Montag, 8. April 2013

Wird das jetzt der Absprung – Teil II



Was zum Teufel soll man lesen, wenn man umfassend informiert sein will und nicht ewige Stunden im Internet rumklicken will?
Ein großes wöchentliches Politmagazin gehört nach meiner Meinung in jeden Haushalt.
Nötig ist das allemal.
Der Scoop der vergangenen Woche, die Enttarnung der geheimen Geschäfte der Steueroasen anhand einer Datei, die Datensätze von 130.000 Personen enthält - auch einen von Gunter Sachs -, ging am "Spiegel" vorbei. In Deutschland berichteten exklusiv der NDR und die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) darüber. Das ist insofern überraschend, da "Spiegel"-Chefredakteur Georg Mascolo und der Investigativ-Chef der "SZ", Hans Leyendecker, die einzigen deutschen Mitglieder des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) sind. Das ist die Organisation, der die Datei zugespielt wurde. Entweder unterschätzte Mascolo die Brisanz des Datensatzes, oder aber das ICIJ sah in dem Nachrichtenmagazin, das einst für seinen investigativen Journalismus berühmt war, nicht das richtige Medium für die Enthüllung. Schwer zu sagen, welche Variante peinlicher für Mascolo und den "Spiegel" ist.
Die Gruselnamen, die gestern kursierten, werden heute schon nicht mehr genannt.
Angeblich sollen sich die SPIEGEL-Mitarbeiter entlang der Geschlechtergrenzen auseinander dividiert haben.
Die Frauen favorisieren die lesbische Powerfrau Prof. Miriam Meckel, die früher die Staatskanzlei Wolfgang Clements leitete und politisch eher in der Mitte zu verordnen ist.
Intelligenter als ihre Lebensgefährtin Anne Will dürfte sie sicher sein, aber es ist fraglich ob die Chemie mit den mächtigen Ressortleitern stimmen würde.
Die SPIEGEL-Männer hingegen bevorzugen angeblich Jakob Augstein als neuen Chef.
Zwar ist er kein Blutsverwandter Rudolf Augsteins, trägt aber den im deutschen Journalismus extrem klangvollen Namen, bringt viele Jahre Erfahrung als Herausgeber des „Freitag“ mit und fungiert SPIEGEL-intern als Sprecher des 24.5%-Anteils der Augstein-Erben. 

Die Hamburger Morgenpost schreibt in ihrer heutigen Ausgabe, Augstein käme allerdings nicht in Frage, weil er „extrem links“ sei.
Größeren Blödsinn habe ich nicht mehr gelesen seit Herr von und zu Guttenberg aus dem fernen amerikanischen Thinktank Bundeskanzlerin Merkel wissen ließ, sie solle Israel bei den Kriegsvorbereitungen gegen den Iran unterstützen.

Augstein ist noch nicht mal so links wie die SPD; mithin also deutscher Mainstream.
Das Simon-Wiesenthal-Center betrachtet ihn gar als ultrarechts und stufte ihn sogar als einen der zehn weltweit schlimmsten Antisemiten ein.
(Eine Einschätzung, die hinsichtlich überbordender Dummheit durchaus an die Klasse „Außenpolitische Expertise durch Ex-Doktor Guttenberg“ mithalten kann)

Rechte Internethetzer wie PI sehen Augstein offenbar deswegen als „linksextrem“ an, weil er sich im Juni 2012 in einer „Augstein und Blome“-Sendung über Bundespräsident Gauck mokierte, nachdem dieser ergriffen von seiner eigenen Bedeutung in der Hamburger Bundeswehr-Führungsakademie die schwarz-rot-goldene Fahne geküsst hatte.

