Mittwoch, 15. August 2012

Klare Ansage, klare Reaktion.




Als der europäische Binnenmarkt am 1. Mai 2004  gleich um zehn Nationen  - Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern - erweitert wurde, zitterten die Deutschen vor den Ostlern, die in Schwärmen über die herfallen würden, um ihnen alle Arbeitsplätze wegzunehmen.

Für Drecksarbeiten, die kein Deutscher machen will, waren die Polen zwar willkommen, aber sie sollten bitte schön (wie die ersten Gastarbeiter vor 50 Jahren) nur dankbar und bescheiden die schweren körperlichen Arbeiten übernehmen und dann wieder verschwinden.

Obwohl schon 2004 Fachkräftemangel herrschte, setzte der von der „deutsche Leitkultur!“-skandierenden CDU bedrängte Schröder ein Arbeitskräfte-Moratorium durch.
Sieben Jahre lang nach der großen EU-Osterweiterung sollten die Polen nur mit Genehmigungen Jobs in Deutschland annehmen können.

Aber was würde dann 2011 passieren?, unkten die arroganten Deutschen.

Zwei Entwicklungen wurden entscheidend. 
Erstens wandelte sich die Berliner Republik unter Angela Merkel zum Billiglohnland. Die hochwillkommenen polnischen Spargelstecher-Saisonarbeiter und privaten Opa-Arsch-abwischenden Frauen aus Osteuropa, gingen lieber gleich noch ein Land weiter westlich, weil sie in GB oder Holland deutlich besser behandelt wurden als in Brandenburg.

Und dann zog auch noch die polnische Wirtschaft an. 
Unsere östlichen Nachbarn machten all das richtig, was hier falsch gemacht wurde.
Statt auf „billig, billig“ wie in Deutschland konzentrierte sich Polen auf Qualität. 
Die polnische Jugend hochqualifiziert: sie sind fleißig und innovativ.

In Polen explodierten die Unternehmensgründungenzahlen. 
Die Wirtschaft war die einzige in ganz Europa, die auch in der Megakrise 2008/2009 noch wuchs.
Die Wohnungsmiete in Krakau ist genauso teuer wie die in Düsseldorf.

Der Stichtag 2011 verstrich ohne daß wir überrannt wurden. 
Im Gegenteil. Brandenburgische und sächsische Handwerker machen sich heute gen Osten auf. Sie ziehen durch Westpolen und bauen dort Fabriken und die Häuser von Fabrikbesitzern, die es hüben gar nicht gibt.
Der Wandel in Polen, die Lust am wirtschaftlichen Erfolg, hat selbstverständlich auch Ratzis Ableger im Land seines großen Vorgängers Woytila laut werden lassen.
Ja, die RKK Polens wird wieder gehört.
Sie hält sie Hände auf und will mehr Geld.
Polen führt nämlich erstmals die Kirchensteuer ein und dazu sagen die Bischöfe eins: Zu wenig! Wir wollen mehr Geld!

Bei der geplanten Einführung einer freiwilligen Kirchensteuer in Polen dringen die katholischen Bischöfe auf einen höheren Steuersatz. Mit dem von der Regierung vorgeschlagenen Kirchenbeitrag von 0,3 Prozent der Einkommensteuer könne die im Gegenzug vorgesehene Abschaffung der staatlichen Priesterrenten nicht kompensiert werden, sagte der Lubliner Erzbischof Stanislaw Budzik am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Es stelle sich die Frage, «ob die staatliche Seite die gesellschaftliche Rolle der Kirche würdigt, wie das in vielen Ländern Europas mit langer demokratischer Tradition der Fall ist». […] In Polen gibt es bisher keine Kirchensteuer. Die Konfessionen finanzieren sich vor allem durch Kollekten und Spenden. Schon seit längerem können die Bürger bei der Steuerklärung ein Prozent ihrer Einkommenssteuer einer sozialen Organisation widmen; darunter sind auch die katholische Caritas und kirchliche Stiftungen.

