Montag, 22. September 2025

Russland und Europa

Es schleichen sich gern mal Narrative im Journalismus ein, die jeder unkritisch repetiert und schließlich auch alle glauben, weil es so oft gelesen und gehört wurde.

Die Grünen sind eine Verbotspartei, Merz ist der Mann mit der enormen Wirtschaftskompetenz, die Griechen sind alle faul, Wolfgang Bosbach ist ein ehrlicher Klartextmann, etc pp.

Sieht man sich diese Konnotationen genauer an, sind sie aber falsch.

Manche Figuren werden aber auch richtig geframt. Donald Trump ist meines Erachtens tatsächlich extrem ungebildet, denkfaul und nur an seinem eigenen Wohl interessiert.

Ich glaube auch an das bekannte Putin-Narrativ; er teste kontinuierlich, wie weit er gehen könne, überschreite systematisch Grenzen und verstehe nur Stärke.

Daß er seinen Handlungsspielraum täglich misst, scheint mir offensichtlich. Nicht hundertprozentig sicher bin ich in der Frage, ob er sich von (militärischer) Stärke einschüchtern lässt. Könnte er womöglich von einem direkteren Eingreifen der NATO oder Angriffen auf russisches Staatsgebiet so gereizt werden, daß er zu ABC-Waffen greift? Dieser Gedanke, der offenkundig in vielen EU-Regierungen kursiert, läßt sich nicht beweisen oder widerlegen.

Wir erinnern uns aber an den 24. November 2015, als zwei russische Kampfjets von Syrien aus, in den Luftraum des NATO-Staats Türkei eindrangen. Ankara ließ sofort F-16s aufsteigen, warnte die russischen Piloten mehrfach und schoss eine Suchoi Su-24 ab. Die Besatzung, bestehend aus dem Piloten Oleg Peschkow und Waffensystemoffizier Konstantin Murahtin, konnte sich zwar zunächst mit Schleudersitzen retten, wurde aber am Boden von einer syrischen Miliz aufgegriffen und umgebracht. Putin war not amused, überzog die Türkei mit Sanktionen. Aber nachdem alle verbalen Dampf abgelassen hatten und die Türkei die Leiche Peschkows ehrenvoll nach Russland überführt wurde, näherte man sich schnell wieder an. Heute sind Putin und der fast gleichaltrige Erdoğan beste Kumpels. Das russische Militär verletzte nie wieder türkischen Luftraum und beim Umgehen lästiger EU-Sanktionen, steht Ankara Moskau hilfreich zur Seite.

Zehn Jahre später fliegen russische Aufklärungsdrohnen Drohnen täglich über sensibler deutscher Infrastruktur, sogar über Kasernen. Es gibt kontinuierlich russische Cyberangriffe auf die NATO, die russische Schattenflotte verschifft munter Gas und Öl über die Ostsee in die EU und Kampfjets dringen in den Estnischen und polnischen Luftraum ein.

[…] Wladimir Putin testet die Grenzen: Zwei russische Kampfflugzeuge sind nach Angaben des polnischen Grenzschutzes in die Sicherheitszone einer Bohrplattform in der Ostsee eingedrungen. Die polnischen Streitkräfte seien informiert worden, teilt die Behörde auf X mit. Die Jets seien im Tiefflug über die Bohrplattform Petrobaltic geflogen. Dabei sei die Sicherheitszone der Plattform verletzt worden. […] Kurz zuvor hatte bereits Estland mitgeteilt, dass russische Kampfjets vom Typ MiG-31 in den Luftraum des baltischen Landes und Nato-Mitglieds eingedrungen seien. Die drei Maschinen seien zwölf Minuten lang unerlaubt im estnischen Luftraum gewesen, sagte Außenminister Margus Tsahkna.  Die MiG-31 sind Abfangjäger, also Jagdflugzeuge, die feindliche Luftfahrzeuge abfangen und vernichten sollen. Sie sind das kampfstärkste Jagdflugzeug der russischen Armee, erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 3000 Kilometer pro Stunde und besitzen Waffen mit großer Reichweite. Für die Kampfflugzeuge der Nato ist der MiG-31 ein ernst zu nehmender Gegner. Die Jets kommen regelmäßig in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zum Einsatz. [….]

(SPON, 19.09.2025)

Anders als das Nato-Land Türkei, wagen es Balten, Polen und Deutsche aber nicht, sich gegen die russischen Sticheleien zu wehren. Sie machen das, was Putin erwiesenermaßen überhaupt nicht beeindruckt: Empörte Pressemittteilungen, Beschwerden und die EU bereitet nach 18 völlig wirkungslosen antirussischen Sanktionspaketen, nun Nummer 19 vor! Darüber hinaus scheißen sich alle EU-Regierungschefs kräftig in die Hosen und blicken bange nach Washington: Was wird Trump sagen? Wird er Putin verurteilen? Beschützt Trump uns? Hilft er den schwächelnden Europäern im Baltikum?

Diese Europäische Hasenfüßigkeit sendet zwei Signale aus:

Erstens versteht Putin das als Einladung, weiter seine Muskeln spielen zu lassen. Die EU-Heulsusen werden es nicht wagen, sich ihm in den Weg zu stellen.

Zweitens wird Trump in seinem Misstrauen gegenüber Brüssel bestätigt. Wenn die schon nichts tun, muss die USA schon gar nicht militärisch gegen Russland aktiv werden.

Im gestrigen Presseclub/internationaler Frühschoppen herrschte diesbezüglich völlige Einigkeit: Merz führt nicht, Brüssel nässt sich ein, Putin fühlt sich gestärkt und insbesondere das deutsche Volk versteht überhaupt noch nicht, welcher enormen Bedrohung es ausgesetzt ist, sondern steckt den Kopf in den Sand: Einfach keine Waffen mehr an die Ukraine liefern, devot gegenüber dem Kreml auftreten und dann wird schon alles gut.


Nein, ich weiß auch nicht, wie es in Putins Kopf aussieht und habe kein sicheres Rezept dafür, wie man Frieden in Europa schafft und russische Expansionspläne eindämmt.

Aber so sicher ich vor einem halben Jahrhundert war, daß die EU Putin die Hand reichen sollte, um gemeinsam Politik zu machen (was auch beispielsweise 2003 gegenüber GWB sehr gut funktionierte), so sicher bin ich mir heute, daß es mit Putin keine Gemeinsamkeiten mehr gibt und daß er das Lavieren der EU seit 2014 immer nur als Aufforderung versteht, noch weiter zu gehen. Das 97. Sanktionspaket, an das wir uns noch nicht mal selbst halten und für Milliarden weiter Gas aus Russland einkaufen, kann offenkundig nicht die Lösung sein. Wenn wir Mig-31s ungehindert über uns rumfliegen lassen und wir uns noch nicht mal trauen, russische Drohnen über Bundeswehrkasernen abzuschießen, senden wir natürlich ein klares Signal nach Moskau: „Wir sind willige Opfer und wollen von dir missbraucht werden!

Ich kann es kaum glauben und erinnere mich an keinen Präzedenzfall, aber beim Thema „russische Jets“ stehe ich eher auf der Seite der CDU, als bei der taz, die vor Eskalation warnt:

[…] Die estnische Insel Vaindloo, seit wenigen Tagen europaweit bekannt, hat wenig zu bieten. […] Ist es deswegen harmlos, dass das russische Militär nach estnischen Angaben den Luftraum um die Insel verletzt hat? Nein. Hoheitsgebiet ist Hoheitsgebiet und erfahrungsgemäß lügt die russische Regierung, wenn sie den Überflug leugnet. Sollte die Nato aber im Wiederholungsfall russische Kampfjets abschießen, wie es in den letzten Tagen mehrere CDU-Politiker und implizit auch ein Kommentar in der taz gefordert haben? Ebenfalls nein. Legitim wäre ein solcher Schritt zwar. Unter Mitwirkung des Westens würde damit aber eine neue Eskalationsstufe erreicht – ohne großen Nutzen.

