüber, was Kühnert für wichtig halte und welche Interessen er bedienen wolle, sagte Thierse den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Donnerstag. "Bisher wusste ich nicht, dass die SPD eine Spaßpartei ist", sagte Thierse. Der 75-Jährige ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.    Kühnert hatte gefordert, das Tanzverbot am Karfreitag abzuschaffen. Er würde keine Party in einer Kirche anmelden, sagte Kühnert. Doch "wer an dem Tag in die Disko gehen will, sollte das auch tun können". Die Entscheidung, an Karfreitag feiern zu gehen, müsse jedem selbst überlassen werden.   Auch die Jungen Liberalen in Hamburg sprachen sich dafür aus, das Tanzverbot abzuschaffen. Es sei "ein Relikt aus vergangenen Tagen", erklärten sie am Donnerstag. Wer Karfreitag in Stille verbringen wolle, könne sich gegen das Feiern entscheiden. Dem Rest der Bevölkerung müsse es aber möglich sein, an diesem freien Tag zu tun, worauf er Lust habe. [….]

(Münchner Merkur, 19.04.2019)

Danke Thierse für diesen effektiven Versuch die SPD weiter in die Einstelligkeit zu treiben.

Dies wäre eigentlich die Stunde einer funktionierenden Parteiführung das senile Relikt zurück zu pfeifen, aber bekanntlich sitzt im Chefsessel ja auch eine Hardcore-Religiotin.

(…..) noch unsanktioniert vom Staat Jugendliche sexuell missbrauchen und anschließend den Täter schützen, fügen sich die deutschen Volksvertreter anachronistischen Absurditäten wie dem österlichen Tanzverbot oder Filmverbot.

Darf am Karfreitag, wenn ChristInnen der Kreuzigung Jesu Christi gedenken, getanzt werden? Nein, sagt das Gesetz in vielen deutschen Bundesländern.

(taz 05.04.2012)

Als Angehöriger der 99%-Mehrheit der Hamburger, die nie zum Gottesdienst gehen, fordere ich ein Bet-Verbot an allen Nicht-Ostertagen.   Die Gebete von messianischen Pröbstinnen stören mein humanistisches Empfinden nämlich genauso sehr, wie es den Glauben der praktizierenden Hamburger Christen stört, wenn ich am Karfreitag ein Tänzchen aufs Parkett lege oder womöglich sogar einen Louis de Funès-Film gucke.

Doch nicht nur Feiern ist verboten - auch bestimmte Filme. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) hat im Januar eine Liste von Kinofilmen herausgegeben, die zwischen 1980 und 2015 keine Freigabe für die stillen Feiertage erhielten. Ein Verbot bestimmter Filme findet sich sogar im ein oder anderen Feiertagsgesetz, in NRW etwa, wo es bis zum Karsamstag um 6 Uhr zumindest offiziell verboten ist, Filme zu zeigen, die nicht vom Kultusministerium anerkannt sind.  […]  Darauf finden sich auch Kinderfilme wie "Mary Poppins", "Heidi in den Bergen" und "Lotta zieht um". Daneben: Titel wie "Horrorsex im Nachtexpress" (FSK 18), aber auch Klamauk wie "Louis, der Schürzenjäger" (mit Louis de Funès) und "Didi und die Rache der Enterbten" (mit Didi Hallervorden).

(Elisa Britzelmeier, 25.03.2016) (….)

(Gebetsverbot jetzt!, 27.03.2016)

Vor einem Jahr ging Thierse dann auch soweit in einem FAZ-Leserbrief ein zutiefst humanistisches Anliegen mit NS-Pöbeleien zu überziehen.

Der Mann hat offensichtlich vollkommen seinen Verstand verloren.

[…..]  Ein früherer Bundestagspräsident bezeichnet die Richterinnen und Richter des @BVerfG   wegen des Urteils zur Sterbehilfe in einem Leserbrief an die FAZ als „furchtbare Juristen“ und stellt damit eine Assoziation zur NS-Zeit her. Geht‘s noch? [….]

(Tobias Freudenberg, 3. März 2020)

Die Marschrichtung ist klar; Thierse ist schon auf halben Weg zum Voll-Sarrazinstatus.

Wie es sich für echte Katholidioten gehört, mag Thierse keine Schwulen.

Wie die religiösen weißen Trumpisten fühlt er sich nun als heterosexueller Mann diskriminiert und zieht über Queere her.

Wieder einmal hatte Thierse in der ultrakonservativen FAZ mit diskriminierenden Thesen geleserbrieft.

 […..] Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse appelliert in einem am Wochenende veröffentlichten FAZ-Kommentar (Bezahlartikel) an Minderheiten, "geschichtlich geprägte kulturelle Normen, Erinnerungen, Traditionen" anzuerkennen. Der 77-Jährige argumentiert in dem Artikel mit der Überschrift "Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft?": "Der unabdingbare Respekt vor Vielfalt und Anderssein ist nicht alles. Er muss vielmehr eingebettet sein in die Anerkennung von Regeln und Verbindlichkeiten, übrigens auch in die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen." […..] Im dem Kommentar verwendet Thierse insbesondere das Mode-Schlagwort "Identitätspolitik" ("Identitätspolitik darf nicht zum Grabenkampf werden, der den Gemeinsinn zerstört"). Dieser aus den USA stammende Begriff ("Identity Politics") umschreibt politisches Handeln, das nur für die Bedürfnisse spezifischer Gruppen bestimmt sei. Das Wort wird auch im Deutschen vermehrt als pauschaler Kampfbegriff gegen Bürgerrechtsorganisationen verwendet, die Diskriminierung beklagen. Andere nutzen ihn, um nur eingeschränkten Einsatz für Minderheiten zu rechtfertigen.  "Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und Gender werden heftiger und aggressiver" und "Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität dominieren", so beklagt auch Thierse "die Radikalität identitärer Forderungen" in dem Artikel. […..] Alfonso Pantisano, der sowohl Bundesvorstandsmitglied des LSVD als auch Berliner Landeschef von SPDqueer ist, zeigte sich auf seiner Facebook-Seite empört über die neuen Auslassungen Thierses. "Dass jetzt heute, ein paar Tage nach dem Desaster im "Talk" mit der Feuilleton-Chefin der FAZ in selbigem Blatt ein Gastbeitrag von Wolfgang Thierse erschienen ist, lässt mich erstarren", erklärte der Aktivist am Montag. "Vor Wut und vor Verzweiflung, denn das, was Thierse, übrigens auch ein Mitglied der SPD-Grundwertekommission, heute dort niedergeschrieben hat, ist neurechter Sprech. […..]

(Denis Klein, 23.02.2021)

Thierse rutscht das nicht raus; er denkt wirklich so und legt gleich nach.

Im Deutschlandfunk griff er weiter LGBTIQ*s an, indem er ausdrücklich dafür wirbt die Ansichten Rechtsextremer nicht zu verschweigen.

[…] Die Identitätspolitik von links führt, wenn sie weiter so einseitig und in dieser Radikalität betrieben wird, zu Cancel Culture. Das heißt, man will sich nicht mehr mit Leuten auseinandersetzen, diskutieren, den Diskurs führen, die Ansichten haben, die einem nicht passen. Das ist ziemlich demokratiefremd und, wenn ich das sagen darf, demokratiefeindlich. Eine pluralistische Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn in ihr die Unterschiedlichkeiten zu Wort kommen, artikuliert werden, im Gespräch miteinander sind – mit dem Ziel, die Unterschiede nicht zu verwischen, aber trotzdem auf die gemeinsamen Grundlagen des Zusammenlebens zu kommen. [….]

(DLF, 25.02.2021)

Nachdem Thierse so viel Mühe auf sich nahm, um säkulare und konfessionslose Wähler zu vertreiben, geht er nun auch noch frontal auf das schwul-lesbische Klientel los.

So geht klassische Parteischädigung.

[…..] Die deutsche Gesellschaft ist aber viel pluraler und vielfältiger als dieses „Traditions-Wir“ es sich vorstellen kann. Unsere Aufgabe ist es nun, die Mauern aus Privilegien, die nur diese eine Gruppe hat, aufzubrechen und neue Perspektiven, neue Gedanken zuzulassen. Eine Aufgabe, die vor allem diejenigen angehen müssen, die qua Geburt Teil dieses „Traditions-Wir“ sind – denn wer sonst hätte die Macht, das Geld und sonstige Privilegien, um etwas in dieser Gesellschaft zu verändern?

