Montag, 1. Dezember 2025

Impudenz des Monats November 2025

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Nein, natürlich bin ich nicht überrascht davon zu sehen, was für ein Desaster der Fritzekanzler und seine Cronies anstellen. Schließlich schreibe ich seit über 20 Jahren, jeden Tag gegen CDU, CSU und FDP an.

Das konnte nichts werden, diesen bornierten 70-Jährigen ohne jede Erfahrung und Kompetenz, aber dafür mit umso mehr charakterlichen Mängeln, zum Kanzler zu machen. Wir kennen doch alle das AfDeske, antihumanistische Mindset der C-Bande – Spahn, Klöckner, Linnemann, Dobrindt, Reiche, Weimer.

Viele von ihnen hatten als Minister (und an anderen wichtigen politischen Schaltstellen) bewiesen, wie vollkommen ungeeignet sie als bundespolitische Führungsfiguren sie sind. Sie lügen, richten Milliarden-Schäden an, stopfen sich die eigenen Taschen voll, leben sadistische Charakterzüge aus und ruinieren die Zukunft Deutschlands.



Es ist so peinlich, daß man gar nicht mehr zugucken kann.

 

Sich beim Verarschen so gar keine Mühe mehr zu geben, ist schon ein Zeichen von miserabler Arbeitsmoral!

Unglücklicherweise sind wir gefangen und müssen als Linksgrünversiffte Fritze Merz die Daumen drücken, weil er schon unsere letzte Patrone der Demokratie ist. Schuld ist der Souverän.

Der Blödmann des Monats November 2025 ist der deutsche Urnenpöbel.

In einer funktionierenden Demokratie, in der die Wähler keine verblödeten, politisch desinformierten Bewohner von ultrarechten Social Media Bubbles sind, wäre eine Merz-Kanzlerschaft selbstverständlich auch schlimm. Aber die Vernünftigen der Koalition – die Sozis nämlich – könnten den Sauerländer Fettnapfkönig ausbremsen. Gerade heute wird wieder viel vom Ende der Koalition geschrieben, weil die fünf Trottellummen Merz, Spahn, Linnemann, Frei und Meister beim besten Willen nicht in der Lage sind, ihre C-Fraktion zu führen.

In einer besseren Welt, würden Bas, Klüssendorf, Miersch und Klingbeil den Koalitionsausschuss einberufen und die C-Chaoten vor die Wahl stellen:

Entweder, ihr schickt Merz und Spahn in Rente und setzt dafür Daniel Günther ins Kanzleramt, oder wir sprechen der Koalition das Misstrauen aus und streben Neuwahlen an.

Ganz offensichtlich kann Merz es nicht.

[…] Friedrich Merz fällt bei seinen Auslandsreisen mit Peinlichkeiten auf […] So schnell kann’s gehen. Eben noch trösteten sich viele WählerInnen und auch manche Kolumnistin über Friedrich Merz’ innenpolitische Serien-Karambolage damit hinweg, dass er immerhin im Weißen Haus nicht gedemütigt wurde und sich insofern einen Ruf als Außenkanzler erarbeitet hat.

In kürzester Zeit jedoch sind Auslandsreisen des Kanzlers eher Anlässe von Fremd- oder auch Selbstscham geworden – je nachdem, wie weit man es innerlich von sich weghalten kann, was Merz jetzt schon wieder über ein Land voller undeutscher Sitten und Gebräuche verkündet hat. Nachdem er zuletzt froh war, aus Brasilien wieder abreisen zu dürfen, und damit die komplette Nation beleidigt hatte, gab er nach seiner Afrikareise in der vergangenen Woche zu Protokoll, in Angola habe ihm beim Frühstück das deutsche, „ordentliche“ Brot gefehlt.

Aber, mögen Sie einwenden, haben wir nicht alle schon einmal deutsches Brot vermisst, ganz unabhängig vom Anlass – im benannten Fall war es der EU-Afrika-Gipfel in Luanda? Dann würde ich gern erwidern, dass die Presse solche Begebenheiten auch deshalb gern erzählt, weil sie stellvertretend und wiedererkennbar für die anderen Peinlichkeiten stehen, die eben nicht erzählbar sind – sei es, dass sie zu verwickelt sind, um sie nachvollziehbar zu schildern, oder sei es, dass sie als unberichtbarer, aber bezeugter Tratsch die Runde machen, nachdem die Regierungsmaschine samt mitreisenden JournalistInnen in Berlin wieder aufgesetzt ist. In den Bundesministerien mit Rest-der-Welt-Bezug jedenfalls schauen sie gerade mit Bangen auf Merz’ Reisekalender und überlegen, zu welchen Auslandsprojekten man ihn noch schicken kann, ohne dass etwas Schreckliches passiert. Das Wort Reisewarnung bekommt eine ganz neue Bedeutung. [….]

(Ulrike Winkelmann, 30.11.2025)

Quelle

Selbst wenn die Junge Gruppe der CDU, wider aller Schwüre, doch beim Rentenpaket einknickt, bleibt die C-Fraktion ein unverlässlicher Dilettantenhaufen, der von Deppen geführt wird. Vielleicht noch schlimmer ist aber das tiefe Misstrauen des Koalitionspartners. Nicht nur bekommen die Sozis massiven Druck von ihrer unzufriedenen Basis. Es mehren sich Berichte über nicht reparable Schäden im Verhältnis zu den CDUCSU-Kollegen. Die Sozis misstrauen ihnen nicht nur völlig zu Recht, sondern es macht sich eine ausgeprägte Verachtung breit. Spahn wird regelrecht gehasst.

Eine vernünftige CDU würde also gegen Merz und Spahn rebellieren.

In einer vernünftigeren Welt würde die SPD anderenfalls neue Mehrheiten anstreben.

Da der Urnenpöbel aber unheilbar blöd ist, geht das nicht. Inzwischen tickt die Mehrheit der Wähler destruktiv. Sie will „das System“ einstürzen sehen. Es gibt stabile rechts-rechtsradikale Mehrheiten in allen bundespolitischen Umfragen.

Die Impudenz des Monats November 2025 will Deutschlands Zukunft ruinieren, sie will xenophobe, ökonomiefeindliche Politik, steht klar für mehr Homophobie, mehr Transphobie, Misogynie. Atomkraftwerke. Weniger Sozialleistungen, Bürgergeld drastisch kürzen, Klimaschutz beenden. Darin sind sich BSW, CDU, CSU, AfD, FDP und FW einig.

Deswegen kann die SPD nicht die Reißleine ziehen. Die linken Influenzer – Raschke, Sahebi und Co – hängen leider einer totalen Illusion an, wenn sie meinen, damit würde irgendetwas besser. Das gilt auch für die rebellierende SPD-Basis mit ihrem Bürgergeld-Mitgliederbegehren, das ich natürlich ablehnen werde.

Wenn die SPD diese fragile Koalition platzen ließe, gäbe es zukünftig gar keinen Minderheitenschutz mehr, drastische Sozialkürzungen, das Ende von Klimaschutz und noch massivere Umverteilung von Unten nach Oben. Für die meisten Menschen würde sich das Leben in Deutschland massiv verschlechtern. Die Zukunft wäre dunkelschwarz.

Ob durch eine von der AfD tolerierte CDU-Minderheitsregierung, eine formale CDUCSU-Koalition oder durch Neuwahlen, bei der die AfD massive Zuwächse hätte: Es wäre immer ein massiver Rechtsruck.

Die Dummheit des Urnenpöbels lässt keinen anderen Ausweg; es ist zum Verzweifeln.

Die allermeisten Bürger sind hochgradig unzufrieden mit „der Politik“; Merzens Zustimmungsrate ist auf 20% zusammengeschnurrt. Aber dieser massive Ärger kennt nur ein Ventil: AfD und mehr AfD.

Man stelle sich nur für eine Minute vor, die Wähler wären nicht so bekloppt. Dann verteilten sich bei Neuwahlen die gut 30%, die derzeit an AfD/FDP/BSW gingen, auf Linke, Grüne und Sozis.

(Idealerweise nicht so sehr an die Linke, weil deren Putin-freundliche Politik außenpolitisch sehr problematisch ist.)

Es würde für eine Rotgrüne Mehrheit reichen. Was könnte man alles durchsetzen, mit dem vielen Geld, das Olaf Scholz und Habeck nicht hatten?

Was könnte man alles durchsetzen, wenn die hepatitisgelbe Linocchio-Pest nicht im Kabinett nicht alles blockierte? Was könnte man alles durchsetzen, wenn diese elenden Klima-zerstörenden Lobbyhuren der CDUCSU nichts mehr zu sagen hätten?