Für den russischen Überflug und vergleichbare Vorfälle der letzten Wochen sind mehrere Motive denkbar. Erstens: Russland will testen, wie gut die europäische Verteidigung funktioniert. Unter Vorbehalt – keiner von uns war vor Ort – kann man sagen: Sie hat funktioniert. Nato-Jets waren zur Stelle und hätten wohl eingreifen können, wenn die Gefahr eines Angriffs konkret geworden wäre. Zweitens: Russland wollte die europäische Bevölkerung verunsichern. Ein Stück weit ist das gelungen: Wem wurde ob der ersten Eilmeldungen aus Estland nicht mulmig?   […]

(Tobias Schulze, 22.09.2025)

Allerdings gibt es in der taz auch andere Stimmen; Redaktionskollege Dominic Johnson beschrieb es 24 Stunden zuvor ganz anders.

[….] Warum also reagiert die Nato nicht, wenn Russland Spähdrohnen nach Polen schickt, Kampfdrohnen über Rumänien leitet und zuletzt sogar drei Kampfjets zwölf Minuten lang ohne Kommunikation durch den Luftraum Estlands fliegen lässt? Die Türkei hat es vorgemacht: Man muss sich Respekt verschaffen. Klar, die russischen Jets wurden, wie es heißt, aus dem estnischen Luftraum „eskortiert“. Und man weiß nicht, wie Russland reagieren würde, wenn man auf eine russische Provokation Taten und nicht nur Worte folgen ließe. Aber man weiß, wie Russland reagiert, wenn man bei Worten bleibt: mit der nächsten Provokation, immer eine kleine Stufe höher. Je untätiger die Nato gegenüber Vorstößen aus Russland bleibt, desto mehr ermutigt sie russische Aggression.  [….]

(taz, 21.09.2025)

Der Kanzler hört aber offenkundig nicht auf Jürgen Hardt und Roderich Kiesewetter. Seine Möchtegern-Führungsrolle in der EU gibt Merz auf.

Schluss mit Außenkanzler. Deutschland isoliert sich in der EU und legt Brüssels Außenpolitik lahm. Ein katastrophale Fehlleistung des Kanzlers. Zur UN-Generalversammlung fliegt er erst gar nicht. Er lässt Macron im Stich.

[….] Kurz bevor am Dienstag bei den Vereinten Nationen in New York die diesjährige Generaldebatte beginnt, machen Frankreich und Saudi-Arabien am Vorabend der Uno-Generalversammlung einen spektakulären diplomatischen Aufschlag. Präsident Emmanuel Macron und der zugeschaltete saudische Kronprinz Mohammed bin Salman möchten bei einem Gipfeltreffen mit Dutzenden Staats- und Regierungschefs für eine Zweistaatenlösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern werben. Um den Druck auf Israel zu erhöhen, werden weitere westliche Staaten einen palästinensischen Staat anerkennen, darunter Frankreich. Am Sonntag hatten als erste der wirtschaftsstarken westlichen G7-Staaten Großbritannien und Kanada Palästina als Staat anerkannt, auch Australien und Portugal schlossen sich an.

Die Bundesregierung verfolgt einen zunehmend einsamen Kurs in der Nahostpolitik. [….] Die Bundesregierung weigert sich, einen Staat Palästina offiziell anzuerkennen. [….][….] Bundeskanzler Friedrich Merz betonte zuletzt, dass die Anerkennung eines palästinensischen Staates »gegenwärtig« nicht zur Debatte stehe. [….] Weltweit haben bereits rund 150 Staaten die palästinensischen Gebiete als Staat anerkannt. [….] Die vier Parteichefs von CDU, CSU und SPD vereinbarten am Sonntag in München, dass Deutschland vorerst keinen EU-Handelssanktionen gegen Israel zustimmen wird. Einen entsprechenden Vorstoß von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sehen die Koalitionsspitzen kritisch [….] Fest steht: Solange Deutschland blockiert, gibt es auf EU-Ebene nicht die benötigte Mehrheit für Sanktionen.

In weiten Teilen der EU stößt die Idee von Handelsbeschränkungen gegen Jerusalem auf Zustimmung. [….] Besonders die CSU steht bei Sanktionen auf der Bremse. »Wir weisen immer wieder darauf hin, dass wir aus unserer historischen Verantwortung ein historisch gewachsenes Freundschaftsverhältnis zu Israel haben«, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann am Montag. Und da gelte: »Dass man Freunde kritisieren kann, aber eben nicht sanktionieren«.[….] Jedes Jahr im September findet die Uno-Generalversammlung im New Yorker Hauptquartier der Vereinten Nationen statt. Es ist das wichtigste Diplomatie-Event des Jahres. Für Präsidenten und Regierungschefs ist das die Gelegenheit, sich der Weltöffentlichkeit zu präsentieren und ihre Vision von einer globalen Weltordnung vorzustellen. Und sie haben die Chance, am Rande der Konferenz wichtige Absprachen zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen. Donald Trump, Benjamin Netanyahu, Chinas Premier Li Qiang – sie alle werden da sein. Doch der Bundeskanzler fehlt. [….] Für den Kanzler hat das den vielleicht ja nicht ganz unwillkommenen Nebeneffekt, dass er sich und die deutsche Israelpolitik nicht gegenüber ausländischen Partnern rechtfertigen muss. In New York dürfte sich dieser Tage zeigen, dass Deutschland mit seiner Nahostpolitik zunehmend allein dasteht. Dass es um Merz einsam wird.  […]

(SPON, 22.09.2025)

Wieder ein Signal der Unterwürfigkeit aus dem Kanzleramt zum Kreml: Mit uns kannst du es machen!

Einmal mehr erweist sich Fritze Merz als internationales Desaster.

Sonntag, 21. September 2025

Das geht böse aus – Teil II

Auf einer Skala von Optimismus bis Pessimismus, liegt der Realismus inzwischen nah bei Letzterem.

Das ist schon praktisch für mich, da ich habituell Misanthrop und Pessimist bin. Also muss ich meine Einstellungen nicht ändern.

Es gilt die alte Küchenweisheit, nach der man als Pessimist wenigstens nicht enttäuscht werden kann, sondern höchstens positive Überraschungen erlebt.

Der Realo in mir erwartet angesichts der politischen Großlage – Klima, Nahost, Russland, Rechtsradikalismus, Demokratiefeindlichkeit, Trump, Social Media, Merz/Reiche-Regierung, Kampf um die Ressourcen, Pandemien, allgemeine Verdummung – keine angenehmen Überraschungen mehr.

Im Gegenteil, wir wissen schon seit Jahrzehnten, welchen Katastrophen wir entgegenrasen, sind aber unfähig, uns entsprechend zu rüsten.

Aber obwohl ich pessimistisch denke, war noch ein Fünkchen zu viel Gutgläubigkeit in mir. Denn offensichtlich habe ich die Geschwindigkeit, mit der sich die westliche, demokratische Welt in den Abgrund bewegt, noch unterschätzt.

Bisher hatte ich recht hoffnungsfroh ausgerechnet, als semi-ältlicher Kinderloser meine Landung auf dieser Affenkugel perfekt getimt zu haben: Geboren zufällig zu einer Zeit des Wachstums, an einer friedlichen Stelle des Planeten und dann auch noch zufällig als Mann, Weißer und Demokrat.

