Montag, 18. Juni 2018

Vollnazi-Modus.


Wenn die christlichen Kirchen Deutschlands einen Funken Anstand hätten, würden sie im Unionsstreit massiv Stellung beziehen, Seehofer auffordern das „C“ aus dem Parteinamen zu streichen und von Söder verlangen seinen „Kreuzerlass“ zurückzunehmen.
Oder wie verträgt sich das mit Jesu Nächstenliebe Menschen in Not an den Grenzen wegzujagen?
Aber was verwende ich das Wort „Anstand“ in einem Satz mit professionellen Kinderfickerbeschützern und raffgierigen Homophoben?


[…..] Die vergangenen Wochen haben gewaltigen Schaden angerichtet. Vor allem CSU-Politiker haben massiv Ängste vor zu vielen Flüchtlingen geschürt, haben mit Worten wie "Asyltourismus" oder "Systemversagen" Fremdenfeinden und Verächtern des Staates und seiner Institutionen in die Hände gespielt. Zwischen CDU und CSU, den Koalitionspartnern in schwierigen Zeiten, herrscht nun ein noch viel tieferes Misstrauen als bisher schon und hier und da auch Hass. [….]

Die verzweifelten Heimatvertriebenen sind Seehofer und der CHRISTLICH-SU vollkommen egal; die sollen jedenfalls woanders verrecken.


[…..] Mit seiner Agitation gegen Merkel befördert Seehofer eine Politik, die Tausende von Opfern fordern wird. […..] Beim Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 waren es militante Weltkriegsveteranen, die gegen Berlin marschierten, um die Republik zu kippen. Beim Seehofer-Söder-Putsch vom Juni 2018 sind es militante Wahlkämpfer, die gegen Angela Merkel marschieren, um - ja was eigentlich?
In vielem erinnert das, was die CSU gerade anstellt, an den wütenden Aktionismus von autoritär veranlagten Menschen wie Donald Trump oder ähnlichen, die einfach keine Lust mehr haben auf demokratische Spielregeln und das politische Prozedere und schlicht Taten schaffen wollen, kostete es, was es wolle, und ganz egal ist dabei auch, dass sie keinen wirklichen Plan haben für das, was passieren soll, wenn sie alles kurz und klein geschlagen haben. […..]
Die Toten des Kapp-Lüttwitz-Putsches, mehr als 1000, liegen zumeist auf Friedhöfen, es gibt Ehrengräber und Gedenktafeln. Die Toten des Seehofer-Söder-Putsches, die Zahlen sind zukünftig und schwer abzuschätzen, mehrere Zehntausend sind bislang auf der Flucht nach Europa umgekommen, sind oft Futter für die Fische.
[…..] Safranski, der preiswürdige Putschist, legt dann noch eines nach, er bestreitet den Erfolg von Integration, er bestärkt den gesellschaftlichen Egoismus, das Ausgrenzen und die globale Ungleichheit - der Reichtum des Westens aber kann nur mit Gewalt geschützt werden, so suggeriert er, "und deshalb wird der effektive Schutz der europäischen Außengrenzen kommen".
Europa, so sagt er, und man sieht ihn schmunzeln, "wird sich hier etwas für die neue Situation Angemessenes einfallen lassen".
Wie wäre es mit dem Schießbefehl? […..]


Menschen, die im Gegensatz zu AfD- und CSU-Fans auch nur Rudimente von Anstand und Moral haben, würden Menschen in so einer Not helfen.
Konservative und Christen wollen das aber nicht, obwohl gerade die Deutschen besonders viel Anlass haben großzügig zu sein:

Deutschland ist das mit Abstand stärkste Land der EU. Deutschland ist der größte Profiteur der EU, weil es auf Export in die EU-Ländern angewiesen ist und zudem die sehr viel ärmeren europäischen Länder im Süden und Südosten die Außengrenzen bilden.
Deutschland ist zudem durch seine Vergangenheit, als Hunderttausende nur überleben konnten, weil die aus Deutschland Flüchtenden großzügig von anderen Nationen aufgenommen wurden, moralisch verpflichtet.
Und schließlich ist Deutschland auch einer der größten Verursacher der Fluchtgründe, weil es brutale Mörderregime wie das in Eritrea direkt polizeilich, logistisch und finanziell stabilisiert.


