Dienstag, 23. Februar 2016

Pauschalurteile gegen Bundesländer



Das Titelbild der Mopo von gestern wurde heiß diskutiert, nachdem sich ein medialer Shitstorm über das Bundeslang Sachsen ergossen hatte.


Viele Sachsen wurden in ihrem Nationalstolz getriggert und posteten unverdrossen in den sozialen Netzwerken wie stolz sie auf ihr Bundesland wären.

Man sollte nicht unbedingt erwarten, daß Peginesen und AfDler Arthur Schopenhauer lesen.

"Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen."
 - Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Von dem was einer vorstellt. pp. 360

Natürlich habe ich das hübsche Mopo-Bild auch weiterverbreitet und erntete Kommentare dazu.

Thorsten G:
War der Redakteur besoffen? Sorry... Es ist mit Sicherheit schlimm wie sich manche benommen haben... Keine Frage... Aber jetzt ein Bundesland an den Pranger zu stellen, weil ja ALLE da so rechts orientiert sind, ist meines Erachtens eine Frechheit!!! Wieviele "Anschläge auf Flüchtlinge sind Deutschlandweit verübt worden???? Wieviele zukünftige Flüchtlingsheime sind denn in Schweden in Flammen aufgegangen...

Marek A:
 Sorry, Kommentare wie diese sind ekelhaft und werfen ein zweifelhaftes Bild auf den jeweiligen Autoren.

Michael G:
 Leute wie Sie tragen dazu bei dass die Welt so traurig sein kann wie sie eben manchmal ist... Kriege und Verbrechen... alles Werke von Leuten wie Ihnen die andere nicht Leiden können und ihre erbärmlichen Meinungen anderen unter die Nase reiben müssen.... sie alle sind traurige, verloren Existenzen die so was wie Stolz, Freude, Kameradschaft und dergleichen nur aus Filmen oder Büchern kennen... Leben sie alle ihr Leben, traurig wie es ist, aber lassen sie uns unseres, denn das ist unendlich besser als ihres je sein wird... Beste Grüße aus einem der besten Bundesländer dieses Landes...

Nur weil ich keinen Stolz und keine Kameradschaft empfinde, gibt es Verbrechen und Kriege In der Welt! Ich bin SCHULD! Jetzt wissen wir es.

Michael G:
 Eine Frechheit gegenüber allen Sachsen ... diese Überschrift ist beleidigend und zeugt von null Intelligenz... so was nennt man übrigens Volksverhetzung... Ich dachte nach fast 26 Jahren sind wir ein Land... aber manche werden wohl nie schlauer werden, egal ob ehemals Ost oder West...
Ach so... Ich bin stolz Sachse zu sein.

Was für Zimperliesen!
Natürlich war das Titelbild der Mopo eine Pauschalaussage. Zudem auch noch im wahrsten Sinne des Wortes plakativ.
Es ist aber gerade die Natur von Pauschalaussagen, daß hierbei ein empirischer Eindruck wiedergegeben wird, der natürlich nicht jedes einzelne Individuum betrifft.
Deutsche Männer gehören zu den größten Männern Europas. Untersuchungen zufolge sind Männer in Deutschland im Durchschnitt 180,2 cm groß.
Das bedeutet aber nicht, daß alle Männer hierzulande 180,2 cm groß sind.
Es gibt auch größere und kleinere Menschen zwischen Flensburg und Bodensee.

So ist es bei den Sachsen auch. Es gibt welche, die sich besonders für Flüchtlinge engagieren und es gibt einige, die noch weit rechts von Pegida stehen.
Aber im Durchschnitt, das zeigen nun einmal die vielen Übergriffe, sind sie gewalttätiger und rechter als die Menschen beispielsweise in Hamburg.

Normale Menschen sind fähig zu etwas Selbstironie und machen ihren Gemütszustand nicht davon abhängig, ob satirisch etwas über seine Heimat gesagt wird.

Ich weiß wie es ist als Amerikaner für alle Schwachsinnigkeiten der US-Regierung verantwortlich gemacht zu werden.
Beim besten Willen kann ich keinen Grund erkennen das persönlich zu nehmen.
Es ist doch eine Tatsache, daß GWB 2004 mit Mehrheit gewählt wurde, als er schon der ganzen Irakkriegslügen überführt worden war.
Also sind „die Amerikaner“ schuld.
Der Befund widerspricht nicht der Aussage, daß es auch 59 Millionen Amerikaner gab (darunter ich), die intensiv gegen GWB Wahlkampf gemacht haben und für John Kerry stimmten.

