Freitag, 21. November 2025

Hamburger CDU-Tradition

Die einstige Hamburger Regierungspartei CDU, die von 2004 bis 2008 mit absoluter Mehrheit (sic!) regierte, legte in den folgenden Landtagswahlen einen bundesweit beispiellosen Niedergang hin:

 2004: 47,2%

2008: 42,6%

2011: 21,9%

2015: 15,9%

2020: 11,2%

 In 12 Jahren von der absoluten Mehrheit auf 11% zu stürzen, muss der rechtspopulistischen Ploß/de Vries-CDU an Elbe und Alster erst mal einer nachmachen.

Wer nicht völlig rechtsschwurblerisch verdreht ist, würde mutmaßlich anerkennen, auf Abwegen zu wandeln, wenn in so kurzer Zeit 80% der Wähler schreiend weggelaufen sind.

Nicht so die Hamburger CDU, die weiterhin völlig unseriös AfD-Propaganda nachäfft, AfDler in ihre Reihen aufnimmt, auf Bezirksebene mit der AfD kooperiert, gegen Gendern und gegen Klimaschutz agitiert.

(….) Der SPD-Grüne Senat verhält sich professionell, will ohne Murren den Volksentscheid umsetzen, verweist allerdings auf gesetzliche Hilfe aus dem Bund, die dafür nötig ist.

Der ehemalige Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß, ohnehin nie die hellste Kerze auf der Torte und Dauergast bei rechtsextremen Hetzmedium Nius, zeigte gestern noch einmal exemplarisch, wie viel Ideologie und Irrsinn bei den Konservativen herrscht. Grüne Klimapolitik ist ein ökonomisches Gewinnerthema! Wer sich dem durch ewig-gestrige Karbonisierungstechniken widersetzt, gerät eben in die Schwierigkeiten, die Porsche und Co jetzt haben. Deswegen steckt Deutschland in der Scheiße, weil Merkel, Brüderle, Westerwelle, Altmaier, Merz konsequent gegen die Zukunft entschieden. Die Photovoltaik/Windkraft-Altmaierdelle, zurück zum Putin-Gas, Verbrenner, keine Investitionen in KI, Clowddienste, Software-Unabhängigkeit und digitale Infrastruktur.

In Ploß reinkarniert sich alles, das zu Deutschlands ökonomischen Untergang führt. (….)

(Hamburg, meine Perle, 13.10.2025)

Eins mögen die Ploß-Konservativen gar nicht: Demokratische Entscheidungen akzeptieren, wenn diese gegen die finanziellen Interessen ihrer rechten Lobby-Kumpel ausfallen.

Ex-CDU-Bürgermeister Ole Beust und Ex-CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner machten es vor, indem sie nicht nur einen mehrere Milliarden schweren Schaden für die Hamburger Steuerzahler anrichteten, sondern auch ihre Gesundheitsversorgung drastisch verschlechterten.

(….)  Wenige Monate nach dem Schicksalstag in der Colorline-Arena traf Peiner eine für die Stadt noch katastrophalere Entscheidung. Er verschleuderte die landeseigenen Krankenhäuser an Bernd Broermann.

Der Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) ist begleitet von Protesten, Kritik, Vorwürfen und einem missachteten Volksentscheid.

- Als die Verkaufsabsichten des Senats bekannt wurden, startete die Initiative "Gesundheit ist keine Ware" ein Volksbegehren, das am 29. Februar 2004 zum Volksentscheid führte. 76,8 Prozent der Hamburger lehnten den Verkauf ab. Der Senat ignorierte den Volksentscheid. Im Dezember beschloss die Bürgerschaft den Verkauf des LBK, nachdem das Verfassungsgericht grünes Licht gegeben hatte. Dennoch blieb Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) im Kreuzfeuer der Kritik. Die Vorwürfe:

- Asklepios wurde bevorzugt, andere Mitbewerber wie Helios und das Unternehmen Rhön-Klinikum wurden ausgebootet, ihre Angebote schlechtgerechnet. Der LBK wurde Asklepios zu einem "Schleuderpreis" hinterhergeworfen (Jens Kerstan, GAL). Aus der Finanzbehörde hieß es zu den Vorwürfen nur: "Das Angebot von Asklepios war und ist das beste." Laut Senat wurde der LBK für 318 Millionen Euro verkauft. Die Angebote der Mitbewerber wurden vom Senat nicht veröffentlicht.

