Freitag, 31. März 2017

Reich fallen.



Das ist das Schöne an einen Job im Bundeskabinett unter Angela Merkel; man kann noch so grotesk versagen, auf noch so abenteuerliche Weise unqualifiziert sein; die Chefin stört das nicht.
Man kann maximalen Stumpfsinn verzapfen und bleibt wie Alexander Dobrindt doch immer Minister.
Das klappt sogar noch eine Ebene höher. Wie oft schon hat sich Günther Oettinger als größter Depp Europas bewiesen – und dennoch beläßt Merkel ihn kontinuierlich auf den mächtigsten Posten, den ein Deutscher in der EU besetzt.
Ohne irgendwelche Europapolitische Erfahrungen stieg der Mann im Februar 2010 zum EU-Energiekommissar auf, debakuliert nun seit mehr als sieben Jahren auf höchster Ebene. Der Mann dreht frei. Merkel ist es offensichtlich Wurscht.

Franz Josef Jung, Kristina Schröder, Ronald Pofalla, Michl Glos, Hermann Gröhe, Thomas de Maizière, Hans Peter Friedrich, Peter Ramsauer – die Liste ihrer kapitalen Kabinetts-Fehlbesetzungen ist lang.

Nicht nur läßt Merkel ihre Kabinettsflaschen gewähren, nein anschließend wird auch noch richtig dreist Lobbyismus betrieben.
Merkel hat nach 27 Jahren in der ersten Reihe der Politik immer noch nicht das geringste Gespür für politische Hygiene entwickelt.
Ackermann-Geburtstagssause im Kanzleramt, fliegende Wechsel von den Toppositionen im öffentlichen Rundfunk in die Regierung und zurück, Lobbyisten schreiben direkt in den Ministerien ihre Gesetze, Minister werden Lobbyisten.
Geschmäckle egal.

[…..] Der ehemalige Verteidigungsminister und Rheingauer CDU-Politiker Franz Josef Jung (CDU) soll in den Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns Rheinmetall einziehen. "Kein gutes Signal", finden Kritiker.
Der 68 Jahre alte CDU-Politiker Jung solle auf der Hauptversammlung am 9. Mai in das Kontrollgremium des Rüstungskonzerns gewählt werden, berichtete Die Welt am Freitag. Ein Rheinmetall-Sprecher begründete die geplante Berufung mit der Expertise von Jung im Verteidigungsbereich. Die Anti-Korruptions-Organisation LobbyControl kritisierte die Personalie.
"Es ist nicht überraschend, aber zugleich bedauerlich, dass nun mit Herrn Jung ein weiterer Ex-Minister bei Rheinmetall anheuert", sagte LobbyControl-Sprecher Timo Lange dem Tagesspiegel. Der Rüstungskonzern, der zugleich auch Automobilzulieferer ist, baue damit sein politisches Kontaktnetzwerk weiter aus.
Dass gerade ein ehemaliger Verteidigungsminister zu einem Rüstungsunternehmen wechsle, "sendet aber kein gutes Signal", betonte Lange. "Hier hätten wir von Herrn Jung mehr Fingerspitzengefühl erwartet." Rein rechtlich gesehen, sei die Personalie aufgrund des langen Abstands zu seiner Zeit als Minister aber nicht zu beanstanden. [….]

Es verwundert wenig angesichts der Merkelschen Rüstungsexport-Rekorde, daß engste Bande zwischen CDU-Regierungsmitgliedern und der Waffenindustirie bestehen.
Man kennt das ja von der Kanzlerin.

Völlig ungeniert halten Unions- und FDP-Minister die Hände auf; lassen sich schmieren.

Seit November weiß Merkel, daß Pofalla beim Staatskonzern Deutsche Bahn richtig abkassieren will und kam trotz der Vorgängerfälle Hildegard Müller und Ecki von Klaeden nicht auf die Idee, daß es ein schlechtes Licht auf sie wirft.
Ist es ihr egal, was man über ihre Moral denkt?
Oder denkt sie sich (womöglich zu Recht), daß sie so extrem adoriert wird, daß an ihr doch nie etwas hängenbleibt?

Warum sollte man ihre Teflonbeschichtung auch ausgerechnet im Jahr Neun ihrer Kanzlerschaft erste Kratzer zufügen?
Ausgerechnet jetzt, während sie einen völlig willenlosen und willfährigen Koalitionspartner hat, der devot und still die causa Pofalla mitmacht.

