Das
bedeutet aber nicht, die atomare „Massive Response“-Strategie perfekt ist.
Womöglich
hat es nicht wegen der nuklearen Abschreckung, sondern trotz nuklearer
Abschreckung keinen Weltkrieg mehr gegeben.
Wie wir
inzwischen wissen, war die Welt einige mal sehr kurz davor unterzugehen. Kuba, Berlin und
auch der Nahe Osten haben schon extrem gefährliche Situationen kreiert, die
eher zufällig nicht im Ende der Menschheit mündeten.
Friedensbewahrend
wirkte zum Beispiel die Konstellation der Regierungschefs in den 1970er, die wie
Helmut Schmidt und Leonid Breschnew selbst „die ganze Scheiße“ (Schmidt) im
WKII miterlebt hatten und wußten was Krieg bedeutet.
Bisher sind glücklicherweise
auch noch nie Atomwaffen in die Hand von religiösen Fanatikern gefallen, die in
ihrem Jenseitsglauben auf das Diesseits verzichten können.
Außerdem
war es hilfreich gebildete und kluge Staatenlenker zu haben.
[….]
Zwei
Staatschefs provozieren sich mit Atomwaffen. Diplomatie scheint gescheitert,
ein Krieg greifbar nahe. Da erinnert sich der Präsident an das Buch
"August 1914" über den Ausbruch des ersten Weltkriegs: Es dürfe nicht
sein, sagt er, "dass man ein ähnliches Buch über die jetzige Zeit
schreibt".
Der Präsident war John
F. Kennedy, und bei dem nuklearen Säbelrasseln handelte es sich um die
Kubakrise von 1962 zwischen Kennedy und seinem sowjetischen Gegenüber Nikita
Chruschtschow. Sie wird dieser Tage wieder viel zitiert, als Vergleich zum
eskalierenden Konflikt der USA mit Nordkorea.
Donald Trump liest
bekanntlich keine Bücher und ist wenig interessiert an historischen Parallelen.
Stattdessen twittert er die Welt gerade immer tiefer in die Krise mit seinen
täglichen Drohungen an Pjöngjang. […..]
Die
US-Präsidenten Kennedy, Clinton und Obama sind (waren) alle hochgebildet, sehr
belesen und kannten die Geschichte.
Die Welt
ist heute viel gefährlicher, weil mehr Saaten über Massenvernichtungswaffen
verfügen und insbesondere weil Trump auf den Kopf gefallen ist und gar nicht
weiß was er anrichtet; ganz offensichtlich nicht die geringste Ahnung von koreanischer
Geschichte hat.
Es
könnte ihn auch niemand darüber aufklären – selbst wenn er sich länger als 30
Sekunden konzentrieren könnte - weil seine Regierung alle Experten gefeuert hat
und noch keinen Ersatz fand.
In den
westlichen Medien hieß es immer „der irre Kim“, bevor zunehmend auch Trump als „irre“
betrachtet wird.
Aber
abgesehen von der Personalie Trump, blicken wir alle durch die amerikanische
Brille auf Nordkorea.
Die Perspektive
Pjöngjangs wird gar nicht erst untersucht.
250.000
Amerikaner leben in Südkorea.
Der dem US
Pacific Command (PACOM) unterstehende Großverband United States Forces Korea (USFK) steht seit
1957 mit mindestens 30.000 Mann direkt an der nordkoreanischen Grenze.
Man
stelle sich für eine Minute vor, 30.000 bis an die Zähne bewaffnete nordkoreanische
Elitesoldaten stünden in Mexiko direkt an der Südgrenze der USA.
Man
stelle sich vor, dieser nordkoreanische Großverband stünde nicht nur drohend
da, sondern hätte zuvor bereits auf US-Staatsgebiet gewütet, wie es die
Amerikaner in Nordkorea taten.
[…..] Am
Ende des Zweiten Weltkriegs war die Sowjetunion in den Krieg gegen Japan
eingetreten, die Kolonialmacht in Korea. Die Rote Armee rückte im August 1945
schnell nach Süden vor. Die USA fürchteten, Stalin könnte ganz Korea unter
seine Kontrolle bekommen, sie definierte deshalb die südliche Hälfte der
Halbinsel als ihre Einflusssphäre, mit dem 38. Breitengrad als Grenzlinie. Noch
heute ist sie die innerkoreanische Grenze.
