Montag, 29. August 2022

Winnetou vs Wokeness

Das heißt doch „authentische Besetzung“, oder ist das „kulturelle Aneignung“ ? Ich kenne nicht alle Begriffe in Wokistan und lerne sowas beispielsweise bei Bill Maher, der von einem geknickten Schauspieler Darren Criss erzählt, der sich tränenreich entschuldigt, daß er als Heterosexueller einen Schwulen gespielt hätte und gelobte, zukünftig nur noch Hetero-Rollen anzunehmen.

Und ich Depp dachte noch, es wäre doch ganz sympathisch, wenn jemand die Rolle eines Schwulen übernimmt, ohne wie noch vor zehn Jahren üblich, in jedem Interview dutzendfach zu versichern, wie schwer ihm die Liebesszenen gefallen wären, weil er ja privat rein hetero wäre, seine Frau und die drei Kinder liebe. Nein, er habe sicher nichts gegen Schwule, wäre aber selbst 100% straight.

Ist das nicht ein Fortschritt, wenn dieser Eiertanz aufhört und es schlicht egal wird, wenn einige Minderbemittelte von seiner Filmrolle auf die Sexualität des Schauspielers schließen?

Nein, Darren Criss betrübt nun aber gar sehr, einem homosexuellen Kollegen, eine der seltenen homosexuellen Rollen weggenommen zu haben.

In Wokistan werden lesbische Rollen nur noch von lesbischen Schauspierinnen übernommen. Nur native Americans dürfen noch Indianer spielen und so weiter.

Die Sopranos waren Vorreiter. Da wurde die Rolle des Mafia-Captains  "Paulie Walnuts" Gualtieri von Tony Sirico gespielt, der wirklich Jahrelang als Mafioso im Knast saß.

Was für ein populistischer Bullshit.

Es ist natürlich insbesondere lächerlich, mit der Wokeness von heute auf Produktionen von vor 50 Jahren zurückzublicken und sich zu beklagen, daß Kellnerinnen mit „Schätzchen“ angesprochen werden, Leute unangeschnallt im Auto sitzen, Kinder keinen Fahrradhelm tragen und auch noch vor ihren Augen geraucht wurde.

Dabei handelt es sich um eine natürliche Fortentwicklung der Menschheit. Mit Sicherheit werden auch die Jugendlichen des Jahres 2072 mit aufgerissenen Augen TV-Serien von 2022 betrachten und viele unserer Verhaltensweisen kaum verstehen. Waffen tragen, Fleisch essen, jeder fährt Verbrenner-Autos. Man wird es eines Tages nicht mehr verstehen, wieso wir immer noch der Religion anhängen, massenhaft Plastik produzierten und täglich zig Millionen Küken schredderten.

Ab wann man, was wissen konnte, hätte besser wissen sollen, ist natürlich eine interessante Frage. Aber man wußte natürlich noch nicht immer alles.

Als ich meine erste Dose Deospray kaufte, wußte ich nicht was FCKWs sind und wie sie auf die Ozonschicht wirken. Aber die Erkenntnis setzte sich durch. Für eine Übergangszeit waren es dann die Woken der 1980er, die beim Haarspray auf den Zusatz „FCKW-frei“ achteten, bis man begriff, es würde nicht ausreichen, auf die Vernunft der Verbraucher zu achten, sondern Fluorkohlenwasserstoffe als Treibgase ganz verbot. Zu viele kauften entweder nur das Billigste ungeachtet des Umweltaspekts oder aber bildeten sich ein, nur das Zeug mit FCKW gäbe der Frisur richtig Halt. Also musste ein staatliches Verbot her.  Nun sind alle Spraydosen FCKW-frei.

Ähnlich war es mit Auto-Katalysatoren. Die wollte man in Deutschland gar nicht haben, wurde aber gewissermaßen gezwungen, weil die US-Amerikaner ihre Fahrzeuge mit einem „Kat“ versahen und das auch von den importierten Autos verlangten.