Die Restlaufzeit für ein halbwegs gutes Leben in Nordeuropa; bevor Krieg, Hitze, ökonomischer Niedergang zu irgendeiner Art von Flucht zwingen; taxierte ich auf etwa 20 Jahre. Das fiele ungefähr mit meinem natürlichen biologischen Lebensende zusammen. Sorge um die Nachkommen müsste ich mir nicht machen und könnte erleichtert die Hühner satteln.

Inzwischen erscheinen mir zwei Dekaden Lebensrestlaufzeit aber doch als zu lang. Die Einschläge kommen näher und erfolgen immer schneller.

Sicher, es war zu erwarten, daß Merz und Söder die Weichen auf Vergangenheit stellen und auf diese Art nicht nur das Klima und Deutschlands Zukunft, sondern auch sehr konkret die Ökonomie abwürgen werden. Aber daß sie so eifrig daran arbeiten, die AfD zur stärksten Partei zu machen, hatte ich unterschätzt.

Schon jetzt sind die Nazis bestimmende Kraft in Deutschland. Eine schwarzbraune Regierung hatte ich erst ab 2029 erwartet. Auch das könnte zu optimistisch gewesen sein, weil Merz sich sogar noch dümmer anstellt, als ich dachte. Ein vorzeitiges Kleiko-Aus ist durchaus möglich. Passiert das, während die Nazis bereits Ministerpräsidenten und 40%-Fraktionen in Ossistan stellen, werden Spahn, Ploß und Amthor erklären, der Wähler wolle nun einmal keine Koalition mit RRG-Parteien mehr und 1933 erneut aufführen.

Die USA transformieren sich weitgehend widerstandslos zu einer faschistischen Autokratie. Dort geht es noch schneller.

[….] Trump drängt offenbar US-Justizministerium zu Verfahren gegen politische Gegner

»Jetzt muss Gerechtigkeit her«, schreibt der US-Präsident auf Truth Social. Er bezieht sich damit auf zwei demokratische Kritiker und fordert seine Justizministerin zu Ermittlungen auf – worum es in dem Fall geht.  [….]

(SPON, 21.09.2025)

 

Seit Jahren arbeitet die Mehrheit der US-Gouverneure immer dreister daran, die Wahlgesetze zu ihren Gunsten zu ändern. Obwohl schon jetzt ein Republikaner mit 10%-Stimmenminderheit US-Präsident werden kann. Die Midterms werden aber auf noch nie dagewesene Art die demokratische Stimmabgabe unterdrücken. Dachte ich. Auch das erscheint mir inzwischen als zu optimistisch. Nun rechne ich mit einer Absage der Wahlen, sofern sich Trump nicht ganz sicher ist, zu gewinnen.

Vorwände lassen sich leicht finden. Nach acht Monaten Trump 2.0, haben sich Justiz, Opposition, Presse und Bürger als klar zu schwach und phlegmatisch erwiesen, sich dem Trump-Faschismus entgegen zu stellen. Das ermutigt die Antidemokraten.

Justiz und Presse lassen sich sagenhaft leicht gleichschalten im Land Of The Free.

[….] US-Präsident Donald Trump will innerhalb seiner Regierung vor allem eins: Menschen, die ihm gehorchen. Diejenigen, die ihre Loyalität gegenüber der US-Verfassung sehen und nicht gegenüber ihm, haben es da schwer. Das aktuellste Opfer dieser Philosophie scheint Erik Siebert zu sein. Der amtierende US-Bundesstaatsanwalt trat am Freitag nach zunehmendem Druck aus dem Weißen Haus zurück. Er soll sich geweigert haben, gegen eine langjährige Gegnerin des Präsidenten Anklage zu erheben.

„Heute Abend habe ich meinen Rücktritt als Interimsstaatsanwalt für EDVA (östlichen Bezirk des US-Bundesstaates Virginia) eingereicht“, schrieb Siebert laut US-Medien in einer E-Mail an seine Kollegen am Freitagabend. Nur wenige Stunden zuvor hatte Trump seine Entlassung gefordert. „Ich will, dass er geht“, sagte Trump auf die Frage eines ABC-News-Journalisten im Oval Office.  [….]

(taz, 21.09.2025)


Wieso sollte Trump also noch Wahlen riskieren, wenn er so einfach mit schlichten Willensäußerungen durchkommt? Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt Kritik an ihm für illegal.

[…] President Donald Trump doubled down on his administration’s brazen attacks on free speech in a Friday afternoon press conference, telling reporters that publishing negative stories about him is “really illegal.” [….]

(Daily Beast, 20.09.2025)

Die amerikanische Öffentlichkeit schluckt das. Geht nicht in Generalstreik. Sie werden auch eine Absage künftiger Wahlen hinnehmen.

[…] Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom gilt als möglicher Kandidat der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahl 2028 – befürchtet aber offenbar, dass Amtsinhaber Donald Trump keine freie und faire Abstimmung mehr zulassen wird. »In meinen Augen gibt es null Zweifel daran, dass er keine weitere Wahl haben will«, sagte Newsom dem »Sydney Morning Herald« in einem Telefoninterview.  Falls es doch eine Wahl geben werde, so Newsom, werde diese im Stil des russischen Präsidenten Wladimir Putin stattfinden: »das Vortäuschen einer Wahl, aber nicht fair, nicht offen. Davon bin ich absolut überzeugt.«

Newsom bescheinigte Trump »außerordentliche Effizienz« bei der Durchsetzung seiner Pläne. »Es ist chirurgisch. Die Verwirklichung einer Vision.« In der aufgeheizten Stimmung nach dem tödlichen Attentat auf den rechtsextremen Aktivisten Charlie Kirk würden Trump und seine Getreuen mit ihrer »rachelüsternen« Rhetorik zusätzlich Öl ins Feuer gießen.

Das sollte »allen einen kalten Schauer über den Rücken jagen«, sagte Newsom der australischen Zeitung. »Ich bin zutiefst besorgt ob der kommenden Wochen und Monate. Das ist ein höllischer Moment für unser Land.« [….]

(SPON, 21.09.2025)


 

Samstag, 20. September 2025

Die AfD-Booster von der CDU

Auf der Titelseite der SZ-Wochenendausgabe befindet sich eine mittelrichtige dpa-Meldung. Die AfD habe erstmals mit der CDU gleichgezogen.

SZ, s.1, 20.09.2015

CDUCSU und AfD bei je 26%. Das stimmt, wenn man sich nur auf die Zahlen des ZDF-Politbarometers bezieht. Aber die Forschungsgruppe Wahlen ist traditionell eher der CDU zugeneigt. Andere Institute sehen Union und Nazis schon lange Kopf an Kopf, oder sogar die AfD auf Platz 1.

INSA sagt am 20.09.2025: CDUCSU 25% und AfD 26%.

FORSA sagt am 12.08.2025: CDUCSU 24% und AfD 26%.

YOUGOV sagt am 17.09.2025: CDUCSU 26% und AfD 27%.

IPSOS sagt am 10.09.2025: CDUCSU 24% und AfD 25%.

Die Abstände befinden sich noch im Bereich der Fehlertoleranz, aber wenn schon vier Institute die Nazis als stärkste Partei in Deutschland messen, kann man den Trend nicht verschweigen. Zahlen, die einem nicht gefallen, zu bezweifeln, liegt nahe, wenn sie der politischen Wahrnehmung widersprechen. In diesem Fall aber entsprechen die demoskopischen Messungen exakt meinen Erwartungen, weil die Merz/Söder-Union lehrbuchartig Politik zur Stärkung der AfD betreibt. Sogar die hauseigene Parteistiftung des Kanzlers schreibt es schwarz auf weiß: Die CDU-Regierungspolitik stärkt den Faschismusin Deutschland.