Von Tempolimit, über Vermögenssteuer bis zur Bürgerversicherung ohne Zweiklassen-Medizin. Es ginge alles.

Aber eben nicht mit DIESEN Wählern, diesem Volk.

Diesem Urnenpöbel.

Sonntag, 30. November 2025

Der Versager-Kontinent.

Die Europäische Union leidet unter vielen Problemen. Strukturelle und geostrategische Probleme bilden einen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu zentralistischen, nicht demokratischen Großnationen mit einheitlicher Führung. China, Russland, Trumpistan.

Dennoch kann Europa Handlungsfähigkeit zeigen, wenn beherzte und intelligente Personen die Initiative ergreifen.

Putin erwartete 2022 als Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine sicherlich Chaos in Brüssel, das aber maßgeblich von Olaf Scholz verhindert wurde, der den größten und reichsten EU-Staat Deutschland fest zwischen den USA und der Ukraine positionierte, sich erfolgreich darum bemühte jeden mitzunehmen und dennoch aktiv und effektiv dem angegriffenen Land zu helfen.

Ja, aus heutiger Sicht, hätten wir schon 2022 die ganz großen Keulen an das Ukrainische Militär liefern müssen. Aber wir, die EU-Staaten, sind nun einmal Demokratien, in denen es Diskussionen und Widerstand gibt.  Im Frühjahr 2022 hätte es einen Volksaufstand gegeben, wenn Scholz die Waffen nach Kyjiw geliefert hätte, die heute geschickt werden.

Nach dem ungeheuerlichen Putin-Festspielen am 15. August 2025 auf der US-Militärbasis Elmendorf-Richardson in Anchorage, zeigte sich Europa ebenfalls stark.

Wie schon nach den Brüll-Attacken der US-Regierung gegen Selenskyj im Weißen Haus am 28. Februar 2025, handelte eine „Koalition der Willigen“ (Teile der EU plus UK plus Kanada) an den untauglichen Strukturen vorbei. Sie zeigten deutliche Solidarität mit Kyjiw; auch wenn die USA Russlands Position übernehme.

Europäische Stärke flackert also durchaus mal auf. Im Vergleich zu dem ökonomischen Gewicht der EU, bleiben wir militärisch und diplomatisch aber erbärmliche Zwerge, die bei den Großkonflikten des Planeten nichts zu melden haben.

Wir sind nicht mutig genug, uns gegen die US-Diktatur zu positionieren, uns endlich auf eigene Füße zu stellen, weil wir in entscheidenden geopolitischen Fragen abhängig sind.

·        Die EU verfügt über keinen Nuklearschirm, der von Russland als abschreckend empfunden wird.

·        Die EU-Intelligence ist miserabel. Ohne Aufklärung der US-Dienste sind wir hilflos gegenüber Terror und Cyberattacken.

·        Die EU ist zu dämlich, sich mit eigenen Rechenzentren, Software und KI unabhängig von den US-Tech-Größen zu machen. Stattdessen kämpft Merz für den Verbrennermotor.

·        Das konventionelle EU-Militär kann sich nicht, oder nur extrem langsam bewegen. Wir haben keine großen Truppentransport-Flugzeuge, keine Transport-Flotte, keine Logistik, um schnell Stützpunkte zu errichten. Einen Panzer aus Niedersachsen nach Rūdninkai und Rukla (bei Vilnius) zu bringen, braucht Monate Vorbereitung.

Seit 2017 führt die Bundeswehr die Multinational Battlegroup Lithuania. Bis dort eine Brigade mit 5.000 Menschen einsatzfähig ist, wird es mindestens zehn volle Jahre bis 2027 dauern, obwohl dieses „Leuchtturmprojekt“ höchste Priorität genießt.

Enges Zeitfenster: Der Fahrplan für die Stationierung einer Brigade der Bundeswehr in Litauen

Die US-Army könnte das in Tagen schaffen.

Die EU-Staaten geben 2025 rund 381 Milliarden Euro für Rüstung aus. Dazu kommen 82 Milliarden Euro aus Großbritannien (2024).

Diesen 463 Milliarden Euro stehen 128 Milliarden Euro in Russland (2024) gegenüber, das aber offenkundig all die Drohnen, Jets und Transportmöglichkeiten hat, von denen Europäer nur träumen können. Nicht auszudenken, was Putin für eine unschlagbare Armee hätte, wenn er seinen Rüstungsetat auf das EU-Niveau verdreifachen könnte.

Der erstaunlichste Aspekt der generellen EU-Unfähigkeit betrifft unsere Schläfrigkeit. Immer wieder kommen dramatische HALLO-WACH-Momente, nach denen Brüssel geschockt und aufgeregt verkündet, nun aber wirklich, ganz bestimmt, aktiv zu werden, eine eigene Verteidigungsfähigkeit und Außenpolitik zu starten! Nur um wenige Wochen wieder in ein Schläfchen zu fallen.

(….) Drastische Fehler der Vergangenheit zu analysieren, mag sinnlos erscheinen, kann aber den Erkenntnisgewinn bringen, in Zukunft nicht mehr so träge und halbherzig zu reagieren.

Unglücklicherweise sind Deutschland und die EU aber nicht lernfähig.

Wir erlebten seit dem Beginn der Merkel-Kanzlerschaft drei Daten, die drastische Nackenschläge waren und zu mutigem Handeln aufriefen:

1.     22.02.2014 Landung russischer Truppen auf der Krim.

2.     21.01.2017 Beginn der Präsidentschaft Trump.

3.     24.02.2022 Angriff auf die Ukraine.

Jedes Mal wäre ein gewaltiger Ruck durch die EU notwendig gewesen. Jedes Mal wußten wir, was unbedingt zu tun ist: Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in Brüssel. Koordinierung der Außenpolitik, Schaffung einer von anderen Kontinenten unabhängigen modernen EU-Armee.

Jedes Mal versagten wir. WIR! Nicht bloß „die in Brüssel“ oder „die Politiker“, sondern wir, die Wähler, die vor lauter Desinteresse für den Status Quo votierten, die Köpfe in den Sand steckten; Merkel, die Inkarnation der Bräsigkeit wählten; wir, die europafeindliche rechtsradikale Spinner ins EU-Parlament schickten.

Wir, als ökonomisch mächtige Demokraten Europas können es einfach nicht. Wir sind zu doof zum Überleben. Also folgte der vierte große Lehr-Schlag: (….)

(Viel zu träge, 19.02.2025)

Die Einschläge werden immer heftiger seit Trump2 amtiert. Durch das Internet wabern Verschwörungstheorien, womit Putin erpressen könnte. Was hat er gegen den orangen Geronten in der Hand? Die Pee-Tapes aus einem Moskauer Hotel? Epstein-Material? Nichts davon kann man verifizieren. Ich glaube eher daran, daß Trump generell reiche mächtige Männer bewundert. In den USA ist er selbst der Mächtigste, aber er muss sich immer noch mit Wahlen und politischen Gegnern rumschlagen, die genau hinsehen, wie er sich Milliarden in die eigenen Taschen schaufelt.

Kim Jong Un, Xi Jinping, Prinz Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud und eben Wladimir Putin sind ihm da noch weit voraus. Die fürchten sich nicht vor Wahlen und können jeden, der sie nervt, verschwinden lassen.

Kim ließ seine Onkel von FLAKs zerfetzen, in Moskau fallen Putin-Kritiker allesamt rein zufällig aus Hochausfenstern, MBS ließ einen lästigen Journalisten von Macheten zerhacken und Xi ist am effektivsten. Er muss gar nicht selbst Mordaufträge geben. In seinem Reich verschwinden jedes Jahr Myriaden Menschen, die aufmüpfig werden könnten. Niemand kennt die genauen Hinrichtungszahlen.

Für einen sadistischen Soziopathen wie Trump sind das vorbildliche Methoden.

Was genau Trump so über alle Maßen an Putin begeistert, wissen wir nicht. Fest steht aber: Er ist Wachs in Putins Händen. Lässt sich nach Moskaus Belieben manipulieren und vortrefflich einsetzen, um die EU zu zerstören.