Die deutsche Autoindustrie schrie natürlich auf. Das würde sie kaputt machen, Arbeitsplätze kosten und dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden. Es müssten auch noch alle Tankstellen auf BLEIFREIES Benzin umgestellt werden, weil das hochgiftige Blei die Katalysatoren zerstörte.

Den deutschen Autobahnrasern wurde erklärt, der Bleizusatz im Benzin wäre notwendig, um die Oktanzahl zu erhöhen. Bleifreies Benzin wollte man nicht tanken. Das hatte ja keine Klopffestigkeit und man würde nur noch langsam wie ein alter Traktor vorankommen. Wenige Woke kauften sich die als lahm verschrienen Katalysator-Autos und tankten bleifrei. Also musste ein staatliches Verbot her.  Nun sind alle Talkstellen Blei-frei.

Die Horrorprognosen, mit denen sich Populisten gegen die vermeidlich woken Neuerungen wehren, sind als meistens Bullshit.

Aber das hält rechte Populisten natürlich nicht davon ab, den Volkszorn immer wieder anzustacheln. Für sie ist das besonders verlockend, weil sie ihrer Natur gemäß ohnehin keine zukunftstauglichen Programme vertreten und mit „früher war alles besser“ auf Stimmenfang gehen.

Da lässt von Kubicki bis Höcke kaum einer entgehen, gegen das Gendern zu hetzen. Der weit rechts außen stehende Hamburger CDU-Vorsitzende Christoph Ploß kennt sein Jahren kein anderes Thema. Er wettert fortwährend gegen linksgrüne Verbote und fordert inkonsequenterweise ein Gender-Verbot, indem er seinen geistig verkalkten Zuhörern suggeriert, jeder werde nun von der Gender-Mafia überprüft, müsse auch zu Hause am Frühstückstisch „Salzstreuerin“ sagen.

Was für ein populistischer Bullshit. Niemand wird privat gezwungen Gendersprache zu verwenden. Jeder darf schreiben wie er will.

Es ist immer umständlich, sich sprachlich umzugewöhnen. Es gibt alte Menschen in Deutschland, die immer mal wieder „Mark“ statt „Euro“ sagen. Nach zwanzig Jahren. Ich habe mir selbst das „D-Mark“ ausgetrieben, erinnere mich aber, daß es mir 2002 enorm schwer fiel, weil sich „Haste mal nen Euro“ so unfassbar albern und ungewohnt anhörte. Aber Überraschung. Irgendwann hat man sich doch umgewöhnt und es hat schließlich seinen Sinn, da die gemeinsame EU-Währung nun einmal „Euro“ heißt.

Etwas mehr Mühe kostete es mich, 2007 nach der Lektüre von Die Kirche im Kopf. Von „Ach Herrje!“ bis „zum Teufel!“ die religiös basierten Redewendungen aus meinem Sprachschatz zu vertreiben. Aber auch das gelang letztendlich. Kein „Oh mein Gott“ oder „Gott sei Dank“ mehr.

Man kann sich umgewöhnen, wenn es sinnvoll ist.

Die gute alte Zeit ohne zu gendern, war eben „gut“ für weiße, heterosexuelle, christliche Männer, die nach Belieben ihre Mitmenschen diskriminierten.  Anders als Ploß, Kirche, AfD, GOP und sonstige Rechtspopulisten behaupten, gab es früher aber schon immer nicht heterosexuelle Menschen und intergeschlechtliche Babys, die eben nicht mit eindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden. Diese Menschen wurden aber aus unserem Blickfeld diskriminiert.

Nun wissen wir, daß sie da sind. Anders als Ploß, empfinde ich mich selbst als so höflich, daß ich andere Menschen nicht diskriminieren möchte. Daher verwende ich nicht die Begriffe „Neger“ oder „Schwuchtel“, auch wenn das, wenn man in der Zeit weit genug zurück reist, einmal so üblich war. Ich bin auch höflich genug zu ertragen, wenn nicht nur im generischen Maskulinum gesprochen wird.

