Sonntag, 10. April 2016

Riot now





Damit das mal klar ist: Der sogenannte Türkei-Deal, den Merkel, de Maizière und Altmaier als großen Erfolg feiern, ist sowieso menschenrechtsantagonistisch.

Das ist ein Todespakt, der Menschen umbringt.

[…] Das Sterben geht weiter
Die EU schickt Flüchtlinge in die Türkei zurück - und hofft, so die Krise in den Griff zu bekommen. Doch verzweifelte Migranten versuchen noch immer, in Booten nach Griechenland zu kommen. Jetzt ist wieder eins gekentert, vier Frauen und ein Kind starben.
[…] In der Nacht zum Samstag kenterte ein Schlauchboot bei starkem Wind und Wellengang. Vier Frauen konnten nur noch tot geborgen werden, wie die Küstenwache berichtete.  Ein Kind wurde gerettet, starb aber kurze Zeit später. Weitere fünf Flüchtlinge überlebten die Havarie. Sie kämpften drei Stunden im Wasser, bis Rettungsboote sie fanden. Unklar war zunächst, wie viele Flüchtlinge insgesamt an Bord waren.
[…] Manche wagen trotzdem die gefährliche Überfahrt in wackeligen Booten. Von Freitag auf Samstag waren es 120. Die Erfahrung zeigt zudem: Wenn eine Route dicht ist, weichen Flüchtlinge auf andere, oft gefährlichere Wege aus. […]


[…] Am Zaun von Idomeni versuchen Hunderte Flüchtlinge, die Grenze zu durchbrechen, einige schleudern Steine. Mazedonische Einheiten feuern Tränengas auf die Verzweifelten. […] Sie sitzen hier seit Februar, abgeschnitten von der Außenwelt, im Stich gelassen. Damals war die Balkanroute für die Migranten weitestgehend gesperrt worden. Sie hoffen, dass Europa letztlich doch noch die Grenzen für sie öffnet, wenn sie denn nur lange genug durchhalten.
[…] Über Stunden kämpfen mazedonische Einheiten und Flüchtlinge am Zaun. Alle paar Sekunden fliegt ein Stein, geworfen von Vermummten. Alle paar Sekunden versuchen andere, den Zaun zu überrennen. Und alle paar Sekunden schießen die mazedonischen Einheiten Tränengaspatronen auf die Flüchtlinge. Die wiederum werfen Decken über die Geschosse, um sie unschädlich zu machen.
[…] Ein Sprecher der Migrationskoordinatoren innerhalb der griechischen Regierung nennt den Einsatz von Gewalt gegen Migranten zwar "gefährlich und erbärmlich, insbesondere wenn es keinen Grund für eine solche Gewaltanwendung gibt". […] Am Abend kehrt langsam wieder Ruhe ein am Grenzzaun, laut Ärzte ohne Grenzen gibt mindestens 250 Verletzte.

Das sind Zustände, die in der Sprache des deutschen Innenministers als „gut angelaufen“ beschrieben werden.

"Diese Methode ist richtig, die sollten wir auch für die zentrale Mittelmeer-Route von Nordafrika aus über Italien anwenden."

Es ist eine von allen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisierte Katastrophe mit Ansage. Am 02.April 2016, also vor den neuerlichen Toten, konnte man im SPIEGEL lesen, wie sehr sich die Kanzlerin selbst zum Schoßhündchen Erdogans degradierte.


Lästige deutsche Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit interessieren Merkel nun nicht mehr.

