Samstag, 30. September 2017

Was man erwarten darf.



Aufgrund der lustigen Kritiken der Spon-Kolumnistin Anja Rützel über die neue RTL-II-Rammelshow „Love-Island“ sah ich mir letzte Woche eine der Folgen an.
Potzblitz; es ist in der TV-Unterhaltung wie in der amerikanischen Politik. Schlimmer geht immer.

[…..] Es geht um Besitz, um Macht, um Status, das ganze System der Bumsenomics, in dem Liebe ein notdürftig romantisch verbrämter Aktienmarkt ist. […..] Endlich hat man den Hamster, den man sich als Kind immer wünschte und nie bekam. Und zwar gleich ein ganzes Rudel dieser Tierchen, bei denen man nie so genau weiß, was im winzigen Oberstübchen hinter den blanken Knopfaugen so vor sich geht, wenn man sie jeden Abend bei ihren Kapriolen beobachtet. […..]

Auch wenn ich keine deutschen Shows und Soaps gucke, habe ich doch über Zweitverwertungskanäle wie Oliver Kalkofe in den letzten 20 Jahren eine umfassende Vorstellung von der Dummheit der C-Z-Promis entwickeln können.
Aber ich gebe zu, von dieser Love-Island-Bande überrascht zu sein; offensichtlich ist es doch möglich den bisherigen Niveau-Keller noch zu unterschreiten.

Was genau ist es aber, das mich an solchen Menschen so ungeheuer abstößt?
Es gab schließlich schon immer menschliche Abgründe. Kriminelle, Vergewaltiger, Soziopathen, Sadisten und Gewalttäter hat die Gattung Homo Sapiens immer hervorgebracht.
Wieso sollte man also geradezu physische Abscheu bei einem Dutzend der üblich operierten Busen-Blondis und Ganzkörper-rasierten Muskelboys empfinden?

Vermutlich liegt es daran, daß sie eine für mich besonders inkompatible Charaktereigenschaft bis zum Exzess ausleben: Selbstdarstellung.
Sie finden sich alle selbst so fabelhaft. Ihr ganzes Streben ist darauf ausgerichtet von möglichst vielen gesehen und bewundert zu werden. Manisch treibt es sie vor die Kamera. Sie sind immer schriller und lauter als die anderen.
Beim kleinsten Anlass, beispielsweise dem Eintreffen einer Textnachricht oder auch nur einem Blick in den Spiegel, kreischen sie kollektiv mit 120 Dezibel mit markerschütternden Stimmfarben, beginnen zu springen und die Arme hochzurecken.


Kleine Massai-Kinder lernen sich bei der Begegnung mit bestimmten Raubtieren eine möglichst großen Gegenstand wie einen Korb über den Kopf zu halten und laut zu schreien.
Sie wirken damit aus Sicht einer Hyäne größer und abschreckender.
So funktionieren auch die Bums-Island-Kreischfrauen auf RTL-II; man möchte wegrennen.

Ich bin so alt, daß ich noch der antiquierten Vorstellung anhänge, Stars oder Celebrities wären bekannt, weil sie über irgendeine besondere Fähigkeit verfügen. Ich fremdele noch mit der Erkenntnis, daß jede Nation nun über Tausende It-Girls und It-Boys verfügt, die rein gar nichts können, sondern einzig und allein penetrant um Aufmerksamkeit buhlen.

Ich mag Menschen mit den diametral entgegengesetzten Eigenschaften.
Bescheidene, zurückhaltende Typen, die zuhören können.
Leute, die eben nicht laut „ich, ich, ich“ brüllen. Kontemplative, Besonnene, die sich nicht radikal selbst überschätzen.

Es wäre aber dumm von mir Bücherwürmer und ernsthafte Denker in einer RTL-II-Kopulationsshow zu erwarten.

Das Medium Trash-TV erfordert notwendigerweise oberflächliche Kreischweiber und posierende Proleten-Kerle.
RTL-II & Co sind ihr natürliches Habitat, welches ich zum Glück weitgehend meiden kann. Niemand ist gezwungen sich die Zimmertemperatur-IQ-Parade anzusehen.

Anders liegt der Fall in der Politik.
Der Politik kann man nicht entgehen; wir brauchen Politiker.
Irgendeiner muß Bundeskanzler und US-Präsident sein.

Dort sähe ich ebenfalls gern sachorientierte, öffentlichkeitsscheue Personen, die nicht von persönlichem Ehrgeiz getrieben in die Talkshows pilgern.
Die parteitaktischen Spieler würde ich gern durch analytische Köpfe ersetzten.
Menschen, die nicht um Ansehen und Positionen buhlen, die nicht brutal die Ellenbogen ausfahren, andere mit Häme überschütten und stets ihren eigenen Vorteil suchen.

Es liegt aber in der Natur der Sache, nämlich unserer modernen Mediendemokratie, daß unscheinbare, nur am Allgemeinwohl interessierte und integre Personen es nicht in die vordere Reihe der Politik schaffen.