Es gibt nicht „die Amerikaner.“ Auch die größten Amerikahasser von ganz links müssen verstehen, daß die USA riesengroß und heterogen sind.
Verallgemeinernde Aussagen können maximal Momentaufnahmen zu bestimmten Themen sein.
„Die Amerikaner“ waren natürlich scheiße, als sie am 02.11.2004 mit absoluter Mehrheit trotz der illegalen Kriege und Lügen GWBs erneut für ihn stimmten.
Das ist etwas, das ich den Amerikanern auch nicht verzeihen kann.
Denkt man zwei Minuten länger über den damaligen Wahltag nach, lässt sich die Aussage aber auch nicht mehr halten.
Ja, es war ganz schlimm, daß 62 Millionen Menschen, bzw 50,7% der abgegebenen Stimmen auf den Kriegsverbrecher Bush stimmten.
Aber 59 Millionen Amerikaner wollten das auch explizit NICHT und wählten John Kerry.
Betrachtet man die Gesamtzahl der Amerikaner von damals rund 300 Millionen Menschen, waren es sogar nur rund 20% der Amis, die ein Kreuz bei GWB machten.

Wenn solche politischen Stimmungsbilder immer wieder vorkommen, indem zum Beispiel über Dekaden große Mehrheiten der abgegebenen Wahlstimmen auf die CSU entfallen, kann man andererseits „den Bayern“ schon unterstellen, daß sie wissen wofür sie da stimmen und welche Politik sie immer wieder bestätigen.
Da kann man schon mal sauer werden und die Millionen Bayern, die mit der CSU nichts am Hut haben wollen, kurzzeitig vergessen.
Zu viel ist zu viel. Fünf Mal Berlusconi zu wählen, 16 Jahre lang Kohl, ein halbes Jahrhundert CSU, 12 Jahre Merkel, vier Mal Roland Koch, zehn Jahre von Beust, 25 Jahre Sachsen-CDU-Regierung – das lädt dann schon dazu ein, verachtet werden zu wollen.

Als Individuum fühle ich mich genauso wenig beleidigt wenn jemand über meine Nationalität oder die Stadt meckert, in der ich lebe, wie ich umkehrt auch nicht stolz darauf bin und schon gar nicht eine Nation liebe. Da bin ich immer noch bei Gustav Heinemann.

Vorhin grübelte ich wie eigentlich das Antonym zu „Patriotismus“ lautet.
Ich bin nämlich so gar kein Patriot und kann für patriotische oder gar nationale Gefühle (gegenüber Deutschland ODER Amerika) einfach kein Verständnis aufbringen.
Auch das Wort „Stolz“ liegt mir nicht. Insbesondere könnte ich keinen Stolz auf eine Nation empfinden, da ich Stolz immer mit einer eigenen Leistung verbinde.
Was aber ist weniger ein eigener Verdienst als der Zufall wo man geboren wurde?
Wie nennt man aber nun Menschen, die keine Patrioten sind?
Im Zweifelsfall googlen. Eine Internetsuche spuckt folgende Begriffe aus:

Vaterlandsverräter, Fahnenflucht, Verrat, Unzufriedenheit, Untreue, Falschheit, Wankelmut, Unbeständigkeit, Perfidie, Nestbeschmutzer, „Jemand der sich ganz schnell verpissen sollte. Er mag sein Land nämlich nicht“, Landesverräter, Idiot, Zecke,..

Nun bin ich noch unpatriotischer, nachdem ich sehe welche Konnotationen aktiviert  werden, wenn man Menschen nach dem Gegenteil von Patriotismus fragt.
Das Abstoßende am Patriotismus ist also nicht nur das penetrante Sich-mit-fremden-Federn-schmücken, sondern die mehr oder weniger latent damit einhergehende Abwertung anderer Nationen, bzw der Nicht-Patrioten im eigenen Land.
Es stimmt eben, daß die Grenzen vom Patriotismus zum Nationalismus fließend sind und Letzterer ist einer der destruktivsten Ismen, den die Menschheit hervorgebracht hat.

Immer wenn die Patriotismuskarte gespielt wird, folgt etwas Ekelhaftes.

Ich mag ja Hamburg, aber wenn die Hamburger mit 19% Schill wählen, ist das nun einmal nicht schön zu reden.
So etwas muß man eben ertragen.

