Freitag, 29. September 2017

Rechte Ränder

Wenn europäische Länder, die schon einmal faschistische Diktaturen waren und daher die katastrophalen Folgen kennen, erneut neofaschistische Parteien wählen, zeugt das von größerer Dummerhaftigkeit, als wenn es sich um Frankreich oder Holland handelt.
Also Schande über Österreich, Schande über Italien, Schande über Deutschland.
Respekt und Bewunderung für die Spanier, die trotz gewaltiger Wirtschaftskrise, schwerer sozialer Verwerfungen und 50% Jugendarbeitslosigkeit überhaupt nicht rechtsradikal wählen.

Deutsche und Österreichische Geschichte lehrt, daß man in Krisenzeiten boomende rechtsradikale Strömungen eben nicht einhegen, umschmeicheln, kontrollieren kann.

Heinrich Brüning, konservativer Katholik, ehemaliger Reichskanzler, kooperierte immer mal mit der NSdAP, stimmte am 23. März 1933 sogar dem sogenannten Ermächtigungsgesetz zu.
Schon vorher dachte er, Adolf Hitler und die NSdAP würden schon vernünftig werden, wenn sie erst mal in einer Koalition mit der Zentrumspartei Verantwortung übernehmen müssten.
Ähnlich dachten die anderen konservativen Parteien, wie die Deutschnationale Volkspartei (DNVP).
Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler Reichskanzler wird, gibt es im Kabinett mit Wilhelm Frick und Hermann Göring nur zwei weitere Nationalsozialisten. Eingehegt von die vielen anderen vernünftigen Ministern werde der Reichskanzler sich schon mäßigen, das erfordere das Amt.
Trixi Storchs Großpapi Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, vom 2. Juni 1932 bis zum 23. Mai 1945 Reichsminister der Finanzen, behauptete bis in die 1970er Jahre, er habe Schlimmeres verhindert.
Um „Schlimmeres zu verhindern“ hatte ja auch Papst Pius XII zu Judenverfolgung geschwiegen.
Im Umkehrschluss waren also sechs Millionen ermordete Juden, 60 Millionen Tote in Europa, 25 Millionen getötete Russen, der totale Zerstörung Europas oder die Ermordung von 20% der polnischen Bevölkerung gar nicht so schlimm. Hätte schlimmer kommen können.

Der Trugschluss ist offensichtlich.

Wenn man einem reaktionär tickenden politisch irrlichternden Bayern mit Vorliebe für großkarierte Anzüge und Horst Seehofers Schließmuskel, der sich für hanebüchenen Unsinn wie Herdprämie und Anti-Ausländermaut einsetzt, einen mächtigen Posten in der Deutschen Bundesregierung gibt, wird er dadurch eben nicht vernünftiger.

Wenn man einen orange-gesichtigen ungebildeten Rassisten mit Profilneurose und zwanghafter Koprolalie zum US-Präsidenten macht, wird dieser eben nicht auf wundersame Weise von Demut und Erkenntnis durchdrungen, sobald er im Oval Office sitzt.

Man darf also solche Typen keinesfalls enablen und schon gar nicht darf man sie kopieren.

Die beiden Landesregierungen, die jeweils im Osten und im Westen die rechteste Parolen grölten und weitgehend selbst wie die AfD klangen, generierten am 24.09.2017 sich selbst die schwersten Niederlagen und die größten AfD-Erfolge.

Offensichtlich kann man diese Erkenntnis auf die Europäische Ebene extrapolieren.
Unglücklicherweise sind auch unsere direkten südlichen Nachbarn borniert und Erkenntnis-resistent.

[….] In Österreich und der Schweiz lässt sich schon sehen, wie Rechtspopulisten Politik verändern. Und auch, dass ein Rechtsrutsch den anderen Parteien nicht hilft.
[….] Rund um Deutschland herum erzielen Rechtspopulisten schon lange zweistellige Ergebnisse - die Vorreiter finden sich in unmittelbarer Nachbarschaft, in Österreich und in der Schweiz. In beiden Ländern lässt sich beobachten, wie es den Rechten gelungen ist, ganz nach oben zu kommen, in die Regierung, an die Spitze der Parteienlandschaft, gar zur treibenden politischen Kraft zu werden. [….] Unter [….] Heinz-Christian Strache erstarkte die Partei von neuem, befördert von der seit einem Jahrzehnt regierenden großen Koalition aus SPÖ und ÖVP. Diese Regierung steht in der öffentlichen Wahrnehmung für Stillstand. Die FPÖ dagegen konnte sich in der Opposition kostenlos als Kraft der Erneuerung profilieren. Bei der Präsidentenwahl scheiterte ihr Kandidat Norbert Hofer vor einem dreiviertel Jahr nur knapp in der Stichwahl. Um die FPÖ zu stoppen, ist den etablierten Parteien nur ein Mittel eingefallen: Sie haben sich die Themen der FPÖ einverleibt, vor allem in der Flüchtlingspolitik. Ein Rechtsruck ist die Folge, und nach der anstehenden Parlamentswahl am 15. Oktober hat die FPÖ sehr gute Chancen, wieder in der Regierung zu sitzen. Denn neben dem früheren Partner ÖVP schließen nun auch die Sozialdemokraten ein Bündnis mit den Rechten nicht mehr aus.
[….] In der Schweiz ist der Erfolg der Rechtskonservativen unter dem Medienunternehmer Christoph Blocher, 76, noch durchschlagender. [….] 50,3 Prozent der Schweizer stimmten mit Blocher gegen den Beitritt des Landes zum Europäischen Wirtschaftsraum. [….] Bis heute ist die ablehnende Haltung gegenüber Brüssel ein zentrales Element der SVP-Rhetorik. Die Europa-Frage zeigt gleichzeitig, wie einflussreich Blochers Themensetzung in der Schweiz war: Bis in die Linke hinein gibt es kaum Politiker, die einer Öffnung in Richtung Brüssel positiv gegenüber stehen.
An der Schweiz lässt sich nicht nur ablesen, wie Rechtspopulisten mit Vokabeln wie "Euroturbo", "Gutmenschen" und "Kuscheljustiz" die Debatte geprägt haben. Wer "vom Staat lebt", ob als Lehrer oder Beamter, muss sich heute in der Schweiz fast rechtfertigen. Auf ihre Stimmenverluste an Blocher und Co. reagierten die wirtschaftsliberale FDP und die wertkonservative CVP mit einer verhängnisvollen Strategie: Sie versuchten, die Wähler der SVP mit stramm konservativen Programmen zurückzuholen. Ohne Erfolg. [….]