[….] Bei Klaeden und Pofalla zeigt die Kanzlerin überraschende Schwächen in politischen Stilfragen.
Neulich beim kleinen Parteitag der CDU machte Angela Merkel während des Einzugs in den Tagungssaal plötzlich einen Abstecher von der vorgesehenen Route. Die Kanzlerin zwängte sich in eine der ziemlich engen Delegiertenreihen und reichte einer dunkelhaarigen Frau die Hand. "Ich muss ja die Wirtschaft begrüßen", sagte Merkel fröhlich in die Gesichter der umstehenden Parteifreunde, die nicht persönlich willkommen geheißen wurden. Die Frau hieß Hildegard Müller, war in Merkels erster Regierung drei Jahre lang Staatsministerin im Kanzleramt, galt als Vertraute der Chefin - und wechselte 2008 als Geschäftsführerin zum Hauptverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
Aus Sicht mancher Kritiker war Müller eine Art Eva in der Beziehungsgeschichte zwischen dem Kanzleramt Merkels und der äußeren Welt, weil sie als Erste der Versuchung nicht widerstand, ihr politisches Amt gegen einen anderen Posten einzutauschen. [….]
Von Hildegard Müller zum mutmaßlichen neuen Bahn-Vorstand Ronald Pofalla zieht sich seither jedenfalls eine Kette aus ehemaligen engen und engsten Mitarbeitern Merkels, deren Gemeinsamkeit zunächst darin besteht, dass sie es alle nicht so lange im Kanzleramt ausgehalten haben wie die Frau, für die sie arbeiteten.
Man könnte es aber auch so sehen, dass Merkel in acht Jahren Kanzlerschaft ein Netzwerk von Vertrauten in einflussreichen Positionen geknüpft hat: Müller verdingte sich bei der Stromindustrie; ihren Wirtschaftsberater Jens Weidmann machte Merkel zum Bundesbankpräsidenten; ihr erster Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wurde Intendant des Bayerischen Rundfunks; Ex-Staatsminister Eckart von Klaeden arbeitet jetzt als Cheflobbyist der Daimler AG - und Ronald Pofalla künftig in vergleichbarer Position bei der Bahn. [….]

So beschädigt Merkel das Image der Politik
Im Fall Pofalla möchte Merkel Abstand zeigen, ohne Abstand zu nehmen. Man kann nur hoffen, dass sie damit nicht durchkommt. Denn als Regierungschefin ist die Kanzlerin mit für die Affäre verantwortlich.
[….] Merkel lässt ausrichten, sie habe dem Ex-Minister "ihren Überzeugungen entsprechend" geraten, vor einem Wechsel eine "gewisse zeitliche Distanz" herzustellen. Dass es diese Distanz nun nicht gibt, will sie aber nicht kritisieren. Merkel möchte Abstand zeigen, ohne Abstand zu nehmen.
Man kann nur hoffen, dass die Kanzlerin mit dieser Pontia-Pilatus-Nummer nicht durchkommt. Denn der Fall offenbart nicht nur eine erschütternde Stillosigkeit im Umgang mit höchsten Staatsämtern, er schadet auch der Akzeptanz des gesamten politischen Systems. [….] Die Kanzlerin hat Staatsminister Eckart von Klaeden selbst nach der Ankündigung des Wechsels zu Daimler nicht entlassen. Und jetzt durfte sich auch noch Pofalla aus dem Kanzleramt heraus um einen hochdotierten Job bemühen. [….]

Merkel empfindet allerdings immer weniger Scham und Anstand.
Wieder geht einer ihrer engsten Mitarbeiter, der vorher die perfekten Industrie-freundlichen Regelungen formulierte auf direktem Weg zu den Auftraggebern – als hätte es die Fälle Pofalla, von Klaeden und Müller nie gegeben.