Wolfgang Thierse aber will und kann das strukturelle Problem nicht an-erkennen, dass im Moment nicht alle gleichberechtigt in unserer Gesellschaft teilhaben können. […..] Worüber ich wirklich wütend bin, ist Thierses geschichtsvergessene Argumentation zum „Blackfacing“, das er mit den Worten rechtfertigt, kulturelle Aneignung sei ein Wesenselement unserer Kulturgeschichte – die bittere Ironie seiner Worte noch nicht einmal bemerkend. Blackfacing ist eine durch und durch rassistische Tradition von Weißen, die sich schwarz anmalen um schwarze Menschen zu verhöhnen. Und wenn Herr Thierse dann noch behauptet, jeder Schauspieler und jede Schauspielerin könnte jede Rolle auf dem Theater bekommen ist das schlicht an der Realität vorbei, wie nicht nur die von ihm selbst angesprochenen 185 Schauspieler und Schauspielerinnen vor Kurzem in der „Süddeutschen Zeitung“ betont haben. […..]

(Anna Seibt, 25.02.2021)

Saskia Esken und ihr, man muss es in diesem Zusammenhang erwähnen, schwuler Parteivize Kevin Kühnert, versuchen sich in Schadensbegrenzung, wollen bei den Queeren und ihren Alliierten (zu denen ich mich zähle) um Verständnis werben.

[…..] Nach der heftigen und anhaltenden Kritik von LGBTI-Aktivist*innen an der SPD bemüht sich die Parteispitze um eine Deeskalation. Rund 20 ausgewählte Personen, darunter Vertreter*innen aus der Community, wurden von Parteichefin Saskia Esken und ihrem Vize Kevin Kühnert zu einem Online-Gespräch am 11. März um 20 Uhr eingeladen. […..] In ihrer Einladung kritisieren Esken und Kühnert zum einen den Verlauf des u.a. von Gesine Schwan moderierten Online-Talks "Jour Fixe" mit FAZ-Feuilletonchefin Sandra Kegel. Bei der Veranstaltung am 19. Februar hatten die SPD-Gastgeber*innen Kegel trotz ihres queerfeindlichen Kommentars zu #ActOut in Schutz genommen, ihre Kritiker*innen dagegen scharf angegriffen und ihnen am Ende sogar das Mikro abgestellt. Eine teilnehmende Person war misgendert worden. "Die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit einer Online-Debatte auf Einladung des SPD-Kulturforums und der SPD-Grundwertekommission, die fehlende Zurückweisung von Grenzüberschreitungen und die mangelnde Sensibilität im Umgang mit den Gäst*innen aus Euren Reihen, manche Rechtfertigung im Nachgang – all das beschämt uns zutiefst", schreibt die SPD-Spitze. "Wir ahnen und wissen aus persönlichen Gesprächen, wie tief verletzend diese Ereignisse und Erfahrungen für Euch waren." […..] Ohne ihn namentlich zu erwähnen, distanzierten sich Esken und Kühnert auch vom ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, der in der vergangenen Woche in einem FAZ-Kommentar Grenzen für "Vielfalt und Anderssein" gefordert hatte ("Identitätspolitik darf nicht zum Grabenkampf werden") und sich nach Kritik als Heterosexueller diskriminiert fühlte und eine "Cancel Culture" beklagte. […..] Nach dem misslungenem "Jour Fixe" hatte der Lesben- und Schwulenverband in einer überraschend scharfen Pressemitteilung kritisiert, dass die Beteuerungen der SPD, auf der Seite queerer Menschen zu stehen, "nichts wert" seien, und eine Entschuldigung gefordert. Viele Sozialdemokrat*innen würden "Homophobie und Transfeindlichkeit lieber leugnen, kleinreden oder verharmlosen statt diese deutlich zu kritisieren".[…..]

(Queer.de, 28.02.2021)

Ich meine, daß Thierse in den letzten 15 Jahren bewiesen hat ein klassischer Religiot zu sein. Er sieht nichts ein und wird nur immer aggressiver.

Kevin und Saskia, ich bin nicht von Euren Aktionen beeindruckt.

Gegen Thierse hilft nur noch ein Parteiordnungsverfahren.

Samstag, 27. Februar 2021

Die großen Festspiele der Debilen

Leider merkt man oft gar nicht wie gut man es hast und versteht erst a posteriori was für ein Glück man hatte.

Aber schön war es doch: Ein ganzer Monat ohne öffentliche Trump-Auftritte!

In Orlando findet gerade die jährliche die Conservative Political Action Conference (CPAC) statt. Ein Meeting der irrsten der Irren, die nicht nur rechtsextrem und rassistisch sind, sondern sich auf vollständig von der Realität verabschiedet haben.

Die CPAC ist so Bobert-Greene, daß noch nicht mal mehr Moscow-Mitch McConnell, der vier Jahre lang intensiv Donald Trumps Arsch küsste, eingeladen wurde.

Es war zwar nur für einen kurzen Moment, aber der Ober-GOPer des US-Senats hatte nach dem 06.01.2021 angedeutet die Realität wahrzunehmen und wagte auch noch Kritik am Partei-Gott Donald Trump. So ein Ketzer darf nicht in Orlando erscheinen.

Tatsächlich haben die republikanischen Nazi-Christen ein goldenes Kalb in Trump-Form als Götze errichtet, die gemeinsam angebetet wird.


[…..] This monstrosity is being rolled into #CPAC, which stands for the Cult PAC. My husband refers to it as, “The Golden Impeached”. I can’t decide if it’s if it’s more reminiscent of the Golden Calf or the Golden Buddha. [….]

(Ana Navarro, 26.02.2021)

Verglichen mit der Wahnwelt der GOP wirken „The Onion“ oder „Der Postillon“ wie hochseriöse Nachrichtenmagazine.

[…..] Day 1 was not a great day for Donald Trump Jr., for the crappy white senators who not-so-secretly think Trump will be the party’s 2024 nominee... or for really for anyone.   […..] I can’t say for sure that this year’s CPAC is even sadder than previous CPACs because I’m not there in person, but it sure seems even more steeped in grievance so far and even less grounded in reality.  […..]  This year, in the midst of canceled weddings, postponed social gatherings and lonely parents, CPAC continues to CPAC while the coronavirus continues to rage. So I should have been grateful not to be there in person after people mostly stared at me in horror last year except for one terrifying blond woman who yelled at me. But I started to feel kind of itchy on Thursday night, like I was missing out after seeing the golden Trump statue with the false idol wearing flipflops. […..]

 (The Daily Beast, 26.02.2021)

Von allen bösartigen Irren, scheint sich der derangierte Schreihals Ted Cruz als König der Wahnsinnigen herauszukristallisieren.

Der Mann muss dringend in die Geschlossene eingewiesen werden.

Natürlich, der Mann ist Comedy-Gold.

“Ted Cruz - proof, that shit can stuck in itself!”
(Bill Maher, 26.02.2021)

Aber Cruz ist auch ein mächtiger US-Senator, dem Millionen Wahnsinnige zuhören.

Er ist zu gefährlich, um über ihn zu lachen.


Freitag, 26. Februar 2021

Der Wiesheu von South-Dakota

Was sind das nur für Typen, die sich immer noch begeistert und engagiert hinter Donald Trump, der sie 30.573 Mal anlog, stellen?

[…..] Die republikanische Basis hält fest zu Trump, daran haben die Wahlniederlage, der Sturm auf das Kapitol und das zweite Impeachment nichts geändert. Jeder Republikaner, der Trump angreift, riskiert den Zorn der Wähler und Parteifunktionäre daheim in seinem Wahlkreis. Die meisten Republikaner, die im Kongress für das Impeachment oder Trumps Verurteilung stimmten, wurden von ihren Parteiverbänden sofort mit scharfen Rügen gemaßregelt.  "Für jeden republikanischen Kandidaten wird es künftig absolut entscheidend sein, wie eng sein Verhältnis zu Trump ist", sagt Caleb Cruey. "Manche Leute wollen, dass Trump verschwindet. Aber das wird nicht passieren. Die Wähler wollen ihn, seine Anhänger sind absolut loyal, und deswegen wird Trump bleiben. Ich würde mich freuen, wenn er noch mal kandidieren würde." […..]

