Mittwoch, 5. November 2025

Sehr schöner Abend.

Ausgerechnet. Ausgerechnet diesmal habe ich nicht in NY gewählt, wo ich seit Jahrzehnten als Wähler registriert bin und immer wähle. Aber als physische Adresse zur Wahl gilt nun nicht mehr der Ort, wo meine Eltern mit mir lebten – Brooklyn – sondern das Haus meiner Cousine, außerhalb von NY City, auf Long Island.

In einem Solid Blue State mit Mehrheitswahlrecht war meine Stimme bisher immer irrelevant. Diesmal aber galt es zwischen dem ehemaligen New Yorker Gouverneur, dem demokratischen Urgestein Andrew Cuomo und dem ebenfalls demokratischen Zohran Mamdani zu entscheiden.

Aber auch, wenn ich nicht helfen konnte, sah es gut aus für Mamdani, weil er sich auf die Hilfe des offenkundig debilen Curtis Sliwa verlassen konnte, der als aussichtsloser Republikaner Cuomo 150.000 Stimmen nahm, so daß Mamdani auch mit unter 50% hätte Bürgermeister werden können.

Umso schöner, daß der neue demokratische Hoffnungsträger und Bürgermeister der mächtigsten Stadt der USA, dennoch die absolute und nicht nur die relative Mehrheit schaffte.

Schon eine beachtenswerte Gemeinsamkeit der größten Börse der Welt New York (New York Stock Exchange, NASDAQ) und der größten Börse Europas, London (London Stock Exchange, London Metal Exchange), daß beide superreichen Welt-Mega-Metropolen nun von linken Muslimen regiert werden.

Der arme Donald Trump weiß gar nicht mehr, wen er mehr hassen soll: Den Londoner Sir Sadiq Aman Khan, geb. 1970, den er seit 2016 regelmäßig mit Hassattacken überzieht, oder nun doch Zohran Kwame Mamdani, geb. 1991, den er ausbürgern, verhaften und ausweisen lassen will. Auf jeden Fall aber sollen die knapp neun Millionen New Yorker büßen, denen der US-Präsident alle finanziellen Mittel sperren will. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Taco Tits aus Rache auch bald Militär und Nationalgarde nach Manhattan einmarschieren lassen.

London und New York sind so unermesslich reich, weil sie Melting Pots sind, die Menschen aus aller Welt anziehen.

Das gilt, auf viel niedrigerer Ebene auch für Hamburg, das zwar mit seinen knapp zwei Millionen Einwohnern sicher keine Weltstadt ist, aber ebenfalls aufgrund seiner internationalen Multikulti-Struktur, die mit Abstand reichste Stadt Deutschlands ist.

Die Landstriche/Städte mit dem Merz-genehmen homogen-arischen Stadtbild ohne Migranten, sind nämlich allesamt nicht nur öde, sondern auch wirtschaftlich schwach. Ihnen fehlt die kulturelle und unternehmerische Energie.

Und wieso wählen ausgerechnet die steinreichen Multikulti-Städte New York, London und Hamburg links? Einerseits machen Linke die bessere Wirtschaftspolitik und andererseits sind sie Opfer ihres Erfolges und ihrer Attraktivität. Viele Menschen wollen dort leben und bringen viel Geld mit. Die Reichen und Schönen drängen eben nicht in die pechschwarzen CDU-Hochburgen bei Cloppenburg und Vechta. Dadurch werden die reichen Städte aber auch immer unbezahlbarerer. Es ist ein gruseliger Spaß, auf Social Media NYer realtors zu folgen, die stolz ihre neuesten Schnäppchen vorstellen: 1 Schlafzimmer, Wohnküche, 30qm, nur 4.400 Dollar.

Die Lebensmittelpreise sind ähnlich abenteuerlich. Natürlich wird ein Mann mit klassischer sozialdemokratischer Agenda, die in den USA freilich als „linksextrem“ gilt, attraktiv für viele Wähler. Insbesondere für die Jungen und Kreativen, bei denen Mamdani die meisten Stimmen holte.