CDU-Staatssekretär Steffen Kampeter wird Cheflobbyist der Arbeitgeber. Der CDU-Staatssekretär im Bundesfinanzministerium startet im nächsten Jahr.
Die meisten Menschen kennen Reinhard Göhner nicht, aber Reinhard Göhner kennt so ziemlich alle Menschen, die in Berlin wichtig sind. Kein anderer Lobbyist in der Hauptstadt ist so gut vernetzt wie der Hauptgeschäftsführer der BDA, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. 19 Jahre hat Göhner, einst Staatssekretär im Bundesjustiz- und im Bundeswirtschaftsministerium, diesen einflussreichen Job ausgeübt; und er wird ihn, wie die BDA am Dienstag bekannt gab, im Juli 2016 an jemanden übergeben, der - wenn man die Lebensläufe vergleicht - geradezu prädestiniert ist dafür.
Auch Steffen Kampeter, 52, ist Parlamentarischer Staatssekretär; auch er gehört der CDU an und saß viele Jahre, genauer genommen: ein Vierteljahrhundert, im Bundestag; auch er wurde in Ostwestfalen geboren: nicht in Bünde, so wie Göhner, aber nur 35 Kilometer entfernt in Minden. Und noch etwas hat Kampeter mit seinem Vorgänger gemein: Er ist bestens vernetzt; in der Politik, in der Wirtschaft, in den Medien; er ist einer, der seine Kontakte hegt, sie pflegt und sie zu nutzen weiß. [….]

All das kann man in den ganz normalen Nachrichten verfolgen, den ganz normalen Zeitungen lesen.
Aber es tut Merkels Maxi-Popularität nicht den geringsten Abbruch.
Die Deutschen wollen offensichtlich verarscht werden.

Donnerstag, 30. März 2017

Keine Pinkelpause, kein Schlaf



Üblicherweise lebe ich sehr gern in Hamburg, aber die täglich neuen Dramatisierungen des G20-Gipfels im Juli nerven ganz schön.
Zigtausende Polizisten, 200.000 Gegendemonstranten, Verbarrikadierung der halben Stadt.


Der "Gruppe der Zwanzig" gehören 19 Staaten sowie die Europäische Union an. Die Länder sind: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA.
Die G20-Staaten erzielen etwa 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP).
 […..] Drei Viertel des Welthandels werden von den Staaten der G20 getätigt. Die vier größten Exportnationen sind China, die USA, Deutschland und Japan. […..]
Rund zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in den G20-Mitgliedsländern.
[…..]  Darüber hinaus nehmen an den G20-Treffen auf Einladung der jeweiligen Präsidentschaft regelmäßig auch Internationale Organisationen teil. Dazu gehören die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), der Internationale Währungsfonds (IWF), der Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board - FSB), die Weltbank (WB), die Welthandelsorganisation (WTO) und die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie die Vereinten Nationen (UN). Die deutsche G20-Präsidentschaft hat 2017 zudem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingeladen.
[…..] An den G20-Gipfeln nimmt Spanien als ständiger Gast teil. Darüber hinaus kann die Präsidentschaft Vertreter von Regionalorganisationen und Gäste zur Teilnahme am G20-Gipfel einladen. Die deutsche Präsidentschaft hat Norwegen, die Niederlande und Singapur als Partnerländer zum G20-Prozess eingeladen sowie die Afrikanische Union (AU),vertreten durch Guinea, die durch Vietnam vertretene Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) und die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD), vertreten durch Senegal.

Auf die Gefahr hin nach einem Klischee-St. Florian zu klingen; aber muß das ausgerechnet in der Hamburger Innenstadt, „nur einen Steinwurf entfernt“ vom linksautonomen Schanzenviertel stattfinden?

Natürlich ist es sinnvoll, wenn sich die G20-Regierungen austauschen und genau kennenlernen. Natürlich ist es sinnlos, daß der G8 schmollend Putin ausschloss und sich zum G7 machte. Als ob Russland von der Weltkarte verschwände, wenn man nicht mehr mit der Regierung spricht.
Weltdiplomatie auf Sandkasteniveau.
Mit Freunden kann jeder sprechen. Viel wichtiger ist es sich mit den Gegnern auszutauschen.

Ob dafür aber so ein Monstergipfel mit Myriaden Delegierten taugt?
Ganz sicher hatte sich Helmut Schmidt das nicht so vorgestellt, als er die G6 ins Leben rief.
Es sollte, im diametralen Gegenteil, eine Möglichkeit sein frei von Zeitdruck und protokollarischen Zwängen ausführlich auf Augenhöhe diskutieren zu können.