Deswegen war meine Oma natürlich kein schlechter Mensch, wenn sie bei der Mark Twain-Lektüre ganz selbstverständlich von „Neger“ sprach. Sie meinte es nicht böse und wußte nicht, daß der Begriff abwertend empfunden wird. Niemals würde ich ihr vorwerfen so gesprochen zu haben. Heute kann und sollte man das aber wissen und sofern meine Oma heute mit über 130 Jahren noch leben würde und weiterhin von „Negermama“ spräche, würde ich klar widersprechen. Allerdings war meine Oma nicht verblödet. Wenn sie langlebig wie ein Eishai wäre, hätte sie selbst gemerkt., welche Begriffe man nicht mehr verwendet.

Es ist nicht verkehrt, die Serie „Friends“ aus den 1990ern gemocht zu haben.  (Ich konnte das leider nie sehen, weil ich eine schwere Allergie gegen Jennifer habe). 30 Jahre später würde aber eine große Hollywoodserie, in der jeder Darsteller pro Folge über eine Million Dollar Gage bekommt, nicht mehr ausschließlich weiße, heterosexuelle Rollen beinhalten. Nicht weil ein „woker Mob“ das verbietet, sondern weil die Einsicht vorhanden ist, daß die Welt viel bunter ist.

Und Überraschung, auch als weißer Mann jenseits der 50, interessiere ich mich bei fiktiven Geschichten nicht nur für weiße Männer jenseits der 50. Im Gegenteil, ich bin froh über den Wokeness-Schub, der mir nun auch im normalen Unterhaltungsprogramm schwarze lesbische Trans-Musliminnen zeigt.

Keiner verlangt „Friends“ zu verbieten, aber man kann auch keine Produktionsfirma von 2022 verpflichten, immer noch Serien mit ausschließlich weißen, reichen, heterosexuellen, christlichen Protagonisten zu produzieren.

Und Siggi Gabriel, niemand kann einen Verlag im Jahr 2022 zwingen, ein Karl-May-artiges Buch mit denselben Stereotypen wie vor 100 Jahren zu drucken.

[….]  Vielleicht noch einmal zu den Fakten: ein Film mit dem Titel „Der junge Häuptling Winnetou“ kommt in die Kinos. Daniel Kothenschulte berichtet so darüber:

    Dies ist keine Filmkritik, denn nach etwa einer Stunde hatte ich genug von rassistischen Darstellungen indigener Völker Nordamerikas. Karl May verfasste seine Werke zur Zeit des Kolonialismus, das Stereotyp des „edlen Wilden“ überlebte ihn um mehrere Generationen. Aber Hollywood zeigte sich lernfähig, ein Umbruch wurde im dortigen Mainstreamkino bereits durchgesetzt.    Doch was man nun in „Der junge Häuptling Winnetou“ sehen kann, ist in den meisten westlichen Filmkulturen schon lange von Leinwänden und Bildschirmen verbannt. Rötliches Make-up für weiße Darsteller ist als „redfacing“ verpönt. In einem Kinderfilm noch heute das Volk der Apachen dargestellt zu sehen wie bei einer Kölner Karnevalsfeier, ignoriert alle Bemühungen, die verfälschende Repräsentation aus dem 19. und 20. Jahrhundert nicht über die Generationen weiterzugeben.