[….] Die CDU hat bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen zwar gerade vergleichsweise gut abgeschnitten. Aber die AfD hat ihr Ergebnis trotzdem beinahe verdreifacht. Und in den bundesweiten Umfragen liegt sie auf Augenhöhe mit der Union. In Sachsen-Anhalt, wo im kommenden Jahr gewählt wird, rangiert die AfD sogar bei 39 Prozent – und damit weit vor der CDU. In den ostdeutschen Landesverbänden gibt es bereits Christdemokraten, die die sogenannte Brandmauer angesichts dieser Entwicklung nicht mehr für der Weisheit letzten Schluss halten. Wie soll die Union damit umgehen? 

Vielleicht könne man ja von der Entwicklung in anderen Ländern etwas lernen, fand man bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie hat deshalb die Lage in Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Schweden, Spanien und der Tschechischen Republik untersucht. Die Strategien zum Umgang mit Rechtspopulisten unterscheiden sich in diesen zehn Staaten erheblich. Sie reichen von konsequenter Abgrenzung über Tolerierungsmodelle und den Versuch einer produktiven Auseinandersetzung bis hin zur Kooperation und Einbindung in Regierungsverantwortung. [….] [….] Ganz anders sei es aber bei der dritten Gruppe, den „autoritär-rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien“. Diese hätten eine systemoppositionelle Grundhaltung, lehnten zentrale Prinzipien liberaler Demokratie ab und würden häufig prorussische außenpolitische Positionen beziehen und der EU ablehnend gegenüberstehen. Hier kommt die Adenauer-Stiftung zu einer klaren Einschätzung. Erstens: Mit solchen Parteien darf man nicht kooperieren. Und zweitens: Die AfD ist ein Vertreter dieses Typs von Parteien. [….]  Es zeige sich, „dass in maßgeblichen Fällen eine ‚Zähmung‘ rechtspopulistischer oder gar rechtsextremer Parteien durch Kooperation nicht gelungen ist und eher zu einer Schwächung der EVP-Mitgliedsparteien geführt hat“. [….]

(Robert Roßmann, 17.09.2025)

Die KAS ist spät dran. Seit Jahren zeigen Studien eindeutig, wie die Nazi-Parteien gestärkt werden, indem Konservative den rechten Rand imitieren. Die Konservativen wissen das. Schon im Juni 2020 erklärte der damalige CSU-Generalsekretär Markus Blume, man könne ein Stinktier nicht überstinken.

Die CDUCSU robbte aber sowohl als Opposition, als auch als Regentin immer näher an die AfD ran. Spahn, Klöckner, Linnemann, Ploß, Merz, Dobrindt könnten auch als AfD-Sprecher arbeiten und setzen Deutschland grotesk schadende Politik um: Verbrenner für immer, Gaskraftwerke bauen, Windkraft ausbremsen, Sprachverbote, Grenzschließungen, Migranten verscheuchen. Die Nazis sind in genau den Bundesländern stärk, wo CDU-Ministerpräsidenten die rechteste Politik machen.

Es gibt nur zwei Erklärungen für diese völlig wahnsinnige, vaterlandszerstörende Politik:

A)   Unionspolitiker sind unfassbar dumm und haben trotz aller wissenschaftlicher Erkenntnisse immer noch nicht begriffen, daß die Leute das Original wählen, wenn man die Nazi-Forderungen salonfähig macht.

B)   Unionspolitiker sind nicht so unfassbar dumm, die Zusammenhänge nicht zu kennen, sondern fördern ganz bewußt die faschistische Ideologie, weil sie damit sympathisieren oder auf eine Koalition als Höcke-Juniorpartner hinarbeiten.

Besonders drastisch zeigt die CDU derzeit bei den Themen Kirk, Hayali, Ruhs ihren Weg in den Trumpismus.

Wenn Dunja Hayali mit Todesdrohungen überzogen wird, stören sich die rechten CDU-Herren kein bißchen daran.

Aber einer rechtspopulistischen Hetzerin, die journalistische Standards nicht einhält, springen sie sofort bei.

Sie stellt sich hinter einen Vollblut-Nazi und Rassisten gegen die Demokraten.

Auf geradezu groteske Weise stellen sind Linnemann und Günther gegen die Fakten.

[….] Der NDR trennt sich von der umstrittenen Moderatorin Julia Ruhs. Das ist keine linke Agenda, wie Rechte fabulieren. Das ist Qualitätssicherung. [….] Hier sind wir wieder, in der nächsten Runde des ­„Cancel-Culture“-Karussells. Die Absetzung von Julia Ruhs durch den NDR hat eine neue Debatte über die Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Gang gesetzt. Zuvor moderierte sie drei Folgen des Reportageformats „Klar“, das nicht zuletzt von anderen Journalist*innen hinsichtlich der Qualität stark kritisiert wurde. So eine Gelegenheit, gegen eine vermeintliche links-grüne Meinungshegemonie zu schießen, lassen führende Politiker*innen selten sausen.

Ein „Tiefpunkt deutscher Debattenkultur“, klagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und fordert, die ÖRR-Gebühren einzufrieren, damit Druck entstehe und Reformen passierten. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) spricht von einem „extrem schlechten Signal“ und übergeht eine NDR-Veranstaltung zum Intendantenwechsel. Stattdessen besuchte er eine Veranstaltung in Kiel, auf der Ruhs’ neues Buch „Links-grüne Meinungsmacht – Die Spaltung unseres Landes“ vorgestellt wurde. Beides fand am Donnerstagabend statt. Offiziell sage Günther die NDR-Veranstaltung in Hamburg aus terminlichen Gründen ab. Er habe in Kiel bleiben müssen und deswegen spontan zugesagt. [….] 250 Mitarbeiter*innen des Norddeutschen Rundfunks sollen sich laut Welt in einem offenen Brief an ihre Vorgesetzten von „Klar“ distanziert haben. Darin äußern sie unter anderem Zweifel an der Einhaltung von im Medienstaatsvertrag festgeschriebenen journalistischen Standards. [….] Rechte Medien wittern in dieser Kritik durch Mitarbeitende des ÖRR eine Einseitigkeit des ÖRR; der Cicero etwa trauert der „einzigen konservativen Journalistin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ nach. [….]

Aber von einer Cancel-Culture kann keine Rede sein. Wie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) in einer Pressemitteilung schreibt, sei es Fakt, dass Ruhs nicht aus dem ÖRR rausgeschmissen werde, sondern weiterhin „Klar“ moderieren dürfe – fortan eben beim BR und im Wechsel mit anderen Kolleg*innen.

Nichts daran rechtfertige Aufgeregtheit bis in höchste politische Kreise. Besonders die Aussagen der CDU-Politiker kritisierte der Verband. Die Beiträge einzufrieren – wie von Linnemann gefordert –, sei „verfassungswidrig“. [….] Gecancelt wurde hier niemand. Es wurden nur die redaktionellen Vorschriften des NDR-Staatsvertrags beachtet, nämlich die Sorgfaltspflicht. [….]

(Wlada Froschgeiser und Jonas Kähler, 19.09.2025)

Der CDU-General ist entweder dumm, wie Bohnenstroh, oder er will ganz bewußt den Nazis noch ein paar Prozentpunkte mehr zuschieben.

Freitag, 19. September 2025

Katholischer Niedergang.