Als es noch kein Farb-TV gab, mußten Politiker nicht geschminkt werden und als die meisten Leute nur über Rundfunkempfänger verfügten, konnte ein Minister auch dick und häßlich sein.
Magenband-OP, Joggen, Personal-Trainer und persönliche Stylisten waren einmal irrelevant.
Durch Facebook, Twitter und Co muss ein Politiker auf der Karriereleiter viel Zeit aufwenden, um völlig unabhängig von seinen politischen Überzeugungen zu gefallen.
Ein Problem gründlich zu durchdenken und eine fundierte Lösungsstrategie zu präsentieren ist nicht möglich, wenn innerhalb von Minuten auf Ereignisse reagiert werden muss, weil man nach einer Stunden schon nicht mehr wahrgenommen wird.
Genau die Charaktereigenschaften, die mir sehr unangenehm sind, das Ellenbogen-Ausfahren im Ortsverein, das sich selbst anpreisen, muss man haben, um in die Parlamente zu kommen.
Dort muss man sich nun gegen hunderte Profi-Selbstdarsteller profilieren, um für wichtige Jobs infrage zu kommen.
Die Wähler mögen auch offensichtlich keine Unbekannten. Sie setzen nicht auf Sachthemen.
Mein arabischer Bäcker wählte mit der Erststimme CDU und mit der zweiten Stimme die FDP. Ich war entsetzt, als er mir das erzählte, weil ich weiß, daß er eher links tickt.
Auf meine Frage wieso er denn nicht SPD gewählt hätte, erklärte er, Schulz hätte ja keine Chance gehabt Kanzler zu werden, er wollte, daß seine Stimme zählt.
Merkel hingegen habe gute Chancen gehabt und Lindner sei doch jetzt wieder überall präsent.



Freitag, 29. September 2017

Rechte Ränder

Wenn europäische Länder, die schon einmal faschistische Diktaturen waren und daher die katastrophalen Folgen kennen, erneut neofaschistische Parteien wählen, zeugt das von größerer Dummerhaftigkeit, als wenn es sich um Frankreich oder Holland handelt.
Also Schande über Österreich, Schande über Italien, Schande über Deutschland.
Respekt und Bewunderung für die Spanier, die trotz gewaltiger Wirtschaftskrise, schwerer sozialer Verwerfungen und 50% Jugendarbeitslosigkeit überhaupt nicht rechtsradikal wählen.

Deutsche und Österreichische Geschichte lehrt, daß man in Krisenzeiten boomende rechtsradikale Strömungen eben nicht einhegen, umschmeicheln, kontrollieren kann.

Heinrich Brüning, konservativer Katholik, ehemaliger Reichskanzler, kooperierte immer mal mit der NSdAP, stimmte am 23. März 1933 sogar dem sogenannten Ermächtigungsgesetz zu.
Schon vorher dachte er, Adolf Hitler und die NSdAP würden schon vernünftig werden, wenn sie erst mal in einer Koalition mit der Zentrumspartei Verantwortung übernehmen müssten.
Ähnlich dachten die anderen konservativen Parteien, wie die Deutschnationale Volkspartei (DNVP).
Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler Reichskanzler wird, gibt es im Kabinett mit Wilhelm Frick und Hermann Göring nur zwei weitere Nationalsozialisten. Eingehegt von die vielen anderen vernünftigen Ministern werde der Reichskanzler sich schon mäßigen, das erfordere das Amt.
Trixi Storchs Großpapi Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, vom 2. Juni 1932 bis zum 23. Mai 1945 Reichsminister der Finanzen, behauptete bis in die 1970er Jahre, er habe Schlimmeres verhindert.
Um „Schlimmeres zu verhindern“ hatte ja auch Papst Pius XII zu Judenverfolgung geschwiegen.
Im Umkehrschluss waren also sechs Millionen ermordete Juden, 60 Millionen Tote in Europa, 25 Millionen getötete Russen, der totale Zerstörung Europas oder die Ermordung von 20% der polnischen Bevölkerung gar nicht so schlimm. Hätte schlimmer kommen können.

Der Trugschluss ist offensichtlich.

Wenn man einem reaktionär tickenden politisch irrlichternden Bayern mit Vorliebe für großkarierte Anzüge und Horst Seehofers Schließmuskel, der sich für hanebüchenen Unsinn wie Herdprämie und Anti-Ausländermaut einsetzt, einen mächtigen Posten in der Deutschen Bundesregierung gibt, wird er dadurch eben nicht vernünftiger.

Wenn man einen orange-gesichtigen ungebildeten Rassisten mit Profilneurose und zwanghafter Koprolalie zum US-Präsidenten macht, wird dieser eben nicht auf wundersame Weise von Demut und Erkenntnis durchdrungen, sobald er im Oval Office sitzt.

Man darf also solche Typen keinesfalls enablen und schon gar nicht darf man sie kopieren.

Die beiden Landesregierungen, die jeweils im Osten und im Westen die rechteste Parolen grölten und weitgehend selbst wie die AfD klangen, generierten am 24.09.2017 sich selbst die schwersten Niederlagen und die größten AfD-Erfolge.

Offensichtlich kann man diese Erkenntnis auf die Europäische Ebene extrapolieren.
Unglücklicherweise sind auch unsere direkten südlichen Nachbarn borniert und Erkenntnis-resistent.

