Nachtrag
zu Philipp Mißfelders „toller Idee“, die Armen sollten sich doch Vermögen
anschaffen, indem sie sparen.
Damit
würden sie einen Kapitalstock errichten, der es ihnen später einmal ermögliche
von den Zinsen zu leben.
Mißfelder,
der noch nie durch besondere IQ-Peaks in seinen Äußerungen auffiel, scheint
hier auf den ersten Blick insofern etwas extrem Unsinniges zu empfehlen.
Nämlich daß die Armen sich mit etwas helfen sollen, das sie eben gerade nicht
haben - Geld!
Auf
den zweiten Blick ist es zwar immer noch eine dämliche Idee, offenbart aber
eine moderne Grunddenke, die immer mehr um sich greift.
Während
es vor 50 Jahren noch von der überragenden Mehrheit der Gesellschaft als selbstverständlich
erachtet wurde seinen Lebensunterhalt als Gegenleistung für Arbeit zu bekommen,
ist dieses Modell heute zu einer Minderheitenposition verkommen.
Schon lange
sind weniger als 50% der Menschen erwerbstätig und von den lohnabhängig
Beschäftigten verdienen große Teile so wenig Geld, daß sie von dem Verdienst
keinesfalls leben können.
Ein-Euro-Jobber, Leiharbeiter, Minijobber, Aufstocker
- all sie arbeiten zwar, aber sie können genau wie ein Bäckergeselle, eine Friseuse
oder eine Altenpflegerin damit keinesfalls eine Familie ernähren.
Hinzu
kommen Millionen Menschen, die mutwillig aus dem deutschen Bildungssystem
ausgestoßen wurden, indem sie im Selektionsschulsystem nach unten durchgereicht
wurden - Grundschule, Hauptschule, Förderschule, 70.000 Schulabgänger pro Jahr ganz ohne Abschluß, 9 Millionen Analphabeten.
Die
Jobs für Menschen, die arbeitswillig aber nicht ausgebildet sind, gab es vor 50
Jahren noch in so einer Fülle, daß Millionen Arbeiter aus Anatolien und Italien
importiert wurden, um genau diese Tätigkeiten in deutschen Fabriken zu
erledigen.
Viele von ihnen konnten sich damit einen vergleichsweise guten
Lebensstandard erarbeiten. Eigene Wohnung und Kinder, die eine normale
Schulbildung erhielten waren durchaus drin.
Das
ist aber vorbei.
Fleiß ist keine genügende Voraussetzung mehr, um am
Arbeitsmarkt zu reüssieren.
Ist man zu alt oder zu schlecht gebildet, kann man gewillt sein 24 Stunden pro
Tag zu arbeiten und wird doch nichts finden.
Die bildungsferne Schicht bleibt
nur die Option von Sozialtransfers zu leben.
STERN-Autor
Walter Wüllenweber beschreibt in seinem neuen Buch „Die Asozialen“ (DVA, 256
Seiten, Erscheinungstag 17.09.12), daß „die Unterschicht“ diese
Transfermentalität mit der Oberschicht teilt.
Auch
die reichsten der Reichen leben von LEISTUNGSLOSEM EINKOMMEN.
Wer
über mehr als eine Million Kapital verfügt, erhält genügend Zinsen, um davon
leben zu können. Kapitalerträge als Lebensgrundlage. Dieses Modell wird von
Merkel und Schäuble massiv gefördert, indem man für dieses geschenkte Geld
(welches die schrumpfende Mittelschicht für die Millionäre erwirtschaftet) nur
maximal 25% Steuern auf Kapitalgewinne erhebt.
Beim
Arbeitslohn greift Herr Schäuble hingegen schon ab einem Jahreseinkommen von
53.000 Euro den Spitzensteuersatz von 42% ab.
Gerecht ist anders.Damit die Reichsten, aber eben auch die Ärmsten leben können ohne zu arbeiten, werden über die Banken und dem Sozialsystem Rettungsschirme gespannt.„Die Reichen wurden in den vergangen Jahrzehnten mit großzügigen Steuergeschenken verwöhnt. Abgeltungssteuer, Unternehmenssteuern oder Erbschaftssteuern runter, Vermögenssteuer und Börsenumsatzsteuer weg. [….] Der Staat privilegiert das leistungslose Einkommen der Geldelite und bestraft den Lohn der Leistung. Die „Steuerreformen“ haben zu einer revolutionären Umverteilung des Vermögens beigetragen. Heute besitzt allein das reichste Prozent der Deutschen 36% Prozent des gesamten Vermögens. Dem reichsten Promille gehört ein Viertel.“(Walter Wüllenweber STERN 38/2012 s.59)
Zwei Millionen
Menschen arbeiten als Sozialarbeiter, Pfleger oder Helfer aller Art.
