Aufgrund
der lustigen Kritiken der Spon-Kolumnistin Anja Rützel über die neue
RTL-II-Rammelshow „Love-Island“ sah ich mir letzte Woche eine der Folgen an.
Potzblitz;
es ist in der TV-Unterhaltung wie in der amerikanischen Politik. Schlimmer geht
immer.
[…..]
Es geht um Besitz, um Macht, um Status,
das ganze System der Bumsenomics, in dem Liebe ein notdürftig romantisch
verbrämter Aktienmarkt ist. […..] Endlich
hat man den Hamster, den man sich als Kind immer wünschte und nie bekam. Und
zwar gleich ein ganzes Rudel dieser Tierchen, bei denen man nie so genau weiß,
was im winzigen Oberstübchen hinter den blanken Knopfaugen so vor sich geht,
wenn man sie jeden Abend bei ihren Kapriolen beobachtet. […..]
Auch
wenn ich keine deutschen Shows und Soaps gucke, habe ich doch über
Zweitverwertungskanäle wie Oliver Kalkofe in den letzten 20 Jahren eine umfassende
Vorstellung von der Dummheit der C-Z-Promis entwickeln können.
Aber ich
gebe zu, von dieser Love-Island-Bande überrascht zu sein; offensichtlich ist es
doch möglich den bisherigen Niveau-Keller noch zu unterschreiten.
Was
genau ist es aber, das mich an
solchen Menschen so ungeheuer abstößt?
Es gab schließlich schon immer menschliche Abgründe. Kriminelle, Vergewaltiger, Soziopathen, Sadisten und Gewalttäter hat die Gattung Homo Sapiens immer hervorgebracht.
Es gab schließlich schon immer menschliche Abgründe. Kriminelle, Vergewaltiger, Soziopathen, Sadisten und Gewalttäter hat die Gattung Homo Sapiens immer hervorgebracht.
Wieso
sollte man also geradezu physische Abscheu bei einem Dutzend der üblich operierten
Busen-Blondis und Ganzkörper-rasierten Muskelboys empfinden?
Vermutlich
liegt es daran, daß sie eine für mich besonders inkompatible
Charaktereigenschaft bis zum Exzess ausleben: Selbstdarstellung.
Sie
finden sich alle selbst so fabelhaft. Ihr ganzes Streben ist darauf
ausgerichtet von möglichst vielen gesehen und bewundert zu werden. Manisch
treibt es sie vor die Kamera. Sie sind immer schriller und lauter als die
anderen.
Beim
kleinsten Anlass, beispielsweise dem Eintreffen einer Textnachricht oder auch
nur einem Blick in den Spiegel, kreischen sie kollektiv mit 120 Dezibel mit markerschütternden
Stimmfarben, beginnen zu springen und die Arme hochzurecken.
Kleine
Massai-Kinder lernen sich bei der Begegnung mit bestimmten Raubtieren eine
möglichst großen Gegenstand wie einen Korb über den Kopf zu halten und laut zu
schreien.
Sie
wirken damit aus Sicht einer Hyäne größer und abschreckender.
So
funktionieren auch die Bums-Island-Kreischfrauen auf RTL-II; man möchte
wegrennen.
Ich bin
so alt, daß ich noch der antiquierten Vorstellung anhänge, Stars oder
Celebrities wären bekannt, weil sie über irgendeine besondere Fähigkeit
verfügen. Ich fremdele noch mit der Erkenntnis, daß jede Nation nun über
Tausende It-Girls und It-Boys verfügt, die rein gar nichts können, sondern
einzig und allein penetrant um Aufmerksamkeit buhlen.
Ich mag
Menschen mit den diametral entgegengesetzten Eigenschaften.
Bescheidene,
zurückhaltende Typen, die zuhören können.
Leute,
die eben nicht laut „ich, ich, ich“ brüllen. Kontemplative, Besonnene, die sich
nicht radikal selbst überschätzen.
Es wäre
aber dumm von mir Bücherwürmer und ernsthafte Denker in einer
RTL-II-Kopulationsshow zu erwarten.
Das
Medium Trash-TV erfordert notwendigerweise oberflächliche Kreischweiber und
posierende Proleten-Kerle.
RTL-II
& Co sind ihr natürliches Habitat, welches ich zum Glück weitgehend meiden
kann. Niemand ist gezwungen sich die Zimmertemperatur-IQ-Parade anzusehen.
Anders
liegt der Fall in der Politik.
Der
Politik kann man nicht entgehen; wir brauchen Politiker.
Irgendeiner
muß Bundeskanzler und US-Präsident sein.
Dort
sähe ich ebenfalls gern sachorientierte, öffentlichkeitsscheue Personen, die nicht
von persönlichem Ehrgeiz getrieben in die Talkshows pilgern.
Die
parteitaktischen Spieler würde ich gern durch analytische Köpfe ersetzten.
Menschen,
die nicht um Ansehen und Positionen buhlen, die nicht brutal die Ellenbogen
ausfahren, andere mit Häme überschütten und stets ihren eigenen Vorteil suchen.
Es liegt
aber in der Natur der Sache, nämlich unserer modernen Mediendemokratie, daß
unscheinbare, nur am Allgemeinwohl interessierte und integre Personen es nicht
in die vordere Reihe der Politik schaffen.
Als es
noch kein Farb-TV gab, mußten Politiker nicht geschminkt werden und als die
meisten Leute nur über Rundfunkempfänger verfügten, konnte ein Minister auch
dick und häßlich sein.
Magenband-OP,
Joggen, Personal-Trainer und persönliche Stylisten waren einmal irrelevant.
Durch
Facebook, Twitter und Co muss ein Politiker auf der Karriereleiter viel Zeit
aufwenden, um völlig unabhängig von seinen politischen Überzeugungen zu
gefallen.
Ein
Problem gründlich zu durchdenken und eine fundierte Lösungsstrategie zu
präsentieren ist nicht möglich, wenn innerhalb von Minuten auf Ereignisse
reagiert werden muss, weil man nach einer Stunden schon nicht mehr wahrgenommen
wird.
Genau
die Charaktereigenschaften, die mir sehr unangenehm sind, das Ellenbogen-Ausfahren
im Ortsverein, das sich selbst anpreisen, muss man haben, um in die Parlamente
zu kommen.
Dort
muss man sich nun gegen hunderte Profi-Selbstdarsteller profilieren, um für
wichtige Jobs infrage zu kommen.
Die
Wähler mögen auch offensichtlich keine Unbekannten. Sie setzen nicht auf
Sachthemen.
Mein
arabischer Bäcker wählte mit der Erststimme CDU und mit der zweiten Stimme die
FDP. Ich war entsetzt, als er mir das erzählte, weil ich weiß, daß er eher
links tickt.
Auf meine
Frage wieso er denn nicht SPD gewählt hätte, erklärte er, Schulz hätte ja keine
Chance gehabt Kanzler zu werden, er wollte, daß seine Stimme zählt.
Merkel
hingegen habe gute Chancen gehabt und Lindner sei doch jetzt wieder überall
präsent.