Donnerstag, 24. Mai 2018

Linker O-Ton


Mal eine grundsätzliche Empfehlung; außer seriösen Tageszeitung, die man wegen ihrer wichtigen Gatekeeper-Funktion benötigt, um sich in der Flut der Sinnlos-Meldungen überhaupt zurecht zu finden, ohne in eine online-Filterblase zu geraten, ist es sehr lehrreich die verschiedenen Newsletter der Parteien zu abonnieren.
Diese Pressemitteilungen sind meistens nach Themen geordnet und werden von den jeweiligen Fraktionssprechern im Bundestag verschickt.
Man kann also recht genau auswählen worüber man informiert werden möchte.
In meinem Fall ist das politisch recht breit gestreut, aber ich lasse durchaus auch einiges weg; wie zB Sport-Politik.
Sport interessiert mich nicht und daher interessiert mich schon gar nicht, was einzelne Fraktionen dazu zu melden haben.

Diese Newsletter transportieren die ungefilterte Ansicht der Parteien, die man sonst immer nur über den Umweg des berichtenden Journalisten erfährt.

Natürlich sind Parteien keine homogenen Angelegenheiten und deren fachpolitische Sprecher mir nicht etwa gleichermaßen sympathisch.

Besonders gut gefallen mir beispielsweise bei den Grünen die außen- und innenpolitschen Pressemitteilungen von Jürgen Trittin, sowie die Verteidigungs- und Rüstungspolitischen von Agnieszka Brugger. Mau und lahm ist dafür das Zeug der beiden Fraktionssprecher Hofreiter und Göring-Kirchentag.

Die Sozis sind als Regierungspartei eher bieder.

Bei den Linken habe ich mich vor einiger Zeit in einem Wutanfall von den Wagenknecht-Mitteilungen getrennt. Das ist natürlich inkonsequent. Um seiner Filterblase zu entkommen, muss man auch gerade die Ansichten der Politiker lesen, die einem missfallen. Vielleicht lese ich auch bald wieder mehr Wagenknecht. Aber im Sinne meiner geistigen Gesundheit brauchte ich einfach eine Pause von ihren populistischen Anbiederungen im AfD-Sumpf.
Sehr empfehlen kann ich hingegen die Meldungen Der Friedensaktivistin Ulla Jelpke, die ich schon aus den 1980ern als GAL-Abgeordnete in Hamburg kenne. Sie trat 1990 bei den Grünen aus, 2005 zu Angela Merkels Kanzlerschaft in die PDS ein und fungiert heute als innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Mit ihren Pressemitteilungen spricht sie mir fast immer aus der Seele.

Ich erspare mir an dieser Stelle eine vollständige Charakterisierung der CDUCSUFDP-PMen; nur so viel: CSU pur ist tatsächlich noch schlimmer als das was man ohnehin von der CSU-Politik durch die übliche Berichterstattung erfährt.

Noch rechter im politischen Spektrum muss man meiner Ansicht nach nicht gehen bei der Informationsbeschaffung, weil AfD-Politiker so provokant mit Hassreden und Hetztweets um sich werfen, daß man davon ohnehin mehr erfährt als einem lieb ist.

Grundsätzlich ist zu sagen, daß oppositionelle Pressemitteilungen erfrischender und aussagekräftiger sind.
Das liegt in der Natur der Sache. Fordern kann man alles. Ohne Regierungsverantwortung muss man ja keinen Beweis erbringen, ob die Forderungen finanzierbar sind oder gar erklären, wie man sie praktisch umsetzen könnte.
Opposition ist zwar Mist; da hatte Müntefering recht; aber auch sehr viel bequemer als regieren.
Kein Wunder, daß sich der Eskapist Christian Lindner so konsequent um jede Verantwortung drückt. Dadurch muss er erheblich weniger arbeiten und kann immer das Maul aufreißen wie er will, ist nie an Koalitionsdisziplin gebunden, muß sich nicht mit der lästigen Realität rumplagen.
Das erlebte er nur einmal für knapp zwei Jahre nach dem Beginn der schwarzgelben Koalition von 2009. Als FDP-Generalsekretär führte er die kraftstrotzende 15%-Regierungs-FDP schnurstracks auf 4% und warf dann jammernd den Bettel hin. Realpolitik zu verantworten ist seine Sache nicht, Sprüche klopfen schon. Daher rannte er seit 2011 auch in allen anderen Fällen vor der Verantwortung davon.