(….) Natürlich, auch Merkels Führungsversagen ist eklatant. Drei Jahre hat sie Däumchen drehend verstreichen lassen, international zu keiner Einigung gefunden, kontinuierlich durch ihre Politik die Fluchtursachen rasant weiter angeheizt – Stichworte Waffenexporte in Krisenregionen, Aufgabe aller Klimaschutzziele, katastrophale EU-Agrarpolitik zu Lasten Afrikas, Leerfischen der afrikanischen Meere, Nichteinhaltung der Entwicklungshilfezahlungen, - und sich schließlich aus Angst vor der AfD sukzessive auf eine völlige Grenzschließung eingelassen. (….)
(Let’s go crazy, 16.06.2018)


Abgesehen vom moralischen Abgrund, den die CSU-Forderungen bedeuten, sind sie insbesondere nicht praktikabel.

Nehmen wir hypothetisch an, die Kanzlerin schwenke auf CSU-Kurs ein, was an sich schon extrem unwahrscheinlich ist, da ihre Autorität aufgebraucht wäre:
Dann wäre die Koalition ebenfalls zu Ende, weil das eklatant dem Koalitionsvertrag widerspräche. Die SPD würde das keinesfalls mitmachen, weil es die ohnehin extrem gebeutelte Partei, die nur unter größten Schmerzen und Mühen überhaupt in die GroKo ging und gegenwärtig eine schwache, von vielen nicht akzeptierte Führung hat, zerreißen würde.


Nehmen wir hypothetisch an, Nahles ließe nicht die Groko platzen, schwenkte ebenfalls auf CSU-Kurs ein, was an sich schon extrem unwahrscheinlich ist, weil sie den folgenden Aufstand ihrer Partei nicht im Amt überleben würde, dann müssten am 01.07.2018 alle deutschen Grenzübergänge kontrolliert werden.
Das ist gar nicht möglich; dafür fehlen mindestens 5.000 Stellen und das Bundesinnenministerium scheitert ja schon seit Jahren daran die wenigen hundert Stellen bei Bamf, Lageso und Co zu besetzen.



Nehmen wir hypothetisch an, durch ein Wunder tauchten zehntausend motivierte und ausgebildete Grenzpolizisten auf, die nur darauf warteten ihren Dienst zu beginnen und alle Grenzübergänge 24/7 vollständig zu überwachen.
Der Effekt wäre ein enormer ökonomischer Schaden für den „kleinen Grenzverkehr“ und den örtlichen Tourismus. Flüchtlinge ohne entsprechende Papiere könnten problemlos die offiziellen Übergänge meiden und die tausenden Kilometer nicht befestigte grüne Grenze nutzen.
Deutschland müsste vollständig eingemauert werden.



Nehmen wir hypothetisch an, durch ein Wunder tauchten zehntausend motivierte und ausgebildete Grenzpolizisten auf und Horst Seehofer könnte über Nacht 4.000 Kilometer überwachte Mauern bauen und finanzieren, was an sich schon extrem unwahrscheinlich ist, wenn man an den gegenwärtigen Stand deutschen Planungskönnens denkt – BER, Elphi, Stuttgart21 – dann würde zumindest Österreich ebenfalls sofort seine Grenzen schließen und alle nach Europa fliehenden Migranten würden im armen Griechenland, sowie Malta, Zypern und Italien festsitzen. Die vier Staaten würden sich zu Recht gegen den Groß-Profiteur und Großexporteur Deutschland wehren, indem sie die EU insgesamt durch Vetos lahmlegten.
Oder, die viel praktischere Alternative wäre, wenn Griechenland und Italien strandende Migranten eben nicht mehr registrieten und sie unregistriert bis Deutschland kämen. Dort könnte auch die CSU sie nicht abweisen, weil das nach dem Dublinverfahren illegal wäre.
Seehofer kann und will nur zuvor in anderen Ländern registrierte Flüchtlinge an der Grenze abweisen und zurückschicken. Wenn das aber Realität würde, weshalb sollten Athen und Rom sich die Mühe machen die Menschen vorher bei ihnen zu registrieren?


