Sonntag, 7. Januar 2018

Ein Zuschauer.


Regierungen müssen Presseabteilungen und Pressesprecher haben, weil das Fulltime-Jobs sind. Myriaden Journalisten aus aller Welt müssen über das Regierungshandeln unterrichtet werden. Eine sehr zeitraubende Angelegenheit, da man einerseits mit allen Medien und allen Berichterstattungen vertraut sein muss, andererseits aber auch immer beim Regierungschef sein und jedes Detail der Regierungsarbeit kennen muss.
Vom ZDF-Beau Seibert ist überliefert, daß er seinen Traumjob bei seiner heißgeliebten Angela Merkel stark unterschätzte und alsbald aschfahl mit tiefen Augenringen  wirkte, weil seine Chefin so wenig schläft und so lange Arbeitstage absolviert.
Dennoch gilt ihr Verhältnis heute als sehr gesund, Seibert weiß genau wie er in Merkels Sinne wolkig lange redet ohne viel zu sagen.
Er macht seine Sache also insofern gut, daß Merkel sich auf ihn verlässt und ihm freie Hand gibt. Er entlastet sie, indem sie sich nicht darum sorgen muss, was er sagt.
Barack Obamas Pressesprecher Josh Earnest ist einer der vielen WH-staffer, die noch heute in höchsten Tönen von ihrem Chef sprechen, weil Obama stets extrem gut informiert war und seinen Mitarbeitern viel zutraute.
Dementsprechend viel Vertrauen genoss Earnest auch beim press chorps, da alle wußten Obama stünde voll hinter ihm und man könne sich auf seine Aussagen verlassen.
Während Obama arbeitete, tat Earnest seinen Job eigenverantwortlich.
Umso rührender und überraschender die Szene an seinem letzten Arbeitstag, als Obama persönlich im WH-Pressesaal erschien, um ein paar lobende Worte für ihn zu finden. Schließlich war es Earnests Job für Obama zu sprechen und somit immer dann zu reden, wenn Obama nicht dabei ist und zuhört.

In Washington läuft es jetzt alles etwas anders. Earnests Nachfolger Spicer, Scaramucci und Sanders sind eher Witzfiguren, denen von großen Teilen der White House Correspondents' Association so ziemlich gar nichts geglaubt wird, nachdem sie eine Fülle von Fehlinformationen und Beleidigungen ausbreiteten.
Ihnen muss allerdings auch nicht geglaubt werden, denn Glaubwürdigkeit bei den Medienvertretern würde bedeuten immer die Wahrheit zu sagen und das wiederum schließt aus Vertrauen des einzig relevanten Zuschauers zu erlangen; Donald Trump!


In seiner psychotischen Manie stets im Mittelpunkt des Interesses zu stehen und gelobt zu werden, sieht sich Trump jede PK persönlich in voller Länge an – das ist leicht möglich, da er ohnehin kaum arbeitet und gut sechs Stunden pro Tag TV glotzt – und bewertet die Arbeit seines Sprechers ausschließlich danach wie gut es dem gelingt ihn selbst zu loben.

Spicer bekam nach jedem Auftritt Feedback von Trump. Gern öffentlich über Twitter.
Sein Job hing davon ab, daß Trump mit den Lobpreisungen zufrieden war und nicht etwa davon, daß die gesamte Weltpresse schon nach seinem ersten Auftritt wußte wie sehr Spicer log - "this was the largest audience to ever witness an inauguration, period!"

Es geht so weiter. Viele der engsten Trump-Mitarbeiter sind inzwischen gefeuert oder warfen selbst entnervt das Handtuch, aber die, die noch da sind reden ihm besessen nach dem Mund – auch wenn es noch so absurd ist und noch so offensichtlich den Fakten widerspricht.

Während Trump und seine Speichellecker versuchen Michael Wolffs Buch zu diskreditieren, erreichen sie das Gegenteil, beweisen wie richtig dessen Analysen sind.