Daß sie es sich Lindi-leicht macht, kann man der SPD immerhin nicht vorwerfen. Sie quält und martert sich mit Vorliebe selbst, lässt sich erdrücken von der Regierungslast.
Ich meine das ganz ohne Sarkasmus. Es ist eine Last in einer Welt zu regieren, die mit Trump, Erdogan, Assad, Orban, May und nun auch noch Giuseppe Conte aufwartet.
 Entweder man hat ein unerschütterliches „Ist-mir-doch-alles-egal-solange-ich-an-der-Macht-bin“-Gemüt wie Kohl und Merkel, oder man ist zu einfältig, um sich zu sorgen wie Dobrindt oder Scheuer.
Daneben gibt es nur die Möglichkeit Lindner-artig wegzurennen oder aber sich wie die SPD selbst zu martern.

Schade nur, daß meine Partei so ein feiger Luschenverein ist und sich nicht traut zu fordern, was heute die LINKE völlig richtigerweise postuliert:

"Pressemitteilung von Niema Movassat, DIE LINKE
Schluss mit der Kriminalisierung von Drogenkonsumenten

„Über 330.000 Rauschgiftdelikte und davon fast 199.000 Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis wurden 2017 registriert. Dabei handelt es sich überwiegend um sogenannte konsumnahe Delikte. Die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten – allen voran der Cannabis-Konsumenten – muss endlich ein Ende haben“, erklärt Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, anlässlich des heute veröffentlichten Berichts des Bundeskriminalamts zur Rauschgiftkriminalität. Movassat weiter:

„Die Prohibitionspolitik der Bundesregierung ist gescheitert, denn Cannabis bleibt das am weitesten verbreitete Betäubungsmittel in Deutschland. Die erneute Warnung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler, vor einer Legalisierung von Cannabis verkennt die Zeichen der Zeit. Denn Drogen sind – ob legal oder illegal – verfügbar. Wir dürfen die Regulierung der Drogen nicht länger der organisierten Kriminalität überlassen und zugleich die Konsumenten kriminalisieren. Die Doppelstandards von Vertretern der prohibitiven Drogenpolitik wie Frau Mortler stellen eine Ungleichbehandlung von Konsumenten dar. Während jährlich über 70.000 Menschen an den Folgen von Alkohol sterben, wird suggeriert, dass Drogen nicht frei zugänglich seien. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Wir brauchen also dringend einen Neustart in der Drogenpolitik: weg von der Kriminalisierung, hin zur staatlichen Regulierung von Drogen.“

Recht hat er, der Movassat!
Deutschland beschäftigt sich damit 200.000 Hobby-Kiffer zu verfolgen?
Gäbe es da nicht ein paar sinnigere Aufgaben für Polizei und Justiz?

Aber das ist ja das alte Hildebrandtsche Motto der Genossen:
"Die SPD scheißt in jede Hose, die man ihr hinhält!"
Cannabisfreigabe ist zwar richtig – so schlau sind sicher auch die SPD-Fachpolitiker. Aber das laut zu sagen, erfordert eben auch das Rückgrat, um dem zu erwartenden konservativen Shitstorm zu trotzen.
Natürlich würden CDU und CSU die SPD in den folgenden Wahlkämpfen als unzuverlässige Kifferfreunde diffamieren.
Das müßte man dann schon aushalten.
Mit einem Kreuz wie Gerhard Schröder ginge das.
Aber das ist schon 13 Jahre her.

1 Kommentar:

  1. "Deutschland beschäftigt sich damit 200.000 Hobby-Kiffer zu verfolgen?
    Gäbe es da nicht ein paar sinnigere Aufgaben für Polizei und Justiz?"

    Ja und ja. Allerdings lässt sich dann nicht die Statistik so schnell aufhübschen. Das wäre ungefähr so, als würde man nicht mehr arbeitslose ITler zu Computeranfängerkursen schicken, also quasi ein Ding der Unmöglichkeit.

    Man sollte auch nicht den Einfluss von Drogenkartellen auf Politik und Gesellschaft unterschätzen, insbesondere bezgüglich der inoffiziellen Gewaltenteilung, die es in allen größeren Städten gibt. Eine geringere Marge oder gar ein Wegfallen des Marktes würden sich da gravierend auswirken.
    Erschwerend käme noch der Ottonormalo hinzu, für den vor allem die Konsumenten die Teufel in Personen sind. Die müssen lt. seinem gesunden Mneschenverstand so dauerhaft gelöscht werden, wie alle anderen, unbequemen oder besser geschrieben, nicht hübsch anzusehenden, Minderheiten auch.
    Daher wird es in Deutschland niemals auch nur Ansatzweise eine progressive Drogenpolitik geben. Wenn man sich dann so schaut, wer in Deutschland wohin gewählt oder bestellt wird, ob nun in der Politik oder bei den Firmen, weiß man auch, dass die Reise genau gegenteilig verläuft. Mehr Restriktion, mehr Repression und wo nur möglich: Autokratie. Der Ottonormalo findet das ausgesprochen gut und berücksichtigt das bei seinen Entscheidungen und Wahlen entsprechend.

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