Im Koreakrieg starben
allein im Norden etwa 1,5 Millionen Menschen
Dabei war niemandem in
Washington bewusst, dass die verhasste Kolonialmacht Japan diese Linie schon
einmal 1896 als Grenze von Einflusssphären definiert hatte, damals mit dem
Zarenreich. Nach seinem Sieg im russisch-japanischen Krieg 1905 machte Tokio
dann die Halbinsel, die strategische Mitte Nordostasiens, nach der auch
Russland und China gegriffen hatten, zu seinem Protektorat, 1910 zur Kolonie. […..] Der Zweite Weltkrieg befreite Korea von den japanischen Besatzern, aber
er spaltete es auch. Gespräche, das besetzte Land zu vereinen, scheiterten. […..]
Kim Il-sung, den Großvater des heutigen
Machthabers […..] hatte sich im
Widerstand gegen die Japaner einen Namen gemacht und später in der Roten Armee
gedient. Nordkorea beanspruchte das Erbe dieses Widerstands von Anfang an für
sich. […..] Am 25. Juni 1950
marschierte Kim Il-sung nach Südkorea ein, um das ganze Land unter seine
Kontrolle zu bringen. Binnen weniger Wochen kontrollierten seine Truppen fast
die ganze Halbinsel. Dann aber landete US-General Douglas MacArthur, gestützt
durch ein Mandat der UN, im September 1950 und fiel den Nordkoreanern in die
Flanke. […..] Ein übler Vernichtungskrieg folgte, bei dem
die Amerikaner alle Städte Nordkoreas zerstörten. Sie warfen 635 000 Tonnen
Bomben über dem kleinen Land ab, mehr als im Zweiten Weltkrieg in allen
Schlachten um den Pazifik. Etwa 1,5 Millionen Nordkoreaner kamen ums Leben. Die
Frontlinie jedoch verschob sich kaum mehr. [….]
Nachdem
die USA 635.000 Tonnen Bomben über Korea abwarfen und 1,5 Millionen Koreaner
töteten, die sich gegen die brutale japanische Besatzungsmacht erhoben hatten,
liebte das koreanische Volk die Amerikaner nicht besonders.
Soviel
Geschichtsbewußtsein ist notwendig für US-Amerikaner. Trump weiß darüber
höchstwahrscheinlich gar nichts.
Was will
Nordkorea eigentlich?
"In der
internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht
um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im
Geschichtsunterricht erzählt."
(Egon
Bahr)
Pjöngjang
will sicher vor dem USFK sein, es möchte auf Augenhöhe mit den anderen Staaten
agieren und sein Regime erhalten.
Bill
Clinton hatte das erkannt und ging vorsichtigen Schrittes auf Kim Jong Il zu.
Es
setzte fast schon sowas wie Entspannung ein, denn Pjöngjang hatte nach dem
Ausfall der Sowjetunion als Schutzmacht und Lebensmittelieferant mit einer
gewaltigen ökonomischen Krise, sogar Hungersnöten zu kämpfen und lechzte nach Hilfe.
Clinton
entschied mutig und richtig; diplomatisches Tauwetter setzte ein und gipfelte
im erfolgreichen Besuch der US-Außenministerin in Nordkorea im Jahr 2000.
[…..]
Zum ersten Besuch eines hochrangigen
US-Regierungsmitglieds seit dem Koreakrieg vor einem halben Jahrhundert ist
US-Außenministerin Madeleine Albright am Montag in Nordkorea eingetroffen.
Der nordkoreanische
Vizeaußenminister Kim Gye Gwan begrüßte Albright am Sunan-Flughafen von
Pjöngjang. Albright, die auch Machthaber Kim Jong Il treffen wird, will sich
von der Ernsthaftigkeit der nordkoreanischen
Führung überzeugen,
das Land aus seiner Jahrzehnte alten Isolation
herauszuführen.
Ausreichende Zugeständnisse Nordkoreas bei
seinen Raketen- und Nuklearprogrammen und seiner Haltung zum internationalen
Terrorismus
könnten den Weg ebnen
für einen möglichen Besuch von US-Präsident
Bill Clinton in
Pjöngjang Mitte November. Auf dem Weg vom Flughafen
zum Mausoleum des 1994
gestorbenen «Großen Führers» Kim Il Sung, dem Vater des heutigen Machthabers,
führte Albright ein 15-minütiges Telefongespräch mit ihrem japanischen
Amtskollegen Yohei Kono.