(Hubert Wetzel, 26.02.2021)

Offensichtlich bringt God's Own Country, die Nation der christlichen Pilgerväter, besonders viele bornierte Bösartige hervor.

Selbstgefällige Ungebildete, sie so sehr von ihrer eigenen rassischen und moralischen Überlegenheit überzeugt sind, daß sie sich an keine Regeln des Anstands halten müssen und Solidarität mit Schwachen für unter ihrer Würde erachten.

Eins der Prachtexemplare aus dem republikanischen Regierungskosmos der Bundesstaatsebene ist Jason Ravnsborg, der Justizminister in South Dakota.

In dem tiefroten Staat dominiert die Trump-Partei nach Belieben.

2020 stimmten bei den Präsidentschaftswahlen 62% für Trump, der republikanische US-Kongressabgeordnete Dustin M. Johnson, 44, aus South Dakota wurde 2020 mit 81% wiedergewählt. Der GOP-US-Senator Mike Rounds erhielt 66%, GOP-US-Senator John Thune 72%.

Ravnsborg, junge 44 Jahre alt, in Iowa geborener Reserveoffizier, National Rifle Association life member, begeisterter Verfechter der Todesstrafe auch für Minderjährige und psychisch Kranke, radikaler Gegner jeder Cannabis-Legalisierung, aufrechter Kämpfer wider die Homo-Ehe und Kläger gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl von 2020 mit dem Sieger Joe Biden, hat eine Gemeinsamkeit mit seinem großen Idol Donald Trump: Er wird impeached. Parteifreund Will Mortenson leitete das Verfahren ein.

Der AG surfte ein wenig auf ultrarechten faschistischen Verschwörungstheoretiker-Seiten, während er am 12.09.2020 selbst am Steuer saß, dabei natürlich nicht auf den Verkehr achten konnte und den 55-Jährigen Joseph Boever tötete.

Seine aufgezeichneten Ausreden sind hanebüchen.  Er war zwar nicht hackedicht wie weiland CSU-Generalsekretär Otto Wiesheu, dafür aber genauso skrupellos.

(…..) Der damalige CSU-Generalsekretär Otto Wiesheu säuft sich zu bis Oberkante Unterkiefer, steigt ins Auto, fährt am 29.10.1983 einen Mann TOT* und verletzt eine weitere Person lebensgefährlich, begeht Fahrerflucht und wird dann nicht nur NICHT eingesperrt, sondern wird von Stoiber zum Verkehrsminister ernannt.

VERKEHRSMINISTER - ausgerechnet!
Ein kleiner Klaps mit DM 20.000 Geldstrafe reicht wohl für einen CSU-Granden.
Stattdessen gab es reichliche Ehrungen; u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden.
Er erhielt 1997 den Deutschen Mittelstandpreis.
Das ist tatsächlich alles Realität – stammt also nicht aus dem Postillon.
Mehr als zwölf Jahre lang war er Superminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie.
Am 1. Januar 2006 stieg der CSU-Killer weiter auf - schließlich werden Christsoziale von ihren Spezis gerne mit fett dotierten Pöstchen zum Ende ihrer Laufbahn bedacht.

So sitzt Wiesheu nun als Bahn-Vorstand kuschelnderweise neben Mehdorn und muß mit mageren 1,65 Mio Euro im Jahr = € 138.000 monatlich zurechtkommen.

Wiesheu frohlockte, mit der Bahn fahre er da besser, er bekomme schließlich einen festen Fünf-Jahres-Vertrag. "Das gibt es in der Politik nicht."

Fünf Jahre, das sind also sichere 8,25 Millionen Euro Grundgehalt, die der für die Konzernsicherheit zuständige Vorstand in Ruhe erschlummern wollte.
Im Zuge des Mehdorn-Debakels flog Wiesheu dann doch zum 31. Mai 2009 aus der netten Vorstandsposition.

Die Annahme, dass sich der so oft gescheiterte Millionen-Scheffler nun mit 65 Jahren aus dem öffentlichen Leben zurückzieht, war falsch.

Er hat ja schließlich genügend Freunde in den Regierungsparteien, die ihn als „Unternehmer-Versteher“ schätzen.

Die armen Unternehmen aber auch - sie fühlen sich offenbar von Westerbrüderle und Co noch unzureichend gefördert.

Wiesheu ist neuer Präsident des Wirtschaftsbeirats der Union.
Gewählt wurde er bereits im Juli - einstimmig.

Die SZ erklärte das am 27.11.09 einleuchtend:

Die CSU braucht Wiesheu jetzt wieder. Wirtschaftspolitisch soll er ein Vakuum füllen, das nach seinem Weggang aus Bayern entstanden ist und spätestens seit Bildung der neuen Bundesregierung nicht mehr ignoriert werden kann. Weder in München noch in Berlin stellt die CSU den Wirtschaftsminister. Nach dem Debakel bei der Landtagswahl 2008 hatte die CSU in Bayern des Ressort an die FDP abgeben müssen. Das war schmerzlich, schließlich hat die CSU ihr Selbstbewusstsein immer auch aus der Wirtschaftskraft des Freistaats gezogen…… Für Erwin Huber, den wirtschaftspolitischen Sprecher der CSU im Landtag und ehemaligen Wirtschaftsminister, ist Wiesheu dafür der richtige Mann. "Er ist ein erfahrener Politiker und ein erfolgreicher Manager."

(Auf die Füße fallen 30.11.2009)

Ravnsborgs Opfer Boever prallte Kopf voran direkt auf dessen Windschutzscheibe, so daß seine Brille im Auto des Justizsenators stecken blieb.

Der oberste Gesetzeshüter South Dakotas beging nicht nur Fahrerflucht, sondern log auch noch geradezu tolldreist, als er schließlich erwischt wurde.

Er habe gar nicht auf dem Handy gespielt, gar nicht gemerkt jemanden überfahren zu haben und außerdem habe er gedacht, es wäre ein Reh gewesen.

Rehe sind ja oft Brillenträger.

[…..] Der Justizminister war – anders als er zunächst angegeben hatte – zumindest ein wenig von der Fahrbahn abgekommen.   Der Politiker gab an, er habe nicht bemerkt, dass er einen Menschen getroffen habe, und sei davon ausgegangen, es habe sich um ein Hirsch gehandelt. […..] Mehrere Videos könnten Ravnsborg nun zum Verhängnis werden. Noem hatte die Aufnahmen veröffentlichen lassen. Sie zeigen Befragungen Ravnsborgs durch Polizisten. Was dort gesagt wird, weckt massive Zweifel an der Darstellung des Politikers.   Zum einen halten die Ermittler ihm vor, dass die Brille des Opfers in Ravnsborgs Auto gelandet sei. »Sein Gesicht war in deiner Windschutzscheibe, Jason, denk mal darüber nach«, sagt einer der Polizisten. Angesichts dieses Umstandes ist schwer vorstellbar, dass Ravnsborg nicht bemerkt haben will, dass er einen Menschen und kein Tier überfahren hatte.

Pikant ist zudem, dass er – anders als er zunächst angegeben hatte – am Steuer offenbar zumindest zeitweise abgelenkt war. Anhand der Auswertung seiner Telefondaten rekonstruierte die Polizei, dass Ravnsborg in den Minuten vor seinem Notruf unter anderem E-Mails abrief und einen Artikel auf der rechten Website »Just the News« öffnete, in dem es um angebliche fragwürdige Verbindungen des US-Präsidenten Joe Biden nach China ging. […..]

(SPON; 26.02.2021)

Noch etwas verbindet Ravnsborg mit Trump; nicht nur wird auch er impeached, sondern wie IQ45 kann er beim besten Willen nicht erkennen falsch gehandelt zu haben und sieht nicht den geringsten Grund zurückzutreten.

Warum auch? Es ist republikanisches Kernland. Da dürfen die GOPer lügen, betrügen und morden – ihre Wähler leiben sie trotzdem oder womöglich gerade deswegen.

[….] "The Attorney General does not intend to resign," Ravnsborg spokesperson Mike Deaver said in a statement to CNN. "At no time has this issue impeded his ability to do the work of the office. Instead, he has handled some of the largest settlements and legislative issues the state has ever been through." Deaver added that "as an attorney and a Lt. Colonel in the Army Reserves, AG Ravnsborg has fought for the rule of law and personal liberties and would hope that he is afforded the same right and courtesy."    Ravnsborg has not yet responded to misdemeanor charges filed against him by the state attorney's office and a court date has yet to be set, Deaver tells CNN.   Nick Nemec, Boever's cousin, released a statement to CNN stating, "As a family we are very disappointed in the decision to charge Mr. Ravnsborg with only three misdemeanors, none for killing a man. I am convinced, despite his claims otherwise, he saw Joe in the moment before the crash." […..]