Was Seehofer, Söder, Scheuer und Doofbrindt wollen ist also großer Unsinn, der praktisch nicht durchführbar ist.
Das wissen sie auch, aber ihnen geht es nur darum die verhasste Kanzlerin zu demütigen und vor ihrer xenophoben bayerischen Wählerschaft am 14.10.2018 sexy zu sein.
Dabei haben sich die Christsozialen so sehr in eine Sackgasse manövriert, daß Seehofer eigentlich jetzt schon mit seiner Entlassung rechnen muss.
Aus dem oben genannten Gründen und auch, weil Merkel aus Prinzip nicht den Kotau vor der rechten Schwester machen kann, werden ihre Forderungen auch in zwei Wochen unerfüllt bleiben.
Allein, daß sich die 13 Jahre amtierende Kanzlerin von einem wirren Greis in Wahlkampfmodus Ultimaten setzen lässt, hat sie schon schwer beschädigt. Da hilft die heute ausgehandelte 14-Tage-Schonfrist auch nichts mehr.

[…..]  Zwei Wochen also. Zwei Wochen hat Angela Merkel als letzte Frist bekommen. Zwei ganze Wochen will Bundesinnenminister Horst Seehofer seiner Kanzlerin im Streit um seinen Migrationsplan gewähren, um eine europäische Lösung zu finden. […..][…..] Das freilich sagt schon alles. Es sagt alles aus über eine Union aus CDU und CSU, die diesen Namen nicht mehr verdient hat. Was Angela Merkel und Horst Seehofer seit drei Jahren aufführen, ist ein unwürdiger Akt. Dieses Land hat andere Probleme zu lösen als den Rechthaberstreit zwischen dem Kanzleramt und der CSU. Trump, Putin, Chinas Ambitionen - haben die beiden kein Gefühl mehr für wahre Prioritäten? Ist es angemessen, trotz deutlich gesunkener Flüchtlingszahlen dieses Spektakel aufzuführen?
Es ist ein politischer Skandal, dass Merkel wie Seehofer immer weiter streiten - und dabei verschweigen, dass sie das Land in den letzten Jahren mit mehreren Asylverschärfungspaketen längst massiv verändert haben. Merkel spricht es nicht offen aus, weil sie um ihren Ruf fürchtet; Seehofer redet nicht drüber, weil sonst jeder sehen würde, wie absurd er handelt.
Dabei ignorieren beide, dass über die Schicksale von Flüchtlingen im Jahr 2018 kaum mehr gesprochen wird, dafür aber über die vermeintlichen Nöte der AfD-Wähler. Merken die Beteiligten nicht, wie sie die Rechtspopulisten stärken? Realisieren sie nicht, wie sehr sich die Stimmung im Land verändert?
Bei alldem wirkt das Gerede aus Bayern, man müsse den Rechtsstaat wieder vom Kopf auf die Füße stellen, besonders vergiftend. Diese Sprüche ähneln so sehr der AfD-Rhetorik, dass man sich fragen muss, was die CSU als Nächstes loslässt. […..]

Ihren Amtseid haben die beiden christlichen Parteiführer schon so eklatant verletzt, daß Gott schon an einem Herzinfarkt gestorben wäre, wenn es ihn gäbe.


Ein derartiges Regierungsversagen ist Neuland in Berlin. In der größten bisherigen Vertrauens-, Parteien- und Politikerkrise tun beide Unionschefs alles dafür die AfD noch stärker zu machen; Nazis und Reichsbürger zu motivieren.
Fast entwickele ich schon rudimentäre Sympathien für Merkel, weil sie sich immerhin nun doch gegen Crazy Horst stemmt.
Aber sie tut das aus rein egoistischen Motiven und ist nun zu einer europäischen Asyllösung verpflichtet.
Eine Mission Impossible innerhalb eines Zweiwochenzeitrahmens mit einem rechtsradikalen Putin-Bewunderer in Rom als Hauptgesprächspartner.
 Tja Merkel, dafür hätte man drei Jahre früher aufstehen müssen und nicht vorher vom ollen Schäuble das europäische Porzellan zerschlagen lassen dürfen.