Dabei äußerte Kono laut Beamten des
Außenministeriums in Tokio Japans Sorge über das Raketenprogramm sowie die
mutmaßliche Entführung von
Japanern durch nordkoreanische Agenten. Albright soll
Kono zugesagt haben,
ihn am Mittwoch in Seoul im Rahmen eines Dreier-Treffens der Außenminister der
USA, Japans und Südkoreas zu unterrichten.
Am ersten Tag wird Albright mit Kim-Stellvertreter Cho Myong Nok
zusammentreffen, dessen Besuch Anfang des Monats in Washington den Weg für ihre
zweitägige Visite geebnet hatte. [….]
So geht
große Politik!
Es wurde
ein Abkommen ausgehandelt, welches auf der 1994 geschlossenen Vereinbarung
fußte, daß Nordkorea auf sein Atomwaffenprogramm verzichte und die USA im
Gegenzug bei der nordkoreanischen Energiekrise helfen würden, indem sie unter
anderem zwei zivile Atomreaktoren liefern würden.
Leider
lief Clintons Zeit ab und die US-Amerikaner schickten den mit einer
Stimmenminderheit von 500.000 Votes eben nicht gewählten George W. Bush ins
Weiße Haus.
GWB, den
man bis Trump zu Recht als den dümmsten und schlechtesten US-Präsidenten aller
Zeiten ansah, wußte offensichtlich auch nichts über Diplomatie und koreanisch-amerikanische
Geschichte. Er kassierte alle Absprachen und begann wieder zu hetzen; zählte
Nordkorea zur „Achse des Bösen“.
[…..]
Die USA lieferten nie die Reaktoren,
Pjöngjang stoppte sein Atomprogramm nur teilweise. Clintons Nachfolger George
W. Bush ließ das Abkommen platzen. Sein Vize Dick Cheney forderte einen
gewaltsamen Regimewechsel in Pjöngjang.
Robert Carlin,
langjähriger CIA-Experte für Nordkorea, hält Bushs Platzenlassen des Genfer
Abkommens für einen der größten Fehler der US-Außenpolitik. Es habe ein
ständiges Forum für Gespräche geboten und vor allem Vertrauen geschaffen.
Seither werde der Ton zwischen beiden Ländern immer schriller. Das vermochten
auch die Sechs-Parteien-Gespräche, der von China initiierte Versuch, Nordkorea
mit Hilfe seiner Nachbarn zu denuklearisieren, nicht mehr zu ändern. Der
gegenwärtige verbale Schlagabtausch ist nur der jüngste Höhepunkt dieser ewigen
Krise. [….]
Kim Jong
Il starb 2011, nachdem er von GWB zur Weißglut geärgert und angesichts seiner
Beobachtungen was „Achse des Bösen“-Ländern ohne Massenvernichtungswaffen wie
dem Irak widerfährt, das Atomprogramm wieder voll hochgefahren hatte.
Die USA
greifen immer wieder andere Länder an und stürzen Regime.
Ein
nicht amerikafreundliches Regime überlebt nur, wenn es sich eben nicht an das
Diktat hält keine Massenvernichtungswaffen anzuschaffen.
Also
jene Waffen, die die USA mit größter Selbstverständlichkeit selbst besitzen und
einsetzen (Hiroshima!), aber anderen verbieten.
Wenn
aber viele Nationen Atomwaffen besitzen
- was bei einigen zwar höchst illegal ist nach dem Atomwaffensperrvertrag,
aber wie bei Israel dann doch akzeptiert wird – wird die Gefahr für die „Schurkenstaaten“,
die noch keine haben, immer größer.
Der Iran hat es bei seinen direkten westlichen
und östlichen Nachbarn erlebt. Irak und Afghanistan wurden von den USA
plattgemacht, weil sie keine Atombomben hatten.
Aus
Sicht Teherans ist es also völlig logisch den Weg Pjöngjangs zu gehen und sich
möglichst bald auch Atomraketen anzuschaffen.
Das ist
Egon Bahrsche Realpolitik, die man als solche wie Bill Clinton erkennen kann und
dann diplomatisch handelt, um Verbesserungen zu erzielen.
So kam
es auch zum „Iran-Deal“ unter Barack Obama.
Clinton
und Obama sind eben nicht auf den Kopf gefallen.
Trump
allerdings umso mehr.
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