Sonntag, 28. September 2014

Deutschlands Platz in der Welt.


Deutschland ist ein großes und wichtiges Land.

Es dominiert die EU und liegt gemessen an der Wirtschaftsleistung auf Platz vier. Es gibt verschiedene Berechnungsgrundlagen der Weltbank für das Bruttoinlandsprodukt; an der Reihenfolge ändert es nichts. Die BIP-Abstände  sind gewaltig hinter China ($9 Billionen), USA ($17 Billionen) und Japan ($5 Billionen). Deutschland liegt irgendwo bei $3,5 Billionen.
Betrachtet man die Kaufkraftparität (PPP), liegt Deutschland sogar hinter Indien ($5 Billionen) mit $3 Billionen sogar nur auf Platz 5 und droht von Russland ($2,6 Billionen) eingeholt zu werden.

Nimmt man die Einwohner als Berechnungsgrundlage, dümpelt Deutschland mit 81 Millionen Menschen nur auf dem 16. Platz hinter:

China 1.365 Mio.
Indien 1.277 Mio.
USA 320 Mio.
Indonesien 249 Mio.
Brasilien 196 Mio.
Pakistan 191 Mio.
Nigeria 174 Mio.
Bangladesch 157 Mio.
Russland 144 Mio.
Japan 127 Mio.
Mexiko 118 Mio.
Philippinen 96 Mio.
Vietnam 90 Mio.
Äthiopien 89 Mio.
Ägypten 85 Mio.

Auch bei der Einwohnerzahl variieren die Angaben.
Das sicherste Kriterium für die Größe eines Landes ist die Fläche.
Hier liegt Deutschland mit 357.022,00 km² blamabel abgeschlagen auf Platz 62 und spielt in einer ganz anderen Liga als die großen drei.

Russland 17.098.242,00 km²
Kanada 9.984.670,00 km²
USA 9.826.675,00 km²

Aber auch das zehntgrößte Land der Erde, Algerien, ist mit 2.381.741,00 km² noch sieben Mal so groß wie Deutschland. Tansania, nur Platz 30 in der Liste der größten Länder der Welt ist mit 947.300,00 km² drei Mal so groß wie Deutschland. Auch der Irak, Schweden oder der Jemen sind alle deutlich größer als Deutschland.

Ich erwähne dies alles, da die Bundesregierung spätestens seit Guido Westerwelle von der wahnwitzigen Idee befallen ist, Deutschland gebühre aufgrund seiner Bedeutung neben dem exklusiven Quintett aus China, Russland, USA, England und Frankreich ein Platz als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat.
Eine Reform ist seit Jahrzehnten überfällig, aber die Vetomächte dulden das nicht.

Die Veto-Verhältnisse im höchsten UN-Gremium spiegeln immer noch die Nachkriegszustände wider.
Die fünf Vetomächte stimmten lange Zeit so ungefähr mit den Atommächten und den Ländern mit den größten Armeen überein.
Inzwischen gibt es aber mit Pakistan, Indien, Israel, Nordkorea mindestens vier weitere Atommächte. Die Größe und Stärke der Armeen läßt sich besonders schwer vergleichen.
In verschiedenen Aufstellungen nach Waffengattungen landet Deutschland aber nie unter den ersten fünf.
Aber was bedeutet schon Deutschlands TopTen-Rang bei fast 40 Milliarden Euro Verteidigungshaushalt, wenn die Ministerin noch nicht mal in der Lage ist ein paar Handgranaten nach Kurdistan zu liefern, weil die Transportflugzeuge aus dem 1960er Jahren kaum noch flugtüchtig sind?
Die Kampfjets und Hubschrauber sind zu 90% nicht einsatzfähig und die Patriot-Raketenabwehrsysteme der Bundeswehr, die zur Zeit an der türkischen Südgrenze stationiert sind, müssen in den nächsten Wochen abgeschaltet werden, da es offenbar nur eine Handvoll Bundeswehrsoldaten gibt, um die Systeme zu bedienen. Und diese wenigen sind vom Dauereinsatz erschöpft.

Meinen Glückwunsch an Jung, de Maizière, Guttenberg und von der Leyen! Das muß man erst mal schaffen die jährlich rund 35 Milliarden Euro für die Bundeswehr so zu verplempern, daß kein Fluggerät mehr funktioniert.
Immerhin mehr als zehn Milliarden Euro, also 10.000 Millionen Euro sind nur für „Militärische Beschaffungen, Anlagen“ eingeplant.
Und die CDU rühmt sich die Partei zu sein, die mit Geld umgehen kann!