Mehr als Tausend LBK Bedienstete warten auch 5 Jahre nach dem LBK "Verkauf" noch auf zugesicherte Stellen im Dienste der Stadt! Kosten für den Hamburger Haushalt und den Steuerzahler 60 Mio. bis Dato!

Auf Stationen von LBK-Krankenhäusern wurde ein Flugblatt verteilt, das offensichtlich der politischen Unterstützung des Hamburger Finanzsenators Wolfgang Peiner (CDU) dient. Verantwortlich für die Verteilung: Asklepios Kliniken Verwaltungsgesellschaft mbH, Zentrale Dienste Unternehmenskommunikation & Marketing.

(Inside HH 2007)

Daß sich Peiner für Bernd Grosse Broermann entschied ist so verwunderlich nicht – man kannte sich schon.

Im September 2001 übernahm eine Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP nach 44 Jahren SPD-Herrschaft die Regierungsgeschäfte in Hamburg.

Im Dezember 2003 beschloss der neue Senat nach einer internationalen Ausschreibung, dem privaten hessischen Klinikbetreiber Asklepios Anteile am LBK zu verkaufen. Drahtzieher war der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner. Da Asklepios-Inhaber Bernard gr. Broermann zum Verwaltungsrat einer Versicherung gehörte, als Peiner dort im Vorstand saß, warf die SPD dem Senat Vetternwirtschaft vor.

Am 29. Februar 2004 beteiligten sich 788.563 Hamburger Bürger an einem Volksentscheid, den Gewerkschaften und soziale Gruppen unter den Slogan "Gesundheit ist keine Ware" organisiert hatten. 593.497 stimmten gegen den Verkauf, das waren 76,8 Prozent der Stimmen. Da die mittlerweile allein regierende CDU um Bürgermeister Ole von Beust den Volksentscheid als nicht bindend einstufte, zogen dessen Initiatoren vor das Hamburger Verfassungsgericht.

Am 15. Dezember 2004 bestätigte das Gericht die Sichtweise der CDU. Einen Tag später beschloss die Bürgerschaft, den LBK zu 74,9 Prozent an die Asklepios-Kliniken GmbH zu verkaufen. Als Kaufpreis wurden knapp 320 Millionen Euro vereinbart, wovon 75 Millionen ertragsabhängig waren und nicht bezahlt werden mussten, da der erwartete Ertrag ausblieb.

(Niels Holsten, taz 01.03.2014)

2004 hatte Hamburg den LBK privatisiert, obwohl eine Mehrheit der Hamburger Wahlberechtigten sich in einem Volksentscheid dagegen ausgesprochen hatten. Die Opposition aus GAL und SPD hat schon bei Abschluss des Kaufvertrages 2004 kritisiert, dass die Stadt bei dem Geschäft draufzahle. Nach Lektüre der Verkaufsunterlagen hatten sie den Vorwurf erhoben, Peiner habe bei dem Deal kräftig manipuliert. Er habe sich, entgegen seiner eigenen Darstellung, aktiv in die Verhandlungen eingemischt und strittige Details mit Asklepios-Chef Bernard Broermann persönlich verhandelt - einem alten Geschäftspartner aus Peiners Zeit bei der Gothaer-Versicherung. So sei das Angebot der Asklepios-Klinikgruppe mehrfach geschönt worden.

(taz, 23.11.2006)

Mit diesem Superdeal schwoll Bernd Broermanns Privatvermögen binnen weniger Jahre von nichts auf mittlerweile fast drei Milliarden Euro.

Die von seinen Mitarbeitern erwirtschafteten und den Patienten bezahlten Milliarden fließen nämlich nach der Wahnsinnstat des CDU-Bürgermeisters und des CDU-Finanzsenators nicht mehr in die Krankenhäuser, sondern in die Taschen des Peiner-Freundes Broermann. (….)

(Nachbeben – Teil II, 09.12.2015)

76,8%

76,8%

Sechsundsiebzig, Komma acht Prozent.

SECHSUNDSIEBZIG; KOMMA ACHT PROZENT.