[….]  Der US-Präsident will Moskau mit einem Friedensdeal auf Kosten der Ukraine schmeicheln. Das ist die falsche Strategie im Umgang mit einem Gewaltherrscher. Putin kennt nur eine Sprache. Es ist eine Tragödie der Weltpolitik, dass Wladimir Putin den amerikanischen Präsidenten offenbar besser kennt als der sich selbst. Donald Trump hat seine Amtszeit als Neoimperialist begonnen – mit dem Anspruch, nicht nur den Panamakanal und Grönland unter die Kontrolle der USA zu bringen, sondern auch Kanada, das Trump zum 51. Bundesstaat der Vereinigten Staaten machen will. Es waren Ankündigungen, die die Welt schockierten, aber schwerlich den Kremlchef. Putin hat einen klaren Blick für die Schwächen seiner Rivalen. [….]  Aber ganz offenkundig sieht Putin in Trump einen Mann, der Wachs in seinen Händen ist. Der US-Präsident lud den Kremlherrscher im Sommer nach Alaska ein, obwohl dieser nicht den geringsten Friedenswillen zu erkennen gab. Nun lässt Trump einen Friedensplan verhandeln, der sich wie eine Wunschliste des Kreml liest und offenkundig auch ist: Absage an eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, faktische Anerkennung des Donbass und der Krim als russisches Gebiet, allenfalls vage Sicherheitsgarantien der USA. Es ist der Versuch, Putin mit maximalem Entgegenkommen in einen Deal zu locken. Aber warum soll sich der Kremlchef darauf einlassen, wenn er das Gefühl hat, er kann immer noch mehr für sich herausholen? [….]

(Der SPIEGEL-Leitartikel von René Pfister, 27.11.2025)

Trump arbeitet gegen die NATO, gegen die Ukraine, gegen die EU. Das bekommen wir tagtäglich aus Washington eingehämmert; insbesondere bei drei Aktionen:

Selenskyj im Weißen Haus, Anchorage und nun die Übernahme des Ukraine-Kapitulationsplans aus Moskau.

Felix Lee (Süddeutsche Zeitung), Cathryn Clüver Ashbrook (Bertelsmann Stiftung), Sabine Adler (Deutschlandfunk) und David Renke (Africa.Table) diskutierten das im vorletzten „internationalen Frühschoppen“ erkenntnisreich mit Eva Lindenau.

Für alle vier Diskutanten erscheint das Führungsvakuum der EU kaum erträglich.

Durch den intellektuellen Totalausfall des mächtigsten EU-Politikers Friedrich Merz, wird Europa nachhaltig gelähmt. Immer wieder streitet er mit Brüssel, attackiert seine Parteifreundin Ursula von der Leyen, tut alles dafür die EU zu schwächen – sei es aus purer Unfähigkeit oder aus Absicht.

[….] Die Kommunikation dieser Bundesregierung ist ein Desaster [….] Es ist eine Zahl, die die CDU erschüttern muss. Nur noch 17 Prozent der Deutschen trauen der Union am ehesten zu, mit den Problemen im Land fertigzuwerden. Das hat Forsa gerade ermittelt. Für eine Partei, deren Selbstverständnis es immer war, das Regierungshandwerk zu beherrschen und funktionierende Volkspartei zu sein, ist das ein katastrophaler Wert. [….] [….] Ausgerechnet Merz, der seinem Vorgänger Olaf Scholz ständig schlechte Kommunikation vorgeworfen hat, reiht eine Kommunikationspanne an die nächste. Etwa wenn er in Brüssel eine Einigung in der EU auf ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten verkündet, die es noch gar nicht gibt – und sich deshalb offenen Widerspruch des französischen Präsidenten einfängt. Oder wenn er einen Teilstopp der Waffenlieferungen an Israel verkündet, ohne das in seiner Partei vorher kommuniziert zu haben. Und deshalb einen Aufruhr in der CDU verursacht. Oder wenn er mit unpräzisen und generalisierenden Äußerungen eine Stadtbild-Debatte lostritt, die in dieser Form nur der AfD hilft. Wer so regiert, darf sich nicht wundern, wenn einem nur noch 17 Prozent vertrauen. […]

(Robert Roßmann, 05.11.2025

Merz ist einfach zu doof für das Kanzleramt. Er lässt seine Konservativen im EU-Parlament den Schulterschluss mit den rechtsextremen Putinisten suchen und kämpft dafür, „vegane Wurst“ nicht mehr „vegane Wurst“ nennen zu dürfen.

Der Mann ist eine Vollkatastrophe.

[….] Wer rettet Friedrich Merz?   Stadtbild, Brasilien, Junge Union: Der Kanzler redet sich immer wieder um Kopf und Kragen. Den Schaden müssen dann andere beheben. [….] Im Moment läuft es nicht rund bei Friedrich Merz. [….]  Eigentlich sind Preisverleihungen erfreuliche Routinetermine im Leben eines Kanzlers. Die Gastgeber und das Publikum sind dankbar, die Preisträger stolz, am Ende gibt es schöne Fotos. Nicht so bei Merz, als er bei der Vergabe des Talisman-Preises für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Deutschlandstiftung Integration sprechen will. Rund 30 Stipendiatinnen und Stipendiaten verlassen demonstrativ den Raum. [….] Der Protest bei der Preisverleihung erinnert Merz daran, dass Worte eine anhaltende Wirkung haben. Besonders, wenn sie vom Bundeskanzler kommen. Die Stadtbild-Debatte war nicht Merz’ erster Fehlgriff. Schon als Oppositionsführer fiel er mit Äußerungen auf, die als ungenau, provozierend oder gar verletzend wahrgenommen wurden. Es gab in der Union aber die Hoffnung, dass er sich als Kanzler gemäßigter, genauer und konzentrierter äußert. Merz blieb jedoch Merz. [….] Vor wenigen Tagen sprach er bei einem Kongress über seinen Besuch bei der Klimakonferenz in Belém. [….] Es ist ein wiederkehrendes Muster: Merz haut einen raus und sein Kommunikationsteam um Regierungssprecher Stefan Kornelius muss ihn richtigstellen, interpretieren, einordnen. Beim letzten Koalitionsausschuss bestätigte Merz bei der Präsentation der Beschlüsse auf Nachfrage zweimal, die Runde werde sich in der weiteren Sitzung auf eine gemeinsame Position zum Verbrenner-Aus einigen. Huch? Verwunderte Mienen bei den Partnern von SPD und CSU, aus dem Umfeld des Kanzlers wird die Aussage umgehend eingeordnet. War nicht so gemeint.

Im Oktober irritierte Merz auf europäischer Bühne, als er nach einem EU-Gipfel freie Bahn für das umstrittene Mercosur-Freihandelsabkommen verkündete. Ratspräsident António Costa kassierte das umgehend: „Wir haben darüber nicht diskutiert.“ [….]  Die Kommunikation des CDU-Chefs macht Probleme mitunter größer, als sie ohnehin schon sind. [….] Beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union am vergangenen Wochenende im baden-württembergischen Rust machte der Kanzler schließlich falsch, was man falsch machen konnte: [….]

(Jan Dörner und Thorsten Knuf, 21.11.2025)

Natürlich hätte Merz in der EU und mit der „Koalition der Willigen“ längst eine Strategie, eine Antwort, auf die Verbrüderung von Trump und Putin finden müssen. Schließlich kommt das alles andere als überraschend.

Es müsste längst auf dem Tisch liegen, was für die EU in der Ukraine akzeptabel ist und was eben nicht. Aber sie lassen sich immer wieder untätig vorführen von eine erratischen Irren in Mar A Lago und dem Strippenzieher Putin.

Währenddessen fliegt Merz nach Hamburg zu einem Aktionstag des Bäckerhandwerks, stopft sich Gebäck in sein Schandmaul und beklagt, in Angola kein deutsches Brot bekommen zu haben! Zum Mitschämen!

Samstag, 29. November 2025

Bürde Binnenbundesland

Das tut Bundesländern nicht gut, wenn sie nur von Deutschland umgeben sind.

Ja, auch Hamburg ist ein Binnenbundesland, aber als größter deutscher Hafen, ist die Freie und Hansestadt Hamburg per Definition internationalisiert. Ähnliches gilt für Bremen. Auch Berlin ist durch den Status als Hauptstadt partiell internationalisiert.

Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind da schon ganz andere Kaliber. Sie fallen alle drei durch eine besonders unangenehm Rechtsaußen stehende CDU auf.

Die beiden Letztgenannten sind als Ossiländer auch noch die Nazi-Hochburgen Deutschlands. 40% AfD in Umfragen, baldige Nazi-Regierung durchaus möglich.