Ein Lehrbuchbeispiel von unverschämter Pöbelei und Lügerei, die nur dem Zwecke dient dem einen Zuschauer, nämlich Trump, zu gefallen, lieferte heute sein verbliebener rechtsradikaler Hauptberater Miller.

(….) Da ist Senior Advisor to the President of the United States Stephen Miller (*1985), der für mich mustergültig illustriert, wieso ich keine Kinder haben möchte.
Er stammt aus einer liberalen gebildeten jüdischen Familie, ging im prosperierenden Multikulti-Sonnenstaat Kalifornien zur Highschool und aufs College, sollte also eigentlich auch ein linksliberaler Kopf werden.
Stattdessen radikalisierte er sich auf dem College stramm nach rechts, agitierte wie besessen gegen Schwule und Einwanderer, diente der völlig durchgeknallten homophoben Faschistin und Verschwörungstheoretikerin Michelle Bachmann als Sprecher und arbeitete für den KKK-Freund Jeff Sessions. (….)

Heute erschien er beim CNN-Star Jake Tapper in seiner Sonntagssendung „State Of The Union“.
Ihn erwarteten eine Menge Fragen zu seinem Chef, da in Wolffs Buch eine Fülle von Zitaten enger Trump-Mitarbeiter auftauchen, die unisono der Meinung sind, Trump habe nicht alle Tassen im Schrank und sei geistig retardiert.
Eine eigentlich nicht zu lösende Aufgabe, da die Indizien für Trumps Verblödung überwältigend sind.

[…..] Im Oval Office sitzt ein „Schwachkopf, ein Idiot“ – da sind sich nach Informationen des „Fire and Fury“-Autors Michael Wolff alle Trump-Mitarbeiter im Weißen Haus einig. [….]

Miller tat das aus seiner Sicht einzig Richtige: Er versuchte gar nicht erst inhaltlich auf die Fragen einzugehen, wich allen konkreten Themen aus und feuerte statt dessen einen Schwall Beleidigungen und Unterstellungen ab.


Die Zuschauer Tappers, die Antworten erwarteten, wurden also bitter enttäuscht.
Aber da hätte Miller ohnehin nicht gewinnen können.
Wie immer sah sich aber Trump den Auftritt live im TV an und bestätigte direkt nach der Sendung das, was Tapper mehrfach Miller konstatierte – er spreche nur für seinen einen Zuschauer – Trump.
Indem er untertänig und schleimspurziehend Trump immer wieder als „Genie“ bezeichnete, bringe er diesen dazu ihn zu loben.
Und genau das geschah auch prompt.

[….] CNN bricht Interview mit Trumps Chef-Berater ab
[….] Wieder und wieder setzt Miller an, zu erklären, warum sein Boss tatsächlich ein Genie sei. Als solches hatte sich Donald Trump am Samstag in einem Tweet selbst bezeichnet. [….] Miller, der dem äußerst rechten Rand der Trump-Administration zugerechnet wird, ist nun in die CNN-Sendung "State of the Union" gekommen, um seinen obersten Dienstherren zu verteidigen. [….]  Selfmade-Milliardär, Revoluzzer des Reality-TV und nun auch noch Präsident, "ein Phänomen, das niemand, auch nicht CNN, hat kommen sehen" und so weiter. Mit der Einschätzung als Genie liege Trump also "genau richtig".
An dieser Stelle kann sich Tapper dann offenbar nicht mehr zügeln und giftet: "Ich bin mir sicher, dass er zuschaut und glücklich ist, dass Sie das gesagt haben." Er unterstellt Miller also, mit seiner Lobhudelei vor allem beim Präsidenten selbst punkten zu wollen. [….] Mit seiner Einschätzung, dass es Miller wohl vor allem auf die Gunst des Präsidenten abgesehen hatte, scheint Tapper nicht falsch gelegen zu haben. Kurz nach der Ausstrahlung des Katastrophen-Interviews meldete sich Trump per Twitter zu Wort: "Jake Tapper von Fake News CNN ist gerade zerstört worden von Stephen Miller aus der Trump-Regierung. Schaut euch den Hass und die Unfairness dieses CNN-Lakaien an." [….]