[….] Ganz Berlin ist ja eine Bühne und im Moment spielt auch in der Bundesoper ein Stück schottischer Familienaufstellung: das große Drama um Merkels Ende. Schade, dass Verdi und Shakespeare tot sind. Sie könnten hier eine Menge lernen, was Wahnsinn angeht und Skrupellosigkeit.
[…..] Bei Verdi singt Lady Macbeth: "Der Weg zur Macht ist voll von Verbrechen, und wehe dem, der unentschlossen ist und zurückschreckt!" Keine Sorge: Die Neigung, Verbrechen zu begehen, steigt bei der CSU mit jedem Tag, den die Bayernwahl näher rückt. Verdis Libretto liefert das Skript für den CSU-Wahlkampf: "Oh Wollust der Macht! Szepter, endlich bist du mein! Jedes irdische Verlangen verstummt und wird durch dich gestillt." Das ist gewissermaßen O-Ton Markus Söder.
[…..] Merkel hätte nicht noch einmal antreten dürfen. Da vom ersten Tag an klar war, dass diese Amtszeit ihre letzte sein würde, läuft seit dem ersten Tag die Suche nach der Nachfolge. […..] Die Deutschen könnten es mit einer schwachen Regierung schon ein paar Jahre aushalten. Dann bleiben die unerledigten Probleme dieser Kanzlerschaft - Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur, Integration, Klimapolitik, soziale Gerechtigkeit - halt noch länger unerledigt. Die Deutschen haben sich an niedrige Löhne und fehlende Lehrer gewöhnt, und daran, dass die Bahn zu spät oder gar nicht kommt. Die Deutschen sind genügsam. Aber Europa kann nicht warten. Europa braucht eine starke deutsche Regierung so dringend wie nie zuvor. Und genau die kann Merkel nicht mehr gewährleisten. [….]


Nun ist die CDU in gewaltigen Schwierigkeiten; Merkel könnte statt der angestrebten 16 Jahre bloß 13 Jahre an der Macht bleiben.
Die Bayern sind so hoch auf die Bäume gekraxelt, daß sie nicht mehr zurückkommen können, ohne sich zu Tode zu stürzen.

[…..]  zu sehr sind Peter Altmaier, Volker Kauder und andere bemüht, "alles zu versuchen", um den Crash zu verhindern. Solche Hinweise freilich können viele in der Partei auch nicht mehr wirklich beruhigen. Als zu hart wird Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mittlerweile wahrgenommen, als zu widersprüchlich der Bundesinnenminister. Und es gibt eine nicht unerhebliche Zahl derer, die Merkels Politik für falsch - und den anti-europäischen Duktus der CSU trotzdem für einen hochgefährlichen Orientierungsverlust halten. Ihr Grundgefühl, ausgedrückt von einem besonders prominenten Konservativen: "Für die Union ist es scheiße - und für Deutschland ist es eine Katastrophe."
Merkels Vertraute kämpfen gleichwohl um deren politisches Überleben - und sind entsetzt darüber, wie sehr Söder einen internationalen durch einen nationalen Blick eingetauscht hat. "Der agiert strammer als die AfD", schimpft einer aus der Parteispitze. Das schmerzt und wirkt, als seien Brücken unmöglich geworden. 
Dieses Foto hat Daniel Funke (li.), der Bunte-Chef in Berlin und Mann von Jens Spahn (2. von re.), auf Twitter veröffentlicht. Mit dabei: US-Botschafter Richard Grenell (2. von li.), sein Partner Matt Lashey und Hund Lola. (Foto: Daniel Funke/twitter
[…..] Nicht viel besser fällt das aktuelle Urteil über Horst Seehofer aus. Kopfschüttelnd reagierten viele in der Führung auf die Doppelbotschaft, die er am Sonntag ausstreute. Erst wurde bekannt (und in der CDU geglaubt), dass der Innenminister in einer kleinen CSU-Runde am Donnerstag gesagt habe, mit Merkel könne er nicht mehr kooperieren. […..] In der CDU-Spitze hat sich der Eindruck festgesetzt, dass es der CSU wider alle öffentlichen Erklärungen mittlerweile fast nur noch darum geht, die Kanzlerin loszuwerden, notfalls auch mit einem Bruch der Fraktionsgemeinschaft. […..] Ja, so die Furcht unter Berliner Christdemokraten, es gehe um das Ziel, die nationalistische Karte zu spielen. "Kurz, Orbán, auch Trump sind die Vorbilder", heißt es in Führungskreisen. […..]