(CNN, 25.02.2021)

Donnerstag, 25. Februar 2021

Spahns offene Hand

Das war ja was, als ausgerechnet Jens Spahn, der nach seinem Aufstieg zum Bundesminister am 14.03.2018 durch kontinuierliche Pöbeleien wider Arme, Ausländer, HartzIV-Empfänger, Pflegekräfte und Migranten blitzartig zum unbeliebtesten Minister wurde, ein paar Monate nach der Pandemie durch seine mediale Dauerpräsenz zum beliebtesten CDU-Minister wurde.

Dabei hatte er kurz vorher noch selbst eingesehen, wegen seiner katastrophalen Sympathie-Werte nicht für den CDU-Parteivorsitz kandidieren zu können und zog zu Gunsten Armin Laschets zurück.

Aber so funktioniert die real existierende Demokratie. Die meisten Wähler sind zu desinformiert oder desinteressiert, um Fachpolitik beurteilen zu können und finden daher den nett, den sie kennen.

Viele Bundesminister sind großen Teilen der Bevölkerung unbekannt; nur eine Minderheit der Wähler kann die Ministernamen dem richtigen Ressort und der richtigen Partei zuordnen.

Der demoskopische Höhenflug des Gesundheitsministers dürfte sich allerdings in den nächsten Wochen abkühlen. Seine Presse wird immer schlechter, weil immer mehr Journalisten dämmert wie ineffektiv Spahn ist. Der Minister kündigt gern mit großer Emphase an, lässt sich für seine Ideen preisen, versäumt dann aber sich um die Umsetzung der Pläne zu kümmern.

Er ist publizistisch mittlerweile auf Scheuer-Niveau abgesackt. Man weiß, was Spahn anpackt, wird sowieso nichts.

Er kündigt bloß an. Maskenbeschaffung, keinen weiteren Lockdown, 13.000 neue Pfleger, Schnelltests für alle, Impfstrategie, Vakzin-Beschaffung – nichts davon funktioniert.

Frau Merkel ist genervt. Vor einem Jahr hatte sie ihm noch „das volle Vertrauen“ ausgesprochen (schon oft ein Todesurteil für den so Gelobten), nun sägt sie sein Gequatsche brüsk ab.

[….] Kein Wunder also, dass Spahn an einem Befreiungsschlag arbeitet, zumindest einem kleinen: Er kündigt an, jeder könne sich vom 1. März an kostenlos testen lassen; Schnelltests für alle also, und dann bald auch Selbsttests zum Spucken, Gurgeln oder in der Nase bohren!   Für einen Moment fühlt sich das an, als habe jemand das Fenster aufgemacht im Lockdown-Mief. Dann aber kommt der Montag, das Corona-Kabinett tagt, und die Kanzlerin hat viele Fragen. Offenbar, so ist zu hören, kann der Minister für ihren Geschmack zu wenige davon zufriedenstellend beantworten. Das aber ist etwas, was Merkel, die den Dingen gern auf den Grund geht, gar nicht schätzt. Am Ende stoppt sie Spahns Vorhaben vorerst. Der 1. März als Starttermin für das große Testen ist perdu. […..]

(SZ, 23.02.2021)

Ich habe in diesem Blog schon so oft über Spahns Kaskade der Fehlleistungen geschrieben, daß ich nicht beantworten kann, wieso sich diese Ansicht erst jetzt in der veröffentlichten Meinung verbreitet.

Der Bann ist aber gebrochen und so ätzen Journalisten von konservativ bis links los.

[…..]  Pleiten, Spahn und Pannen Gesundheitsminister wird zum Versprechen-Brecher.   Versprochen – gebrochen. Schon wieder. […..]  […..]  Spahns öffentliches Bild hat sich um 180 Grad gedreht: vom kompetenten Pandemie-Manager zum „Zuvielversprecher“, wie ihn die „Taz“ jüngst nannte. Das zeigte auch die gestrige Regierungsbefragung. […..]

(MoPo, 24.02.2021)

[…..] Jens Spahn muss endlich seinen Job machen!

Die vermasselte Einführung der Corona-Schnelltests ist der letzte Punkt auf einer ganzen Liste von Fehlern, die sich Jens Spahn im Kampf gegen die Corona-Pandemie geleistet hat.   Dem Gesundheitsminister ist seine persönliche Öffentlichkeitsarbeit wichtiger als der Kampf gegen die Pandemie. [….]

(RND, 24.02.2021)

[….] "Weiß Jens Spahn noch, was er tut?" [….]

(STERN, 25.02.2021)

[….] 'Wir sind pandemiemüde', sagte Spahn gestern im Bundestag. Das ist wahr. Vor allem aber sind 'wir' müde, einem Gesundheitsminister zuzusehen, der viel Zeit in persönliche PR und wenig in vorausschauende Pandemiepolitik investiert. Jens Spahn sollte einfach seinen Job machen. Dann müssten 'wir' ihm auch weniger verzeihen." [….]

(Hannoversche Allgemeine Zeitung, 24.02.2021)

[….] Jens Spahn ist beim Jonglieren der vielen Pandemie-Bälle ins Schleudern geraten. Er hat sich böse verrechnet, als er kostenlose Schnelltests für alle versprochen hat. Das ist wie mit Freibier: Wer verspricht, muss auch liefern. Wer das nicht kann, ist ein Maulheld. [….]

(NDR, 24.02.2021)

Die beste und ausführlichste Analyse zum Spahnsinn schreiben Malte Kreuzfeld und Sabina am Orde für die taz.

All das bisher Gesagte ließe sich aber unter der Überschrift „schlechter Minister“ subsummieren. Der Mann kann seinen Job nicht. Das ist zwar schlecht, aber in der Bundespolitik nicht ungewöhnlich, weil so oft aus Proporzgründen vollkommen fachfremde Personen zu Ministern werden.

Ursula von der Leyen hatte nicht den blassen Schimmer von Verteidigungspolitik, Hermann Gröhe sich nie mit Gesundheitsfragen beschäftigt, Anja Karliczek wußte rein gar nichts über Forschung und Horst Seehofer ist noch nicht mal Jurist, als er plötzlich Verfassungsminister wurde.

Jens Spahn ist aber nicht nur wegen seiner stramm rechten xenophoben Ansichten unsympathisch, sowieso in der praktischen Regierungspolitik überfordert.

Es kommt ein dritter, bisher meines Erachtens sehr vernachlässigter Aspekt hinzu.
Spahn ist raffgierig und sucht stets seinen persönlichen finanziellen Vorteil.

Ich staune, wie skrupellos ein C-Politiker der Post-Kohl/Koch-Zeit vorgeht.

Jens Spahn war von 2005-2009 Obmann im Gesundheitsausschuss und 2009-2015 gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Diese Schlüsselpositionen vergoldete er, indem er gleichzeitig eine Beteiligung an einer entsprechenden Lobbyfirma erwarb.

[….] Neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter war Spahn zwischen 2006 und 2010 an einer Lobbyagentur beteiligt. Der Öffentlichkeit wurde dies erst durch einen Medienbericht im Jahr 2012 bekannt. Demzufolge beriet diese Firma schwerpunktmäßig Kunden aus dem Gesundheitssektor, während Spahn gleichzeitig als Gesundheitspolitiker im Gesundheitsausschuss saß. 2010 verkaufte Spahn seine Anteile an der Agentur mit der Begründung „er habe den Eindruck eines möglichen Interessenkonfliktes vermeiden wollen.“ [….]

(Lobbypedia)

2015 stieg er zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium bei Schäuble auf (bis 2018).

Wieder sorgte er dafür durch diese Position auch persönlich seine Taschen zu füllen.

[….] Der CDU-Politiker Jens Spahn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, ist als Investor beim einem Startup für Steuersoftware eingestiegen. Laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins "Bilanz" erwarb Spahn für 15.000 Euro Anteile an der Pareton GmbH. Spahn ist nicht nur als Staatssekretär für die deutsche Steuerpolitik maßgeblich verantwortlich, sondern auch als "Fintech-Beauftragte der Bundesregierung" für die Förderung junger, innovativer Finanzdienstleister. [….]

