Mittwoch, 27. September 2017

Geistige Giganten des Konservatismus – Teil XX



Für Europäer sind die amerikanischen Sportvorlieben schwer zu verstehen, weil die USA anders als alle anderen Länder ticken.
Soweit ich es verstehe, wird Fußball = Soccer nicht so gern wie im Rest der Welt gemocht, da man es als irgendwie elitär und europäisch ansieht.
Gemocht werden Football, Baseball und Basketball.
Ersteres ist grober, ländlicher und patriotischer aufgeheizt, als die urbaneren, multikulturelleren Sportarten der Großstädter.

In stockkonservativen Staaten wie Alabama haben sich die Rednecks immer noch nicht so recht damit abgefunden, daß überhaupt Schwarze beim Football mitspielen dürfen.
Daher kam es bei den tobenden Trump-Fans vor einer Woche sehr gut an, als er einige schwarze Spieler „son of a bitch“ nannte und loshetzte, man solle sie rauswerfen.
Das Publikum johlte vor Begeisterung als es wieder mal gegen „die Neger“ ging.
Trump ist hochzufrieden mit der Welle der Empörung, die er auslöste und feuerte über 20 bösartige Tweets gegen schwarze NFL-Profis ab, die sich nicht patriotisch genug zeigten und daher aussortiert gehörten.


Football ist Patriotismus pur; pathetisch wird die Nationalhymne abgesungen.
Es gilt in Amerika ebenfalls als sehr patriotisch sich hinter die Armee zu stellen.
Deswegen stellt sich Trump so gern hinter das Militär.
Jedenfalls den weißen, heterosexuellen Teil.
40% der US-Army-Angehörigen gehören zu Minderheiten.
Die gefallen ihm nicht.
Für die Dreamers in der Armee will sich Trump nicht einsetzen.
Für die Transgender in der Armee will sich Trump nicht einsetzen.

Trumps Einsatz für den Patriotismus in Armee und NFL lohnt sich für ihn, weil er damit gleichzeitig gegen Minderheiten agitieren kann, die ultrarechte republikanische Basis an sich bindet und insbesondere die öffentlich diskutierten Themen nach Belieben dominiert, während es für ihn an der politischen Front extrem schlecht läuft.
Aus und vorbei für Trump-Care, die Russian-ties-Schlinge zieht sich zu, es gibt einen Email-Skandal im Trump-Team und zudem ist seine Außenpolitik gegenüber Russland, dem Iran und Nordkorea ein einziger Scherbenhaufen.
Das schlägt sich aber nicht auf sein politisches Ansehen nieder, so lange die Frage ob irgendwelche Sportler bei der Nationalhymne knien oder sich stehend die Hand aus Herz drücken, die Debatte bestimmt.

Als Europäer fragt man sich wie sowas möglich ist. Niemand könnte sich vorstellen, daß Frau Merkel tagelang auf Fußballspieler eindrischt, die nicht patriotisch genug bei der Nationalhymne mitsingen.
Selbst der rechtsliberale Christian Lindner beklagte nur einmal die mangelnde Nationalhymnen-Singerei von Sportlern.

In den USA funktioniert das, weil es sich in Teilen um ein unzivilisiertes Pegida-Volk handelt.

Wir sehen das mustergültig in Alabama. Dort gab es eine republikanische Vorwahl, um de facto den neuen US-Senator zu bestimmen – Demokraten haben schließlich in dem ultrarechten Südstaat ohnehin keine Chance.
Trump machte Wahlkampf für den stramm konservativen Kandidaten Luther Strange, den er für dessen bedingungslose Treue zu ihm, Trump, pries.
Strange unterlag aber dem klar rassistischem Rechtsextremisten Roy Moore.

[….] Roy Moore, a former State Supreme Court chief justice, defeated Senator Luther Strange on Tuesday in the Republican runoff to fill the United States Senate seat vacated by Jeff Sessions, now the attorney general. Mr. Moore will face the Democratic nominee, Doug Jones, a former United States attorney, in the general election on Dec. 12. [….]

Nach der Veröffentlichung des Ergebnisses, knickte Trump schnell ein, stellte sich hinter Moore und wünschte ihm via Twitter viel Erfolg für die Wahl im November.
Die Wahl findet zwar im Dezember statt, aber Trump hält sich strikt an seine Maxime niemals die Wahrheit zu sagen.

Strategisch gesehen ist es nicht so schlecht, wenn völlig Wahnsinnige wie Trump die republikanische Partei prägen.

Langfristig wird eine zerfasernde GOP die Mehrheitsfähigkeit verlieren und den Demokraten wieder Mehrheiten in beiden Kongresskammern ermöglichen.
Sie könnten sich dann auch wieder ein bißchen nach links orientieren – so wie es sich die Basis wünscht.

Dann könnte es wieder voran gehen in Amerika.

Der siebzehnte geistige Gigant des Konservatismus (GGK), den ich in dieser neuen Reihe besprechen möchte, hat sich genau wie die radikale Lügnerin Carly Fiorina komplett der Realität entkoppelt: Donald Trump.