Wenn ein Papst die Hühner sattelt, um zu seinem Chef zu reisen, gerate ich stets in Sorge. Der Nachfolger könnte ein Sympath sein, der alte Zöpfe abschneidet und so den Katholizismus wieder attraktiv macht.

Außer bei Ratzinger, sah es seit dem letzten Atemzug Giovanni Montinis („Pillen-Paule“) am 06.08.1978, immer so aus.

Es gibt handfeste Hinweise, daß Nachfolger Luciani es mit Glasnost und Perestroika zu ernst meinte. Schon als Kardinal hatte er bei sich in Venedig die Tridentinische Messe untersagt und sich gegen das vatikanische Verbot von Verhütungsmitteln gestellt. Der eben noch kerngesunde 65-Jährige las sich im Papstpalast gründlich in die Finanzgebaren seiner Kurialen ein und wachte nach 33 Tagen nicht mehr auf. Fragen zur Todesursache konnten nicht geklärt werden, da der Vatikan eine Obduktion und damit die Klärung der Todesursache, verweigerte. Stattdessen wurde Luciani in Rekordzeit eingesargt.

Wojtyła und Bergoglio brachen ebenfalls stilistisch mit vielen Traditionen, gaben sich bescheiden und „lebensnah“. Theologisch waren sie aber ebenso stockkonservativ, wie der prunkaffine, totalitäre Ratzinger.  Der Peruaner Prevost wurde, wie seine genannten Vorgänger, nach seiner Wahl sofort als progressiv geframt. Aber nach gut 100 Tagen, zu seinem 70. Geburtstag, ließ auch der gegenwärtige Papst erklären, was er von Lockerungen des Zölibats, Homosexualität oder Frauenpriestertum hält: Nichts!

[….] Papst Leo XIV. kritisiert Segensfeiern für Homosexuelle[….] Was er über homosexuelle Paare und die Rolle der Frau in der Kirche zu sagen hat, wird die Reformer in der Kirche nicht erfreuen. [….] Erstmals äußert sich der neue Papst zu den in Deutschland und anderen Ländern Europas teilweise eingeführten kirchlichen Segensfeiern für homosexuelle Paare, und zwar klar ablehnend. Leo XIV. sagte, diese Segensfeiern verstießen „eindeutig gegen das von Papst Franziskus genehmigte Dokument ‚Fiducia supplicans‘“. Darin hatte Franziskus im Dezember 2023 die Segnung von Menschen in homosexuellen Partnerschaften, aber auch die Segnung von geschiedenen und wiederverheirateten Partnern erlaubt. Das Dokument sah allerdings den Segen nur als „spontane pastorale Geste“ vor, gewissermaßen als „Segen to go“. Eine eigene liturgische Form dürfe es nicht geben. [….] „Natürlich können wir alle Menschen segnen“, sagte Leo XIV. Das Dokument „Fiducia supplicans“ aber suche „nicht nach einem Weg, irgendeine Form des Segens zu ritualisieren, denn das entspricht nicht der Lehre der Kirche“. Er halte es für „hochgradig unwahrscheinlich, auf jeden Fall in der nahen Zukunft, dass sich die kirchliche Lehre in Bezug auf Sexualität und Ehe“ ändern werde. Außerdem sagte der Papst, LGBTQ-Themen führten zu einer Polarisierung in der Kirche, diese wolle er nicht vorantreiben. Die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern müsse wieder anerkannt und gestärkt werden. Und er teile die Einschätzung eines Kardinals während der Weltsynode, dass westliche Gesellschaften „zu sehr fixiert seien auf Fragen der sexuellen Identität“. [….] Die konkrete Frage, ob Frauen auch die niedrigste Weihestufe, das Diakonat, erreichen könnten, nannte er aber ein „heißes Eisen“. „Ich habe im Moment nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern“, sagte er in dem Interview. [….]

(Annette Zoch, 18.09.2025)

Die Überraschung ist wieder einmal ebenso groß, wie die Enttäuschung der braven Beitragszahler an der Basis. Aber auch dieser alte weiße Mann auf dem Papst-Thron scheint Katholik zu sein. Als Atheist hätte ich zwar lieber Burke, Dolan, Sarah, Müller, Erdö oder Woelki als Benedikt XVII. gesehen, aber Prevost scheint auch seine Funktion als Säkularisierungsbeschleuniger zu erfüllen. Die Europäer treten weiterhin in riesigen Strömen aus der Katholischen Kirche aus.

[…..] Er erklärte in seiner Predigt, dass ihm "der Glaubensverlust in der heutigen Zeit große Sorgen" bereite und dass dieser Mangel an Glauben oft "dramatische Begleiterscheinungen" mit sich bringe. Der Glaube, so der Papst, werde heutzutage als etwas "Absurdes" für "schwache und wenig intelligente Menschen" gesehen. Viele würden stattdessen Geld, Macht, Erfolg und Vergnügen vorziehen.

Ein Ausdruck dieses Glaubensverlustes ist die Entwicklung bei der Zahl der Kirchenmitglieder in Europa. [….] Überhaupt ist in zahlreichen europäischen Ländern die Zahl der Katholiken gesunken. In Deutschland etwa ist man 2024 erstmals in der Bundesrepublik unter die 20-Millionen-Marke gefallen (19,8), wie die Deutsche Bischofskonferenz Ende März bekanntgab. Anfang April hieß es zudem, dass Konfessionslose in Deutschlands Bevölkerung einen größeren Anteil ausmachten als Katholiken und Protestanten – auch das eine Premiere. Und 2024 wurden auch noch lediglich 29 neue Priester geweiht, was einen historischen Tiefstand bedeutet. [….] In Österreich ist die Mitgliederzahl der katholischen Kirchen in den vergangenen Jahrzehnten auch stark geschrumpft. Laut Bischofskonferenz gab es 2023 4,6 Millionen Katholiken und Katholikinnen, das entsprach 50,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. 2003, also 20 Jahre zuvor, waren es noch 5,7 Millionen gewesen, damals mehr als 80 Prozent der Bevölkerung.

Selbst in Spanien, das durch und durch als katholisch gilt, sind die Zahlen rapide gesunken. Laut dem in Madrid ansässigen Zentrum für Soziologieforschung haben im April gerade einmal 18,8 Prozent der Befragten angegeben, praktizierende Katholiken zu sein. 36,6 Prozent sehen sich als nicht praktizierende Katholiken. Die zusammengerechnet rund 55 Prozent sind weit entfernt von den mehr als 90 Prozent, die noch 1978 gegenüber dieser Forschungseinrichtung angegeben wurden. [….] Ähnliches spielt sich in Ungarn ab. Laut der Volkszählung 2023 gaben rund 2,9 Millionen Menschen an, katholisch zu sein. Im Vergleich zur Volkszählung im Jahr 2011 bedeutete das einen Rückgang von rund 985.000 Menschen oder knapp neun Prozentpunkten. [….]  Auch in Frankreich werden die Katholiken und die Priester weniger, selbst wenn 2024 ein kleiner Boom an Erwachsenentaufen gemeldet wurde. Mehr als die Hälfte der Menschen in Frankreich zwischen 18 und 59 Jahren geben an, keiner Religion anzugehören, während der Islam und andere christliche Religionen wachsen. [….] Am Beispiel Litauen, das dem europäischen Trend folgt, lässt sich gut erklären, weshalb die katholische Kirche schrumpft. Dem litauischen Medium Delfi zufolge sind die Gründe für diesen Trend eine zunehmende Säkularisierung, ausgelöst unter anderem durch das Loslösen der Jugend von der Religion, Imageprobleme der katholischen Kirche durch diverse Skandale oder auch die Globalisierung. [….]