(NTV, 15.08.2017)

Als Minister und selbst gefühlter Bald-Kanzler ist Spahn noch wichtiger und nutzt noch dreister seine Kontakte, um ein Vermögen anzuhäufen.

(….) Das diametrale Gegenteil Spahn, der an der Fernuniversität Hagen 2008 den Bachelor of Arts erwarb und schließlich Gesundheitsminister wurde: Er leistet sich eine endlose Kette von Pleiten und Fehleinschätzungen. 

Man kann aber nicht sagen, daß Spahn gänzlich untätig wäre.

Im Juli 2020 während sich  Millionen Deutsche verzweifelt überlegen wie sie über die Runden kommen sollen, erfüllt sich Jens Spahn seinen „Oligarchen-Traum“ und kauft sich für deutlich über vier Millionen Euro eine Villa in Berlin-Dahlem.

Wer den genauen Kaufpreis nennt, wird sofort vom prozesswütigen Minister verklagt; der 40-Jährige hat offenbar gerade nicht viel anderes zu tun.

Spahn verdient als Minister über 20.000 Euro im Monat; das ist eine stattliche Summe, aber nicht ausreichend, um vier, fünf, sechs, sieben (?) Millionen Euro für eine Traumvilla aufzubringen.

Aber zum Glück sprang die Sparkasse Westmünsterland in Spahns Wahlkreis Ahaus ein, in der er 2009 und 2015 rein zufällig im Verwaltungsrat saß.

[…..] Bei Jens Spahn sind es die Äußerungen über Arbeitslose aus dem Jahr 2018. „Hartz IV bedeutet keine Armut“, sagte der Bundesgesundheitsminister damals und „dass unser Sozialsystem tatsächlich für jeden ein Dach über dem Kopf vorsieht“.  [….] Zwei Jahre später ist die Schere zwischen Spahn und arm offenbar noch ein wenig größer geworden. Nach Informationen von Business Insider haben sich der Politiker und sein Ehemann Daniel Funke ein gemeinsames Haus in einem noblen Berliner Stadtteil gekauft. Laut Kaufvertrag haben Spahn und Funke mehrere Millionen Euro für die Immobilie bezahlt. [….]  Das Berliner Dachgeschoss-Appartement habe „Holzböden, hohe Wände, an denen schrill poppige Bilder des Berliner Künstlers Lennart Grau hängen“, schrieb der „Stern“ in einer Reportage über Spahn. Zuletzt wurde bekannt, dass der CDU-Mann die Wohnung an den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner vermietet hat. [….]

(BI, 19.08.2020)

Wir sehen, der Mann ist schwer beschäftigt mit seinen privaten Wohnträumen. (…..)

(Schwachstellen im Rampenlicht, 02.12.2020)

Lindners Vermieter brachte es schon mit unter 40 Jahren zum vielfachen Immobilienmillionär.

Wieviel er genau besitzt, weiß man freilich nicht. Der Bundesgesundheitsminister nutzt virtuos all seine Minister-Kontakte und verschleiert anschließend seinen Besitz.

[…..]  Die Immobiliengeschäfte von Gesundheitsminister Jens Spahn in Berlin reichen weiter als bisher gedacht. In einem Fall kaufte er von einem Pharmamanager, der heute eine Gesellschaft des Gesundheitsministeriums führt. […..]  Der Berliner Immobilienbesitz von Gesundheitsminister Jens Spahn ist ausgedehnter als bisher bekannt. […..]  Bisher war öffentlich bekannt, dass Spahn im Oktober diesen Jahres zusammen mit seinem Ehemann eine Villa in Berlin-Zehlendorf gekauft hatte, laut Grundbuchamt für mehrere Millionen Euro. Jetzt bestätigte das Grundbuchamt Berlin-Schöneberg, dass Spahn seit Januar 2018 außerdem als Eigentümer einer Wohnung in Berlin-Schöneberg eingetragen ist. Er hatte sie laut Bundesgesundheitsministerium im August 2017 gekauft, laut Grundbuch für einen sehr hohen sechsstelligen Betrag.   Überdies gehört Spahn bis heute eine dritte Immobilie, ebenfalls in Berlin-Schöneberg. In dieser Wohnung wohnt offenbar bis heute FDP-Chef Christian Lindner als Mieter. Diese Immobilie mit 171 Quadratmeter Wohnfläche hatte Spahn laut den dem stern vorliegenden einschlägigen Akten des Grundbuchamtes Berlin-Schöneberg bereits im Juli 2015 für einen hohen sechsstelligen Betrag gekauft. Verkäufer war eine Firma des Berliner Immobilienunternehmers Ralph Butters. […..]  Fragen wirft der Name des Verkäufers im Fall der von Spahn 2017 erworbenen Immobilie auf. Es war der bereits damals mit Spahn persönlich bekannte seinerzeitige Pharmamanager Markus Guilherme Leyck Dieken. Ausgerechnet unter Spahns Ägide wurde der heute 56-Jährige Leyck Dieken im Jahr 2019 Geschäftsführer der mehrheitlich vom Gesundheitsministerium kontrollierten Gematik GmbH. Diese Gesellschaft soll mit Projekten wie der elektronischen Patientenakte und dem E-Rezept die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben. […..] 

 (STERN, 22.12.2020)

Wenn ein so im Rampenlicht stehender aufstrebender Jungminister so fleißig Privatvermögen an sich rafft, überrascht es nicht, daß sich Journalisten genauer interessieren was da los ist und aus welchen Quellen Spahns privater Geldzustrom gespeist wird.

Aber im Gegensatz zur Vakzin- und Maskenbeschaffung ist Spahn in seinen Finanzangelegenheiten sehr auf Zack und verfolgt als Möchtegern-FJ Strauß-Reinkarnation die investigativen Journalisten, die versuchen Licht in seine pekuniären Verstrickungen zu bringen.

[…..]  "Das ist eine Privatangelegenheit des Ministers", sagte sein Sprecher Hanno Kautz den Journalisten: "Ich sitze hier nicht, um die privaten Angelegenheiten des Ministers zu besprechen." Die Berliner Zeitung Tagesspiegel hatte zuvor berichtet, Spahn lasse über seinen Anwalt "offenbar Journalisten unter anderem von Spiegel, Bild, Stern und Tagesspiegel über deren Recherche zu seinen Immobiliengeschäften in Berlin ausforschen". Dies gehe aus einem Schreiben hervor, das Spahns Anwälte an das Amtsgericht im Berliner Bezirk Schöneberg im vergangenen Dezember gerichtet hätten. Dies liege den Journalisten vom Tagesspiegel vor. […..]  Hintergrund ist der Kauf einer Wohnung in Schöneberg, die dem ehemaligen Pharma-Manager Markus Leyck Dieken gehörte. Der Kauf weckte das Interesse der Medien, da Spahn den Manager Dieken später mit der Geschäftsführung der Gematik GmbH betraute. Die Gematik ist zu mehr als fünfzig Prozent im Besitz des Bundes […..]  Spahn [hat] nach dem Bericht des Tagesspiegel offenbar äußerst empfindlich auf Nachforschungen von Journalisten beim Grundbuchamt, das zum Amtsgericht gehört, reagiert. In dem Schreiben sollen seine Anwälte das Amtsgericht aufgefordert haben, den gesamten Schriftverkehr mit der Zeitung und "sämtliche etwaige weitere Presseschreiben" mitsamt den Antworten des Grundbuchamtes herauszugeben. Zudem habe Spahn die Namen all der Journalisten wissen wollen, die sich nach seinen Immobiliengeschäften erkundigt hätten. "Um wen handelt es sich?", zitiert der Tagesspiegel aus dem Schreiben. […..] 

(Jan Heidtmann, 24.02.2021)

In einer normalen Demokratie wäre Jens Spahn schon vor Scham in Grund und Boden versunken, hätte der Kanzlerin seinen Rücktritt angeboten, oder wäre einfach gefeuert worden.

Aber in der wirklichen Realität ist auch Andreas Scheuer noch Minister.

Der kann aber nicht rausgeworfen werden, weil dann die CSU mit dem Finger auf Altmaier zeigen würde und verlangte, daß der Wirtschaftsminister dann auch gehen müsse.