Deutschlands erfolgreichster Fettnapf-Sucher Merz wurde auch in SA fündig und sprang mit Wonne hinein:

[…]  Nach einer ganzen Weile, als Friedrich Merz bereits den Bogen von Donald Trump über Russland zur Bundespolitik geschlagen hat, sagt der Bundeskanzler einen merkwürdigen Satz: »Ich hatte das große Glück, im Westen geboren zu sein.« 

Er sagt diesen Satz in Ostdeutschland, auf dem CDU-Landesparteitag in der Hyparschale am Magdeburger Elbufer. Und es wäre durchaus nachvollziehbar, würden viele Anwesende sich vor den Kopf gestoßen fühlen: Da sagt ein westdeutscher Millionär und Machtmensch einen Satz, den man als Abwertung ostdeutscher Biografien interpretieren könnte. […] Eigentlich hat der Bundeskanzler derzeit wichtigere Termine als einen Landesparteitag in einem Bundesland mit rund zwei Millionen Einwohnern. Unter normalen Umständen jedenfalls. Aber hier, im ländlich geprägten Sachsen-Anhalt, sind die Umstände nicht mehr normal: Der CDU droht bei der Landtagswahl in gut neun Monaten ein Desaster, erstmals seit 1945 könnten Rechtsextremisten eine Regierung in Deutschland bilden.

Und es bliebe an Merz haften, dem Kanzler und Chef der vielleicht letzten Volkspartei, der die Verfassungsfeinde nicht stoppen konnte.

Die Ausgangslage in Sachsen-Anhalt ist dramatisch. Derzeit steht die AfD in Umfragen bei etwa 40 Prozent, weit vor den Konservativen, und angesichts der miserablen Umfragewerte fast aller anderen Parteien könnte das womöglich schon zur absoluten Mehrheit reichen: FDP, Grüne, SPD und BSW liegen derzeit rund um die Fünfprozentmarke. Sollten alle vier Parteien an dieser Hürde scheitern, hätte die AfD auch mit deutlicher weniger als der Hälfte der Stimmen die meisten Sitze im Parlament.  [….]

(SPON, 29.11.2025)

 Einen Zweikampf mit der AfD haben wir schon in vielen Ossi-Landtagswahlen erlebt.

Taktische Wähler, die eigentlich SPD, Grünen, FDP, Linken oder BSW nahestehen, wählen mit der geballten Faust in der Tasche CDU, obwohl sie Sven Schulze nicht leiden können. Aber er ist das kleinere Übel als die Nazis.

Ich habe es immer unterstützt, strategisch und nicht parteipolitisch zu denken. Manchmal kann man sich den Luxus nicht leisten, seine Lieblingspartei zu wählen, sondern muss für ein Übel stimmen, um das noch größere Übel zu stoppen.

In diesem Fall ist das aber ein hochriskantes Spiel, da außer den beiden rechten Großparteien, alle Sachsen-Anhaltiner so schwach sind, daß sie in der 5%-Hürde hängenbleiben könnten, wenn sich einige ihrer Anhänger aus demokratischer Verantwortung dazu durchrängen, CDU zu wählen.

Landen SPD, Grüne, BSW bei 4% und die FDP bei 3%, sowie die „Sonstigen“ zusammen bei 5%, fehlen 20% der abgegebenen Stimmen im Landtag, die anteilig AfD, CDU und Linken zugeschlagen würden. Holocaust-Verharmloser Ulrich Siegmund könnte mit 40% die absolute Mehrheit der Sitze bekommen.

In Höckestan sehen die Umfragen genauso gruselig aus, auch hier ist eine absolute Nazi-Sitzmehrheit möglich. Zum Glück wird in Thüringen aber erst im Sommer 2029 gewählt.

Unterdessen blamieren sich Ministerpräsident Voigt und seine wackelige Null-Stimmenmehrheits-Koalition aus CDU, SPD und BSW nach Herzenslust mit NS-Werbeslogans.

[….] Thüringen, so spottete der Kabarettist Rainald Grebe , sei »eines von den schwierigen Bundesländern«. Im Thüringer Wald würden zur winterkalten Stunde noch Hunde nach altem Rezept gegessen. Es sei »das Land ohne Prominente«, reduziert in seiner Größe »auf Würste und Klöße«. Und niemand außerhalb von Thüringen kenne es.

Die Staatskanzlei von Thüringens Regierungschef Mario Voigt (CDU) will das dringend ändern. Das Marketing des Bundeslandes wird umgekrempelt, statt »Das ist Thüringen« und »Thüringen entdecken« will die Landesregierung künftig mit dem eingängigen Slogan »Das Grüne Herz Deutschlands« für sich werben. Kleiner Schönheitsfehler: Der Spruch stammt von einem völkisch angehauchten Schriftsteller und fand bereits unter den Nazis breite Verwendung.

Voigts Regierungszentrale hat gerade die Ergebnisse einer umfassenden Markterkundung vorgestellt. Demnach würden 88 Prozent der befragten Thüringer das »Grüne Herz« kennen und 86 Prozent den Claim »als sehr oder eher positiv« bewerten. [….] Der Stolz ist nicht im ganzen Freistaat verbreitet. Schon während der Coronapandemie, als erstmals die Rückkehr zur alten Werbeformel diskutiert wurde, meldete sich der einstige Chef des Weimarer Hauptstaatsarchivs mit Zweifeln. Bernhard Post verwies auf die Herkunft des Slogans, der dem Heimatschriftsteller August Trinius zugeschrieben wird und zuerst 1897 auftaucht. Ihm und anderen Wanderfreunden seiner Zeit wird von Historikern ein völkisch, also radikal-nationalistisch getöntes Heimatbild nachgesagt. [….] Später übernahmen die Nationalsozialisten den Slogan. Post fand bei seinen Recherchen das Titelbild der »Wirtschaftsblätter für den Gau Thüringen« aus dem Jahr 1941. Dort wird über die Frühjahrsmesse berichtet, das Grüne Herz prangt direkt neben dem Hakenkreuz – mit der Aufschrift »Kauft Thüringens Werterzeugnisse«. [….] Zu allem Überfluss hatte die Wehrmacht unter dem Kommando eines Thüringers ein Jagdgeschwader mit dem Beinamen »Grünherzjäger«. Die Flugzeuge brachten den Tod mit einem grünen Herzen auf dem Flugzeugrumpf. [….]

(Steffen Winter, 29.11.2025)

Thüringen, das braune Kemmerich-Herz Deutschlands, in dem sich Geschichte wiederholt.

[….] Thüringen war auch das Land, in dem erstmals ein Faschist mitregierte. Wilhelm Frick, ein führender Politiker der NSDAP, der 1923 in München zusammen mit Hitler erfolglos gegen die Weimarer Republik geputscht hatte, wurde hier bereits im Januar 1930 zum Staatsminister für Inneres und Volksbildung ernannt. Das Land diente den Nazis als ein breites Rekrutierungsfeld von Antidemokraten aller Art. Hier konnten sie ihre rassistischen und menschenfeindlichen Diktaturmethoden erproben, hier begann ihre Herrschaft nicht erst am 30. Januar 1933, sondern bereits im August 1932.  [….]

(Jacobin, 30.03.2023)

Freitag, 28. November 2025

Jurist Prantl

Die SZ-Edelfeder Prof. Dr. Heribert Prantl, geboren 1953, kennt man aus dem Fernsehen als politischen Kommentator und Analysten. Schließlich war Prantl 22 Jahre Chef des Innenressorts und acht Jahre Co-Chefredakteur der wichtigsten überregionalen Zeitung Deutschlands. 2019 schied er aus der Chefredaktion aus, blieb aber weiterhin fleißiger Kolumnist der Süddeutschen Zeitung.

Prantl gibt es in drei Ausführungen:

1.   Als preisgekrönten Magna Cum Laude-Juristen, Richter und Staatswalt. Meines Wissens zweifelte nie jemand seine hervorragende juristische Expertise an.

2.   Als meinungsstarken Journalisten, der ein ausgewiesener Innenpolitik-Experte ist und sich immer wieder mutig linksliberal positioniert. Seine parteipolitischen Analysen stimme ich in 94% der Fälle zu.

3.   Als Katholiken und Hardcore-Religiot, der zu jedem christlichen Feiertag Schwurbeleien verfasst. Ich weiß von der Existenz dieser Inselverarmungen, staune bei so intelligenten Menschen aber immer wieder, wie sie bei diesem einen Thema so unterkomplex und eminenzbasiert argumentieren kann.

Meistens erlebe ich den Zweiten Prantl und finde sehr vieles wert, zitiert zu werden.

Weniger oft erlebe ich den Dritten Prantl, aber wenn es so ist, biegen sich mir zuverlässig die Fußnägel hoch.

Heute kommt der seltenste, der Erste Prantl, über seine Freitags-Kolumne zu mir.

So wie er mich, den überzeugten Atheisten, als Religiot ganz besonders triggert, fühle ich mich nun auch mit einem juristischen Thema angesprochen, weil er sich das deutsche Schöffenwesen vorknöpft und sich zu der Forderung, Schöffen an Strafgerichten abzuschaffen, durchargumentiert.