[….] In Österreich und der Schweiz lässt sich schon sehen, wie Rechtspopulisten Politik verändern. Und auch, dass ein Rechtsrutsch den anderen Parteien nicht hilft.
[….] Rund um Deutschland herum erzielen Rechtspopulisten schon lange zweistellige Ergebnisse - die Vorreiter finden sich in unmittelbarer Nachbarschaft, in Österreich und in der Schweiz. In beiden Ländern lässt sich beobachten, wie es den Rechten gelungen ist, ganz nach oben zu kommen, in die Regierung, an die Spitze der Parteienlandschaft, gar zur treibenden politischen Kraft zu werden. [….] Unter [….] Heinz-Christian Strache erstarkte die Partei von neuem, befördert von der seit einem Jahrzehnt regierenden großen Koalition aus SPÖ und ÖVP. Diese Regierung steht in der öffentlichen Wahrnehmung für Stillstand. Die FPÖ dagegen konnte sich in der Opposition kostenlos als Kraft der Erneuerung profilieren. Bei der Präsidentenwahl scheiterte ihr Kandidat Norbert Hofer vor einem dreiviertel Jahr nur knapp in der Stichwahl. Um die FPÖ zu stoppen, ist den etablierten Parteien nur ein Mittel eingefallen: Sie haben sich die Themen der FPÖ einverleibt, vor allem in der Flüchtlingspolitik. Ein Rechtsruck ist die Folge, und nach der anstehenden Parlamentswahl am 15. Oktober hat die FPÖ sehr gute Chancen, wieder in der Regierung zu sitzen. Denn neben dem früheren Partner ÖVP schließen nun auch die Sozialdemokraten ein Bündnis mit den Rechten nicht mehr aus.
[….] In der Schweiz ist der Erfolg der Rechtskonservativen unter dem Medienunternehmer Christoph Blocher, 76, noch durchschlagender. [….] 50,3 Prozent der Schweizer stimmten mit Blocher gegen den Beitritt des Landes zum Europäischen Wirtschaftsraum. [….] Bis heute ist die ablehnende Haltung gegenüber Brüssel ein zentrales Element der SVP-Rhetorik. Die Europa-Frage zeigt gleichzeitig, wie einflussreich Blochers Themensetzung in der Schweiz war: Bis in die Linke hinein gibt es kaum Politiker, die einer Öffnung in Richtung Brüssel positiv gegenüber stehen.
An der Schweiz lässt sich nicht nur ablesen, wie Rechtspopulisten mit Vokabeln wie "Euroturbo", "Gutmenschen" und "Kuscheljustiz" die Debatte geprägt haben. Wer "vom Staat lebt", ob als Lehrer oder Beamter, muss sich heute in der Schweiz fast rechtfertigen. Auf ihre Stimmenverluste an Blocher und Co. reagierten die wirtschaftsliberale FDP und die wertkonservative CVP mit einer verhängnisvollen Strategie: Sie versuchten, die Wähler der SVP mit stramm konservativen Programmen zurückzuholen. Ohne Erfolg. [….]

Am dümmsten gerieren sich aber die deutschen Parteien.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea „Jetzt gibt es was auf die Fresse“ Nahles reitet auch schon auf der Seehofer-Welle.

[….] "Soziale Gerechtigkeit ist der politische Kern der Sozialdemokratie. Aber wenn die SPD Volkspartei sein will, muss sie bei anderen Themen ebenfalls Präsenz zeigen. Dies gilt auch für das Sicherheitsthema", sagt Nahles in einem Gespräch in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL.
Nötig sei eine bessere Integration all jener Einwanderer, die bereits in Deutschland lebten, fordert Nahles. "Aber wir sind nicht naiv. Wenn eine Million Menschen zu uns kommen, sind nicht alle nur nett. Und wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit harten Konsequenzen rechnen", so die Fraktionsvorsitzende.
Die Sozialdemokratin betont, dass aus ihrer Sicht auch Grenzschließungen im Zweifel nötig seien. "Ein Staat muss auch in der Lage sein, Staat zu sein", sagt Nahles. "Er ist eine regulierende, organisierende, ermöglichende, aber auch strafende und begrenzende Kraft. Wenn das infrage gestellt wird, dann geht das auf Dauer nicht gut. Aber diesen Punkt kann man nur europäisch lösen. Allein zu entscheiden, wir machen jetzt mal zu - das funktioniert nicht." [….]
(SPIEGEL, 29.09.17)

Sahra Wagenknechts Ehemann, der seit Jahren völkisch Angehauchtes von sich gibt, versucht nun noch mehr wie die AfD zu klingen und seine Partei auf xenophoben Kurs zu zwingen.

[….] Bei der Abstimmung am Sonntag hatte die Linke im Osten - ihrer Herzkammer - herbe Verluste einstecken müssen. Zwei Tage darauf hatte sich Lafontaine, einst Chef der Bundespartei, jetzt noch Fraktionsvorsitzender im Saarland, zu Wort gemeldet.
Der Schlüssel für die "mangelnde Unterstützung" bei den Einkommensschwachen, analysiert Lafontaine auf Facebook, "ist die verfehlte Flüchtlingspolitik". Alle Parteien im Bundestag, auch die Linke, hätten "bei ihren Antworten auf die weltweite Flüchtlingsproblematik das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit außer Kraft gesetzt".
Man dürfe "die Lasten der Zuwanderung über verschärfte Konkurrenz im Niedriglohnsektor, steigende Mieten in Stadtteilen mit preiswertem Wohnraum und zunehmende Schwierigkeiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit mangelnden Sprachkenntnissen nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen sind". Man solle eher, so Lafontaine, den Menschen in den Herkunftsländern helfen.
[….] Es ist nicht das erste Mal, dass Lafontaine mit scharfen Parolen und einwanderungskritischen Tönen für Ärger sorgt. Bereits in der Vergangenheit hatte er etwa eine Begrenzung der Migration gefordert. [….]  "Die Flüchtlinge sind schwach, bei uns sogar die Schwächsten", schreibt Gysi. Sich gegen sie zu stellen, so der 69-Jährige, "verriete meines Erachtens unseren sozialen und humanistischen Ansatz".
Die Linke dürfe nicht "halbrechte Positionen" übernehmen, in der Hoffnung, "von mehr Arbeiterinnen, Arbeitern und Arbeitslosen gewählt zu werden". Wechselten die Partei "in dieser Frage unsere Politik", so Gysi, "bedeutete dies auch unser Ende als linke Partei". [….]