Das wiederum geht nicht, weil Friedrich Merz schon mit den Hufen scharrt und genau den Job haben will.  Das will aber Merkel keinesfalls, zumal Altmaier als Merkel-Intimus gilt.

Der Kanzlerin kann bald alles egal sein. Im Herbst hört sie auf. Zumindest so lange werden die Totalpfeifen Spahn, Altmaier und Scheuer noch durchgeschleppt.

Gut möglich, daß Spahn sich bis dahin noch die ein oder andere Berliner Luxusimmobilie zulegt.   Scham kennt der Mann nicht.

[…..]  Der Gesundheitsminister geht gegen Journalist:innen vor, die zu seinen Immobilienkäufen ermitteln. Das zerstört genau das Vertrauen, das er in seinem Amt bräuchte. […..]  Mehr als einen Beigeschmack hat, dass Spahn einen Freund, dem er eine teure Wohnung abgekauft hatte, zum obersten Digitalisierer im Gesundheitswesen gemacht hat. Zudem versucht er, mit rechtlichem Druck die Berichterstattung über seine Millionenkäufe zu verhindern – da Spahn zu oft Privates mit Beruflichem verquickt hat, ist die aber dringend nötig. Also lässt er seine Anwälte recherchierende Journalist:innen ausforschen. Ein Verhalten wie in einer Autokratie. [….]

(Thomas Kaspar, FR, 25.02.2021)

Ungeniert setzt Spahn inzwischen das Ministerium als Komplizen bei der Verschleierung seiner Aktivitäten ein. Hanno Kautz, der Sprecher des Gesundheitsministeriums, attackierte heute bei der Bundespressekonferenz offen das Berliner Grundbuchamt, welches schlicht und ergreifend seine Arbeit tat.

[….] Der Gesundheitsminister und Nebenhoffnungsträger der CDU steht seit dieser Woche als Journalistenspitzel da. Das ist so ziemlich das Unterste, was einem Politiker im medialen Rechtsstaat passieren kann. Und diesmal ist Spahn komplett selbst schuld.   Denn Spahn möchte nicht, dass der genaue, millionenschwere Kaufpreis einer Villa in der Zeitung steht. Genauer gesagt der Villa, die er 2020 mit seinem Mann im noblen Berliner Stadtteil Dahlem kaufte. Der Tagesspiegel hat’s aber mit einer ganz normalen Presseanfrage beim zuständigen Grundbuchamt rausbekommen und veröffentlicht. Deshalb geht Spahn presserechtlich gegen das Blatt vor.  Doch nicht nur das. Wie der Tages­spiegel jetzt schreibt, haben Spahns Anwälte wiederum vom Grundbuchamt Angaben verlangt, wer denn da von den Medien was genau wissen wollte. Macht sich ganz schlecht bei einem Mitglied der Bundesregierung, dessen Immobiliengeschäfte zum Teil Fragen aufwerfen und daher klar von öffentlichem Interesse sind. Denn das riecht nach Einschüchterungsversuch. Und wer hier recherchiert, wäre auch ganz einfach in den entsprechenden Titeln nachzulesen. Das Grundbuchamt jedenfalls rückte die verlangten Informationen heraus.  Es wird aber noch immer absurder. [….]

(Steffen Grimberg, 25.02.2021)

Mittwoch, 24. Februar 2021

Unsympathen

Das nervt ja zum Glück auch überhaupt nicht; der Mieter der ehemaligen Wohnen des dementen Herren, den ich betreue, hat ausgerechnet in der Eiswoche mehrere Tage lang nicht geduscht und sein Bad nicht benutzt.

Es ist aber eine Dachgeschosswohnung; die Rohre wurden irgendwann einmal nachträglich, fliegend in der Abseite unter dem Dach eingezogen und froren natürlich ein.

Unnötig zu erwähnen, daß der Jammer-Anruf „Hilfe, die Heizung geht nicht, das Wasser läuft nicht; Sie müssen sofort etwas unternehmen“ vorletzten Samstagmorgen bei mir einging. Am Wochenende erreicht man so gut Handwerker und ich selbst verstehe von Heizungstechnik so viel wie eine Henne von Strickmustern.

Aber auch als Laie habe ich inzwischen verstanden, daß es unter dem Dach so nicht bleiben kann.



Es ist nicht schwer eine Isolierung um die Kupferrohre zu ziehen, die offen liegen. Aber an den meisten Stellen kommt man nicht an die Rohre, ohne erst die Wand aufzustemmen.

Der Installateur rief mich heute an, als ich gerade im Auto fuhr. Bei Handwerkern muss man rangehen, weil sonst die Gefahr besteht, sie wieder eine Woche lang gar nicht zu erreichen.

Wie absurd, da spreche ich also über die Eisschäden, erörtere wie man geplatzte Rohre in der DG-Wohnung in zukünftigen sibirischen Wintern verhindert, während bei satten 20°C mitten im Winter – wie haben immer noch Februar in Hamburg! – die Sonne so dermaßen auf mein Auto brennt, daß ich die Klimaanlage voll aufdrehen musste.

Fenster öffnen und Fahrwind sind keine Option für Allergiker, weil die (bisher noch nicht von den Grünen Naturhassern abgeholzten) Hamburger Straßenbäume in höchsten Frühlingsgefühlen ihre Pollen in meine Atemluft ejakulieren.

Unfassbare 41° beträgt der Temperatursprung in Norddeutschland innerhalb von einer Woche.

[….] Hoch „Ilonka“ hat Hamburg am Montag nicht nur strahlenden Sonnenschein beschert, sondern auch einen neuen Temperaturrekord. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) wurden am Nachmittag an der Wetterstation Neuwiedenthal südlich der Elbe 21 Grad gemessen – so viel wie noch nie in einem meteorologischem Winter (1. Dezember bis 28. Februar) seit Beginn der Wetteraufzeichnung. […..]

(MoPo, 22.02.2021)

Madrid und Texas versinken im Schnee; die Hamburger laufen im Winter oberkörperfrei herum.

Was für ein irrer Klimawandel, dachte ich gerade, da konnte ich schon wieder dem Klempner am Telefon nicht verstehen, weil neben mir ein spiegelberillter Glatzkopf mit sehr dicken tätowierten Oberarmen in einem riesigen offenen Chrysler-Cabrio den Motor aufheulen ließ.

Es erinnerte mich an ganz ganz schlechte US-Teenagerfilme.

Wer macht denn sowas mitten in Hamburg? Noch dazu ein keineswegs junger Mann, sondern eher ein Mittfünfziger.

An der Ampel stehen provokant im Leerlauf auf das Gaspedal treten; das ist so unfassbar schlecht, daß ich mit nur halb so viel Proletigkeit wie der Cabrio-Kugelkopp, gern das Fenster runtergekurbelt hätte, um dem Herren ein paar Rückschlüsse von seinem Verhalten im Auto auf seinen IQ und die Penisgröße zu erläutern.

Aber erstens bin ich gut erzogen, zweitens ängstlich (womöglich hat so ein Typ eine Waffe dabei) und drittens zu alt, um mich genügend zu echauffieren.

Als es grün wurde, sauste Cabrio-man los wie Lewis Hamilton. Allerdings konnte ich in seinem Rückspiegel nicht besonders klein werden, da Hamburg bekanntlich voller Baustellen ist und etwa 75 m weiter eine drastische Fahrbahnverengung mit Tempo 30 kam.

Und schon saß ich ihm so dicht auf der Stoßstange, daß ich seinen (zugegeben kleinen) AfD-Aufkleber sehen konnte.

In großen Lettern einmal quer über das Heck befanden sich silber auf schwarz die Worte „FUCK YOU, GRETA!“.

Seit zwei Jahren fasziniert mich schon wie extrem Rechte, Aluhüte, Querdenker, AfD, Merz, Lindner und Co von Greta Thunberg getriggert werden.

Manchmal verging kein Tag auf dem rechtsextremen Berger-Verschwörungsblog, an dem nicht eine neue Hetze gegen „die psychisch kranke Klima-Gretel“ ausgewalzt wurde.

Was ist das bloß, daß mächtige, große, alte weiße Männer so manisch gegen eine zierliche und eher sehr stille Teenagerin austeilen müssen?

Was bringt einen erwachsenen starken Mann dazu, sich „Heul‘ leiser, Greta!“- Bumpersticker auf das Auto zu kleben?