Seit Januar 2024 bin ich hautamtlicher Schöffe, also Richter mit vollem Stimmrecht an einem Hamburger Gericht und muss mir nun von Prantl sagen lassen, ich wäre überflüssig.

Seine drei Hauptargumente:

 
1. Schöffen sind überholte Tradition, als Berufsrichter als zu Obrigkeitshörig galten.

[…] Als das Schöffenwesen im 19. Jahrhundert eingeführt wurde, war es ein Erbe der Französischen Revolution. Es sollte der Verwurzelung der Rechtsprechung im Volk dienen, es war Ausdruck des Misstrauens gegen die obrigkeitshörigen Berufsrichter. Dieses Misstrauen aber ist abgebaut. Aus einer aufklärerisch bekämpften und bürokratiehörigen Justiz sind Gerichte geworden, deren Rechtsschutzversprechen ein Grundvertrauen genießt. Ihre Richter sind in Herkunft und Selbstverständnis Teil der republikanischen Gesellschaft. Es gibt keine abgehobene Richterkaste mehr.  [….]

(Heribert Prantl, 28.11.2025)

2. Anders als bei den Arbeits- und Sozialgerichten, auch bei den Finanzgerichten und den Kammern für Handelssachen, die Experten als Laienrichter einsetzen, verfügen Schöffen am Strafgericht über gar keine Qualifikation.

[…] Da spielt die Sachkunde gar keine Rolle, da geht es nur um den angeblich gesunden Menschenverstand. Begründet wird das in Festreden so: „Dadurch weitet sich die Rechtskenntnis des Volkes, es gewinnt mehr Vertrauen in die Rechtspflege … die Rechtspflege wird besser.“ Es wäre schön, wenn es so wäre.  [….]

(Heribert Prantl, 28.11.2025)

3. Die Schöffenauswahl erfolgt angesichts der realen Gefahr, sich dezidierte Verfassungsfeinde auf die Richterbank zu holen, sträflich nachlässig. Auch wird man ungeeignete Schöffen kaum wieder los.

[….] Die Regeln für die Auswahl der ehrenamtlichen Richter werden der Bedeutung und dem Ernst der Sache nicht gerecht. Eine Prüfung, die den Namen Prüfung verdient, findet viel zu selten statt, schon gleich gar nicht bei den ehrenamtlichen Richtern an den Strafgerichten, also bei den Schöffinnen und Schöffen, die den Großteil der ehrenamtlichen Richterschaft stellen. Es handelt sich bisweilen nicht um eine Wahl, sondern eher um eine Lotterie.

Nach den geltenden Vorschriften stellen die Kommunen die Vorschlagslisten für die Schöffen auf, sind aber überfordert damit, eine sachgerechte Auswahl von Kandidaten zu treffen. In vielen Großstädten werden sie daher nach dem Zufallsprinzip aus dem Melderegister herausgelost. Ein Richterwahlausschuss – bestehend aus einem Berufsrichter, einem Verwaltungsbeamten und sieben Vertrauenspersonen – trifft dann daraus die endgültige Auswahl, hat aber die Informationen und die Zeit nicht, die er dafür bräuchte. In einer Fachzeitschrift hat Bettina Cain vom Bund ehrenamtlicher Richter ihre Erfahrungen in diesem Ausschuss geschildert: In drei Stunden aus einer Liste von 950 Namen 464 Schöffen auszuwählen, waren für sie „drei Stunden zum Fremdschämen“. Kurz: Die Praxis der Schöffenauswahl ist schludrig bis dubios. Sie ist eine Schande für den Rechtsstaat.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Justizverwaltungen schon im Jahr 2008 aufgefordert, „streng darauf zu achten, nur Personen zu ernennen, die Gewähr dafür bieten, dass sie ihre Pflicht zur besonderen Verfassungstreue“ erfüllen. Gesetze, die diese Karlsruher Vorgabe möglich machen, gibt es aber bis heute nicht.  [….]

(Heribert Prantl, 28.11.2025)

Als gewählter hauptamtlicher Schöffe, der mit hauptamtlichen Richterinnen und anderen Schöffen schon diverse Urteile gesprochen hat und darüber hinter verschlossenen Türen im Richterzimmer verhandelte, juckt es mich nun natürlich in den Fingern, Prantl einiges aus der Praxis zu erzählen. Leider darf ich darüber nicht sprechen. 

Vor 2024 stand das Thema „Schöffe“ für mich nicht zur Debatte, weil ich gar keine deutsche Staatsbürgerschaft hatte. Aber nach meiner Einbürgerung ergab es sich, daß just Berichte über den Versuch der AfD, die Justiz zu unterwandern, in der Presse auftauchten. Da Rechtsradikale, Xenophobe, Antisemiten, Misogyne, Homophobe, Demokratieverächter eben gerade nicht aus dem Schöffenpool ausgefiltert werden, kann man gegen den Nazi-Einfluss auf die Rechtsprechung nur etwas unternehmen, indem man sie „outnumberd“, also sich selbst als Schöffe bewirbt. Da fühlte ich mich bei meiner staatsbürgerlichen Ehre gepackt. Und, soviel darf ich verraten, das scheint auch auf andere Schöffen zuzutreffen, die sich erst für das Amt interessierten, nachdem sie vom Schöffen Jan Böhmermann aufgefordert wurden, AfD-besetzte Amts- und Landgerichte zu verhindern.

Es ist für mich auch immer noch DAS valide Argument: Wenn ich auf der Richterbank sitze, kann da schon mal kein AfDiot sitzen, der Menschen härter beurteilt, wenn ihm die Hautfarbe nicht gefällt. Solange es also dieses dubiose Schöffenwesen und den noch viel dubioseren Auswahlprozess gibt, ist es wichtig, Schöffe zu sein. Daher ermutige ich jeden liberalen Menschen, sich für die nächste fünfjährige Schöffenperiode ab 2029 zu bewerben.

Für mich persönlich, bietet das Schöffenamt interessante Einblicke in mir fremde Lebenswelten. Die der oftmals in prekären Verhältnissen lebenden Angeklagten, aber auch die der Amtspersonen: Die Damen der Justiz (ich habe bisher nur Richterinnen und Staatsanwältinnen kennengelernt), die Damen und Herren Verteidiger und die vielen, vielen Polizisten, die wir vernehmen.

Wenn ich Polizisten begegnete, traten diese mir gegenüber in der Regel völlig unnötig autoritär und wichtigtuerisch auf, wenn man bedenkt, daß ich kein Straftäter oder Verdächtiger bin.

Nachdem ich Polizisten nun als Zeugen erlebe, die meinen Fragen präzise zu antworten haben, sehe ich plötzlich ganz andere Typen. Menschen mit Fehlern, die oft sehr verunsichert wirken.

Schöffe zu sein, bedeutet für mich also nicht nur, ein Urteil zu beeinflussen, sondern auch einen persönlichen Erkenntnisgewinn.

Wie repräsentativ mögen meine Eindrücke sein? Ich lebe in einem der linkesten Gerichtsbezirke der Bundesrepublik – Hamburg Mitte. Hier werden Schöffen aus dem rotgrünen Multikulti-Pool gewählt.

Aber was für Schöffen sitzen wohl im Amtsgericht Bautzen, Hoyerswerda oder Freiberg?

Prantl endet mit den Sätzen „Das Schöffenwesen im Strafrecht ist Traditionstheater aus dem 19. Jahrhundert. Eine engagierte und couragierte Justizpolitik könnte es abschaffen.“ Recht hat er. Schöffen können weg.

Donnerstag, 27. November 2025

Biegen der Realität

Es bestätigt sich täglich, was alle seriösen Analysten während des Jahres 2024 über eine zweite Trump-Präsidentschaft prognostizierten:

Im diametralen Gegensatz zum Januar 2017, stolpert Trump diesmal nicht planlos und unvorbereitet ins Amt. Vor neun Jahren war er selbst am meisten überrascht, gewonnen zu haben, hatte keine Idee, was er mit der Präsidentschaft anfangen sollte, wußte gar nicht, was die Rolle eines US-Präsidenten ist und am meisten fehlte ihm politisches Personal. Also setzte er notgedrungen auf lauter alte GOP-Haudegen, die er gar nicht kannte. Als die merkten, wie irre und wie hoffnungslos verblödet Trump ist, bremsten sie ihn immer wieder aus – 40 der 44 engsten Mitarbeiter aus Trumps erster Amtszeit, rieten 2024 dringend davon ab, ihn noch mal zu wählen. Der auf der charakterlichen Entwicklungsstufe eines garstigen Vierjährigen agierende orange geschminkte Münchhausen, bekam deshalb immer wieder Wutanfälle, feuerte Mitarbeiter in so hoher Frequenz, daß ihm die Kandidaten ausgingen und viele Positionen in seinem Stab und Ministerien vakant blieben.