Auf Giscards Einladung trafen sich die Regierungschefs der Vereinigten Staaten, Japans, Englands, Italiens und der Bundesrepublik Mitte November auf Schloß Rambouillet in der Nähe von Paris, dazu die Finanz- und Außenminister der sechs Staaten. Das Schloß war angenehmerweise nicht allzu geräumig, die Konferenz fand in einem relativ kleinen Saale statt, die Schlafzimmer der Chefs lagen eng beieinander, und Presse und Fernsehen waren weit weg außerhalb des Parks – Valéry hatte es verstanden, eine nachbarschaftliche, freundschaftliche Atmosphäre herzustellen. Er leitete das Gespräch mit Courtoisie und elegant mit leichter Hand; Aus der Rückschau erscheint mir als das wichtigste Ergebnis nicht etwa die Liste der von ihr getroffenen positiven Verabredungen, sondern vielmehr die Tatsache, daß sie einen Rückfall der ganzen Welt in beggar-my-neighbour-Politiken abgewendet hat. Es wurde verhindert, daß die beteiligten Regierungen sich den Verblendungen des Protektionismus und des Inflationismus hingaben.
Natürlich zahlte sich Rambouillet nicht nur in der Verhinderung weltwirtschaftlichen Unfugs aus, sondern es trug nebenher innenpolitisch zum Ansehen des Gastgebers bei. Beides war Grund genug für Gerald Ford, 1976 zu einem zweiten Treffen dieser Art einzuladen, diesmal unter Beteiligung Kanadas durch meinen Freund Pierre Trudeau. [….]

Mit der damaligen Atmosphäre wird die Hamburger Tagung am 07. Und 08. Juli gar nichts mehr zu tun haben. Man trifft sich auf 46 Hektar Fläche des Messegeländes bei Planten und Blomen.

Der Gipfel ist eine diplomatische Großveranstaltung mit mehr als 6000 hochrangigen Delegierten und über 3000 nationalen und internationalen Medienvertretern. Hinzu kommen unzählige Helfer. Zusätzlich werden mehrere tausend Sicherheitsbeamte im Einsatz sein. [….]

Mit wie vielen von insgesamt rund 10.000 Teilnehmern kann man wohl reden innerhalb von 48 Stunden?

Zwei Tage Gesprächsmarathon mit Extrem-Delegationshopping.
Da kann jeder jedem mal schnell guten Tag sagen und muß sich dann sehr beeilen, um noch ein Bild davon in die Presse zu bekommen.

Das wird wieder ein Festival der starken Blasen und Schlafabstinenzler.

[…..] Bei Shake­speare kön­nen die Kö­ni­ge nicht schla­fen, aus Sor­ge, dass das Reich zer­fällt oder die Fein­de sie stür­zen. Sta­lin ließ sein Büro nicht dun­kel wer­den. „Im Kreml brennt noch Licht“ be­deu­te­te: Sta­lin ar­bei­tet im­mer, er braucht kei­nen Schlaf, er ist nicht von die­ser Welt. Die Kon­kur­renz der Mäch­ti­gen dar­um, wer we­ni­ger Schlaf braucht, gibt es seit Ewig­kei­ten.

Tony Blair sag­te Mer­kel ein­mal, Po­li­ti­ker stürz­ten manch­mal, weil ih­nen in der Kri­se die ent­schei­den­den zwei Stun­den Schlaf fehl­ten.
Vie­le Po­li­ti­ker ge­ben in In­ter­views da­mit an, dass sie mit we­nig Schlaf aus­kä­men. In Ame­ri­ka hat der Prä­si­dent so gut wie kei­ne Abend­ter­mi­ne, den­noch sag­te Oba­ma im­mer, dass er nur fünf Stun­den schla­fe. Es scheint, als wäre Schlaf­lo­sig­keit ein an­de­res Wort für Dis­zi­plin.
Mer­kel sei ein „Nacht­tier“, sagt je­mand, der oft bei lan­gen Ver­hand­lungs­näch­ten im Kanz­ler­amt da­bei ist. Er sagt: „Sie gibt nie als Ers­te auf.“ Bei Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen wol­le Ga­bri­el meist früh zu­rück nach Gos­lar. Ein we­nig spä­ter sage Vol­ker Kau­der manch­mal: „Das war ein har­ter Tag, wol­len wir Schluss ma­chen?“ Von Mer­kel ist so et­was nicht über­lie­fert. [….]
(DER SPIEGEL, 12/2017 s.21)

Was für ein Unsinn.
Politiker demonstrieren Stärke durch physische Pein?
Was kommt als Nächstes, bekommt derjenige das beste Verhandlungsergebnis, der den brutalsten Bußgürtel trägt und sich am längsten mit der Neunschwänzigen geißelt?