Der Bizarre in dieser Causa ist aber eindeutig Pastor Gauck und nicht Augstein.
Es ist verblüffend wie weit wir gekommen sind.
Wenn jemand mal auf ein paar Fakten und Satistiken hinweist, welche den von unten-nach-oben-Umverteilern Rösler und Merkel nicht ins Politkonzept passen, wird man schon als „linksextrem“ eingestuft.
Ist die VERöffentlichte Meinung schon ganz und gar gleichgeschaltet, so daß eine Sahra Wagenknecht zwar als linkes Kuriosum in den Talkshows sitzen kann, aber kein „seriöser“ Journalist sich mit sozialen Fragen beschäftigen darf?
Eine große Enteignung hat stattgefunden. Aber in Deutschland sind nicht die Reichen enteignet worden. Sondern das Volk.

Der "Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung", der in der vergangenen Woche vorgelegt wurde (hier die Zusammenfassung und hier ein Faktencheck dazu), legt davon Zeugnis ab. Man muss genau hinsehen, um die traurige Botschaft des Berichts zu entziffern. Die Regierung hat sich in den vergangenen Monaten viel Mühe gegeben, die Lage zu schönen und zu manipulieren.

Aber an der Wahrheit konnte sie nichts ändern: Deutschland ist ein ungerechtes Land. 1970 besaß das oberste Zehntel der (West)-Deutschen 44 Prozent des gesamten Nettogeldvermögens. 2011 waren es 66 Prozent. Die - von der Masse der Menschen getragenen - Lohn-, Umsatz- und Verbrauchsteuern ergeben 80 Prozent des gesamten Steueraufkommens, die Unternehmens- und Gewinnsteuern machen nur zwölf Prozent aus. Fast acht Millionen Menschen in Deutschland arbeiten für Niedriglöhne. Etwa zwölf Millionen leben an oder unter der Armutsgrenze. 25 Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben sogenannte prekäre Jobs: Leiharbeit, Zeitarbeit, Werkverträge, Praktika. Jeder zweite neu zu besetzende Arbeitsplatz ist befristet.
Das soll links sein?
Ich nenne das „Realität.“
An solchen Texten läßt sich doch noch keine politisch extreme Einstellung ablesen. 

Entscheidungen sind aber beim SPIEGEL noch nicht gefallen.
Hauptverantwortlicher ist Ove Staffe, dem offenbar bereits die Zügel gänzlich entglitten sind. Der oberste Mitarbeiter-Vertreter muß sich nun mit wilden Spekulationen rumschlagen. Klar ist nur, daß man die jetzige Doppelspitze nicht mehr will. Sie wird aber im Amt gelassen, weil Staffe keine Alternative hat.
Die SPIEGEL-Mitarbeiter-KG sitzt auf 50,5% der Anteile und sollte daher ein gewichtiges Wort bei der Vergabe des Chefredakteur-Postens haben.
Die Branche rätselt über die Zukunft des "Spiegels": [….]

Die Entscheidung über eine Ablösung der Spiegel-Chefredaktion ist nach SZ-Informationen aufgeschoben. Geschäftsführer Ove Saffe verkündete demnach am Montagvormittag in der Redaktionskonferenz, es gebe keinen Beschluss der Gesellschafter, Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron abzulösen. [….] Saffe soll erbost sein, dass ihm das Heft des Handelns aus den Händen genommen wurde  [….]  stattdessen gab es hitzige interne Debatten über die Indiskretion. Wer die Information herausgegeben hatte, einer der Gesellschafter oder jemand anderes aus dem Haus, ist nicht klar. [….] Seit der Veröffentlichung am Freitag werden öffentlich Nachfolgekandidaten gehandelt, Mascolo und Blumencron gelten intern jetzt als stark angeschlagen und wurden offenbar von der Dynamik ebenfalls überrascht.
Professionalität ist anders.

5 Kommentare:

  1. Eigentlich interessiert mich das Thema nicht wirklich. Den "Der Spiegel" halte ich höchstens mal in der Hand, wenn ich beim Arzt bin. Ich informiere mich im Internet. U.A. auch bei Spiegel-Online. Den Tweet von Tagesschau schaue ich mir täglich öfter an. Ich will ja informiert sein.