In den Sicherheitsrat will Deutschland aber dennoch.
Die Bundesregierung gibt das unmissverständlich bekannt.

    Die Bundesregierung strebt eine Reform des Sicherheitsrats mit einem ständigen Sitz für Deutschland als Teil einer umfassenden Reform der Vereinten Nationen an. [….]
    Die Rolle Deutschlands hat sich gegenüber 1945 grundlegend geändert. Aus dem "Feindstaat" von 1945 und dem Beitrittsland von 1973 ist – insbesondere seit der Vereinigung – einer der engagiertesten Vertreter eines effektiven Multilateralismus unter dem Dach der Vereinten Nationen geworden. Diese Rolle Deutschlands gehört zu den neuen Realitäten zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Daher wird Deutschland auch seit Beginn der Reformdiskussion von anderen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen immer wieder als natürlicher Kandidat für einen ständigen Sitz genannt.
    Deutschland leistet wichtige Beiträge zur Arbeit der Vereinten Nationen. Es ist nicht nur drittgrößter Beitragszahler, sondern trägt auch auf andere Weise vielfältig zur Verwirklichung der grundlegenden Ziele der Vereinten Nationen bei: Durch die Entsendung von Truppen für internationale Friedensmissionen, durch die Mittel, die es für die internationale Entwicklungszusammenarbeit, nachhaltige Entwicklung und humanitäre Hilfe zur Verfügung stellt und durch sein Eintreten für den Schutz der Menschenrechte in allen Staaten der Welt.

Deutschland rühmt sich also ein großer Geldgeber zu sein.
Aber was heißt das schon in einem Land, das zwar rund 10 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe ausgibt, dabei aber viel weniger als das versprochene 0,7%-Ziel der OECD berappt?

Dies entspreche 0,4 Prozent des Bruttonationaleinkommens. […]  Die einzigen Länder, die das Ziel einer Entwicklungshilfequote von 0,7 Prozent erreichten, waren nach OECD-Angaben wie in den Vorjahren Dänemark, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Schweden.
Die SPD übte trotz der gestiegenen Ausgaben scharfe Kritik an der Bundesregierung. „Es ist eine Peinlichkeit hoch Drei, dass sich Entwicklungsminister Niebel jetzt für das Erreichen einer ODA-Quote von 0,4 Prozent feiern lässt, war doch bereits für 2010 ein Anteil von 0,51 Prozent verbindlich international vereinbart“, erklärte der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sascha Raabe. Dass Niebel seinen eigenen Wortbruch nun derart verkünde, sei beschämend.

Für die Ebola-Katastrophe kann Deutschland seit Monaten keine Hilfe organisieren und auch die Lage der syrischen Flüchtlinge ist absolut absurd, wenn man bedenkt, wie über Herrn Schäuble die Milliarden-Steuereinnahmen sprudeln.

Christian Springer, Kabarettist und Gründer des Vereins Orienthelfer berichtete in der Wochenend-SZ wie es wirklich in aussieht.

[….] Als Haiti von einem Erdbeben heimgesucht wurde, gingen beim Deutschen Roten Kreuz 33 Millionen Euro Spenden ein, für Syrien kamen im Jahr 2012 gerade mal 200000 Euro zusammen. Im März 2014 stellt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen fest, dass nur ein Prozent der benötigten Mittel für die Syrienkrise zur Verfügung stehen.
[….] Ein internes Papier der EU spricht davon, dass nur neun Prozent der vorgesehenen Hilfen ankommen, 91 Prozent nicht. Roberta Russo, PR-Offizierin der UNHCR, muss im Sommer 2013 vor der Presse eingestehen, dass die Vereinten Nationen die Essensrationen für Flüchtlinge kürzen müssen. Die benötigten Summen für syrische Flüchtlinge seien nur zu einem Viertel gedeckt. Im Sommer 2014 wird die Säuglingshilfe in Libanon eingestellt. Keine Babynahrung von der Weltgemeinschaft, sorry, no money.
[….] Manch einem kommt die Idee, nach Europa zu gehen. Das ist verständlich, aber aussichtslos. Um ein Visum zu erhalten, kann man an der deutschen Botschaft in der Hauptstadt Amman natürlich nicht einfach klingeln. Der Antragsteller hat sich wie üblich in ein elektronisches Teminvergabesystem einzutragen. „Nachdem Sie Ihren Termin im System eingetragen haben, erhalten Sie eine automatische Terminbestätigung per E-Mail“, heißt es auf der Internetseite. Damit hat man sich elegant schon der meisten Flüchtlinge entledigt, weil sie im Bombenhagel barfuß und im Schlafanzug aus Syrien geflohen sind, und dabei leider den Laptop mit Highspeedzugang zu Hause vergessen haben.[….] Schon jetzt kommen auf vier Millionen Libanesen knapp zwei Millionen syrische Flüchtlinge.  Das wäre so, als hätten wir morgen in Deutschland vierzig Millionen Flüchtlinge. Ein Wahnsinn. Der Kollaps. [….]
(SZ vom 27.09.2014)