Rechtsradikale Strippenzieher und Milliardäre erkannten das Chaos und setzten daher das Project 2025 auf, in dem all ihre Wünsche ausformuliert sind. Diesmal gab es also detaillierte Pläne, die abzuarbeiten sind, 100% linientreues Personal und insbesondere wurde dafür gesorgt, Trump mit Leuten zu umgeben, die ihm niemals widersprechen und devot umschmeicheln, um ihn bei Laune zu halten, auch wenn er den größten Schwachsinn daher plappert.

Aus Trumps Perspektive gesehen, läuft es diesmal also viel besser. Jeder, dem er in Weißen Haus begegnet, behandelt ihn als Messias, küsst ihm den Hintern. Niemand sagt „das geht nicht“. Seine grotesken Lieblingsprojekte werden alle sofort gemäß seiner Wünsche umgesetzt: Totalvergoldung des Oval Office, Milliarden Dollar auf seine privaten Konten, der Liberace-Ballsaal, Verfolgung seiner Kritiker, ICE-Razzien im ganzen Land, Schluss mit jedem Umweltschutz, Außenpolitik allein basierend auf Strafzöllen.

Kein Trump-Gedanke könnte so irre und schwachsinnig sein, um nicht sofort auf grenzenlose Begeisterung seiner Minister und Sprecher zu stoßen.

Das macht Trump glücklich und er musste (bis auf seinen Sicherheitsberater Mike Waltz) noch niemanden feuern. Seine korrupten Golf-Kumpel, wie Steve Wittkof, setzen seine Agenda durch und überbringen Geschenke des Mannes, der ihm am meisten am Herzen liegt: Wladimir Putin.

Geradezu gespenstisch smoothe läuft die zweiten Trumpsche Amtszeit. Alles nach Plan.

Ein Problem gibt es aber doch. Nämlich die lästige Realität, die sich nicht an den Project 2025-Plan anpassen will.

Eigenartigerweise sinken die Verbraucherpreise nicht massiv, wenn man alle Einfuhren mit massiven Zöllen verteuert.

Eigenartigerweise freuen sich andere Nationen nicht und widersetzen sich seinem Zolldiktat, indem sie beispielsweise keine Sojabohnen mehr in den USA einkaufen.

Eigenartigerweise ernsten sich Obst- und Gemüsefelder nicht von selbst ab, wenn man Millionen lateinamerikanische Farmarbeiter abschiebt.

Eigenartigerweise sinkt die Arbeitslosigkeit gar nicht, wenn DOGE Hunderttausende Mitarbeiter feuert und Bidensche Investitionsprogramme gestoppt werden.

Eigenartigerweise brach nicht am Tag Eins seiner Präsidentschaft, Frieden in der Ukraine aus, nur weil Trump mal mit Putin telefoniert.

Nun schmiert die US-Wirtschaft ab, die Preise steigen weiter und Trumps Wähler werden immer unzufriedener. Trump und seine Minister reagieren mit ihrer üblichen Methode: Sie LÜGEN, daß sich die Balken biegen, behaupten einfach das diametrale Gegenteil der Realität.

Sie bedenken aber eins nicht: Die Menschen gehen in Supermärkte und sehen die realen Preise, zahlen die realen Immobilienkredite ab, erfahren real explodierende Krankenkassenbeiträge, tanken reales Benzin und verlieren ganz real ihre Jobs. Selbst die Trumpanzees merken inzwischen, wie sie belogen werden. Zudem wird immer unübersehbarer, wie bei ihrem geliebten #45/#47 die Demenz einkickt. „Dozy Don“ nickt entweder ein oder plappert Schwachsinn, wenn er öffentlich zu sehen ist.

Reale Trump-Wähler, die sogenannten „Three Times Trumpers“ wollen 2026 nicht mehr republikanisch wählen.

[…] Die Zustimmungswerte von US-Präsident Donald Trump sind bei allen Umfrageinstituten erstmals negativ. Seit Mittwochmorgen liegt Trumps durchschnittliche Ablehnungsquote bei 55 Prozent, während 41 Prozent ihn unterstützen, so die Umfrageübersicht der New York Times.

Eine neue Umfrage von J.L. Partners, durchgeführt vom 19. bis einschließlich 20. November unter 1.244 registrierten Wählern, zeigt, dass 49 Prozent eine ungünstige Meinung von Trump haben, während 41 Prozent ihn positiv bewerten. Die Fehlertoleranz der Umfrage beträgt +/- 3,2 Prozent. In der vorherigen Umfrage desselben Instituts Mitte Oktober kam Trump noch auf eine Zustimmungsrate von 46 Prozent. […]

(FR, 27.11.2025)

Wird es überhaupt noch Midterms in gut elf Monaten geben?

Je schlechter die Umfragen aussehen, desto mehr wird das Weiße Haus einen Weg suchen, die Wahlen abzusagen. Zur Not muss ein großer Krieg her. Venezuela bietet sich an.

Mittwoch, 26. November 2025

Priester im sonnigen Spanien

Fast zwei Jahrzehnte nachdem die katholische Kindesmissbrauchs-Skandalwelle durch die USA rollte und neun Jahre nach Canisius, meldete sich die Bischofskonferenz des großen Katholiken-Nation Spanien (35 Millionen Katholiken; zum Vergleich, Deutschland: 19,5 Mio Katholiken) zu Wort.

Bei Ihnen käme sowas glücklicherweise nicht, oder höchstens ganz selten vor.

[…] Die offiziellen Zahlen der Kirche bleiben dagegen vage. Noch 2019 erklärte der damalige Sprecher der Bischofskonferenz, es gebe „keine oder kaum Fälle“.   [….]

(Funke, 24.11.2025)

Wie es damals um die Glaubwürdigkeit der iberischen Männchen im Kleid, der treuesten Unterstützer der faschistischen Franco-Diktatur aussah, konnte jeder wissen. Die RKK bereicherte sich an dem Elend, indem die während der Franco-Diktatur hunderttausende Kinder aus nicht linientreuen Familien regelrecht verkaufte, um sich a) zu bereichern und b) nationalkatholische Faschisten aus ihnen zu machen.  An vorderster Front stets Nonnen.

In Spanien betrieben dem faschistischen Regime treu ergebene Nonnen im 20. Jahrhundert sogar massenhaften Kindesraub und Menschenhandel. Sie sollen bis zu 300.000 Babies verkauft haben. 

Im Oktober 2007 sprach der deutsche Papst Ratzinger – in seiner Jugend selbst Hitlerjunge gewesen - 489 spanische Geistliche, die an der Seite des faschistischen Franco kämpften selig - die größte Massenseligsprechung der Geschichte.

Die massenhafte Vergewaltigung von Kleinkindern war 2019 längst einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Unter anderem hatte sich der spanische Superstar Pedro Almodóvar ausführlich dem Thema gewidmet.

[….] Pedro Almodóvar sprach schon 2004 davon: Der sexuelle Missbrauch des Schuljungen Ignacio durch einen katholischen Priester war eines der zentralen Themen seines Films „Schlechte Erziehung“. [….] Als Almodóvar den Film vorstellte, in dem er eigene Erfahrungen mit der katholischen Erziehung verarbeitete, schenkte dem Thema kaum jemand in Spanien große Beachtung. In einem traditionell katholischen Land, in dem das Franco-Regime den sogenannten Nationalkatholizismus mit Gewalt durchsetzte und der Kirche eine Sonderstellung bei der Erziehung zusprach, kamen solche Dinge eben vor. [….]  Lange Zeit passierte nichts, doch in diesen Tagen hat die Politik dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben. Sie hat angekündigt, den sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen zu untersuchen.

Die katholische Bischofskonferenz aber schweigt bis heute. [….] Im Herbst 2018 nahm El País“ die Arbeit auf. Die damals neu berufene Chefredakteurin, Soledad Gallego Díaz, entschied, dass die größte Tageszeitung Spaniens den sexuellen Missbrauch auch in ihrem Land untersuchen sollte. In vielen anderen katholisch geprägten Ländern seien zahlreiche Fälle bekannt geworden, so die Journalistin, aber nicht in Spanien. Sie bildete ein Rechercheteam, dem Redakteur Iñigo Domínguez angehört. 