(Der Standard, 21.05.2025)

Als Demokrat und Humanist kann ich es nur von ganzem Herzen begrüßen, wenn so viele Menschen, wie möglich, eine homophobe, misogyne, transphobe Kinderfic**rvereinigung verlassen. Es ist ein untrügliches Zeichen der Hoffnung, wenn sich der gute Dr. Prantl in Mr. Anti-Heiden verwandelt.

[….] In jedem Dorf, in jeder Stadt gibt es eine Notre-Dame. Es gib dort die kleinen und die großen Kathedralen, ohne die sich die Bürger ihren Ort nicht vorstellen können – und um die sie trauern würden, sollten sie abbrennen. Pascal Mercier hat in seinem berühmten Roman „Nachtzug nach Lissabon“ über sie geschrieben: „Ich brauche ihre Schönheit und ihre Erhabenheit. Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt. (...) Ich will mich einhüllen lassen von der herben Kühle der Kirchen. Ich brauche ihr gebieterisches Schweigen. Ich brauche es gegen das geistlose Gebrüll des Kasernenhofs und das geistreiche Geschwätz der Mitläufer.“ Das Problem ist nur: Der Zug nach Lissabon hat immer weniger Haltestellen.

Deutschland zählt derzeit noch 42 000 protestantische und katholische Kirchen und Kapellen. Über kurz oder lang wird es nur noch gut die Hälfte geben. Die Zahl der Katholiken und Protestanten schrumpft rasant, immer mehr Kirchenräume und Kirchenbauten werden nicht mehr benötigt – sie werden geschlossen, entwidmet, entweiht, profanisiert, umgenutzt, umgebaut, abgerissen. Bisweilen zieht ein Restaurant dort ein, manchmal ein Hotel, eine Bibliothek oder ein Kletterpark. Aus der einen Kirche ist eine Art Gemeinschaftsbüro geworden, ein Co-Working-Space mit Arbeitstischen, Lounges und Ruhezonen; aus der anderen wurde ein Wohnhaus mit 17 Wohneinheiten, aus der von Olaf Andreas Gulbransson gebauten Lukaskirche in Kelheim, Niederbayern, wurden Ferienwohnungen. [….]  Was soll geschehen mit den überzähligen Kirchengebäuden? Es geht ja dabei nicht um leere Hallen am Stadtrand. Es geht um das Zentrum von Stadtvierteln, um den Mittelpunkt von Dörfern; es geht um einen Ort von Geschichte und Identität, um einen Kristallisationspunkt von Kultur und Gesellschaft. Von den ungefähr 6000 Kirchen in Nordrhein-Westfalen werden bis zu dreitausend aus der Nutzung fallen. [….]  Franz Kamphaus, der verstorbene Limburger Altbischof und Hochschullehrer für Pastoraltheologie, hat gesagt: Die Kirche gleiche einem abgemagerten alten Mann in viel zu großen Kleidern; einmal hätten sie ihm wohl gepasst, aber jetzt hingen sie an ihm herunter und hinderten ihn am Gehen. Zu den zu großen Kleidern gehören auch die Kirchenräume.

Aber auch wenn sie den Gemeinden zu groß sind: Es sind prachtvolle Kleider darunter, viele sind atemberaubend schön. Die entgrenzende Architektur der Kirchen ist darauf angelegt, Zeit und Ewigkeit zu verbinden. Kirchen sind nicht zum Wohnen, sie sind zum Staunen gebaut. Sie sind in ihrem gebieterischen Charakter eine Zumutung für das moderne Individuum und in ihrer unerbittlichen Stille ein Angriff auf das Geschnatter der Social-Media-Welt. Wer in eine Kirche geht, macht einen Ausflug in die Transzendenz. [….]

(Heribert Prantl, 18.09.2025)

Donnerstag, 18. September 2025

Antizipation

Bei nahezu allen globalen und nationalen Mega-Problemen, frustrieren mich die mageren Aussichten, sie zu lösen. Auch notorische Optimisten müssen bei genauer Faktenkenntnis ins Lager der Pessimisten wechseln. Unbeschwert können nur noch echte Deppen bleiben, die ihre Augen fest vor der Realität verschließen.

Zur Frustration gesellt sich aber auch Wut. Wut, weil Klimawandel, Endlichkeit der fossilen Ressourcen, Überbevölkerung, Clash der Religionen, Gefährdung der Demokratie, drastische Umverteilung an die Superreichen, Migrationsdruck, Zusammenbruch der Rente und Pflege in Deutschland, schon so viele Jahrzehnte antizipiert wurden.

Wir kannten schon im letzten Jahrtausend die katastrophalen Folgen unseres Plastikmülls, analysierten das Desaster des deutschen Föderalismus‘, wußten, daß es kein Atommüllendlager gibt, Verbrenner-Autos dem Planeten aufheizen und konnten ausrechnen, wann die Boomer in Rente gehen und damit viel zu wenig Einzahler auf die Entnehmer der Sozialkassen kommen. Und wie lange wissen wir schon vom dem dramatischen Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung und Entbürokratisierung? All das wurde lange vorhergesehen, ohne sich je rechtzeitig darauf einzustellen. Seit den 1970ern wird präzise antizipiert, wie die Erderwärmung zu immer häufigeren Extremwetterereignissen führt. Dann kommt ein enormes Hochwasser in Bayern und der Ministerpräsident, der jahrelang den eigens dafür geplanten Hochwasserschutz verhinderte, stellt sich in Gummistiefeln in die Fluten und erklärt, damit habe nun wirklich niemand rechnen können!
In einer weniger irren Welt, träte so ein Ministerpräsident in Schimpf und Schande zurück; diente fürderhin als abschreckendes Negativbeispiel dafür, wie man keineswegs Politik machen darf.

    






Wir können aber nicht antizipieren und so schulte der Trottel-MP auf „Manisches Wurstfressen“ um. In dieser Rolle avancierte er zu einem der beliebtesten Politiker Deutschlands, talibanisiert die Bundesregierung mit seinen CSU-Ministern, wird in Bayern immer wieder gewählt und erklärt im Jahr 2025, Deutschland brauche keine Elektromobilität und solle zum Verbrenner zurückkehren. Irre.

Ein kurzer Blick zu Wikipedia:
[….] Antizipation (Psychologie)

Antizipation (von lateinisch anticipare ‚vorwegnehmen‘) bezeichnet in der Psychologie und Soziologie die vorwegnehmende gedankliche Erwartung oder Erwartungshaltung. Ein Ereignis zu antizipieren heißt, in Betracht zu ziehen, dass ein Ereignis eintreten kann. Sie leitet sich aus früheren Erfahrungen ab und äußert sich im subjektiven Erleben als Erwartungsspannung. Als Funktion der Strebung auf ein Ziel hin und durch die zu erwartende Erreichbarkeit kann sie motivierend wirken. Antizipation bezeichnet allgemein die vorausschauende Komponente jedes Erlebens und Verhaltens. Sie ist eine wichtige Voraussetzung ebenso für fließendes Lesen, wie für das Musizieren, im Sport oder beim Autofahren. […]

Antizipierendes Verhalten in der Politik scheint in Deutschland unbekannt zu sein.

Vielleicht habe ich mir eine Abart dieses Virus‘ auch schon eingefangen. Denn in den letzten Jahren entwickele ich die Fähigkeit, von den Dingen überrascht und geschockt zu sein, die ich zuvor selbst prognostizierte und gar nicht anders erwartete.