Ich plädiere dafür diese Gipfel extrem umzugestalten.

1.)

Jeder Regierungschef soll mit maximal fünf Beratern anrücken.

2.)

Die Treffen finden abgeschirmt und nicht inmitten von 3.000 Kamerateams statt.

3.)

Gipfelort wird nicht mehr eine maximal aufmerksamkeitserheischende Großstadt, sondern eine abgelegene Insel, oder ein Schiff.

4.)

Statt 48 Stunden bekommen die Delegierten zwei Wochen Zeit. Genug, um zwischendurch auch zu schlafen.

5.)

Die Tagesordnung wird so entrümpelt, daß jedes Thema ausreichend detailliert besprochen werden kann.

In so einem Rahmen wäre es sinnlos für Trump, Putin und Erdogan sich als starker Max zu inszenieren. Sie könnten sich nicht vor der Twittergemeinde aufblasen, sondern müßten auf ihre Argumente setzen.

Selbst wenn inhaltlich nichts, oder kaum etwas erreicht würde, so wäre ein intimes und genaues Kennenlernen von Wert.
In so einer Klausur-Atmosphäre würde man die handelnden Personen genau einzuschätzen lernen.
Und selbst wenn einer wie beispielsweise Trump sich intellektuell als untauglich und charakterlich destruktiv erwiese, wäre es für die anderen eine wichtige gemeinsame Erfahrung dies zu erkennen. Für die Zukunft könnte man sich ersparen dem US-Präsidenten etwas zu erklären und andere Allianzen bilden.

Mittwoch, 29. März 2017

Was wir uns nicht leisten können.



Wenn man ganz ganz arm ist, braucht man sich nicht um seine Alterssicherung sorgen, weil man ohnehin nicht die Mittel hat privat vorzusorgen.
Ganz ähnlich ergeht es den ganz, ganz Reichen. Dank der intensiven Lobbytätigkeit und Geldspenden an die Parteien wurde das Steuersystem so gestaltet, daß sie quasi von allein immer reicher werden und dafür prozentual auch noch erheblich wenige Steuern zahlen, als ein x-beliebiger Angestellter mit vierstelligem Monatseinkommen.

Warren Buffett zahlt weniger Steuern als seine Sekretärin Debbie Bosanek; geschätztes Jahreseinkommen: 50.000 Dollar, für die sie etwa 36 Prozent Steuern zahlt. Ihr Boss zahlt gute 14%.
Multimillionär Mitt Romney zahlte 12,9% Steuern auf seine 22 Millionen Dollar Kapitaleinkünfte.

Das ist so offensichtlich ungerecht, daß amerikanische Millionäre schon seit Jahren regelrecht darum betteln mehr Steuern zu zahlen.

[….] "Erhöht die Steuern für Millionäre". Das fordern nicht etwa linke Aktivisten, sondern 80 Vermögende aus New York. Unter anderem unterzeichneten George Soros, Steven Rockefeller und Abigail Disney den offenen Brief, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
Das Schreiben ist an den demokratischen Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, gerichtet. Aus Sicht der Unterzeichner sollten Top-Verdiener mehr für Schulen, Straßenbau oder Programme für Arme und Obdachlose bezahlen. […..]

Andere Superreiche denken stattdessen lieber an ihr eigenes Wohl und spenden für Konservative.
Für ihr intensives Däumchendrehen und konzentriertes Chillen wuchs beispielweise das Vermögen der Susanne Klatten, geborene Quandt, im vergangenen Jahr um zwei Milliarden Euro.