Und damit er die Flüchtlinge stoppt, bekommt sein Land nicht nur Milliarden von der EU, sondern auch die Aussicht auf Reisefreiheit für sein Volk, ja sogar auf eine Mitgliedschaft in der EU. Das ist der politische Preis für das Versagen Europas.
Am Mittwoch gab es für die Bundesregierung denn auch nur ein Ziel: den wilden Mann vom Bosporus nicht noch mehr zu reizen. Lange gab es von offizieller Seite kein Wort zu der Einbestellung des deutschen Botschafters, dann kam die Regierungspressekonferenz.
„Es gibt diplomatische Wege, auf denen die deutsche Bundesregierung ihre Haltung zur Bedeutung der Meinungsfreiheit dargelegt und noch einmal deutlich gemacht hat“, schwurbelte zuerst Merkels Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Und Sawsan Chebli, Sprecherin des Auswärtigen Amtes, war erst auf Nachfrage bereit zuzugeben, dass der deutsche Botschafter keineswegs nur auf eine Tasse Kaffee bei der türkischen Regierung vorbiegeschaut habe. Sondern dass er einbestellt worden war. „Das ist eine schärfere Form der Signalisierung des Gesprächswunsches, sagen wir es einmal so.“
Das Herumeiern der Sprecherinnen offenbart vor allem eines: das ganze Drama von Merkels verkorkster Flüchtlingspolitik. Die Kanzlerin war es, die in der EU gegen Widerstände ein Abkommen mit der Türkei durchgesetzt hat, es war ihr Weg zur Lösung der Flüchtlingskrise. Während die Osteuropäer und Österreich darauf setzen, die Balkanroute zu schließen, sieht Merkel ihren Deal mit der Türkei als den einzigen wirksamen Weg, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen.
(SPIEGEL 14/2016 s.18)

Soweit, so peinlich.
Der Donald Trump des Bosporus weiß aber nur zu genau, daß er die Bundesregierung an den Eiern hat und dreht die Daumenschrauben genüsslich immer weiter zu.


Er will jetzt Blut sehen, verlangt ein Strafverfahren gegen Böhmermann und die Bundesregierung weist das nicht nur nicht empört zurück, sondern wirft gleich auch noch die Gewaltenteilung über Bord, indem sie devot vor Erdogan auf Knien rutschend verspricht das zu prüfen.


(UPDATE einen Tag später:

Hier bin ich im Eifer des Gefechts über das Ziel hinausgeschossen.
Die Bundesregierung setzt sich nicht über die Gewaltenteilung hinweg, sondern muß beim „Schah-Paragraphen“ tatsächlich zustimmen, bevor die Staatsanwaltschaft loslegen kann.

[….] Hinter den nun angekündigten Beratungen innerhalb der Regierung versteckt sich nun nicht weniger als eine heikle Grundsatzentscheidung. Laut Strafgesetzbuch muss die Bundesregierung im aktuellen Fall entscheiden, ob sie weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen einer möglichen Beleidigung eines ausländischen Staatschefs zustimmt.
Abseits der rechtlichen Fragen wird das Votum politisch mehr als schwierig. Auf der einen Seite will Berlin die Türkei und auch Präsident Erdogan nicht verärgern, zu sehr hängt Deutschlands Flüchtlingspolitik ab vom Wohlwollen des Partners. Bis heute ist der Deal mit Ankara wacklig, niemand will deswegen neue Friktionen, zumal Erdogan als sehr eigen gilt. [….]

Richtig ist aber, daß Steinmeier (und Merkel) dieses Ansinnen sofort empört ablehnen sollten und nicht erst tagelang prüfen müßten.

 
Was für ein erbärmliches Signal auch an die Oppositionellen in der Türkei, die nun wissen was sie von der EU erwarten können – nämlich nichts.

Inzwischen hat die türkische Regierung in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt die Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann wegen seines umstrittenen Erdogan-Gedichts gefordert. Regierungskreise bestätigten am Sonntag einen entsprechenden Bericht des Berliner Tagespiegels. Der türkische Botschafter in Deutschland ließ die Forderung dem Auswärtigen Amt in Berlin zukommen.
Die Bundesregierung werde den Inhalt der Note sorgfältig prüfen und zügig entscheiden, wie mit dem türkischen Verlangen nach Strafverfolgung umzugehen sei, hieß es.

Wie will man Flüchtlinge, Asylanten, Heimatvertriebene, Ossis, Spätaussiedler, Peginesen eigentlich auf „unsere demokratischen Werte“ verpflichten, wenn die deutsche Regierung sie andererseits so bereitwillig auf Zuruf eines ehemaligen Sträflings mit schwerem small-penis-syndrom wegwirft?



Wenn es hier für die Merkel-Regierung überhaupt irgendetwas zu überlegen gäbe, so wäre es nur wieso man den "Schah-Paragrafen" 103 noch nicht abgeschafft hat.