    Seit es Feeds gibt, ist das Internet doch mit Informationen und Artikeln voll. Wozu da noch eine Zeitschrift abonnieren? Kost' nur Geld!

    Mag ja für Verlage wichtig sein, dass sie ihre Beschäftigten bezahlen müssen. Aber man muss es mal klar sagen: Es gibt ein echtes Überangebot. Demnächst können sie Google&Co abkassieren. Ist doch okay. Aber ohne deine Furcht vor Veränderung befeuern zu wollen: Die ganze Print-Medienwelt ist am Wanken, Tammox!

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  2. Was die Leute immer vergessen:
    Während die meisten Zeitungen ihren Online-Ableger nur mit ein paar Artikeln aus der Print-Version füttern, sind SPIEGEL und SPIEGEL-ONLINE völlig getrennt. SPON hat ganz andere Autoren.
    Man erfährt eben NICHT was im Spiegel steht, wenn man Spon liest!

    Die langen und gut recherchierten Geschichten zu den etwas anderen Themen, wie jetzt zB die Wagner-Titelstory, muß man schon im Printspiegel lesen.
    Sonst kommt man nicht ran. Es sei denn man zahlt das ePaper.

    LGT

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  3. PS:

    Was ist eigentlich ein Feed?

    LGT

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  4. "Was ist eigentlich ein Feed?"

    Das habe ich nicht gelesen!

    Vielleicht sollte man langsam anfangen, auf SPON zu setzen. Zwei Pferde kosten nur viel Geld. Die Artikel und Storys werden dadurch ja nicht mehr. Es hat ja schon fast etwas Antiquiertes, eine Zeitschrift in der Hand zu halten. Heute hält man ein Tablet in der Hand oder ein iPhone.

    Es kann ja sein, dass das, was du sagst stimmt. Aber mehr Kerninformationen sind in der Printversion nicht enthalten, als in der SPON-Version. Und egal, was heute gilt. Das Morgen ist nicht aufzuhalten. Die Welt von Morgen ist digital und online. Man wird die Sparten früher oder später vereinen. Und es mag ja schön sein, sich 40 Minuten einem Artikel zu widmen, aber mehr Info bekommst du dadurch auch nicht. Überhaupt ist es besser, mehrere Quellen zu studieren. So verpasst man nichts und bekommt gelegentlich auch mal eine andere Sicht vermittelt.

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  5. Das sehe ich überhaupt nicht so.
    Natürlich kann man mehr Informationen in lange Artikel stecken, wenn sie INVESTIGATIV recherchiert sind.
    Der SPIEGEL-Print hat ja eine der letzten großen Dokumentationen überhaupt. Die meisten Verlage haben das einafch abgeschafft und lassen die Redakteure einfach bei Wikipedia nachgucken.
    Die Springer-Dokumentation saß ja bis vor einigen Jahren in Hamburg, bis Döpfner von eben auf jetzt über 100 Dokumentare gefeuert hat.

    Diese professionellen Dokumentare haben natürlich ganz andere Möglichkeiten Fakten zu checken.

    Im Übrigen schreibt der SPIEGEL-Print immer noch schwarze Zahlen und ich zum Beispiel gehöre auch zu den Leuten ohne Tablett und iPhone.

    Es wurde auch mal behauptet Bücher hätten sich überlebt - und nun sind die Absätze höher denn je.
    Hinzu kommt auch die haptische Erfahrung und vieles mehr.
    Ich streiche zum Beispiel sehr viel in Artikel und Büchern rum, unterstreiche, mache Anmerkungen, etc.

    Ich glaube nicht, daß die Print-Ausgaben aussterben.
    Sicher werden sie Auflage verlieren, aber nicht ganz verschwinden.
    Es geht schließlich auch noch der mit Abstand größte Werbekuchen in die Print-Medien. Das machen die ja nciht, weil es keiner liest. Sondern eine Armee von Markforschern überprüft wo Werbung wahrgenommen wird. Und das ist im Print.

    LGT

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