Samstag, 7. Mai 2016

Stolz empfinden.



Viele Mitglieder der „großen“ Parteien sind genau wie bei den Kirchen im Grunde genommen nur noch Karteileichen.
Man bleibt in dem Verein, weil man zu phlegmatisch ist auszutreten, weil man aus jahrzehntelanger Praxis Treue gelernt hat oder aber weil man, wie in meinem Fall seine Partei immer noch klar als das kleinste Übel identifiziert.

Schöner wäre es natürlich, wenn man gerne, mit voller Überzeugung, oder gar mit Stolz für seinen Verein einträte.

Weil mir persönlicher Stolz so wesensfremd ist, habe ich womöglich ein Bedürfnis die Leistungen eines Assoziierten wohlwollend anzuerkennen; wenn ein Freund etwas Besonderes geleistet hat zum Beispiel.
Seine eigenen Taten innerlich zu bejubeln, kommt mir hingegen falsch vor. Das ist Masturbation vor dem Spiegel.
Und schon gar nicht gelingt es mir stolz auf etwas zu sein, das rein zufällig existiert.

Vorhin grübelte ich wie eigentlich das Antonym zu „Patriotismus“ lautet.
Ich bin nämlich so gar kein Patriot und kann für patriotische oder gar nationale Gefühle (gegenüber Deutschland ODER Amerika) einfach kein Verständnis aufbringen.
Auch das Wort „Stolz“ liegt mir nicht. Insbesondere könnte ich keinen Stolz auf eine Nation empfinden, da ich Stolz immer mit einer eigenen Leistung verbinde.
Was aber ist weniger ein eigener Verdienst als der Zufall wo man geboren wurde?
Wie nennt man aber nun Menschen, die keine Patrioten sind?
Im Zweifelsfall googlen. Eine Internetsuche spuckt folgende Begriffe aus:

Vaterlandsverräter, Fahnenflucht, Verrat, Unzufriedenheit, Untreue, Falschheit, Wankelmut, Unbeständigkeit, Perfidie, Nestbeschmutzer, „Jemand der sich ganz schnell verpissen sollte. Er mag sein Land nämlich nicht“, Landesverräter, Idiot, Zecke,..

Nun bin ich noch unpatriotischer, nachdem ich sehe welche Konnotationen aktiviert  werden, wenn man Menschen nach dem Gegenteil von Patriotismus fragt.
Das Abstoßende am Patriotismus ist also nicht nur das penetrante Sich-mit-fremden-Federn-schmücken, sondern die mehr oder weniger latent damit einhergehende Abwertung anderer Nationen, bzw der Nicht-Patrioten im eigenen Land.
Es stimmt eben, daß die Grenzen vom Patriotismus zum Nationalismus fließend sind und Letzterer ist einer der destruktivsten Ismen, den die Menschheit hervorgebracht hat.

Immer wenn die Patriotismuskarte gespielt wird, folgt etwas Ekelhaftes. (…….)

Es kommt selten vor, aber als Parteimitglied kann man durchaus stolze Momente erleben.
Es war ein erhabenes Gefühl Willy Brandt in Warschau auf die Knie fallen zu sehen, ihn den Friedensnobelpreis empfangen zu sehen, oder Egon Bahr die fanatische Feindschaft zu den Ostblockstaaten aufbrechen zu lassen.
Groß war auch der Moment als 1993 die SPD-Finanzexpertin Heide Simonis zur ersten Ministerpräsidentin in Deutschland gewählt wurde. Bis dahin der klassische Männerjob, den nur Landesväter übernahmen.

Stolze Momente gab es für mich selbstverständlich auch in der Kanzlerschaft Gerhard Schröders. Daß er überhaupt nach 16 endlosen Jahren Helmut Kohl aus dem Amt jagte, daß er sich endlich der Zwangsarbeiterentschädigung annahm, die erste Form der Homoehe gegen den erbitterten Widerstand Merkels einführte und insbesondere seine klare Opposition zum Irakkrieg George W. Bushs.
Begeistert war ich zudem davon wie enge Bande er zu Paris und Moskau knüpfte und so eine mächtige Triangel mit zwei UN-Vetomächten gegen die Kriegstreiber GB/USA schuf.
Großartige Politik!

Ein weltgeschichtliches Highlight war natürlich auch der deutsche Vizekanzler der Jahre 2002/2003. Ja, auch da empfand ich wohl eine Art Stolz, Fischer dabei zu beobachten, wie er in der Weltpolitik bella figura machte.

Während die CDU-Chefin schleimspurziehend auf den Knien nach Washington rutschte und mit ihrem bellizistischen Beraterling Friedberg Pflüger erklärte, daß Deutschland unter ihrer Führung an GWBs Seite in den Irak zöge, verkündete der ebenfalls Irakkriegsbegeisterte Wolfgang Schäuble, daß selbst ein Schröder es nicht wagen könne Deutschland so total zu isolieren, um an Ende im UN-Sicherheitsrat allein mit Syrien gegen 13 andere Nationen zu stehen.
Was für eine Fehleinschätzung.
In den Monaten vor dem März 2003 verließ Joschka Fischer kaum noch den Regierungsairbus und klapperte alle anderen 14 Mitgliedsstaaten des UN Security Councils ab. Er versuchte alles, drohte, warnte, lockte.