Wie kann ich beim Eintritt des ohnehin Erwarteten überrascht sein? Ist das nicht ein Paradox?

Tatsächlich kommt das häufig vor. Die neuen Pisa-Berichte sind jedes Mal ein Schock, obwohl wir seit Jahren wissen, wie verblödet deutsche Schüler sind, daß sie Finnen und Koreanern stets zwei Jahre hinterherhinken. Das Wort „Pisa-Schock“ hat es mittlerweile in den Duden gebracht: Allgemeine Bestürzung nach dem schlechten Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Studie.

Offenkundig ist „Pisa-Schock“ auch ein Oxymoron, da man von dem nicht anders erwarteten Ergebnis, geschockt ist.

Das Schock-Element wird mutmaßlich auch von der Unfähigkeit Deutschlands gespeist, sich aus der Erstarrung zu lösen und irgendetwas an den Zuständen zu verbessern. Schon lange vor Corona gingen vielen Apotheken hunderte gängige Medikamente aus, weil wir davon nichts mehr selbst herstellen, sondern vollständig von China und Indien abhängig sind. 2020 und 2021 starben Myriaden, weil es uns an Masken, Fiebersenkern, Hustenmitteln und Desinfektionslösungen fehlte. Daraufhin passierte fünf Jahren wieder GAR NICHTS und aktuell warnen vorm Beginn der Grippesaison, während die Covid-Infektionen rasend zunehmen, die Apothekerverbände.

[…]  Drohender Versorgungsmangel Apotheker sehen weiterhin Lieferengpässe bei Medikamenten

Antibiotika für Kinder, Mittel bei Asthma und ADHS: Hunderte Medikamente gelten derzeit als schwer verfügbar, sagt der Präsident des Apothekerverbands. Man sei sehr schlecht auf den Winter vorbereitet. Auch in diesem Jahr könnte es nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker Probleme bei der Versorgung mit bestimmten Medikamenten geben. »Das Thema Lieferengpässe bei Arzneimitteln ist ein Dauerthema geworden in den Apotheken«, sagte Präsident Thomas Preis der »Bild am Sonntag« . Man sei auf den Winter »sehr schlecht vorbereitet«.

Seiner Aussage nach sind aktuell über 500 Medikamente offiziell als schwer verfügbar gemeldet, bei einigen liege sogar ein »Versorgungsmangel« vor. Das bedeute, dass die Versorgungssicherheit nur mit Importen aus dem Ausland sichergestellt werden kann. Ähnliche Zahlen gab es auch in den Vorjahren. Besonders betroffen sind laut Preis Antibiotikasäfte für Kinder, ein Mittel gegen Asthma sowie bestimmte Medikamente für Menschen mit ADHS und psychischen Erkrankungen. [….]

(SPON, 14.09.2025)

Wir können es einfach nicht. Antizipieren liegt uns nicht. Wir wissen zwar vorher, was Böses kommen wird und kennen auch Lösungen, um das Elend abzuwenden. Aber statt sie umzusetzen, verfallen wir in Kohlsche Bräsigkeit, wählen rechte Parteien mit ihrem „zurück in die 1950er“-Approach und sind dann… überrascht …. , wenn das Desaster über uns einbricht. Genauso, wie wir es erwarteten.

Ein besonders schwerer Fall des Antizipationsversagens betrifft die MAGA-Ideologie, die wir nicht nur aus den vier ersten Trump-Amtsjahren kennen, sondern in ihrer Turbo-MAGA-Version im „Project 2025“ schwarz auf weiß niedergeschrieben wurde.

Da steht alles drin. Es ist wie Hitlers „Mein Kampf“, nur daß Trump zu dumm und unkonzentriert ist, seine Diktatoren-Bibel selbst zu schreiben.

Aber es ist die Blaupause für die Zerschlagung der Demokratie, die Vernichtung der Opposition, das Ende der Meinungs- und Pressefreiheit, die Zusammenführung der drei Gewalten in der Hand des Diktators.

Europa weiß seit Trumps erstem Wahlsieg 2016 was militärisch auf uns zukommt. Auf USA und NATO wird zukünftig kein Verlass mehr sein, wir müssen das selbst in die Hand nehmen, in der EU eine gemeinsame Verteidigungspolitik etablieren und entsprechend die nationalen Armeen modernisieren. Das war der Wissensstand 2016. Dann schliefen wir neun Jahre, wachten selbst im Februar 2022 nicht richtig auf, sind 2025 ganz überrascht von unserer eigenen fehlenden Vorbereitung, nur um gleich wieder in nationale Egoismen zu zerfallen. Waffen kaufen wir zukünftig Dank von der Leyens Deal, nur noch in den USA. Statt unabhängiger zu werden, setzen wir nun auf noch viel mehr Abhängigkeit in der Energie- UND Verteidigungspolitik. 

Tja und das leidige Thema „Cyberwar“, und „Aufklärung“ (intelligence) geben wir gleich ganz auf. Das können wir halt nicht selbst. Kaufen lieber Thiels Palantir und setzen auf das Wohlwollen der Trumpschen Geheimdienste.

Trump arbeitet inzwischen sein Drehbuch zur Gleichschaltung der USA weiter ab.

[….] Feldzug gegen Medien – wen Trump ins Visier nimmt

 [….] In den USA werden populäre Fernsehsendungen über Nacht abgesetzt, kritische Journalisten werden belehrt und bedroht. Die »New York Times«, die angesehenste Tageszeitung der Welt, wird von Trump auf 15 Milliarden Dollar verklagt, weil sie angeblich »unfair« über ihn und seine Regierung berichtet. Weil die Nachrichtenagentur AP den Golf von Mexiko nicht so nennen will, wie der Präsident es sich ausgedacht hat (»Golf von Amerika«), wird sie aus dem Weißen Haus ausgesperrt.

Zuletzt traf es Jimmy Kimmel, einen der beliebtesten Late-Night-Moderatoren der USA. Er hatte die MAGA-Bewegung im Zusammenhang mit dem Attentat auf Charlie Kirk kritisiert. [….] Die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump nennt den Golf von Mexiko in »Golf von Amerika« und den Berg Denali in Alaska in Mount McKinley um. Trump hatte die Namensänderungen wenige Stunden nach seinem Amtsantritt angekündigt. Es war eines seiner Wahlversprechen. Für den Sprachgebrauch in den USA ist die Umbenennung möglich, Nachbarstaaten und internationale Organisationen dürfen sie gern ignorieren. So ist es unter Experten Konsens.

Der Internetkonzern Google aber beugt sich der US-Vorgabe sofort, übernimmt sie in seinen Karten. Die Nachrichtenagentur AP weigert sich. Kurz darauf fliegt sie von der Liste der Medien, die aus dem Weißen Haus berichten dürfen. Die Associated Press ist die größte Nachrichtenagentur der USA, über 100 Jahre alt. Sie wehrt sich vor Gericht gegen Trump. Ein Bundesrichter gibt ihr Recht, die US-Regierung geht in Berufung.

Kurz darauf verlieren auch Reuters und Bloomberg Zugänge zum Weißen Haus. Dafür werden unter Trump rechte Onlineportale und regionale Nischenmedien zugelassen. Unter ihnen ist auch ein rechter Streaming-Reporter, der den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office nach seinem Anzug fragt.