„Die Kirche war zu keiner Zusammenarbeit bereit. Sie wollte zu den ihr bekannten Fällen nichts sagen. Von den Gerichten wussten wir von 34 nachgewiesenen Fällen aus den letzten Jahrzehnten. Das ist eine lächerliche Zahl. Ich schrieb über diese 34 Fälle mit einer Infografie über jeden einzelnen davon.“ [….] „Ich habe hier diesen Bericht eines Opfers, das diesen oder jenen Priester beschuldigt.‘ Und von der anderen Seite kam immer nur: „Nein, davon wissen wir nichts.“ – „Und, werdet Ihr den Fall untersuchen?“ – „Nein.“ [….]

„Sie hatten es leicht. Wenn sie einen Jungen missbrauchen wollten, sagten sie ihm: ‚Hey, Du kommst schon lange nicht mehr zur Beichte.‘ Und sie nahmen ihn dann in eine Ecke des Arbeitszimmers. Aber es wurde nicht viel davon gesprochen. Wem hätte man es erzählen sollen? Wir waren Waisenkinder. Ich hätte meiner Großmutter schreiben können. Aber die Briefe wurden ja gelesen, bevor sie rausgeschickt wurden.“

Später habe er fast niemandem davon erzählt. „Ich habe mich da wirklich geschämt.  Man konnte erzählen, dass man verprügelt worden ist. Aber dass sie dich angefasst haben?“ [….] [….] Bislang sind die spanischen Bischöfe solchen Forderungen [nach Prävention und Aufklärung] aus den eigenen kirchlichen Reihen nicht nachgekommen. Und auch die Bitte der Tageszeitung El País um Aufklärung habe die katholische Bischofskonferenz bislang ignoriert. [….] Für die Staatsanwaltschaften handelt es sich um längst verjährte Taten – und die Politik, so El Pais-Redakteur Domínguez, habe den Konflikt in der Vergangenheit immer gescheut:

„Die Kirche will keine Untersuchungskommission, auch keine, die die Bischöfe selbst bestimmen wie in Deutschland oder Frankreich. Den Staat interessiert das auch nicht. Denn, würde diese Regierung eine unabhängige Untersuchung vornehmen, würde von einer Kampagne gesprochen, die sich gegen die Kirche richtet. Aber irgendwas wird geschehen und das Thema wird auf die Agenda kommen. Wir untersuchen das Thema nun schon seit drei Jahren. In drei Jahren sind aus den 34 Fällen, die damals bekannt wurden, weit mehr als zehn Mal so viele geworden.“ [….]

(Deutschlandfunk, 10.02.2022)

Die Spanischen Bischöfe sind bis heute nicht bereit, maßgeblich zur Aufklärung ihres Kindersexsumpfes beizutragen. Das bleibt Staat und Presse überlassen.

[…] Ende April veröffentlichte die Spanische Bischofskonferenz ihre Zahlen zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch ihre Amtsinhaber in den letzten 20 Jahren. 220 Fälle sollen es gewesen sein. Während die Kirchenvertreter ihre Schuld durch Wegschauen einräumen und im selben Atemzug aber auch die Zahlen zu relativieren suchen, kommen andere Quellen zu weit höheren Zahlen Betroffener ans Licht.

Über 40 Minuten dauerte die Pressekonferenz am 23. April bereits, bevor Luis Argüello García, Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz, eine Frage zum Stand des Missbrauchsskandals gestellt bekam und beantwortete. Zunächst erklärte er, dass es in Spanien insgesamt 220.000 Missbrauchsanzeigen seit 2001 gegeben habe und dass die Kirche die Verjährungsfrist für Meldungen verlängert habe; dass außerdem in den zwei Dekaden 31.000 Priester ihren Dienst versahen und 220 Fälle bei der Congregación para la Doctrina de la Fe (Kongregation für die Glaubenslehre) eröffnet worden seien. 144 Fälle sollen Diözesen betreffen, davon befänden sich noch 43 in der Untersuchung. Weitere 76 stünden im Zusammenhang mit Orden, hier sollen noch 26 Fälle offen sein. […]

(hpd, 18.05.2021)

Nur mit äußerst zögerlicher Salamitaktik wird etwas zugegeben.

[….] Die Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche ist in vielen Ländern inzwischen ein Ereignis von nationaler Tragweite sowie ein wichtiger Fixpunkt für die Kirche geworden, um Vertrauen zurückzugewinnen. Bereits 2018 wurde in Deutschland die sogenannte MHG-Studie veröffentlicht, die Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kirche zwischen 1946 und 2014 statistisch erfassen sollte. Weit mehr als 37.000 Fälle wurden seinerzeit registriert. Im Oktober legte in Frankreich die Ciase ihren Bericht vor, der – trotz aller Kritik an der Methodik – auf ein noch düstereres Ergebnis kommt.

In Spanien hingegen sprach sich die Kirche bislang immer gegen eine allgemeine und statistische Untersuchung aus. Stattdessen solle jeder Fall weiterhin einzeln geprüft werden.   […]

(Katholisch, 21.12.2021)

2019 waren es fast keine Täter, 2021 sprach die Kirche von 220 Fällen und 2023 waren sie bei 728 Tätern….

[…]  Katholische Kirche in Spanien spricht von mehr als 700 Tätern

Die katholische Kirche Spaniens hat einen Bericht zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger seit 1945 vorgelegt. Kritik kommt von der Zeitung »El País«: Die Zahlen seien unvollständig.

Nach Angaben der katholischen Kirche Spaniens haben 728 Mitglieder von 1945 bis 2022 in kirchlichen Institutionen mindestens 927 Minderjährige sexuell missbraucht. »Heute ist kein Tag der Selbstzufriedenheit. Wir gehen davon aus, dass Mitglieder dieser Kirche anderen Mitgliedern in all ihrer Verletzlichkeit und Unschuld Schaden zugefügt haben«, sagte der Generalsekretär der Spanischen Bischofskonferenz, César García Magán, am Donnerstag bei der Vorstellung des kirchlichen Berichts »Um Licht zu bringen«. [….]

(SPON, 02.06.2023)

Zu realistischen Zahlen bekennt sich die spanische katholische Kirche bis heute nicht ansatzweise.

[….] „El País“ ist seit Jahren in Spanien die treibende Kraft hinter den Ermittlungen über Missbrauch in der katholischen Kirche, gegen die sich die Bischofskonferenz und zahlreiche Orden lange gesperrt hatten. Mit dem jüngsten Fall zählt die Zeitung auf 1568 mutmaßliche Täter und 2954 Opfer.

61 spanische Bischöfe, Erzbischöfe oder Kardinäle werden beschuldigt, Pädophilie in ihren Diözesen vertuscht oder gedeckt zu haben. Auf dieser Liste steht auch der Bischof von Cádiz. Vor 15 Jahren soll er demnach Missbrauchsvorwürfe gegen zwei Priester entgegen gesetzlicher Vorgaben nicht an die Behörden gemeldet haben. […]

(FAZ, 10.11.2025)

Inzwischen musste Bob sogar einen spanischen Kinderf**ker-Kirchenfürsten fallenlassen.

[…] „Nachts kam er ins Zimmer und missbrauchte mich. Er legte sich zu mir ins Bett, streichelte und küsste mich.“ Mit diesen Worten schildert ein heute erwachsener Spanier die Übergriffe, die er als Jugendlicher durch einen Geistlichen erlebt haben soll, der später Bischof im andalusischen Cádiz wurde.

Die Aussage des Mannes steht im Zentrum eines Missbrauchsskandals, der die katholische Kirche Spaniens und auch den Vatikan erschüttert – und nun erstmals in der Geschichte des Landes zur Absetzung eines amtierenden Bischofs wegen Missbrauchsvorwürfen geführt hat.

Der Vatikan teilte knapp mit, Papst Leo XIV. habe eine Rücktrittserklärung des 76-jährigen Bischofs Rafael Zornoza angenommen. Nach offizieller Lesart handelt es sich also um einen Amtsverzicht. Doch in Kirchenkreisen wird der Schritt als Absetzung gewertet.

Die Entscheidung erfolgte wenige Tage, nachdem öffentlich bekannt wurde, dass im Vatikan schon seit Längerem eine kirchenrechtliche Untersuchung gegen Zornoza läuft – wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs in den 1990er-Jahren, als Zornoza Priester in Getafe bei Madrid war. Zudem soll er als Bischof Missbrauchsfälle durch andere Geistliche gedeckt haben.