Genauso peinlich das Nichthandeln Deutschlands gegenüber Liberia und Sierra Leone. Die Förderung einer dringend benötigten Ebola-Station des Ola During Childrens Hospital in Sierra Leone lehnten Steinmeiers Beamte ab.

[Werner Strahl], der Vorsitzende der Hilfsorganisation Cap Anamur sitzt in seinem Kölner Büro und schaut sich Videoaufnahmen der geschlossenen Klinik an. [….]
"Aber", sagt Strahl in der Cap-Anamur-Zentrale voller Zuversicht, "jetzt können wir wieder anfangen, weil wir eine Auffangstation haben, wo wir die Kinder screenen können". [….] Vor drei Wochen haben Bauarbeiter und Mitarbeiter von Cap Anamur damit begonnen, die Isolierstation zu errichten, direkt auf einem Grundstück neben dem Kinderkrankenhaus. Als die Hilfsorganisation hörte, dass die Bundesregierung Gelder für eine Ebola-Soforthilfe bereitstellte, nahm sie Kontakt zu zuständigen Abteilung im Auswärtigen Amt auf und stellte einen Antrag auf Förderung des Projekts in Freetown. Es ging um 200.000 Euro.
Vergangenen Freitag erhielt die Organisation, die zuvor nach eigenen Angaben noch nie öffentliche Hilfsgelder beantragt hatte, sondern ihre Projekte bisher über Spenden finanziert, eine Antwort aus Berlin. In einer E-Mail, die SPIEGEL TV vorliegt, lehnt das zuständige Referat für Humanitäre Hilfe die Förderung der Isolationsstation für das Kinderkrankenhaus ab.
Die Begründung: "Das Zuwendungsrecht erlaubt die Förderung bereits begonnener Projekte nicht", heißt es. Da die Bautätigkeiten der Station schon vor einiger Zeit "ohne vorherige Inaussichtstellung und Genehmigung eines frühzeitigen Projektbeginns" durch das Referat in Angriff genommen worden seien, "schließt dies eine Förderung durch das Referat aus".
[….] Mit ihrer Absage zur Förderung des Projekts von Cap Anamur bestraft die Bundesregierung, die seit Wochen wegen ihres zögerlichen Verhaltens in der Ebola-Krise in der Kritik ist, die Hilfsorganisation geradezu für ihr schnelles Engagement vor Ort. "Das ist für uns eine völlig absurde Situation", sagt Cap-Anamur-Chef Strahl. Man habe mit dem Beginn des Baus der Isolationsstation nicht erst auf die Bewilligung von Fördergeldern warten wollen. [….]

Steinmeier erfährt dieses Jahr viel Lob für sein Engagement in der Welt. Unermüdlich ist er unterwegs in Sachen Nahost, Ukraine und Afrika.
Ich begrüße das.
Erfolge kann er allerdings nicht vorweisen. Weder die deutsche Außenpolitik, noch die EU-Außenpolitik haben in den letzten Monaten irgendeinen Forstschritt in irgendeiner Krise bewirkt.
Im Gegenteil; die EU verhält sich gegenüber Russland sogar kontraproduktiv.
Vielleicht könnte Steinmeiers Chefin mehr erreichen; aber ihr sind humanitäre Krisen völlig egal.
Merkel zeigt kein Engagement für Frieden oder Klima.

Obwohl Merkels Macht in Ländern und Kommunen weiter bedenklich erodiert, sitzt sie in der Bundespolitik extrem fest im Sattel.
Sie macht weiterhin ihre Lobbypolitik, hält sich programmatisch zurück und blamiert Deutschland international.
Der Urnenpöbel ist entzückt. Er liebt Stillstand im Kanzleramt. Die CDU-Chefin hat keinen Grund zur Sorge.