Es ist eigentlich müßig den orangehaarigen Milliardär der Mobs noch vorzustellen.
Der groteske Presbyterianer ist inzwischen weltweit bekannt wie ein bunter Hund. Er ist so eine Art amerikanische Ein-Mann-Pegida mit Geld: Politisch kloaken-artig müffelnd erzeugt er bei halbwegs moralischen Menschen einen überwältigenden Drang schreiend wegzulaufen.
Aber die Journalisten verhalten sich wie bei verwesenden Quallen am Strand: Sie wissen zwar, daß es ekelig ist, gehen aber doch hin und stochern am Kadaver herum.

Der 20. Geistige Gigant des Konservatismus ist also der mutmaßliche neue US-Senator aus Alabama, Roy Moore.

Der ultrareligiöse Waffenfanatiker hasst Schwule, Muslime, Schwarze und Atheisten wie die Pest. Und er hat einen guten Freund – den Paten der amerikanischen „White Supremacy“-Bewegung, Steve Bannon.

[….] Er zieht bei Veranstaltungen gerne mal den Revolver. Er findet, Homosexualität sollte verboten werden. Er ist dafür, keine Muslime ins amerikanische Parlament zu lassen. Und seit Dienstagabend hat er gute Chancen, trotz der Unterstützung von Donald Trump für seinen Gegenkandidaten neuer Senator für den US-Bundesstaat Alabama zu werden: Der ehemaliger Richter Roy Moore, 70, hat eine parteiinterne Vorwahl der Republikaner für einen Senatssitz gegen den von Trump unterstützten Amtsinhaber Luther Strange gewonnen. Das Ergebnis aus der Provinz könnte ganz Amerika erschüttern. Denn hinter Moore steht Steve Bannon, der frühere Chefberater von Trump, der das Establishment der Republikaner entmachten will.
Erzkonservativ zu sein, gehört bei vielen Politikern aus dem amerikanischen Süden zum guten Ton, doch Roy Moores Konservativismus ist von einem anderen Stern. [….] Zur Stimmabgabe am Dienstag erschien Moore zu Pferde. [….]

Moore ist wie sein Klan-freundlicher Kollege Sessions so rechtsradikal, daß er selbst im ultrakonservativen Alabama aus dem obersten Gerichtshof des Staates entfernt werden mußte. Zweimal.

[……] But Mr. Moore, 70, has proved himself to be a political survivor. He has been effectively removed from the State Supreme Court twice — the first in 2003, over his refusal to remove a statue of the Ten Commandments in the courthouse; the second last year, when he urged the state’s probate judges to defy federal orders regarding same-sex marriage.
And in recent days, both the president and Vice President Mike Pence had campaigned for Mr. Strange. Mr. Trump, an enormously popular figure in Alabama, cast aside the tradition of presidents treading carefully in contested primaries, as well as the warnings from his own advisers regarding a candidate trailing in the polls. [….]

Toll, dachten sich die republikanischen Alabamesen. Die Scheiß Verfassung ist eh liberaler Unsinn. Den wählen wir!

Immer weiter so, liebe GOPer. Mit solchen Typen im Senat macht ihr die politische Kultur Amerikas endgültig kaputt und verhindert nachhaltig, daß eine Regierung lösungsorientiert arbeiten kann.

[….] Wenn bereits Sessions als Hardliner galt, muss für Moore eine Steigerung erfunden werden. Der Mann ist im christlich-konservativen Teil des Bundesstaats im tiefen Süden ein Held, weil er fanatisch religiös ist - und er deshalb zwei Mal als Richter entlassen wurde.
2003 ließ er im staatlichen Justizgebäude eine zwei Tonnen schwere Skulptur mit den zehn Geboten aufstellen - ein Zeichen religiöser Bevorzugung, das ihn das Amt kostete. 2013 wählten ihn die Bürger Alabamas zurück auf den Posten, von dem er 2016 suspendiert wurde: Er hatte sich geweigert, auf Anweisung eines Bundesgerichts gleichgeschlechtliche Ehen (Moore: "abnormal, unmoralisch, verabscheuungswürdig, ein Verbrechen gegen die Natur") anzuerkennen. Muslime, erklärte Moore 2006, sollten nicht für den Kongress kandidieren dürfen. Der 11. September, so Moores Analyse im Februar dieses Jahres, sei eine "göttliche Strafe" für die USA gewesen.
[….] Moore [….]  erhielt Unterstützung von Rechtsauslegern wie Sarah Palin, dem ehemaligen Trump-Berater Stephen Bannon, Trumps Wohnungsbau-Minister Ben Carson oder dem Briten Nigel Farage.
Beide Kandidaten hatten sich als wahre Vertreter des Trumpismus zu inszenieren versucht - Strange bezeichnete Trumps Wahl sogar als "biblisches Wunder". Dass er trotzdem verlor, lag neben der Nähe zum verhassten Senatsführer McConnell. […]