Wenn schon Teile der Linken und der SPD die AfD verbal nachahmen, muss man sich nicht wundern, daß die Unionsparteien gleich direkt mit der AfD kooperieren.
Wir kennen das ja schon aus Sachsen. Nun folgen weitere Länderverbände der CDU.

[….] Der Thüringer Landtag hat sich erneut mit der NSU-Mordserie befasst. Auf Antrag von Linken, SPD und Grünen stimmte das Parlament über den Bau einer Gedenkstätte und der Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die Opfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" ab. Beides wurde mit 45 Jastimmen beschlossen. Die 36 Gegenstimmen kamen von der CDU und AfD. [….]

Donnerstag, 28. September 2017

Grokos.

Die erste große Koalition auf Bundesebene bedeutete für die SPD etwas eigentlich Unmögliches.
Die Sozis, geführt von einem Widerstandkämpfer und einem ehemaligen KPD-Funktionär, der vier Jahre im berühmten Moskauer Hotel Lux lebte, mußten ein stockkonservatives ehemaliges Mitglied der NSDAP zum Kanzler wählen.
CDU und CSU vertraten ein zutiefst reaktionäres, homophobes, frauenfeindliches und klerikales Weltbild.
Um Willy Brandt maximal zu verunglimpfen, nannte ihn der hochgeehrte Konrad Adenauer gern „dieser Frahm“ um den fürchterlichen Makel von Brandts unehelicher Geburt zu betonen.
Ein unehelich geborener Bastard könne nicht die Regierung Deutschlands führen, so die einhellige Meinung bei den C-Unionisten.

Warum sollte die SPD eigentlich solche Typen, die 17 Jahre am Stück regiert hatten erneut zum Kanzler machen?

Es gab politische, inhaltliche und auch taktische Gründe dafür.
Seit 36 Jahren hatte es kein SPD-Mitglied mehr in einer nationalen deutschen Regierung gegeben. Erfolgreich hatten die Rechten uns Sozis so sehr als Moskaus verlängerten Arm und vaterlandslose Gesellen diffamiert, daß man den Einmarsch der Roten Armee befürchtete, wenn Brand oder Wehner etwas zu sagen hätten.
Und genau deswegen mußte die SPD damals auch in die Groko eintreten.
Sie mußte die Partei als regierungstauglich vorstellbar machen und außerdem mit ihren Ministern so überzeugen, daß sie die gewohnten CDU-Ressortchefs übertrafen.

Bei der Bundestagswahl am 3. Oktober 1965 gewann Ludwig Ehrhard 47,6% und die FDP 9,5% der Stimmen; es reichte locker für schwarzgelb, aber im Streit um Steuererhöhungen ließ die FDP die Regierung Erhard platzen.
Bevor es zu Neuwahlen kam, schloss die SPD ein Bündnis mit der CDU, trat in die erste GroKo ein und wählte Kurt-Georg Kiesinger, den Baden-württembergischen „Häuptling Silberzunge“ zum Kanzler. Mit Finanzminister Strauß saß ein weiteres ultrakonservatives ehemaliges NSDAP-Mitglied in der Bundesregierung.
Statt sich aber von diesen schwarzen Riesen dominieren zu lassen, diktierten die außerordentlich fähigen Greenhorns der SPD das Geschehen:
Außenminister und Vizekanzler Willy Brandt, Justizminister Gustav Heinemann, Wirtschaftsminister Karl Schiller, Verkehrsminister Schorsch Leber, Herbert Wehner für gesamtdeutsche Fragen, Carlo Schmid als Bundesratsminister und dem legendären „Ben Wisch“ als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Hinzu kamen später Horst Ehmke und Erhard Eppler.
Der intellektuell überragende Helmut Schmidt führte als rhetorisches Jahrhunderttalent die SPD-Bundestagsfraktion von 1967 bis 1969.
Die sozialdemokratische Crème de la Crème des 20. Jahrhunderts fand zusammen, generierte enorme Zustimmung in der Bevölkerung und schaffte 1969 das bis dahin für völlig unmöglich Gehaltene:
Sie führte selbst eine Bundesregierung an, nachdem sie bei der Bundestagswahl am 28.09.1969, heute genau vor 48 Jahren, stolze 42,7% geholt hatte.

Während Kiesinger noch feierte, in der sicheren Annahme weiter zu regieren, hatten Willy Brandt und Helmut Schmidt als Meistertaktiker die FDP an Bord geholt; es begann die „sozialliberale Ära“ unter Bundeskanzler Brandt, der auch international so brillierte, daß er 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Mit sehr guten Ministern, genialer Taktik und ausgeklügelter Programmatik, kann man also durchaus als Juniorpartner in eine CDU-geführte Bundesregierung gehen, die Union so an die Wand regieren, daß man am Ende selbst das Kanzleramt an sich reißt.