Die christlichste aller christlichen Regierungen im Weißen Haus, weigerte sich mit der gewählten deutschen Regierung zu sprechen und empfing stattdessen Angela Merkel und Roland Koch als ihre wahren Freunde.

Schäuble und andere CDU-Außenpolitiker wie Pflüger haben sich bis heute nicht davon distanziert, daß sie das US-Junktim an Saddam – entweder du rückst die Massenvernichtungswaffen raus, oder es gibt Krieg – unterstützten!
Das war mal eine tolle Alternative für jemanden, der schlicht und ergreifend die Wahrheit sagte, daß er nämlich keine Massenvernichtungswaffen hatte!
(„Nun kann sich ein Mann wie Schäuble wohl nicht vorstellen, daß auch mal jemand die Wahrheit sagt“ – Volker Pispers)

Zur Wehrkundetagung in München Januar 2003 kursierte ein George W. Bush-Unterstützerbrief der zehn europäischen USA-Unterstützer, als Außenminister Fischer Donald Rumsfeld entgegen schleuderte „Excuse me Sir I am not convinced“.

Da bebte sie wieder, die in einen Hosenanzug gezwängte uckermärkische Empörung.

Merkel, Christian Schmidt und Pflüger, die ebenfalls im Auditorium anwesend waren, erhoben sich und schleimten Rumsfeld mit Tränen in den Augen an, daß Deutschland selbstverständlich die USA militärisch unterstützen würde, wenn die CDU die Wahl (2002) gewonnen hätte.
(Ich habe die Übertragung auf Phoenix damals live gesehen).

Fischers Erfolg war erstaunlich, denn er zog nicht nur die beiden Vetoländer Russland und Frankreich auf die deutsche Seite, sondern betrieb mit Dominique de Villepin und  Igor Iwanow sogar de facto den Hauptwiderstand gegen Washington.
Sie setzten Amerika mit Memoranden so stark unter Druck, daß Merkels und Schäubles Voraussagen gegenstandslos wurden und GWB schließlich eine geballte Mehrheit der Welt gegenüberstand.
Washington versuchte alles, ging sogar so weit, daß Amerika zu einer der größten Blamagen aller Zeiten hingerissen wurde.
Unter dem persönlichen Vorsitz Joschka Fischers, trat der US-Außenminister Powell am 05.02.2003 im Sicherheitsrat auf und bereitete seiner Nation eine kaum wieder gut zu machende Schmach, indem er log, daß sich die Balken bogen.

Nach sieben Jahren Sigmar Gabriel lechze ich quasi nach einem kleinen Anflug des Stolzes.
Aber die Chancen so etwas zu erleben stehen derzeit schlecht.

Es ist sogar noch schlimmer; immer wieder habe ich Grund mich für Nahles, Gabriel, Oppermann und Co zu schämen.

Oh Darwin, war das peinlich, wie Gabriel in der vorletzten Heute-Show vorgeführt wurde. Thema Subventionen für die steinreiche Automobilindustrie.
Es handelte sich dabei nur um einen Ausschnitt aus seiner PK, in dem er gefragt wurde, was er eigentlich einer Erzieherin, die 2000 Euro brutto verdiene, sage, mit deren Steuergeldern nun der Kauf von 60.000-Euro-Autos mitfinanziert würde.
Gabriel pampte, diese Erzieherin könne mit einem Mann verheiratet sein, der bei einem Autozulieferer wie Bosch arbeite.

Der Mann redet viel, muß viel reden, da kann man nicht alles auf die Goldwaage legen, aber inzwischen ist sein Image so ruiniert, daß sich niemand mehr über so einen Satz wundert.

Stolz auf meine Partei wäre ich vor allem, wenn sie in der Flüchtlingsdebatte klar Position gegen AfD und die C-Parteien bezöge.

Aber auch da habe ich nichts zu erwarten.

Es geht genau in die andere Richtung.

Seit 2008 hat Hamburg keine Afghanen abgeschoben: Eine „Senatorenregelung“ des damaligen Innensenators Christoph Ahlhaus (CDU) gewährte ihnen pauschalen Schutz. Jetzt hat Innensenator Andy Grote (SPD) diese Sonderregel aufgehoben. [….]

Die Bundesregierung, der immerhin ein Sozi-Vizekanzler und ein Sozi-Außenminister angehören, arbeitet zur Menschenabwehr mit Terror- und Folterregimen zusammen.

Und vollends zynisch wird die GroKo im Umgang mit dem zerstörten Talibanland Afghanistan, das auch unter Mithilfe der deutschen Bundeswehr ruiniert wurde.

So sieht sie aus, die deutsche Flüchtlingspolitik. Ist ja auch praktisch, Fluchtursachen müssen so nicht mehr bekämpft werden, sondern werden einfach wegdefiniert, und das selbst in Afghanistan. Ein Land, in dem der Bürgerkrieg schlimmer tobt als je zuvor. Aber was soll’s, Afghanistan sei sicher, sagt der Bundesinnenminister; na gut, vielleicht nicht überall; aber irgendwohin wird man die Flüchtlinge ja schon schicken können.

Da kann mal als SPD-Mitglied froh sein sich nicht zu übergeben.
Aber das Wort „Stolz“ kann aus dem Wortschatz gestrichen werden.