Susanne Klatten gewinnt zwei Milliarden Dollar hinzu
[….] Schwer genervt ist Susanne Klatten, 54, wenn sie immer nur als die reichste Frau Deutschlands tituliert wird. "Das beschreibt den Menschen nicht, das beschreibt nur einen Status", klagte die Multimilliardärin im vergangenen Sommer in der Zeit. [….] Umso besser läuft es bei BMW. Gemeinsam sind die Geschwister - ihre Mutter Johanna ist vor zwei Jahren gestorben - Großaktionär. Die Dividende wird erneut angehoben, und die Quandt-Erben bekommen alleine etwas mehr als eine Milliarde Euro ausgeschüttet. Auch viele andere Beteiligungen laufen gut, zur Freude Klattens. Gerade wurde wieder die Liste der reichsten Menschen der Welt veröffentlicht, berechnet von dem auf die Superreichen spezialisierten US-Magazin Forbes. Für Susanne Klatten reicht es in der Hitliste auf Platz 38, ihr Vermögen wird jetzt auf 20,4 Milliarden Dollar taxiert, immerhin knapp zwei Milliarden Dollar mehr als 2016. Der jüngere Bruder Stefan Quandt liegt mit 18,3 Milliarden Dollar auf Platz 47. [….]

Ich bin übrigens gar kein Linksradikaler, der Frau Klatten und Herrn Quandt alles wegnehmen will. Reichtum an sich stört mich nicht. Ich halte es durchaus für möglich, daß anständige Menschen, die sozial denken mit moralisch akzeptablen Methoden sehr reich werden.
Meinetwegen kann Frau Klatten gern Milliardärin bleiben.
Es stört mich nur, wenn Superreiche steuerlich besser gestellt werden als Normalverdiener, daß es offensichtlich möglich ist mit einem Heer von Anwälten und Steuerberatern die Abgabenlast gen Null zu drücken.
Für Einkommens-Multimillionäre sollte eine staatlich festgelegte Mindeststeuerquote gelten, von der nichts abziehbar ist.
 (Stichwort „Buffett-Steuer“)

Es ist darüber hinaus schon recht ekelhaft, wenn wiederholt der Eindruck entsteht, die Quandt/Klatten-Familie erhielte ihren jährlichen Geldsegen insbesondere durch ihre Finanzierung der CDU.

[….] Eine Spende mit Geschmäckle: 690.000 Euro überwies die BMW-Eignerfamilie Quandt der CDU, Kanzlerin Merkel erstritt Schonung für deutsche Autokonzerne bei EU-Abgasnormen. [….] Die drei Mitglieder der Quandt-Familie haben laut der Bundestagsverwaltung der CDU am vergangenen Mittwoch insgesamt 690.000 Euro an Spenden zukommen lassen. Gemeinsam halten sie 46,7 Prozent der Anteile an BMW. Die Spenden fallen zeitlich mit einer brisanten politischen Entscheidung zusammen. Die Bundesregierung kämpft seit diesem Sommer dafür, strengere Abgasnormen für Autos in Europa später einzuführen als ursprünglich geplant. Mit Erfolg: Am Montag verhinderte die Bundesregierung bei einem Treffen der EU-Umweltminister vorläufig eine Einigung. Davon profitieren insbesondere deutsche Oberklasse-Hersteller wie BMW, aber auch Daimler, Audi oder Porsche. [….]

Jedes Jahr überweist die Quandt-Sippe sechsstellige Summen an CDU und CSU und; oh Wunder; die Steuer- und Umweltschutzgesetze bleiben kontinuierlich sehr Quandt-freundlich.

Nein, ich kann selbstverständlich nicht beweisen, daß Schäuble und Merkel aufgrund der Millionen-Überweisungen an die CDU so Quandt-freundlich handeln. Möglicherweise betreiben sie auch ganz unabhängig vom Industrielobbyismus Lobby-freundliche Politik.
 Ja, in Amerika ist es noch viel schlimmer. Hier kaufen sich Milliardäre wie deVos und Trump direkt in die Regierung ein.
Die Adelsons und Kochs schieben über ihre Super-PACs ganz andere Summen in die republikanische Partei.

Der Effekt ist auch umso größer.
Amerikas Superreiche werden noch reicher als Deutschlands Superreiche.