Die Banken
verschieben 12-stellige Summen, für die der Steuerzahler haftet, wenn es mal
schief geht.
Alles um dem reichsten Prozent der Deutschen ein Luxusleben ohne
Arbeit zu ermöglichen.
Gespart
wird hingegen an Bildung - denn Bildung könnte die Unterschichtler aus der
Lethargie reißen und ihnen Teilhabe ermöglichen.
Gespart
werden sich auch Steuerreformen, die zu mehr Gerechtigkeit führten - denn sie
könnten die Reichsten aus ihrer Lethargie reißen und sie zwingen ihren Beitrag
zu leisten.
Philipp
Mißfleder, der als Bundestagsabgeordneter € 15.636 im Monat erhält, hat die Ideologie des leistungslosen Einkommens perfekt verinnerlicht.
Hi Tammox,
AntwortenLöschenich stimme Dir im großen und ganzen zu, auch was Bankenrettungsschirme angeht.
Allerdings sehe ich weit und breit keine "Sozialsystem-Rettungsschirme", die diesen Begriff (Rettungsschirm) verdient hätten. Was ich hingegen sehe sind 'Versicherungswirtschaft-Rettungsschirme mit sozialem Anstrich'. Es sind ja auch in Wahrheit keine "Sozialsystem-Rettungsschirme" nötig. Die Probleme sind hausgemacht!
Man versucht den (heutigen) Einzahlern einzureden, dass sie bei 2% Rentenbeitragssenkung toll was gespart haben (gespart haben nur die Unternehmen!), verschweigt aber, dass erst aufgrund dieser Beitragssenkung die Rentenbezüge (heute schon und verstärkt in Zukunft) gekürzt werden müssen, mit denen man wiederum argumentiert, dass sie 10% in eine Alterssicherung bei der Versicherungswirtschaft stecken sollen, wobei diese 10% dann zu der Mehrbelastung führen, die die Politik geschickt dem "demographischen Faktor" in die Schuhe schiebt.
Damit wird ein "Generationenkonflikt" ausgelöst und von den heutigen jungen Einzahlern aufgenommen, als wären "Alte" irgendwelche "Aliens" und nicht jeder heute junge Einzahler in wenigen Jahren selbst ein alter Empfänger.
Und wenn man wie in der "sozialistischen Schweiz" (Volker Pispers) alle Einkommen für die Sozialsystem heran ziehen würde, könnte man bei einem kleineren Pflichtteil als heute jedem eine anständige Grund-Alterssicherung zusichern. Das Geld wird ja verdient, nur nicht unten...
LG Omnibus56
PS: Das war nicht ganz Dein Thema, aber es musste raus. ;-)
Den Text von Pispers über die „sozialistische Schweiz“ habe ich auch gehört! Klasse, wie fast immer bei ihm.
AntwortenLöschenBezüglich der Rentenfinanzierung stimme ich Dir zu. Das gehört indirekt schon zu dem Thema, da es bei der Abkoppelung der Wohlhabenden aus unserem Sozialsystem genau darum geht, daß sich zum Beispiel Beamte oder diejenigen, die so reich sind, daß sie von eigenen Zinseinkünften leben, komplett aus der Finanzierung verabschiedet haben. Wenn man aber ausgerechnet die Reichsten immer mehr aus der Rechnung rausnimmt, muß es ja mal ein Problem mit den Renten geben.
Das läßt sich aber auch auf andere Systeme, wie die Krankenversicherung oder auch das gesamte Steuersystem übertragen.
Ich kann nur immer wiederholen: Das ist alles nicht unbekannt und wir wählen genau die Typen, die dafür verantwortlich sind, in die Regierung.
Das mit den zwei Rettungsschirmen, sozusagen oben und unten, habe ich von dem Wüllenweber geklaut. Der benutzt das in seiner plakativen Werbung für sein Buch. Ist halt einprägsam - wenn auch nicht gerade das 100% passende Bild.
Das Buch ist ja heute erst erschienen; daher hatte ich auch nur einen ganz kleinen Ausschnitt zur Verfügung. Ich will das aber noch lesen, um zu sehen, wie ernst man seine Analyse nehmen kann.
LGT