2005 versuchte die SPD dieses Kunststück zu wiederholen.
Auf dem Papier sah die Angelegenheit viel einfacher aus als 1966.
Es hatte inzwischen drei sozialdemokratische Bundeskanzler gegeben, so daß niemand mehr grundsätzlich bestritt, daß Sozis regieren können. Außerdem lag die stärkere Partei CDU nicht bei 47,6%, sondern bei mauen 35,2%; gerade mal einem Prozentpunkt vor der SPD. Es würde also statt Junior- und Seniorpartner eher zwei Parteien auf Augenhöhe geben.

Tatsächlich stellte die SPD im Kabinett Merkel I sogar mehr Minister als die CDU/CSU:
Müntefering (später Scholz), Steinmeier, Steinbrück, Gabriel, Tiefensee, Zypries, Ulla Schmidt und Wieczorek-Zeul leisteten fachlich solide Arbeit, waren aber noch sichtlich angeschlagen vom rotgrünen Machtverlust, überließen Frau Merkel ermattet das Feld.
Spitzenkandidat der nächsten Wahl wurde der sehr sehr fromme protestantische Christ Frank-Walter Steinmeier, der die sehr sehr fromme protestantische Christin Angela Merkel nicht angreifen wollte, lau und lustlos durch den Wahlkampf stolperte, bis er unsanft beim schlechtesten SPD-Ergebnis seit Hitlers  Zeiten, nämlich 23% aufschlug.
Zeit für tabula rasa. Nun müssten eigentlich Köpfe rollen.
 Es rollte auch der Kopf des Parteivorsitzenden Franz Müntefering, aber Steinmeier klammerte sich an den Gremien vorbei als erstes den ganz wichtigen Posten des Bundestagsfraktionsvorsitzenden und Oppositionsführers, bevor die neue Bundestagsfraktion überhaupt zusammentreten konnte, um zu diskutieren, wen sie gern als Chef hätten. Die Überrumpelten konnten nur noch abnicken.
Mit dem alten Personal, dem Schröderianer noch aus Hannoveraner Zeiten und der so frommen wie lauten Andrea Nahles sollte nun der Merkelkrake entschieden entgegen getreten werden.
Nahles sollte die Partei inhaltlich neu positionieren, möglichst detaillierte Pläne ausarbeiten.
Die CDU jagen, die Agenda 2010 modifizieren, neue Bande zu R und G knüpfen.

Unglücklicherweise ist Nahles aber Nahles, eignet sich also nicht zu intellektueller Grundsatzarbeit. Sie konnte sich nicht gegen Gabriel durchsetzen, ließ die programmatischen Baustellen liegen, konnte nie klar formulieren.
Sie scheiterte daran Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen, legte sich unnützerweise mit den Säkularen an, indem sie einen laizistischen Arbeitskreis in der SPD verbieten ließ, griff die CDU nicht an, förderte keinen innerparteilichen Diskurs, schaffte keine neuen Strukturen in der Partei, erkannte nicht die Möglichkeiten des Internets, umschiffte in der Bevölkerung populäre Themen wie Patientenverfügung und Sterbehilfe, weil sie nicht über ihren eigenen stramm religiotischen Tellerrand gucken konnte, verpennte den 2013ner Wahlkampf total, war nicht mal über den Kandidaten eingeweiht und bescherte uns den dummerhaftesten Slogan aller Zeiten – das WIR entscheidet – einem von einer ausbeuterischen Zeitarbeitsfirma geklauten Spruch.

Bei der Bundestagswahl von 2013 vergrößerte sich dann der Abstand von der CDU zur SPD.
Man holte wieder die alten Säcke in die Groko Merkel II, Nahles selbst ging in die Regierung, ließ aber den lieben Gott einen guten Mann sein.
Zu den ganz drängenden Fragen der vergangenen Legislatur – Flüchtlinge, Grenzen, Abschiebungen, Pegida, AfD, Rassismus, brennende Asylunterkünfte – tauchte Nahles ab, äußerte sich nie, während Kollege Heiko Maas ständig für humanistische Werte in die Bresche sprang.

2017, das bisher miserabelste SPD-Wahlergebnis von 2009 noch unterschreitend, wiederholt die SPD ihren Fehler.
Muksch aus einer Groko kommend schmollt der Spitzenkandidat öffentlich. Man wolle sich in der Opposition programmatisch erneuern.
Um der personellen Tabula Rasa zu entgehen, überlistet er wie 2009 Herr Steinmeier die Basis und verkündet im Hinterzimmer ausgeklüngelte Personalien. Nahles, die so schön 2009-2013 versagt hat, solle die Bundestagsfraktion führen und die Bundestagsabgeordneten, die das aus der Zeitung erfuhren, sollten einfach zustimmen, statt selbst zu entscheiden.

Herr Schulz hat ein Herz für Versager. Nachdem Hubertus Heil als Generalsekretär den Bundestagswahlkampf von 2009 mit dem schlechtesten Ergebnis aller Zeiten abschloss, holte ihn Schulz 2017 erneut für denselben Posten, den Heil dann auch mitdemselben Ergebnis ausfüllte: Schlechtestes Wahlergebnis aller Zeiten.

Mittwoch, 27. September 2017

Geistige Giganten des Konservatismus – Teil XX



Für Europäer sind die amerikanischen Sportvorlieben schwer zu verstehen, weil die USA anders als alle anderen Länder ticken.
Soweit ich es verstehe, wird Fußball = Soccer nicht so gern wie im Rest der Welt gemocht, da man es als irgendwie elitär und europäisch ansieht.
Gemocht werden Football, Baseball und Basketball.
Ersteres ist grober, ländlicher und patriotischer aufgeheizt, als die urbaneren, multikulturelleren Sportarten der Großstädter.