[…..] It was a record year for the richest people on earth, as the number of billionaires jumped 13% to 2,043 from 1,810 last year, the first time ever that Forbes has pinned down more than 2,000 ten-figure-fortunes. Their total net worth rose by 18% to $7.67 trillion, also a record. The change in the number of billionaires -- up 233 since the 2016 list -- was the biggest in the 31 years that Forbes has been tracking billionaires globally. Gainers since last year’s list outnumbered losers by more than three to one.  
Bill Gates is the number one richest for the fourth year in a row, and the richest person in the world for 18 out of the past 23 years. He has a fortune of $86 billion, up from $75 billion last year. Amazon’s Jeff Bezos had the best year of any person on the planet, adding $27.6 billion to his fortune; now worth $72.8 billion, he moved into the top three in the world for the first time, up from number five a year ago.
Warren Buffett had the second-best year, and the biggest gain since Donald Trump was elected president in November 2016. His $14.8 billion jump in 12 months was enough for him to grab back the number two spot from Amancio Ortega, founder of Spanish clothing chain Zara. Ortega’s fortune was up $4.3 billion since last year, but he still fell to fourth in the world, unable to keep up with the outsize gains of others.  [….]

18% Vermögenszuwachs bei den Superreichen innerhalb eines Jahres. In dieser Situation; man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen; wählen die Amis einen Milliardär zum Präsidenten, der nun im großen Stil Steuern für die Superreichen abschaffen will.
Hier funktioniert das Lobbying offensichtlich.

Der Wert eines Menschenlebens verhält sich in dieser von Gott geschaffenen Welt offensichtlich umgekehrt proportional zu seinem Vermögen.
Während die paar Dutzend Megareichen der Welt offensichtlich kaum Probleme haben, die Geldströme nach ihrer Laune zu lenken und beliebig auf ihre Regierungen Einfluss nehmen können, haben die 20 Millionen Habenichtse, die gerade in Afrika vor unseren Augen verhungern, gar nichts zu sagen.

Mit erstaunlich wenig Geld könnte man sie vor dem Verhungern bewahren. Es geht um gerade mal 4 Milliarden Euro für die gesamte Staatengemeinschaft. Das ist deutlich weniger als einige der Superreichen innerhalb von 12 Monaten an sich rafften.
Aber diese vier Milliarden sind den frommen Christen im Berliner Kanzleramt und dem Weißen Haus offensichtlich viel zu viel. Die lehnen sich lieber entspannt zurück und sehen zu wie die Kinder krepieren.
Die haben eben die falsche Hautfarbe und sind weit genug weg, um nicht persönlich über die bayerischen Grenzübergänge zu kommen.

 [….] Die Gegenwart ist nicht friedlich, und offenbar ist die Welt müde geworden. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Vereinten Nationen von der schlimmsten Hungerkatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg sprechen - und trotzdem so gut wie nichts passiert. Nach UN-Angaben fehlen 90 Prozent des Geldes, das es braucht, um mehr als 20 Millionen Menschen in Teilen Afrikas und in Jemen vor dem Tod zu bewahren. 90 Prozent. Bei einem überschaubaren Gesamtbetrag von vier Milliarden Euro. Nein, die internationale Gemeinschaft hat für diese Hungersnot offensichtlich keine Aufmerksamkeit übrig.
[….][….] Jetzt ist die Lage am Horn von Afrika, im Südsudan, in Nigeria und Jemen so schlimm, dass politisch nichts mehr zu machen ist. Wer die 20 Millionen Männer, Frauen und Kinder noch retten will, muss Geld in die Nothilfe stecken - auch wenn das die alten Probleme mit sich bringt. Es ist alles andere als nachhaltig, importierte Säcke voller Reis und Mehl unter hohen Transportkosten in entlegene Dörfer zu karren. [….] Trotzdem bleibt es dabei: Wenn sich die Hunger-Karten der UN dunkelrot einfärben, gibt es zur Nothilfe keine Alternative. [….] Doch die Weltorganisation ist nur so gut, wie es ihre Mitglieder wollen. Im Moment scheinen die finanzstarken Mitgliedstaaten wenig Interesse daran zu haben, die Nothilfeanstrengungen der Vereinten Nationen zu unterstützen. Auch andere Organisationen klagen über die geringe Spendenbereitschaft von Regierungen und Bürgern. Auf großen Geber-Konferenzen wie zuletzt in Oslo, wo es um Hilfsgeld für die Region um den Tschadsee ging, werden öffentlichkeitswirksam große Versprechungen gemacht - doch viele Staaten zahlen entweder viel zu spät oder gar nicht. [….]