Am dümmsten gerieren sich aber die deutschen Parteien.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea „Jetzt gibt es was auf die Fresse“ Nahles reitet auch schon auf der Seehofer-Welle.

[….] "Soziale Gerechtigkeit ist der politische Kern der Sozialdemokratie. Aber wenn die SPD Volkspartei sein will, muss sie bei anderen Themen ebenfalls Präsenz zeigen. Dies gilt auch für das Sicherheitsthema", sagt Nahles in einem Gespräch in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL.
Nötig sei eine bessere Integration all jener Einwanderer, die bereits in Deutschland lebten, fordert Nahles. "Aber wir sind nicht naiv. Wenn eine Million Menschen zu uns kommen, sind nicht alle nur nett. Und wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit harten Konsequenzen rechnen", so die Fraktionsvorsitzende.
Die Sozialdemokratin betont, dass aus ihrer Sicht auch Grenzschließungen im Zweifel nötig seien. "Ein Staat muss auch in der Lage sein, Staat zu sein", sagt Nahles. "Er ist eine regulierende, organisierende, ermöglichende, aber auch strafende und begrenzende Kraft. Wenn das infrage gestellt wird, dann geht das auf Dauer nicht gut. Aber diesen Punkt kann man nur europäisch lösen. Allein zu entscheiden, wir machen jetzt mal zu - das funktioniert nicht." [….]
(SPIEGEL, 29.09.17)

Sahra Wagenknechts Ehemann, der seit Jahren völkisch Angehauchtes von sich gibt, versucht nun noch mehr wie die AfD zu klingen und seine Partei auf xenophoben Kurs zu zwingen.

[….] Bei der Abstimmung am Sonntag hatte die Linke im Osten - ihrer Herzkammer - herbe Verluste einstecken müssen. Zwei Tage darauf hatte sich Lafontaine, einst Chef der Bundespartei, jetzt noch Fraktionsvorsitzender im Saarland, zu Wort gemeldet.
Der Schlüssel für die "mangelnde Unterstützung" bei den Einkommensschwachen, analysiert Lafontaine auf Facebook, "ist die verfehlte Flüchtlingspolitik". Alle Parteien im Bundestag, auch die Linke, hätten "bei ihren Antworten auf die weltweite Flüchtlingsproblematik das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit außer Kraft gesetzt".
Man dürfe "die Lasten der Zuwanderung über verschärfte Konkurrenz im Niedriglohnsektor, steigende Mieten in Stadtteilen mit preiswertem Wohnraum und zunehmende Schwierigkeiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit mangelnden Sprachkenntnissen nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen sind". Man solle eher, so Lafontaine, den Menschen in den Herkunftsländern helfen.
[….] Es ist nicht das erste Mal, dass Lafontaine mit scharfen Parolen und einwanderungskritischen Tönen für Ärger sorgt. Bereits in der Vergangenheit hatte er etwa eine Begrenzung der Migration gefordert. [….]  "Die Flüchtlinge sind schwach, bei uns sogar die Schwächsten", schreibt Gysi. Sich gegen sie zu stellen, so der 69-Jährige, "verriete meines Erachtens unseren sozialen und humanistischen Ansatz".
Die Linke dürfe nicht "halbrechte Positionen" übernehmen, in der Hoffnung, "von mehr Arbeiterinnen, Arbeitern und Arbeitslosen gewählt zu werden". Wechselten die Partei "in dieser Frage unsere Politik", so Gysi, "bedeutete dies auch unser Ende als linke Partei". [….]

Wenn schon Teile der Linken und der SPD die AfD verbal nachahmen, muss man sich nicht wundern, daß die Unionsparteien gleich direkt mit der AfD kooperieren.
Wir kennen das ja schon aus Sachsen. Nun folgen weitere Länderverbände der CDU.

[….] Der Thüringer Landtag hat sich erneut mit der NSU-Mordserie befasst. Auf Antrag von Linken, SPD und Grünen stimmte das Parlament über den Bau einer Gedenkstätte und der Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die Opfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" ab. Beides wurde mit 45 Jastimmen beschlossen. Die 36 Gegenstimmen kamen von der CDU und AfD. [….]