In stockkonservativen Staaten wie Alabama haben sich die Rednecks immer noch nicht so recht damit abgefunden, daß überhaupt Schwarze beim Football mitspielen dürfen.
Daher kam es bei den tobenden Trump-Fans vor einer Woche sehr gut an, als er einige schwarze Spieler „son of a bitch“ nannte und loshetzte, man solle sie rauswerfen.
Das Publikum johlte vor Begeisterung als es wieder mal gegen „die Neger“ ging.
Trump ist hochzufrieden mit der Welle der Empörung, die er auslöste und feuerte über 20 bösartige Tweets gegen schwarze NFL-Profis ab, die sich nicht patriotisch genug zeigten und daher aussortiert gehörten.


Football ist Patriotismus pur; pathetisch wird die Nationalhymne abgesungen.
Es gilt in Amerika ebenfalls als sehr patriotisch sich hinter die Armee zu stellen.
Deswegen stellt sich Trump so gern hinter das Militär.
Jedenfalls den weißen, heterosexuellen Teil.
40% der US-Army-Angehörigen gehören zu Minderheiten.
Die gefallen ihm nicht.
Für die Dreamers in der Armee will sich Trump nicht einsetzen.
Für die Transgender in der Armee will sich Trump nicht einsetzen.

Trumps Einsatz für den Patriotismus in Armee und NFL lohnt sich für ihn, weil er damit gleichzeitig gegen Minderheiten agitieren kann, die ultrarechte republikanische Basis an sich bindet und insbesondere die öffentlich diskutierten Themen nach Belieben dominiert, während es für ihn an der politischen Front extrem schlecht läuft.
Aus und vorbei für Trump-Care, die Russian-ties-Schlinge zieht sich zu, es gibt einen Email-Skandal im Trump-Team und zudem ist seine Außenpolitik gegenüber Russland, dem Iran und Nordkorea ein einziger Scherbenhaufen.
Das schlägt sich aber nicht auf sein politisches Ansehen nieder, so lange die Frage ob irgendwelche Sportler bei der Nationalhymne knien oder sich stehend die Hand aus Herz drücken, die Debatte bestimmt.

Als Europäer fragt man sich wie sowas möglich ist. Niemand könnte sich vorstellen, daß Frau Merkel tagelang auf Fußballspieler eindrischt, die nicht patriotisch genug bei der Nationalhymne mitsingen.
Selbst der rechtsliberale Christian Lindner beklagte nur einmal die mangelnde Nationalhymnen-Singerei von Sportlern.

In den USA funktioniert das, weil es sich in Teilen um ein unzivilisiertes Pegida-Volk handelt.

Wir sehen das mustergültig in Alabama. Dort gab es eine republikanische Vorwahl, um de facto den neuen US-Senator zu bestimmen – Demokraten haben schließlich in dem ultrarechten Südstaat ohnehin keine Chance.
Trump machte Wahlkampf für den stramm konservativen Kandidaten Luther Strange, den er für dessen bedingungslose Treue zu ihm, Trump, pries.
Strange unterlag aber dem klar rassistischem Rechtsextremisten Roy Moore.

[….] Roy Moore, a former State Supreme Court chief justice, defeated Senator Luther Strange on Tuesday in the Republican runoff to fill the United States Senate seat vacated by Jeff Sessions, now the attorney general. Mr. Moore will face the Democratic nominee, Doug Jones, a former United States attorney, in the general election on Dec. 12. [….]

Nach der Veröffentlichung des Ergebnisses, knickte Trump schnell ein, stellte sich hinter Moore und wünschte ihm via Twitter viel Erfolg für die Wahl im November.
Die Wahl findet zwar im Dezember statt, aber Trump hält sich strikt an seine Maxime niemals die Wahrheit zu sagen.

Strategisch gesehen ist es nicht so schlecht, wenn völlig Wahnsinnige wie Trump die republikanische Partei prägen.

Langfristig wird eine zerfasernde GOP die Mehrheitsfähigkeit verlieren und den Demokraten wieder Mehrheiten in beiden Kongresskammern ermöglichen.
Sie könnten sich dann auch wieder ein bißchen nach links orientieren – so wie es sich die Basis wünscht.

Dann könnte es wieder voran gehen in Amerika.

Der siebzehnte geistige Gigant des Konservatismus (GGK), den ich in dieser neuen Reihe besprechen möchte, hat sich genau wie die radikale Lügnerin Carly Fiorina komplett der Realität entkoppelt: Donald Trump.

Es ist eigentlich müßig den orangehaarigen Milliardär der Mobs noch vorzustellen.
Der groteske Presbyterianer ist inzwischen weltweit bekannt wie ein bunter Hund. Er ist so eine Art amerikanische Ein-Mann-Pegida mit Geld: Politisch kloaken-artig müffelnd erzeugt er bei halbwegs moralischen Menschen einen überwältigenden Drang schreiend wegzulaufen.
Aber die Journalisten verhalten sich wie bei verwesenden Quallen am Strand: Sie wissen zwar, daß es ekelig ist, gehen aber doch hin und stochern am Kadaver herum.

Der 20. Geistige Gigant des Konservatismus ist also der mutmaßliche neue US-Senator aus Alabama, Roy Moore.

Der ultrareligiöse Waffenfanatiker hasst Schwule, Muslime, Schwarze und Atheisten wie die Pest. Und er hat einen guten Freund – den Paten der amerikanischen „White Supremacy“-Bewegung, Steve Bannon.