Die despektierlich-übergriffige sadistische Art mit einem wissenschaftlichen Thema wie dem Klimawandel umzugehen, erscheint mir als die perfekte Apotheose dafür, was alles in der Welt schief geht.

Natürlich ist unsere menschliche Zivilisation zum Untergang verdammt, wenn „FUCK YOU, GRETA“ der große Renner in der Aufkleber-Industrie sind.

Aber was rege ich mich auf?
Die Welt wird sich in ein paar Millionen Jahren wunderbar regeneriert haben und erwartet noch eine lange schöne Zeit, bevor die Sonne explodiert.

Nicht erholen wird sich hingegen die Menschheit; die wird unter dem Einfluss solcher Cabrio-Proleten final implodieren.

Es ist nicht schade drum.

Dienstag, 23. Februar 2021

Das CDU-Führungsvakuum

Wie ist das eigentlich damals ausgegangen mit Kramp-Karrenbauers Rückzug?
AKK sagte doch Anfang 2020, nachdem ihr die rechtsnationale Thüringer und Sachsen-anhaltinische CDU auf der Nase herumtanzten; lieber mit der faschistischen AfD anbändelten, sie werfe den Bettel hin. Sie plante den Übergang zu einem neuen CDU-Bundesvorsitzenden bis Oktober 2020 zu moderieren. Das brachte aber sofort Großzampano Söder, den das als CSUler gar nichts angeht, auf den Plan. Vor dem Sommer 2020 müsse die Führungsfrage geklärt werden.

Bekanntlich kam Corona dazwischen, so daß mehrere, teilweise längst ausrangierte NRW-CDUler sich um ein Verfahren kappelten, wie und wann man überhaupt einen Parteitag abhalten könne.

Ich erinnere mich einfach nicht mehr, wer sich letztlich durchsetze und wer nun am Ruder ist.

Müßte ich googeln. Mutmaßlich ist der CDU-Vorsitz immer noch vakant. Es scheint sich keiner darum zu kümmern, daß die Totalausfälle Karliczek, Spahn, Altmaier, Scheuer und Seehofer weiterhin sinn- und tatenlos ihre Kabinettssitze okkupieren.

Der eigentlich Anlass für AKKs Demission, die ungenierte Flirterei der Ost-CDU mit den AfD-Verfassungsrisiken geht munter weiter.

Ministerpräsident Haseloff verlor beinahe sein Amt, weil seine eigenen Leute unbedingt mit den Faschisten statt den Demokraten stimmen wollten.

Die SA-CDU stellt sich im Februar 2021 sogar offen als Covidioten-Querdenker-Verein dar, der sich mit hundert Delegierten ohne Masken und Abstand in einem Raum drängelt.

Susanne Hennig-Wellsow, die designierte Bundesvorsitzende der Linken aus Thüringen, erklärt noch mal den Alltag in Deutschlands Osten mit der CDU:

[…..] Kemmerich ist nicht zurückgetreten. Die CDU versucht, Mitregieren zu spielen, stimmt aber in Ausschüssen noch immer mit der AfD. Wir spüren, dass das dieselbe Fraktion ist, die Kemmerich damals mehrheitlich gewählt hat. […..] Am 5. Februar 2021 hat der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt ein Video gemacht, in dem er sich gegen Extremisten von rechts und links ausspricht. Ich komme da nicht drüber weg. Nichts verstanden. […..]

(Hennig-Wellsow im SZ-Interview, 22.02.2021)

Wäre das nicht theoretisch mal ein Grund für die CDU-Bundesführung einzugreifen?

Ein volles Jahr nach der Kemmerich-Katastrophe, die eine CDU-Vorsitzende kostete, agieren die Ost-CDU-Verbände so offen antisemitisch, daß jüdische und Bürgerrechtsorganisation immer lauter protestieren.

(…..) Holger Stahlknecht, flirtet aber nicht nur mit der AfD, er gibt auch immer wieder Anlass für den Zentralrat der Juden aktiv zu werden.

 […..] JA: Sachsen-Anhalts Innenminister Stahlknecht meint, dass Einsatzstunden an anderer Stelle fehlen, wenn die Polizei jüdische Einrichtungen schützt. Sie haben diese Äußerung als Armutszeugnis bezeichnet. Warum?

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden: Aus zwei Gründen: Zum einen ist mir unverständlich, warum es nicht möglich sein sollte, den Personalbestand so zu sichern, dass dies überhaupt kein Thema ist. Zum anderen gibt es viele Bereiche, in denen Polizeikräfte Dienst tun müssen, beispielsweise bei Fußballspielen, die auch erhebliche Kräfte binden. Und wenn man sich dann aber nur den Schutz jüdischer Einrichtungen in Dessau herauspickt, bedeutet das im Klartext, dass der Innenminister offensichtlich der Meinung ist, der jüdische Bevölkerungsteil würde eine Mitschuld daran tragen, dass Polizeibeamte an anderen Stellen nicht zeitnah zum Einsatz kommen können. Damit kehrt er Ursache und Wirkung um. Grund für den Polizeischutz sind nicht die jüdischen Gemeinden selbst, sondern die Menschen, die deren Dasein bedrohen. Doch laut Herrn Stahlknecht sind die Juden offenbar daran schuld, dass die Polizei zu spät kommt. […..][…..]

(Jüdische Allgemeine, 15.10.2020)

Es gab Zeiten, in denen Antisemitismus von der CDU scharf attackiert wurde.

Heute wird antisemitisch argumentiert und niemanden im Konrad-Adenauer-Haus scheint es zu stören.

Nach Thüringen im Februar 2020 ist es nun wieder ein gesamter Landesverband, der lieber mit Faschisten schmust, als den Antisemitismus zu bekämpfen. Unterstützt wird er dabei vom aussichtsreichen Kandidaten für den CDU-Vorsitz Friedrich Merz, der perfide so tut, als spiele es keine Rolle, wenn seine Partei inhaltlich dieselben Positionen wie die in den Rechtsextremismus abgeglittene AfD vertrete.

[…..] Im Streit um die Erhöhung der Rundfunkbeiträge im Magdeburger Landtag hat der Zentralrat der Juden die CDU eindringlich vor einer Zusammenarbeit mit der AfD gewarnt. Eine gemeinsame Abstimmung der CDU mit der AfD, die sich derzeit abzeichnet, wäre ein "alarmierendes Signal", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Freitag der "Jüdischen Allgemeinen" (Online). "Ein derartiges Vorgehen wäre geeignet, die Glaubwürdigkeit der Gesamtpartei schwer zu beschädigen."   […..][…..]

(RTL, 04.12.2020) (…..)

(CDU auf Antisemitismuskurs, 05.12.2020)

Kann mir jemand sagen, ob und wann es wieder einen oder eine CDU-Parteivorsitzende(n) gibt? Ich habe den Faden verloren.

Aber es sollte doch eine demokratische Partei auf den Plan bringen, wenn ganze Landesverbände ins Braune abwandern, während die AfD kurz davor steht vom nicht eben als besonders rechtsextrem-kritischen Verfassungsschutz beobachtet zu werden.

Die Stahlknecht-Haseloff-Partei ist aber so ewiggestrig, daß sie es nicht bei völkischen und antisemitischen Sprüchen belässt, sondern auch gleich noch die Gleichberechtigung abwickelt.

[….] Die Partei des Rückschritts

Frauen haben in dem Landesverband kaum eine Chance - dafür aber Männer mit Ansichten, die der AfD gefährlich nahekommen. […..] In Sachsen-Anhalt hat die CDU jetzt ihre Kandidaten aufgestellt, auf die Ergänzung "und Kandidatinnen" kann man in diesem Fall beinahe bedenkenlos verzichten. Denn auf den ersten 14 Listenplätzen für die Landtagswahl findet sich nur eine Frau, und die Liste für die Bundestagswahl sieht kaum besser aus. Der CDU-Landesverband ist in den vergangenen Jahren in einigen Bereichen auffällig geworden, etwa durch mangelnde Abgrenzung gegenüber der AfD. Jetzt hat er gezeigt, was er von einer adäquaten Beteiligung der Frauen hält: nichts. Es wäre ehrlicher gewesen, gleich reine Männerlisten aufzustellen. […..]

