Technische Neuerungen wie Notebooks, Internet und
Klugtelefone sind die offensichtlichsten Veränderungen im Vergleich zu meiner
Jugend.
Das sind Methoden, die ich als digital immigrant sicher
nicht so gut beherrsche wie die digital natives, aber doch adaptiert habe und
täglich verwende.
Auch frühere technische Erfindungen blieben nicht auf
Jugendliche beschränkt.
Anders ist es aber bei Moden, die fast vollständig auf die
junge Generation beschränkt sein können.
Tätowierungen ziehen sich inzwischen durch alle
Generationen, Piercings sind eher Mode für unter 40-Jährige und Top-Trends wie Flanking sind nur noch für
Teens und Twens attraktiv.
Während so unterschiedliche Musiker wie David Bowie, Kate
Bush und die Rolling Stones Fans in einer breiten Altersspanne zwischen 15 und
85 haben, werden Ariana Grande, Zayn Malik, Jonas Brothers, Selena Gomez, One
Direction, Justin Bieber oder Tokio Hotel mutmaßlich von niemand über 25 Jahren
gehört.
(Ich mutmaße, das liegt daran, daß die Genannten
alle schlecht sind und Jugendliche noch zu ungebildet sind das zu erkennen. Aber
das liegt außerhalb meiner Kompetenz.)
Völlig unverständlich ist mir nach wie vor, was die Kinder
mit ihren Playstations und x-Boxen tun. Was ist dieses „Zocken“, um das sich
eine gewaltige Multimilliarden-Spieleindustrie entwickelt hat? Ich weiß nicht
was das ist, will es auch nicht wissen und kultiviere schon allein deswegen
meine Vorurteile, weil ich ohnehin nicht eine Sekunde Zeit am Tag zu
verschenken habe.
Sehr rätselhaft sind mir auch die allgegenwärtigen
Zeichentrickfilme.
Dabei werden Zeichentrickserien wie die Simpsons offenbar
auch von Menschen über 25 Jahren angesehen. Für mich sind Zeichentrickserien
ein Relikt der Jugend, als ich noch ein Kleinkind war: Captain Future, Vicky
und Biene Maja. Schön und gut, aber das guckt man doch nicht mehr, wenn man ein
zweistelliges Lebensalter erreicht hat.
Und was ist das mit diesen gräßlichen Mangas? Diese abartigen
großäugigen entsexualisierten gezeichneten Figuren aus dem asiatischen Raum,
die zunehmend auch Menschen in Europa dazu bringen sich wie Puppen zu kleiden
und operativ die Augen aufweiten zu lassen.
Ich verstehe es nicht.
In meiner Jugend war Japan zwar
der Techniklieferant (Sony Walkman!), blamierte sich künstlerisch aber
international mit einer endlosen Folge ungeheuer schlecht gemachter
Ungeheuerfilme, in denen alberne Godzilla-Püppchen in primitiver
Modeleisenbahnkulisse mit schrillen Schreien schlechten Modellen überdimensionaler
Motten entgegentraten.
Das passte zu legendär abartigen japanischen TV-Shows à la
Takeshis Castle, in denen asexuelle debile junge Männer so lächerlich gemacht
werden, daß man sie noch nicht mal herzhaft auslachen kann, sondern sich mit
hochgebogenen Zehennägeln mitschämt.
Ich las und liebte, liebe sogar
immer noch James Clavell-Romane und Ryūichi Sakamoto-Musik, aber wann wurde
plötzlich K-Pop beliebt?
Seit wann werde asiatische Comic-Heftchen nicht nur ausgelacht, sondern in der ganzen Welt gelesen?
Seit wann werde asiatische Comic-Heftchen nicht nur ausgelacht, sondern in der ganzen Welt gelesen?
In China gibt es ein bei jungen
Frauen extrem populäres Comic-Genre namens "Danmei".
Es gibt einen ganzen Kosmos aus Danmei-Filmen, Büchern, Foren und Merchandising.
Wenn ich es richtig verstehe,
werden darin fiktionalen Heldenpaaren wie „Batman and Robin“ oder „Richard
Löwenherz und Merlin“ schwule Storylines angedichtet.
[….] Danmei, meaning “indulgence in beauty”, is China’s version of what is
often called “slash” fiction in other countries. The genre takes its English
name from the slash sometimes used in synopses of such works to separate the
names of often well-known protagonists: Kirk/Spock, or in this case fox
king/nobleman (the men, despite their attraction to each other, are portrayed
as straight). The genre sometimes explores taboos: incest, intergenerational
sex, or sex with a character who is disfigured. It is also inspired by Japanese
manga comic books with their whimsical illustrations (the word danmei was
originally a Japanese term: tanbi). The genre is only available online in
China—no state-owned publisher would dare print such works, for fear of
violating laws against pornography.
Among younger Chinese women and teenagers, danmei is proving remarkably
popular: websites devoted to it have large followings. Katrien Jacobs, an
expert on Chinese online pornography at the University of Hong Kong, estimates
that in every high school or university class, there is at least one fan of
danmei. If so, that could mean a readership in the hundreds of thousands. Ms
Jacobs says danmei attracts readers by creating “a sense of rebellion” against
a culture in which women are often expected to be obedient and conventional. Readers
delight in enjoying the forbidden. [….]