[….] Er zieht bei Veranstaltungen gerne mal den Revolver. Er findet, Homosexualität sollte verboten werden. Er ist dafür, keine Muslime ins amerikanische Parlament zu lassen. Und seit Dienstagabend hat er gute Chancen, trotz der Unterstützung von Donald Trump für seinen Gegenkandidaten neuer Senator für den US-Bundesstaat Alabama zu werden: Der ehemaliger Richter Roy Moore, 70, hat eine parteiinterne Vorwahl der Republikaner für einen Senatssitz gegen den von Trump unterstützten Amtsinhaber Luther Strange gewonnen. Das Ergebnis aus der Provinz könnte ganz Amerika erschüttern. Denn hinter Moore steht Steve Bannon, der frühere Chefberater von Trump, der das Establishment der Republikaner entmachten will.
Erzkonservativ zu sein, gehört bei vielen Politikern aus dem amerikanischen Süden zum guten Ton, doch Roy Moores Konservativismus ist von einem anderen Stern. [….] Zur Stimmabgabe am Dienstag erschien Moore zu Pferde. [….]

Moore ist wie sein Klan-freundlicher Kollege Sessions so rechtsradikal, daß er selbst im ultrakonservativen Alabama aus dem obersten Gerichtshof des Staates entfernt werden mußte. Zweimal.

[……] But Mr. Moore, 70, has proved himself to be a political survivor. He has been effectively removed from the State Supreme Court twice — the first in 2003, over his refusal to remove a statue of the Ten Commandments in the courthouse; the second last year, when he urged the state’s probate judges to defy federal orders regarding same-sex marriage.
And in recent days, both the president and Vice President Mike Pence had campaigned for Mr. Strange. Mr. Trump, an enormously popular figure in Alabama, cast aside the tradition of presidents treading carefully in contested primaries, as well as the warnings from his own advisers regarding a candidate trailing in the polls. [….]

Toll, dachten sich die republikanischen Alabamesen. Die Scheiß Verfassung ist eh liberaler Unsinn. Den wählen wir!

Immer weiter so, liebe GOPer. Mit solchen Typen im Senat macht ihr die politische Kultur Amerikas endgültig kaputt und verhindert nachhaltig, daß eine Regierung lösungsorientiert arbeiten kann.

[….] Wenn bereits Sessions als Hardliner galt, muss für Moore eine Steigerung erfunden werden. Der Mann ist im christlich-konservativen Teil des Bundesstaats im tiefen Süden ein Held, weil er fanatisch religiös ist - und er deshalb zwei Mal als Richter entlassen wurde.
2003 ließ er im staatlichen Justizgebäude eine zwei Tonnen schwere Skulptur mit den zehn Geboten aufstellen - ein Zeichen religiöser Bevorzugung, das ihn das Amt kostete. 2013 wählten ihn die Bürger Alabamas zurück auf den Posten, von dem er 2016 suspendiert wurde: Er hatte sich geweigert, auf Anweisung eines Bundesgerichts gleichgeschlechtliche Ehen (Moore: "abnormal, unmoralisch, verabscheuungswürdig, ein Verbrechen gegen die Natur") anzuerkennen. Muslime, erklärte Moore 2006, sollten nicht für den Kongress kandidieren dürfen. Der 11. September, so Moores Analyse im Februar dieses Jahres, sei eine "göttliche Strafe" für die USA gewesen.
[….] Moore [….]  erhielt Unterstützung von Rechtsauslegern wie Sarah Palin, dem ehemaligen Trump-Berater Stephen Bannon, Trumps Wohnungsbau-Minister Ben Carson oder dem Briten Nigel Farage.
Beide Kandidaten hatten sich als wahre Vertreter des Trumpismus zu inszenieren versucht - Strange bezeichnete Trumps Wahl sogar als "biblisches Wunder". Dass er trotzdem verlor, lag neben der Nähe zum verhassten Senatsführer McConnell. […]

Dienstag, 26. September 2017

Homo Homini Lupus – Teil III



Schrecklich, ganz ganz schrecklich.
Man sollte als Parteimitglied nicht allzu viel Zeit den SPD-Foren der sozialen Medien verbringen.
Wie bei allen Parteien, sind auch unter den einfachen Sozi-Mitgliedern eine Menge Idioten. Keine Idioten mit radikalen Ansichten wie in der CSU.
Keine Idioten mit bösartigen Charakteren wie in der AfD. Keine Idioten, die aus Dünkel und Überheblichkeit andere verachten, wie in der FDP.
Aber eben immer noch Idioten, mit denen man nicht endlos diskutieren kann, ohne zu verzweifeln.

Bekanntlich halte ich die ultrafromme, designierte Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles für eine schlechte Politikerin.


Wagt man das aber intern zu sagen, wird einem geraten die SPD-Basisgruppe zu verlassen, unterstellt man sei ein Seeheimer oder auch gleich Faschist.