Der Friede-Springer-Freundin Angela Merkel sollte es schon zu denken geben, wenn Friede Springers noch engerer und noch rechterer Freund Matthias Döpfner als Verlagschef persönlich in einem offenen Brief pro Böhmermann Stellung bezieht.


Döpfner setzt sein immenses publizistisches Gewicht hier so vorbildlich ein, daß ich ausnahmsweise sogar DIE WELT mit seiner Stellungnahme verlinke.

Eine Kanzlerin, die wegen eines so dreckigen Deals so erbärmlich einknickt, beweist, daß auch bei einer Pfarrerstochter die Formel „so wahr mir Gott helfe“ beim Amtseid keinerlei Bedeutung hat.
Sie setzt sich ja offenbar mit nacktem Arsch auf ihren Amtseid.

Sollte es tatsächlich ein Strafverfahren gegen Böhmermann geben, rufe ich jetzt schon zu Massendemonstrationen auf.

Knast-Toyboy Böhmi

[…] Martin Sonneborn, früher Chef des Satiremagazins Titanic, sitzt seit 2014 als Abgeordneter von DIE PARTEI im Europaparlament […] Im Interview mit dem "SWR" zum Thema Böhmermann findet Sonneborn […]  ungewöhnlich ernste Worte gegen die Reaktion der Bundeskanzlerin auf Böhmermanns Schmähgedicht. Es sei Angela Merkel, die sich wert- und moralfrei mit einem "türkischen Despoten" zusammengetan habe und nun beim Thema Satire ein doppeltes Spiel betreibe, erklärt Sonneborn. […] "Nach Anschlägen wie nach Charlie Hebdo, wenn Satire wieder diskutiert wird, werfen sich sehr viele Politiker und sehr viele Medien schützend hinter die Satire in Deutschland, wenn es aber zu einer Auseinandersetzung kommt, zieht man sehr schnell den Schwanz ein und versteht nichts mehr - und dann auch noch in so einer devoten und wirklichkeitsfremden Art", erklärt Sonneborn.
[…] In den Augen des Satirikers sei die Reaktion Angela Merkels (CDU) die "eigentliche Unannehmlichkeit" in der Angelegenheit. "Meine Kollegin Merkel hat ganz offensichtlich den Verstand verloren", sagt Sonneborn.
Hinter dem Rückführungsabkommen zwischen der EU und der Türkei sieht der Satiriker eine "Ethik 2.0": "Das Abschieben und Abschießen lassen von Leuten und Flüchtlingen jetzt an die Türkei auszulagern, ist überraschend von einer christlichen Partei. Ich glaube das sehen viele Leute im Land auch mit Unmut."


1 Kommentar:

  1. Volle Zustimmung. Dieser Erdogan tritt die Presse mit Füßen. Und dann will er uns erzählen, was Satire darf und was nicht? Der Mann ist Präsident eines Staates und lässt Völker morden. Und einen Narren wie Böhmermann wollen sie grillen. Das ist total lächerlich!

    Aber so reagieren die Mächtigen der Welt. Die halten zusammen. Weil sie wissen, dass sie die Nächsten sein können, vor denen man den Respekt verliert. Einen Respekt, von dem sie genau wissen, dass sie ihn nicht verdient haben. Sie verraten jeden Tag die Interessen der kleinen Leute. Wie ihr Verständnis von Demokratie aussieht, haben wir gesehen, als sie die Griechen vor der Wahl mit Folgen bedrohten, falls sie Tsipras wählen. Wir haben es gesehen, als Friedrich Amsgeheimnisse über Edathy ausplauderte. Wir haben es gesehen, als sie mit der Schweiz ein Steuerabkommen schließen wollten. Wir sehen es derzeit an der Reaktion auf die PanapaPaper-Affäre. Jetzt,wo sie den Dreck nicht mehr leugnen können, wollen sie was tun. Aber nicht etwa was Sinnvolles, sondern nur eine Blendgranate abfeuern. Wir einfachen Bürger hingegen werden vorsorglich rundumüberbewacht.

    Es sind Verräter, die einzig hohen Herren dienen.

    Sie werden den Narren zum Schafott führen oder üffentlich derartig demütigen, dass es niemand mehr wagt, es ihm gleich zu tun. Es ist etwas faul im Staate Dänemark!

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