Star der Branche ist offenbar „Lady Tianyi“, deren echter
Name nicht bekannt ist.
Ihre fiktiven Homo-Liebesgeschichten werden ihr aus den
Händen gerissen. Zuletzt auch ihr Buch "Die Eroberung", in dem es um
eine zarte Liebesgeschichte zwischen einem Lehrer und seinem Schüler geht.
Nun ist aber erst mal Schluss für die Autorin, denn sie
wurde zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt, weil sie nach Ansicht der Staatspartei
gegen die Pornografie-Gesetze verstieß.
Erstaunlich ist daran nicht nur die völlig steinzeitliche
Reaktion des Chinesischen Staates auf einen harmlose fiktive Geschichte,
sondern erst Recht die aufmüpfigen Reaktionen. Danmei ist so populär bei jungen
Chinesinnen, daß sie sich mit ihrer Lieblingsautorin solidarisieren.
[….] Homosexualität ist in China ein sensibles Thema. Zwar werden
LGBT-Gruppen nicht systematisch verfolgt wie in anderen Ländern. Behörden tun
sich aber schwer mit Aktivistengruppen, die sich für die Rechte von
Homosexuellen einsetzen. Mit der zunehmenden Überwachung von
Nichtregierungsorganisationen geraten die Aktivisten unter Druck. Zudem
versucht die Kommunistische Partei, das Thema aus den Medien zu verdrängen, da
es nicht zu ihren Vorstellungen einer "harmonischen Gesellschaft"
passt, die unter Präsident Xi Jinping oberstes Credo geworden ist.
2016 wurden staatliche Richtlinien für die Fernsehbranche öffentlich,
in der Homosexualität neben Inzest und Vergewaltigung als "abnormales
sexuelles Verhalten" bezeichnet wurde. Im vergangenen Jahr wurde das Thema
auf Livestreaming-Plattformen verboten, über die Videoblogger mehrere hundert
Millionen Zuschauer erreichen. Im Zuge einer staatlich angeordneten
"Säuberung des Internets" hatte jüngst der Kurznachrichtendienst Sina
Weibo viele Beiträge zu dem Thema gelöscht. [….]
Deine kritischen Fragen sind durchaus berechtigt. Warum findet jemand dieses oder jenes interessant? Welche Vorlieben entwickelt jemand? Diese Fragen können viele nicht einmal für sich selbst beantworten.
AntwortenLöschenEin nach globaler Macht strebender Staat kann ebenda enden, wo China sich befindet. Statt individuelle Lebenspläne seiner Bürger zu ermöglichen, verfolgt er eigene, übergeordnete Pläne. Um diese Ziele zu erreichen, plant und taktet man alles durch. Denken und Handeln unterliegen staatlicher Kontrolle. Das zum Staatseigentum degradierte Individuum hat genau zwei Kinder, einen Job und keine Meinung.
Führungskader haben sicherlich Vorteile, so einen Ameisenstaat zu organisieren. Darum ist es leicht, so ein System zu etablieren und am Laufen zu halten. Es gibt immer Kollaborateure, die für einen kleinen Vorteil ihren Nachbarn verraten. Das ist wohl Teil der menschlichen Natur; der wunderbaren Vielfalt.
Sekten haben das System perfektioniert. Man untersagt Geburtenkontrolle, Homosexualität und degradiert Frauen zu Gebährmaschinen, weil ein demografischer Plan verfolgt wird. Es gilt so viele Nachkommen zu produzieren, um gegenüber konkurrierender Systeme zu einem Machtfakor zu werden. Darum hassen ihre Götter Schwule und Abtreiber, und Frauen sind dem immergeilen Manne untertan. Alle "erfolgreichen" Sekten arbeiten mit solchen Mitteln. Genial an dem Konzept ist es, Klagen an ein Fantasiewesen auszulagern.
Darf eine Vergewaltigung zu einer Schwangerschaft führen? Sind Arbeitsbienen glücklich? Ist es legitim zu morden? Wir stellen diese Fragen in Verhältnis zur Rechtmäßigkeit solcher Bestrebungen. Warum tun wir das? Die Natur tut das doch auch nicht!
Einen gerechten Gott, der in solchen Fällen lenkend eingreift, gibt es nicht. Vielleicht erscheint es Manchem so, weil repressive Systeme am Ende immer untergehen? Nur: Das tun liberale Systeme auch. Für Religioten greift dann das Konzept von Himmel und Hölle, in der ein Rechtschaffener posthum auf Belohnung hoffen kann. Für alle anderen bleibt nur die Unverständnis und ein Haufen neuer Fragen. Verstehen wir die Natur vielleicht einfach nicht? Stets suchen wir nach Ordnung im System, geleitet von der Hoffnung, das Chaos irgendwann durchdringen zu können und dass die Antwort uns zum Vorteil gereicht. Macht uns das nun zu besseren Menschen?