Chat vom 26.09.2017, 22.30 Uhr:

Julius F.: Die Seeheimer gehoeren nicht in die SPD. Die sind neoliberaler als Merkel. Es ist Zeit, dass sie ausgegrenzt werden.
(….)
Hildegard R.: Es muss zwei Seiten geben links und auch ein wenig wirtschaftlich
(….)
Julius F.:
 Schon, aber die rechte Seite darf nicht allein ueber die Verteilung der Posten entscheiden. Wenn es immer nur einen Kanddatenfuer jede parteiinterne Position gibt und die Seeheimer allein darueber bestimmen, dann besitzen sie eine Filterfunktion, die dieSozaldemokraten benachteiligt. Es sollteimmer Wahlen mit mehreren Kandidaten geben.
(….)
Tammox:  Die Seeheimer bestimmen ja auch nicht. Würden sie vielleicht gern.
(….)
Julius F.:
Sie sitzen an den entscheidenden tellen und sehen zu, dass nur Einzelkandidatenaufgestellt werden, die ihre neoliberalen Wrte verkoerper. Dass sie keine Mehrheit in der Basis haben, ist mir klar. Deswegen ist die jetzige Praxis der Kandidatenauftellung faschistoid.
(…..)
Tammox:
 Ich wohne im Wahlkreis von Johannes Kahrs, der hier seit 19 Jahren direkt gewählter Abgeordneter ist.
Ich weiß sehr gut über seine problematischen Seiten Bescheid. Das Klüngeln, die Militär- und Waffenlobby-Affinität. etc.
ABER Kahrs ist eben auch ein sehr engagierter Abgeordneter, der sich vorbildlich um seinen Wahlkreis kümmert, ständig präsent ist.
In Berlin ist er als Haushälter absolut kompetent und ich kenne wirklich keinen anderen Sozi, der so klar spricht. Kahrs spricht frei im Bundestag und wenn er in Talkshows auftritt, spricht er absolut druckreif. Nie irgendwelches blabla. Das ist schon eine Wohltat.
Und wenn er sich mal aufregt, wie zB nach bei seiner Attacke auf Merkel bei der "Ehe-für-alle"-Abstimmung, dann sitzt das aber!
Also: Ja, er ist Seeheimer-Chef mit problematischen Seiten, aber eben auch ein begabter und kompetenter Abgeordneter. Es ist wichtig, daß wir breit aufgestellt sind und unterschiedliche Meinungen vereinen.

Julius F.:
Typisch moderne neoliberale Sichtweise: Der Blender, der sich gut verkauft, wirdgewahlt, auch wenn er inhaltlich problematsch ist. Ich scheisse auf die hetorik, ich schaue nur auf Taten.
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Tammox:
 Ohne Rhetorik gewinnt man keine Wähler hinzu und wenn nur ein ausgewählter kleiner Kreis unsere Leute gut findet, kommen wir nie wieder an die Regierung.
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Julius F.:
Goebbels war ein begnadeter Rhetoriker
(SPD-Basis auf Facebook)

Andere schlagen vor eine Abspaltung zu vollziehen, um zwischen SPD und Linken noch eine „Neo-SPD“ mit dezidiert linken Profil zu etablieren.

Man glaubt es nicht; nach 70 Jahren sitzen wieder Nazis im deutschen Reichstag und „wir Linken“ kommen auf die Idee uns weiter aufzuspalten, um uns wie in der Weimarer Republik als KPD, USPD und SPD gegenseitig zu bekämpfen bis schließlich Hitler an der Macht ist und uns alle ins KZ steckt.

Trotz mehrfacher R2G-Mehrheit ist Merkel seit 12 Jahren Kanzlerin.
Nur aus dem einen Grund, daß SPD, Linke und Grüne sich gegenseitig anzicken.
Sich mit sich selbst zu streiten ist uns so wichtig, daß wir dafür völlig inkompetente CSU-Minister in der Regierung vorziehen.

Es ist ein Elend mit den Linken.
Sie beklagen sich über den Ist-Zustand und verhalten sich so, daß es nicht nur nicht besser wird, sondern begünstigen mit ihrer Meckerei und Apathie diejenigen, die es noch schlimmer machen.


Ja, es gibt eine soziale Spaltung in der Gesellschaft. Multimillionäre, Milliardäre, Verbände, also all die großen CDU- und FDP-Parteispender werden rapide reicher, während das untere Drittel der Gesellschaft weiter verarmt.
Das wird allgemein und zu Recht unter Linken beklagt, aber bei der Bundestagswahl wird das letzte bißchen soziale Politik aus der Regierung rausgewählt und dafür die Lobby-affine Partei der Besserverdienenden und die stramm neoliberale AfD groß gemacht.
Es wird die Zweiklassenmedizin beklagt, die dramatische Vorzugsbehandlung der Privatpatienten und statt die Partei zu wählen, die das abschaffen und eine Bürgerversicherung einführen will, schickt man die mit der DKV verbandelte FDP, also die Lobbypartei der Privatversicherten in die Regierung.

Rechte können grundsätzlich ihre Interessen besser formulieren und durchsetzen.
Rechte und Reiche, Privatpatienten und Privatyacht-Besitzer gehen überproportional wählen, unterstützen ihre Parteien, CDU und FDP viel besser als die indolenten Linken, die lieber zu Hause bleiben und damit Schwarzgelb zur Macht verhelfen.

Arm wählt nicht.
In Stadtteilen mit hohem Durchschnittseinkommen wie Nienstedten, Blankenese oder Wellingsbüttel lag die Wahlbeteiligung zwischen  81,1 und 89,6%, In Stadtteilen mit geringem Einkommen wie Veddel, Billstedt oder Jenfeld gaben nur 50,5 bis 70,2% der Wähler ihre Stimme ab.
(Mopo, s.9, 26.09.2017)

Verglichen mit anderen Bundesländern muss sich Hamburg noch am wenigstens für das Wahlergebnis schämen, aber es hätte aus linker Sicht viel besser sein können, wenn nicht die Reichen voll motiviert und die Armen träge gewesen wären.