In der Anzeige, die das mutmaßliche Opfer in diesem Sommer an die zuständige Vatikanbehörde sandte, ist von jahrelangen Übergriffen die Rede. Der Missbrauch habe begonnen, als er 14 Jahre alt gewesen sei. Zunächst seien die Übergriffe in der Kirchengemeinde und in Ferienlagern geschehen. Später, als der junge Mann ins Priesterseminar – eine Ausbildungsstätte für angehende Geistliche – eintrat, sei Zornoza regelmäßig in seinem Zimmer erschienen. Zusätzlich habe Zornoza – so steht es in der schriftlichen Anzeige – Beichtgespräche benutzt, um Schuldgefühle zu verstärken. Der Missbrauch im Zusammenhang mit der Beichte gilt im Kirchenrecht als besonders schweres Vergehen. [….] Ein Bericht des vom Parlament eingesetzten Bürgerbeauftragten zeigte 2023 erstmals das mögliche Ausmaß der Missbrauchsfälle: In einer repräsentativen Befragung des Ombudsmannes gaben 1,13 Prozent der Spanierinnen und Spanier an, in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt im Umfeld der katholischen Kirche erlebt zu haben. Weil die Kirche bis heute keine verlässliche Gesamtstatistik vorlegt, musste der Bürgerbeauftragte auf diese landesweite Umfragestudie zurückgreifen.

Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung ergibt sich daraus eine Zahl von mehreren Hunderttausend mutmaßlich Betroffenen. Die Bischofskonferenz beauftragte daraufhin selbst eine externe Untersuchung, veröffentlichte deren Ergebnisse jedoch später nur teilweise. Danach sind 1383 Missbrauchsfälle mit 2056 Opfern festgestellt worden – doch dies sei nur die Spitze des Eisbergs, hieß es. [….]

(Funke, 24.11.2025)

Dienstag, 25. November 2025

Die Scham

Es ist für mich eins der unangenehmsten Gefühle: Scham.

Unglücklicherweise empfinde ich Scham sehr frühzeitig, weil ich eine extrem niedrige Toleranzschwelle für Peinlichkeit habe. Das macht sich beispielsweise dadurch bemerkbar, daß ich noch nie ein Selfie gemacht habe. Ich will mein Gesicht nicht im Internet sehen und staune, weil eine überwältigende Mehrheit der Menschen, das Problem nicht nur nicht kennt, sondern geradezu begeistert davon ist, ihr eigenes Konterfei möglichst oft in die Kamera zu halten.

Sie trachten a) grundsätzlich danach, so oft wie möglich gesehen zu werden, und haben b) ganz offensichtlich eine gewaltige große Peinlichkeits-Toleranz. Es stört sie nicht, bei den albernsten Grimassen, mit „Duckface“ oder „Herzfinger“-Geste abgefilmt zu werden. Posen, die ich nicht einmal selbst ausüben muss, um mich zu schämen. Für mich ist es ZUM MITSCHÄMEN, das nur anzugucken.

Erstaunlicherweise gilt Schamfreiheit sogar als herausragende Qualität in der Medienwelt von 2025. Politiker, Schauspieler, Journalisten, Influencer werden dafür geschätzt, keine Berührungsängste zu haben, dahin zu gehen, wo es wehtut, jeden Blödsinn mitzumachen. Markus Söder, die Inkarnation der Schamlosigkeit, steht weit oben in der Beliebtheitsliste. Er hat die meisten Follower aller deutschen Politiker. Der Typ, der täglich seine ungepflegten Fingernägel beim Fastfoodfressen in die Kamera hält, der hochnotpeinlich auf internationaler Bühne bei Bergoglios Beerdigung vor dem Petersdom Grinse-Selfies schießt, der Willy Brandts Kniefall beim Holocaustgedenken nachäfft, der lügt und hetzt.

Obschon „schamlos“ durchaus negativ konnotiert wird – „sag mal, schämst du dich denn gar nicht?!“ – wird Söder nicht etwa durch „Entfolgen“ gestraft, sondern sammelt immer mehr Follower. Für ihn gibt es keinerlei Triggerpunkte; nichts löst bei Söder Scham aus – warum auch immer.

[….] Der genaue Auslöser ist dabei ganz individuell: Situationen, in denen sich die eine Person extrem schämt, können einer anderen völlig egal sein. Denn ob wir uns schämen oder nicht, hängt stark mit den Wertevorstellungen einer Kultur, mit der Bildungsschicht oder der Gruppe zusammen, der wir uns zugehörig fühlen. Auch die Intensität des Gefühls kann sich stark unterscheiden.

Für den Psychoanalytiker Léon Wurmser zählt zu den wichtigsten Schamauslösern, wenn Menschen denken, sie seien schwach. Wenn wir in einer bestimmten Situation versagen, die Kontrolle über die eigenen Impulse verlieren oder vermeintlich unangemessene Gefühle zeigen – zum Beispiel, wenn wir in der Öffentlichkeit weinen.

Forschende unterscheiden unterschiedliche Typen von Scham

    Ein Scham-Typ ist die "soziale und körperliche Abweichung oder abweichende Persönlichkeitsmerkmale“. Das heißt, wir können Scham empfinden, wenn wir in der Öffentlichkeit weinen oder in unangemessenen Situationen laut lachen. Auch wenn wir uns aufgrund unserer sozialen Zugehörigkeit in bestimmten Situationen fehl am Platz fühlen oder wenn wir uns beim Sex für unseren Körper schämen.

    Ein weiterer Scham-Typ ist "Überschreitungen oder grenzverletzendes Verhalten“. Wir können also Scham empfinden, wenn wir für unser Verhalten öffentlich kritisiert werden, wenn wir lügen oder gesellschaftliche Normen brechen.

    Auch "Versagen oder Misserfolg“ können zu Schamgefühlen führen. Hierzu zählen unter anderem Niederlagen, wenn wir Fehler machen oder wenn wir Behauptungen anstellen, die sich als Irrtum erweisen. Forschende zählen zu diesem Scham-Typ übrigens auch, wenn Scham ausgelöst wird, weil wir Körperfunktionen nicht kontrollieren können – zum Beispiel, wenn wir laut pupsen.

    Aber auch eigentlich Positives wie Lob kann zu Scham führen – etwa wegen der erhöhten Aufmerksamkeit oder aus Angst, nicht angemessen auf das Lob zu reagieren.  [….]

(Quarks, 07.03.2022)

Vielleicht ist es kein Zufall, daß der mit Sicherheit schamloseste Mann der Erde – Donald Trump – auch der mächtigste Mensch auf der Welt ist.

Man kann das Stinktier Trump nicht überstinken, weil es unmöglich ist, noch schamloser, als er, zu lügen und zu prahlen.

Söder und Trump sind sich mutmaßlich schon darüber bewußt, wie schrill und auffällig sie wirken, wie sehr sie sich vom Bild der herkömmlichen, seriösen Politiker abheben. Aber gefangen in ihrer größenwahnsinnigen Persönlichkeit, missdeuten sie all das Lachen und Kopfschütteln als Komplimente.

Der Fritzekanzler stellt noch einmal eine andere Kategorie dar. Auch er stolpert selbstinduziert von Peinlichkeit zu Peinlichkeit. Auch er ein Top-Regierungschef, für den man sich 24/7 mitschämt.

Aber anders als die zuvor Genannten, merkt der Fritzekanzler gar nichts. Er ist nicht zur Selbstreflexion im Stande. Unfähig zu begreifen, was er anrichtet – selbst wenn er landauf, landab aus allen Feuilletons, von Hauptstadtjournalisten, Parteichefs, Opfervertretern drauf festgenagelt wird, wie blamabel er in der Stadtbild-Debatte agierte.

[…]  Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat auf seiner jüngsten Afrikareise deutsches Brot zum Frühstück vermisst. Einen Tag nach seiner Teilnahme am Gipfel der Europäischen und der Afrikanischen Union in der angolanischen Hauptstadt Luanda sagte der Kanzler in Hamburg: „Was man am deutschen Brot hat, merkt man immer wieder, wenn man im Ausland ist. Gestern Morgen in Luanda am Frühstücksbuffet hab’ ich gesucht, wo ist ein ordentliches Stück Brot – und keins gefunden.“ […] Für Merz ist es nicht das erste Mal, dass er nach einer seiner Auslandsreisen mit einer Aussage über sein Gastgeberland aneckt. Vor gut zwei Wochen hatte der Bundeskanzler zum Auftakt der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém an einem Gipfel teilgenommen.  [….]

(Tagesspiegel, 25.11.2025)

Was für ein Klischee! Wie der germanische Tölpel in Rimini, der in der für das beste Essen der ganzen Welt bekannten italienischen Region Emilia-Romagna, deutsche Schlimme-Augenwurst und Schwarzbrot verlangt.

Der Fritzekanzler verbringt einen Vormittag in ANGOLA und beklagt sich, da kein deutsches Brot zu fressen gehabt zu haben.

Kann man sich nicht ausdenken. Wie kann man nur so peinlich sein, Merz?

Zum Mitschämen.