Unter großer internationaler Teilnahme findet heute der UN-Klimagipfel in New York statt. UN-Generalsekretär Ban, Obama und weitere 125 Staats- und Regierungschefs wollen endlich zur Tat schreiten.
Nur Merkel fehlt mal wieder. Ähnlich wie bei der Mandela-Beerdigung schwänzt sie gern hochkarätige Treffen, obwohl sie die einzigartige Gelegenheit bieten, unverbindlich und unkompliziert mit anderen Regierungschefs Großkrisen zu besprechen. (Mir war da so, als ob es im Moment durchaus das ein oder andere  Problem in der Welt gäbe….)
Merkel hat dazu aber keine Lust, weil das für sie Positionierungen bedeuten könnte. Sie will sich aber partout auf nichts festlegen und ewig schwamming weiter durch Deutschland mäandern.
Statt sich für die Klimarettung zu engagieren, umschmeichelt die Kanzlerin heute lieber beim BDI-Branchentreffen diejenigen, die das Klima ruinieren.
Der CDU bekommt dieses erbärmlich-kriecherische Verhalten erfahrungsgemäß sehr gut.

Es ist absurd, aber seit einigen Wochen entwickele ich mehr Verständnis für die US-Außenpolitik.
Diese doofen Deutschen kann man doch ruhig ausspähen und belügen. Die kriegen doch sowieso nichts alleine hin, wenn es um echte Krisen geht. Dann jammern sie ja doch nach dem großen Bruder jenseits des Atlantiks.

[…]  Obama, der eigentlich hoffte, die Welt werde ohne US-Soldaten friedlicher sein, hat eher das Gegenteil bewiesen: Niemand ist bereit, Ordnung zu schaffen, wenn es Amerika nicht tut. Während die USA jetzt mit Präzisionswaffen die Öllager der Terroristen angreifen, rechnet die Bundeswehr nach, wie viele ihrer Hubschrauber überhaupt noch fliegen können. Das – berechtigte – Klagen der Deutschen über die NSA-Spionage hat man in Washington auch deshalb nie ernst genommen, weil man wusste: Spätestens nach der nächsten Katastrophe sind die Europäer wieder sehr dankbar für den US-Sicherheitsapparat.
[…]  Zum Glück also ist Obama noch zwei Jahre lang Präsident. Im Welt-Durcheinander zahlt es sich aus, dass im Weißen Haus ein Multilateralist sitzt, aus dessen Sicht die USA nur verwundbar sind, wenn sie überreagieren. Obamas Leitmotiv – „Mach kein dummes Zeug!“ – klingt so vernünftig, als sei es deutsch, und er ist dafür oft verspottet worden. Gewiss, seine Doktrin minimaler Einmischung stand ihm manchmal selbst im Weg: Hätte er sich früher um den Nahen Osten gekümmert, müsste er die Dinge jetzt wohl nicht mit solch großem Aufwand richten.
Aber Vernunft bleibt ein guter Ratgeber, und Obama hat am Ende auch vernünftige Gründe dafür gefunden, Syriens Terroristen anzugreifen. Er wollte nicht einer jener US-Präsidenten werden, die Völkermorde geschehen ließen. […]  (Nicolas Richter, SZ vom 27.09.2014)

Selbstverständlich rechtfertige ich nicht die NSA-Aktionen in Deutschland.
Aber ich kann verstehen, wieso aus amerikanischer Sicht deutsche Proteste nicht ernst genommen werden.
Deutschland ist international unfähig, weil

a)   Die Bundeswehr trotz gewaltiger Geldmittel durch Doofheit im Ministerium gelähmt und nicht einsatzfähig ist.
b)   Die Bundesregierung nicht den Geldhahn aufdreht, wenn es um Soforthilfen geht
c)    Die über alles geliebte Regierungschefin ein demonstratives Desinteresse an globalen Problemen pflegt, ja sogar die entscheidenden Treffen auf dem Weltparkett schwänzt
d)   Keinerlei ernstzunehmenden Initiativen aus dem europäischen Raum zur Entspannung irgendwelche bewaffneten Konflikte kommen
e)   Berlin immer noch ungeniert die Krisengebiete der Welt mit Waffen versorgt.

Ja, der UN-Sicherheitsrat muß reformiert werden.
Aber ich kann nicht erkennen womit Deutschland einen der exklusiven ständigen Sitze verdient hätte.