Der kritische Moderator Jim Acosta verliert seinen angestammten Sendeplatz bei CNN und verlässt nach beinahe 20 Jahren den Sender. [….] Der Fernsehsender CBS hatte im Wahlkampf Trumps Widersacherin Kamala Harris interviewt. [….] Trump klagte, weil er dadurch benachteiligt worden sei. Das hoch verschuldete Unternehmen plant in dieser Zeit eine Fusion, für die es die Zustimmung der Aufsichtsbehörde FCC benötigt. Der Sender CBS stimmt schließlich einem Vergleich mit Trump zu und zahlt 16 Millionen US-Dollar. Laut Berichten wurden weitere 20 Millionen für Werbespots im Interesse des Trump-Umfelds in Aussicht gestellt.

Im Juli kündigt CBS an, die Late-Night-Show von Stephen Colbert einzustellen. Dieser hatte zuvor in seiner Sendung den Vergleich mit Trump als »eine große fette Schmiergeldzahlung« bezeichnet. [….] CBS ist nicht das einzige Medienunternehmen, der unter Trump kuscht. Der zu Disney gehörende TV-Sender ABC zahlte 15 Millionen Dollar, um einen Rechtsstreit beizulegen – offiziell an die Bibliothek des Präsidenten. Amazon hatte eine Million Dollar »gespendet«, um die Feierlichkeiten anlässlich von Trumps Vereidigung zu finanzieren. Der First Lady Melania Trump zahlt das Unternehmen von Multimilliardär Jeff Bezos 40 Millionen Dollar für eine TV-Dokumentation. Bezos gehört auch die »Washington Post«. »Er hat Angst vor Trump«, sagt  der frühere Chefredakteur Marty Baron. [….]

(SPON, 18.09.2025)

Ja, so ist der Trumpismus. Das musste man erwarten. Ich habe selbst schon in diesem Blog die liberalen Geister und prominenten Trump-Kritiker dazu aufgefordert, die USA aus Sicherheitsgründen zu verlassen. In Deutschland weiß man, was einem blühen kann, wenn man mit der Ausreise, dem Auswandern, zu lange wartet.

(…)  Andere von Trump attackierte Prominente, wie Jimmy Kimmel oder David Pakman, sichern sich ab, aktualisieren weitere Staatsbürgerschaften, treffen finanzielle Vorsorge.

Die Republikaner werten das als Erfolg, sind froh, die „liberals“ los zu sein.

Aber es sind auch schon 1,5 Millionen Latino-Farmarbeiter gegangen. Zuletzt machte eine ganze Flugzeugladung; 316 Südkoreaner, die ein Hyundai-Werk in Georgia aufbauten, Schlagzeilen. Der Konzern wollte Milliarden Dollar in den USA investieren und 8.500 Arbeitsplätze schaffen. Zum Dank jagte Trumps ICE die Koreaner und verhaftete sie.

Der Landwirtschaftssektor der USA liegt schon am Boden. Arbeitslosigkeit und Inflation steigen. Der massenhafte Braindrain muss so lange weitergehen, bis auch die Trumpanzees den ökonomischen Niedergang so stark erleben, daß sie nicht mehr republikanisch wählen. Im Nebeneffekt retten viele nach Europa ausgeflogene US-Amerikaner, die beispielsweise in Berlin oder Hamburg offen queer sein können, womöglich ihr Leben. (Noch. Auch in Deutschland wird es unter der Merz-CDU zunehmend gefährlich.)

Der Trump-Mob wird immer gewalttätiger und das Rechtssystem bricht bereits zusammen.

Wie es soweit kommen konnte, wurden zehntausendfach analysiert und beschrieben.

Wieso die Gegenwehr so schwach ist, wissen wir auch: Eine am Boden liegende demokratische Partei bietet keinen Hoffnungsträger. Die beinahe allmächtigen Tech-Oligarchen versammeln sich im Oval Office, um Trump den Arsch zu küssen. Viele haben schlicht Angst vor der Trump-Regierung. Zu Recht.

Sie müssen unter anderem deswegen Angst haben, weil die Vierte Gewalt sich zu Trumps Wiederwahl ganz freiwillig die Testikel abschnitt und nun nach nordkoreanischen Vorbild, den antidemokratischen Gewaltherrscher im Oval Office bejubelt. (….)

(Sorge um den Journalismus, 13.09.2025)

Aber als die Kimmel-Meldung gestern Nacht aufpoppte, war ich doch… geschockt.

[….] In den USA wird Kritik an der Trump-Administration immer riskanter. TV-Moderatoren verlieren ihre Jobs, Medienhäuser werden unter Druck gesetzt, und wer nicht spurt, riskiert seine Existenz. [….] Bei allem, was ich als Jugendlicher in der Schule über die Machtergreifung und die Schrecken der Nazi-Zeit beigebracht bekam, blieb für mich die Antwort auf diese eine Frage stets abstrakt: Wie konnte es so weit kommen? Angesichts der Geschehnisse in den USA hat sich das geändert. Die Erklärung ist banal: Es geht oft schlicht ums Geld.

Dass Jimmy Kimmel (57), US-Late-Night-Show-Moderator und Trump-Kritiker, von seinem Sender ABC kaltgestellt wurde, ist das aktuellste Beispiel für die Gleichschaltungsbestrebungen der Trump-Administration. Wer kritisch berichtet, wird diffamiert, ausgeschlossen, verklagt und bedroht.

„Wenn die Rendite in Gefahr ist, will sich Haltung niemand mehr leisten“

Die „New York Times“ verklagt der Präsident wegen angeblich falscher Berichterstattung auf Milliarden. Gegen TV-Stars wie Stephen Colbert, Jimmy Fallon und andere, die Trump von Berufs wegen regelmäßig mit Spott überziehen, pöbelt er seit Monaten. Colbert hatte seinen Job schon verloren. Bei Kimmel war es nun eine Äußerung zum Umgang der „MAGA-Gang“ mit dem Kirk-Attentat, die ihm zum Verhängnis wurde. Kurz darauf drohte Trumps Chef der Medienaufsicht dem ABC-Mutterkonzern Disney mit dem Entzug der Sendelizenz. [….]

(Maik Koltermann, Mopo, 18.09.2025)

Gilda Sahebi hat Recht. Man musste damit rechnen. Aber es geht verdammt schnell.

[….] Colbert, der immer schon bewies, dass Unterhaltung und Haltung keine Gegensätze sind, war Trumps erstes Late-Night-Opfer, bei Kimmel reichte ein Monolog über den Mord an Charlie Kirk: Er kritisierte jene, die das Verbrechen politisch ausschlachten wollten, und hielt ihnen den sogenannten Spiegel vor. Was Late Night schon immer war, nämlich kluge, zugespitzte Reflexion, wurde ihm zum Vorwurf. Senderketten wie Nexstar verweigerten die Ausstrahlung, die Aufsichtsbehörde FCC drohte und ABC setzte seine Show aus. Auf unbestimmte Zeit, wie es offiziell heißt.

Dass diese Aus- und Absetzungen Entscheidungen von ganz weit oben sind, bewies Trump mehr oder weniger selbst, als er Ende Juli auf seiner Plattform schrieb, er weise jede Verantwortung für Colberts Absetzung von sich – nur um einen halbgaren Satz später Jimmy Kimmel und Jimmy Fallon als „die nächsten im unbegabten Late-Night-Karussell“ zu verspotten und sich für ihren möglichen Untergang eine Mitverantwortung zu wünschen. Das liest sich heute wie eine Bestellung.  Das Late-Night-Format war einst das freie Terrain für den respektlosen Witz und die ironische Selbstbefragung einer ganzen Gesellschaft. Kimmels Sendung ist keine reine Unterhaltung, sondern eine Kulturtechnik der Demokratie.

Dass er seiner Show beraubt wird, ist mehr als ein medienpolitischer Zwischenfall. Es ist ein Desaster.  [……]

(Matthias Kalle, 18.09.2025)