Aber zurück nach Sachsen-Anhalt. Dass die CDU dort fast nur Männer aufgestellt hat, ist ein Problem. Ein noch größeres Problem ist aber, was für Männer sie aufgestellt hat. Auf die Plätze drei bis fünf der Liste wurden Lars-Jörn Zimmer, Ulrich Thomas und Markus Kurze gewählt. Allen drei fällt es schwer, sich glaubhaft von der AfD abzugrenzen. Kurze hat im Streit um die Rundfunkgebühren fast die Landesregierung zum Platzen gebracht. Und von Zimmer und Thomas stammt eine "Denkschrift", in der sie verlangen, "das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen". Die CDU Sachsen-Anhalt marschiert lieber rückwärts statt vorwärts. […..]

(Robert Roßmann, 22.02.2021)

Montag, 22. Februar 2021

Keine Ausnahme

Dieser moderige Eingang mit der rostigen Eisentür übte eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Ich war im Vorschul- und Grundschulalter zwar nicht der mutigste kleine Junge und durchaus artig, aber auch ich spürte den Reiz des Verbotenen.

Meine Mutter hatte angesichts der vielen kleinen Teiche in der unmittelbaren Umgebung des Hauses meiner Oma das einzig Richtige getan und mich, kaum daß ich laufen konnte, in eine Schwimmschule gesteckt.

Wasser war mein Element, aber diese Teiche waren tief und gruselig. Da gehst Du nicht allein hin, wurde mir eingeschärft.

Aber dieser Erdbunker, eingebettet in einen kleinen Hügel, war mit dem Attribut „Weltkrieg“ verbunden. Das wollte ich schon wissen, wie es darin aussah.

Meine Tante und meine Oma mochten das Ding nicht. Nur der Gärtner hatte die Gerätschaften, um die schwere Tür aufzubekommen.

Als er mir eines Tages doch das Innere zeigte, begriff ich vermutlich immer noch nicht die Todesgefahr des Hamburgs von 1943/44, aber daß meine Oma in dem Loch sitzen musste, schockierte mich. Sie tat mir so leid.

Meine Tante erzählte mir wie sie bei einem Bombenalarm eines Nachts einfach keine Lust mehr hatte aufzuspringen und im dunklen zum Bunker herunter zu laufen. Sie blieb einfach im Bett liegen. Dann geschah es; tatsächlich schlug eine verirrte Splitterbombe, die vermutlich eigentlich den etwa 800m entfernten S-Bahnhof treffen sollte, im Garten ein. Einige Schrapnell-Teile ließen das Fenster platzen und ein Bombensplitter landete direkt zu Füßen meiner Tante im Bett.

Das konnte ich als kleines Kind einfach nicht verstehen.  War sie verrückt geworden?

Es gab Fliegeralarm, sie wurden rechtzeitig gewarnt, der sichere Erdbunker war nur eine knappe Minute zu Fuß entfernt und sie blieb einfach im Bett sitzen?
Warum? Sie war damals schon erwachsen, sogar frisch verheiratet. Waren Erwachsene nicht grundsätzlich vernünftig?

Aber das Leben im Krieg war mühsam.   Hamburg wurde dermaßen viel bombardiert und derartig zerstört, daß man sich selbst an Todesgefahr offensichtlich gewöhnte.

Zumindest meine Tante, die kein ängstlicher Typ war. Fliegeralarm gab es oft mehrfach in der Nacht; jedes Mal musste mal losrennen, sich in Sicherheit bringen. Offensichtlich ist es eine verbreitete menschliche Schwäche nicht immer konsequent sein zu können.

Mal lässt man den Abwasch doch bis zum nächsten Tag stehen, mal steigt man mit ein paar Bier zu viel hinter das Steuer, weil es ja auch nur eine kurze Strecke ist, mal ignoriert man beim Sex das Verhütungsmittel, mal bleibt man beim Bombenalarm einfach im Schlafzimmer sitzen und mal denkt man sich mitten in der Pandemie „scheiß auf die Maske“.

Als Single und Sozialphobiker bin ich wie gemacht für die allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln.

Ich trachte ohnehin nie danach mich mit anderen Menschen zu treffen, mag keine Körperkontakte, esse stets allein und hatte schon lange bevor ich den Begriff „Sars-CoV2“ kannte, stets ein Sterilum-Fläschchen in der Jackentasche und im Auto.

Durch den Umgang mit MRSA in Krankenhäusern ist es mir in Fleisch und Blut übergegangen keine Türklinken, Lichtschalter oder Einkaufswagen mit bloßen Fingern anzufassen. Vor der Tickettaste in Parkhäusern grusele ich mich seit vielen Jahren und drücke sie mit Handschuhen oder einem Papiertaschentuch.

Wenn ich nach Hause komme, schließe ich die Tür des Mietshauses so auf, daß nur mein Schlüssel das Schloß berührt, stoße die Tür mit der Schulter auf und drücke den Lichtschalter durch ein Stück Sakko-Stoff.   Ganz bestimmt fasse ich das Treppengeländer nicht an; es sei denn, daß ich Handschuhe trage.

Derzeit werde ich wöchentlich auf Corona getestet, weil ich sonst gar nicht in das Pflegeheim käme.

Die Sicherheitsmaßnahmen entspannen sich aber ein bißchen. Der Teil des Hauses, den ich besuche, liegt ohnehin etwas isoliert. Dort haben die Bewohner eigene Apartments und bis auf zwei Ausnahmen sind auch alle mit zwei Biontech-Pieksen versorgt.

Vor zwei Wochen sagte man mir, ich könne auch mal so durchschlüpfen; ich begegnete doch ohnehin keinen anderen Patienten, halte Abstand und trage die FFP2-Maske.

Das verlockt. Verlockte mich sehr. Ich war müde, wurde erwartet und hatte wenig Lust in den Testräumen anzustehen, mir Wattestäbchen in den Kopf stecken zu lassen und noch mal 20 Minuten zu warten.

Aber das geht eben nicht. Es ist genau wie bei meiner Tante 1943; einmal darauf verzichten umständlich zum Bunker zu rennen und schon kann man von Metallsplittern durchschlagen werden.

Eine Corona-Infektion ist auf gewisse Weise sogar noch perfider, da ich mich aufgrund meines Alter weniger selbst gefährde, aber womöglich anderen den Tod bringe.

Es ist eher mit dem betrunken Autofahren zu vergleichen; moralisch vertretbar wäre es gerade noch, wenn man sich nur selbst gefährdet. Aber wie schon CSU-Minister Wiesheu zeigte, sind Autos mit einem betrunkenen Fahrer tödliche Waffen, die völlig Unschuldige töten.

Es hilft alles nichts, und wenn es noch so sehr nervt: Masken tragen, Hände desinfizieren, testen lassen.

Das gilt für jeden, das gilt noch mehr für die, die mit vulnerablen Menschen Umgang haben und das gilt insbesondere für Menschen mit Vorbildfunktionen.

Daher ist es keine Petitesse und zutiefst verwerflich, wenn sich ein ganzes CDU-Parteitag nicht an die Hygieneregeln hält. 100 Delegierte trafen sich ohne Masken in Sachsen-Anhalt und zeigten dem gemeinen Volk, daß Regeln immer nur für die anderen da sind.

[…..] Am Wochenende kamen in Dessau hundert Delegierte der CDU zu ihrem Landesparteitag zusammen und wählten Regierungschef Reiner Haseloff (67) zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. […..] Zur Erinnerung: Am 10. Februar hatten die Ministerpräsidenten und das Kanzleramt beschlossen, dass die Normal-Bürger selbst Besuche bei Verwandten „zu unterlassen“ hätten. Der Inzidenzwert in Dessau liegt derzeit bei 85 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Restaurants, Kinos und der Einzelhandel müssen dicht bleiben.   […..] Die Kritik folgte prompt: „Maximal unsensibel und eine intellektuelle Zumutung“, kritisiert Bundestags- und FDP-Vize Wolfgang Kubicki (68). […..] Auch der SPD-Rechtsexperte Florian Post (39) empört sich über die „Doppelmoral“ der Partei. „Anderswo machen Schulen, Kinos, Kneipen nicht mal bei Inzidenz 35 auf. Aber die CDU tagt selbst beim Inzidenz-Wert 85 ohne Maske und Abstand. So verspielt Politik jede Glaubwürdigkeit.“ [….]

(MoPo, 22.02.2021)

Shame on you, Ost-CDU!
Keine Stimme für die AfD-Freunde von der C-Partei!