Die Mehrheit der Sachen wählt seit 25 Jahren CDU und läßt Pegida einfach machen.
Dann muß man sich auch mal dumme Sprüche anhören.

"Jede Nation spottet über die andere, und alle haben Recht."
(Arthur Schopenhauer)

Der Obersache Lutz Bachmann, Hobbyhitler und Pegida-Ikone, mag es überhaupt nicht verspottet zu werden und verklagt jetzt die Mopo.

„Am heutigen 22.02.2016 erstatte ich mit unseren Anwälten Strafanzeige und stelle Bestrafungsantrag und Strafantrag wegen Verdacht auf eine Straftat nach §130 StGb gegen die Hamburger Morgenpost. Eine entsprechende Klageschrift wird gerade ausgearbeitet“, schreibt Bachmann auf Facebook.
Die Linien sind für den Pegida-Chef klar gezogen: Auf der einen Seite die MOPO, deren Mitarbeiter in Bachmannschen Worten "Presstituierte der Moslempost" sind – auf der anderen Seite die aufrechten Sachsen, das "kleine gallische Dorf, welches sich gegen den Irrsinn der Merkelpolitik wehrt." Und der eigentliche Schandfleck? Für Bachmann auf unserem Titel "weiß gekennzeichnet", also das restliche Deutschland. Die Begründung für seine Einordnung? Bleibt Bachmann schuldig.
Dafür teilt er in den Hashtags seines Postings, wie üblich, ordentlich aus: Da wird Bundespräsident Gauck zum „#Bundesgauckler“, Vizekanzler Gabriel zum „#SonderschülerSigmar“, Grünen-Chef Cem Özdemir zum „#MischpokeCem“ und Claudia Roth bekommt den Beinamen „Fatima“.
(HH Mopo, 23.02.16)

„Die Sachsen“ sind weitgehend indolent, lassen die Hassfraktion einfach machen, wählen immer wieder die konservative CDU, die demonstrativ nur gegen links vorgeht und die rechten Hetzer schützt.
Die Sachsen gehen eben nicht massenhaft gegen Pegida auf die Straße.

Da wird man auch kollektiv zur Verantwortung gezogen.

"Pegida-Effekt": Dieses Wort macht gerade in der Dresdner Tourismusbranche die Runde. Es beschreibt eine negative Entwicklung, die viele in Sachsens Landeshauptstadt bereits befürchtet hatten und die nun in Zahlen vorliegt: Dresden ist bei Touristen unbeliebter geworden. Wegen Pegida.
Nach Angaben der Dresden Marketing GmbH sind zum ersten Mal seit sechs Jahren weniger Besucher nach Dresden gekommen. Im vergangenen Jahr seien die Übernachtungen insgesamt um drei Prozent auf 4,3 Millionen zurückgegangen, bei den Ankünften habe es ein Minus von 2,3 Prozent gegeben. Touristen hätten sich bewusst gegen einen Dresden-Besuch enschieden, sagte Geschäftsführerin Bettina Bunge. Sie machte die fremdenfeindlichen Parolen von Pegida dafür verantwortlich. Durch sie habe die Landeshauptstadt an Image eingebüßt.
Semperoper und Zwinger - bei Gästen aus dem Rest Deutschlands ziehen die Publikumsmagnete nur noch bedingt: 2015 sank die Zahl der Übernachtungen deutscher Gäste um 5,1 Prozent auf rund 3,4 Millionen.

Tja, liebe Sachsen.
Diese Sanktionen treffen zwar wie alle Sanktionen auch die Falschen, aber sie sind selbst gemacht.


1 Kommentar:

  1. Ich glaube, dass der Eindruck täuscht. In Sachsen gibt es womöglich nur marginal mehr Rechtsradikale als woanders in Deutschland. Die Sachsener jedoch sind deutlich aggressiver als in anderen Bundesländern. Die machen da drüben echt mobil. Aber trotzdem sind das nur ein paar Tausend, die den ganzen Mist veranstalten. Weil sich niemand traut, denen mal Grenzen aufzuzeigen, gehen sie immer weiter. Da hat die Politik versagt. Da fühlt sich niemand zuständig.

    Die meisten Sachsener sind aber normale Menschen.

    Es gäbe auch kein Flüchtlingsproblem, wenn Europa solidarisch geblieben wäre. Erst die europäischen Rechten, haben das Problem verursacht.

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