Wie es üblich ist, gibt es um solche Filme herum Merchandise-Artikel. Beliebt sind bei Jugendfilmen „Das Buch zum Film“, im aktuellen Film sollten die Bücher vom Ravensburger Verlag verlegt werden, der  Autor „THiLO“ hat sie geschrieben. Ich konnte über Booklooker noch ein Erstleser*innenbuch erwerben – und fand so die obige Kritik rundum bestätigt. Die kurze Geschichte (in Film und Buch): weiße Banditen wollen den Goldschatz der Apachen klauen, sperren dazu Bisons in einem Tal ein, so dass die Apachen eine Hungersnot erwarten und wegziehen wollen. Winnetou deckt das alles auf. Ein weißer kleiner Junge, der eigentlich Pferde stehlen wollte, deckt das auf und gemeinsam mit Winnetou wird alles abgewendet. Keine Rettung ohne Weiße, die Apachen sind zu doof, die Bisonherde zu finden oder gar selbst die Absicht hinter dem Verschwinden zu entschlüsseln. Alles in allem eine vereinfachte Wiedererzählung der alten Geschichte, ohne dass Intschu-Tschuna und Ntscho-Tschi sterben mussten, inklusive aller alten, 150-Jahre-alten Klischees.

Auf die Kritiken hin hat Ravensburger Buch und Puzzle zurückgezogen. Begründung:

    Das Unternehmen begründete die Entscheidung mit „den vielen negativen Rückmeldungen“ zu dem Buch „Der junge Häuptling Winnetou“. Es enthalte „verharmlosende Klischees“ über die Behandlung der indigenen Bevölkerung.   Das Feedback habe gezeigt, dass „wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben“, erklärte der Verlag bereits vor einigen Tagen auf Instagram. „Das war nie unsere Absicht“, erklärte Ravensburger weiter und entschuldigte sich „ausdrücklich“.

Was daraufhin losbricht, ist ein (vermutlich) von interessierter Seite orchestrierte Empörungswelle. „Zensur“, „Was dürfen wir noch sehen“, „Bücherverbrennung“ – es ist kaum zu wiederholen. Die Tatsache, dass es um ein aktuelles Buch geht, realisieren die wenigsten Diskutierenden. Die Empörung geht entlang der Tatsache, dass man Karl May rassistische Narrative berechtigterweise, wie ich sagen muss, unterstellt.

Daraus wird im nächsten Schritt: „sie wollen uns unseren Winnetou nehmen“. Und: Karl May war ein Menschenfreund, ein Antirassist, ein Humanist. Also kann das, was über ihn und seine „Reiseerzählungen“ gesagt wird, nicht stimmen. [….]

(Jörg Rupp, 28.08.2022)

Wie unfassbar erbärmlich und peinlich, daß Sigmar Gabriel auf den AfD-Zug aufspringt.

Was für ein populistischer Bullshit. Niemand verbietet Siggi Pop Karl May-Bücher zu lesen. Niemand verlangt, diese aus dem Bücherregal zu nehmen. Niemand hat behauptet, dadurch werde man Rassist. Und Winnetou-Filme aus den 60ern darf er genauso gucken. Als ganz kleiner Junge fand ich die auch toll und habe mir das 20 Jahre später aus nostalgischen Gründen erneut angesehen. Die sind aber leider SAGENHAFT SCHLECHT. Grottige Schauspieler, hölzerne Dialoge, plumpe Story. Und dann auch noch Uschi Glas, die debil grinsend durch die jugoslawische Kulisse stapft! Zum Glück bin ich nicht mehr 5 Jahre alt und erkenne das nun. Gabriel ist da wohl geistig noch etwas zurück. Stattdessen pampt er sich ohne Faktenkenntnis mitten in den antiwoken Mob und verbreitet Fake News. Ich schäme mich als Sozialdemokrat.

1 Kommentar:

  1. DasKleineTeilchen29. August 2022 um 12:15

    gabriel halt; die hellste kerze auf der torte wara ja eh nie, aber der treppenwitz ist ja, daß "the adventures of huckleberry finn" gegenwärtig in mehreren staaten der us als "zu woke" aka "kontrovers" aka antirassistisch aus schulbüchereien verbannt werden und demzufolge auch nicht mehr im lehrplan auftauchen. tja.

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