Man könnte annehmen, eine angeblich demokratische Partei, empfände einen Funken Schamgefühl, wenn sie nicht nur einen so klaren Wählerwillen ignoriert, sondern sich die Entscheidung der CDU, im Nachhinein auch noch als so katastrophal falsch für den Steuerzahler erweist.

Aber nein, sie will erneut die Demokratie aushebeln und der Wählermehrheit den Stinkefinger zeigen. Diesmal zum Glück in der Opposition. Sie kann also nicht so, wie sie würde, wenn sie regierte.

[….] Beim Volksentscheid hatte die Mehrheit in Hamburg für ein strengeres Klimaschutzgesetz gestimmt. Schäbig ist, wie die CDU nun daran rütteln will.

[….] Wie man mit Niederlagen sportlich umgeht, müsste er da eigentlich gelernt haben.   Allein: Seine am Dienstag erhobene Forderung, die Bürgerschaft solle das durch einen Volksentscheid beschlossene strengere Hamburger Klimaschutzgesetz wieder kippen, zeugt ganz vom Gegenteil. Viel eher wirft Thering, mit teils faktenfreien Argumenten und in der Möchtegern-Pose eines heldenhaften Widerständlers, demokratischen Anstand über Bord.

Eine klare Mehrheit hatte der „Hamburger Zukunftsentscheid“ am 12. Oktober hinter sich versammelt: 304.063 wahlberechtigte Hamburger:innen stimmten für das vorgelegte „Klimaschutzverbesserungsgesetz“, mit dem Hamburg bereits 2040 die Klimaneutralität erreicht haben soll. [….] Statt die Niederlage anzuerkennen – Mund abputzen und weiter geht’s – bringt Thering nun aber ins Spiel, dass es ja völlig legal sei, ein vom Volk erlassenes Gesetz ein paar Tage später wieder zu kassieren. Das ganze betitelt die CDU auch noch als „Hamburger Zukunftsgesetz“: Das beim Volksentscheid beschlossene Klimaschutzverbesserungsgesetz soll aufgehoben und das olle Klimaschutzgesetz von 2020 wieder in Kraft gesetzt werden.

Faktenfrei begründet Thering, dass das 2040-Ziel ja unmöglich zu erreichen wäre und selbst die Klimaneutralität bis 2045 von Faktoren abhinge, „die Hamburg gar nicht selbst steuern kann, etwa der bundesweiten Dekarbonisierung des Strommixes“. Fakt ist: Genau diese Faktoren, die Hamburg nicht allein beeinflussen kann, sind nicht Teil der Verpflichtung, bis 2040 klimaneutral zu sein. [….] Hamburgs dauerregierende SPD mit allerlei parlamentarischen Tricks zu ärgern, ist natürlich völlig legitim, wenn nicht sogar ständige Pflicht. In AfD-Manier aber den demokratischen Prozess zu attackieren, ist schäbig – insbesondere im Hinblick darauf, dass auch die AfD-Fraktion kommende Woche einen im Ergebnis identischen Antrag ins Parlament einbringen will. [….]

(André Zuschlag, 18.11.2021)

Medien und alle Parteien (außer der Linken und einem geringen Teil der Grünen) waren gegen die Tempoverschärfung beim Klimaschutz. Aber anders, als Rechtsradikale und CDU, kommen sie nicht auf die Idee, deswegen die Demokratie zu killen.

[….] Ob es grundsätzlich sinnvoll ist, über eine so wichtige Weichenstellung wie das Vorziehen des angestrebten Zeitpunkts der Klimaneutralität der Stadt die Wähler mit Ja oder Nein abstimmen zu lassen, darüber kann man also streiten. Aber es ist nun mal geschehen. Legal, nach transparenten Regeln, demokratisch. Nach langen öffentlichen Debatten. Alle Argumente waren auf dem Tisch. Viele Menschen haben eine Entscheidung in der Sache getroffen – auch übrigens die, die nicht teilgenommen haben.

Wer anschließend das zuvor hochoffiziell eingeforderte Votum des Volkes einfach einkassieren will, wie die Hamburger CDU unter Dennis Thering – der tritt die demokratische Idee mit Füßen – in Zeiten, in denen sie ohnehin massiv unter Druck steht.  [….]

(Maik Koltermann, 21.11.2025)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Feedback an Tammox