Die Polen zeigen sich gegenüber dieser klaren Ansage ihres Klerus‘ genauso schlau und souverän, wie gegenüber den Ängsten der Deutschen von 2004.

Sie werden allein glücklich und begeben sich weniger denn je in solche Abhängigkeiten.

Polen fällt vom Glauben ab!
Die Religion befindet sich in Polen auf dem Rückzug, die Zahl der Kirchgänger ist seit dem Ende des Kalten Krieges um ein Drittel geschrumpft. […]
In den 90er Jahren zog die katholische Kirche in Polen aus zwei Quellen besondere Kraft. Im Vatikan residierte damals Johannes Paul II., der frühere Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla. "Er war unser Licht und unser Leitstern", sagt Friedensnobelpreisträger Lech Walesa über den polnischen Papst. […] Der Kommunismus als Feindbild der Kirche war jahrzehntelang die zweite Kraftquelle des polnischen Katholizismus.
Nun aber sind beide Energieströme versiegt. Mit dem EU-Beitritt wandte sich Polen 2004 endgültig dem säkularen Modell des Westens zu, das die meisten Polen trotz Eurokrise für ein Erfolgsmodell halten.

Sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe, Homobashing, Kondomverbot - all das lässt sich Polens Jugend immer weniger vorschreiben.

2 Kommentare:

  1. "Fachkräftemangel"? Da merke ich aber nichts von...

    Wenn Fachkräfte fehlen und der Zustrom aus dem Ausland (aus nachvollziehbaren Gründen) sich arg in Grenzen hält, sollten die Preise (Löhne) anziehen. Tun sie aber nicht! Verzichten also die Unternehmer lieber auf Einstellungen und nehmen Verluste in Kauf, als Leute mit einem höheren Gehaltsangebot in ihr Unternehmen zu lotsen?

    Der "Fachkräftemangel" ist eine Fata Morgana, mehr nicht!

    LG Omnibus56

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  2. Hmmm, Experte bin ich ja nicht.
    Aber ich kenne jemanden, der im Management eines großen Juweliers ist. Die zahlen weit übertariflich und bilden in jeder Filiale zwei Lehrlinge aus.
    Aber gerade bei Uhrmachern suchen sie seit Jahren gezielt in Frankreich und Österreich, weil die in Deutschland nicht zu bekommen sind.
    Die sind regelrecht verzweifelt, weil man bei deutschen Bewerbern immer an der sechs-Tage-Woche scheitert. Die Läden haben nun mal auch Samstags auf und ein Großteil der jungen Leute weigert sich in Vorstellungsgesprächen auch Samstags zu arbeiten.

    Ihre eigenen Verkäufer werden ihnen ständig von Headhuntern abgejagt - von den Konzernen, die selbst nicht ausbilden.

    Gerade gestern gab es einen ähnlichen Artikel auf SPON. In der ganzen Luxusbranche sieht es ähnlich aus.

    http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/die-deutschen-haben-den-luxus-entdeckt-und-suchen-premium-lehrlinge-a-849382.html

    Ein anderer Bereich, den ich ein bißchen kenne, ist die Pflegebranche.
    ALLE Pflegedienste suchen händeringend nach Personal und in den Krankenhäusern ist es so ausgedünnt, daß bei einer einzigen Schwester, die sich krankmeldet gleich alles zusammen bricht.

    In den Pflegeberufen dürfte es so sein, wie Du sagst: Die sind wahrlich miserabel bezahlt. Die Frauen, mit denen ich zu tun habe, verdienen hier in Hamburg monatlich 1000 Euro!
    Für den anstrengenden Job mit den Arbeitszeiten ist das natürlich lächerlich wenig.
    Aber die Chefin kann da nicht viel machen, weil sie ja mit den Krankenkassen (bei Med-Verordnung) und den Pflegekassen (Pflegesätze) direkt die Sachleistungen abrechnet. Und die sind nun mal so knapp, daß sie nicht mehr Gehalt zahlen kann.

    Da müßte man mal mit Daniel Bahr über die Anhebung der Pflegesätze sprechen...
    Aber das ist ein anderes Thema.

    LGT

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