[….]  Um kurz nach halb zehn hat Zohran Kwame Mamdani – Bürgermeisterkandidat der Demokraten, Sozialist, Muslim, einst Underdog – es geschafft: Er ist das neue politische Oberhaupt der größten Stadt der Vereinigten Staaten. [….] Wir befinden uns vor dem Littlefield, einem queeren Musik- und Comedy-Club in Brooklyn, dem Bezirk mit der höchsten Dichte an Mamdani-Unterstützern. Zur Wahlparty eingeladen haben die HotGirls4Zohran und die Creators4Zohran – zwei der vielen Gruppen von Freiwilligen, die Mamdanis offizielle Wahlkampagne in ein popkulturelles Spektakel verwandelt haben. Der Laden ist ausverkauft.

Mamdanis Anhänger: jung, schrill, bunt

Die meisten der Partybesucher sind jünger als ihr 34-jähriger Polit-Star Mamdani. Fast jeder trägt bunte Buttons oder T-Shirts im blau-orangenfarbenen Design der Zohran-Kampagne. Darauf zu lesen: „Queers for Zohran“, „Educators for Zohran“ oder schlicht die griffigen Slogans von Mamdanis Wahlkampf: „Miete einfrieren. Schnelle Busse umsonst. Besteuert die Reichen. Bezahlbare Wohnungen.“

Drinnen wartet Kaif Kabir. Der Comedy-Autor – Anfang dreißig, kurzgeschnittener schwarzer Bart, ein pinkes HotGirls4Zohran-Shirt – hat die gleichnamige Gruppe im März 2025 zusammen mit seiner guten Freundin, der Show-Produzentin Cait Camelia, gegründet. „Ich habe Cait ein Video gezeigt, in dem Zohran lautstark dagegen protestiert, dass Mahmoud Khalil deportiert wird“, erzählt Kabir und spielt auf ein Ereignis an, das viele junge Linke und Liberale als Kampfansage der Trump-Regierung verstanden haben: Der syrisch-palästinensische Aktivist und Student Khalil sollte im vergangenen März wegen seiner führenden Rolle bei der antiisraelischen Besetzung der Columbia University und seiner möglichen Unterstützung für die islamistische Terrororganisation Hamas abgeschoben werden.  [….]

(Jonathan Guggenberger, 05.11.2025)

Bluesky wurde heute mit hämischen linken Kommentaren gegen die SPD geflutet: Seht ihr, Klingbeil und Bas, wenn man nur soziale Politik macht, bekommt man auch absolute Mehrheiten.

Bemerkenswert unterkomplexe Primitiv-Schlüsse, die eher in den Postillon passen.

[….] SPD Große Verwirrung im Willy-Brandt-Haus! Nach dem Wahlsieg von Zohran Mamdani bei den Bürgermeisterwahlen in New York zeigte sich die Parteispitze der SPD (aktuelle Umfragen: 14-15%) verblüfft. Der Grund: Der Demokraten-Politiker holte ausgerechnet mit einem klassisch sozialdemokratischen Programm zugunsten der Arbeiterschaft über 50 Prozent der Stimmen.

"Hä? Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht!", stotterte der SPD-Chef Lars Klingbeil, während er sich immer wieder kräftig in den Arm zwickte. "Ich kann es mir momentan nur so erklären, dass dieser Mamdani die Wahl mithilfe von schwarzer Magie beeinflusst hat. Es ist nämlich unter normalen Umständen völlig unmöglich, im 21. Jahrhundert mit einem klassisch sozialdemokratischen Programm zugunsten der Arbeiterschaft Wählerstimmen zu holen, das weiß doch jedes Kind. Sonst würden wir das ja auch versuchen." [….]

(dpo, 05.11.2025)

Gute Satire. Aber der Vergleich Klingbeil-Mamdani hinkt viel zu gewaltig, um ihn ernsthaft anzustellen.

Recht hat er, der MONITOR-Chef: Man soll sich nicht von den Nazis die Themen diktieren lassen, sondern selbstbewußt seine eigenen Themen setzen.

Aber erstens ist NYC eben nicht Castrop-Rauxel, Wanne-Eickel oder Buxtehude. Insbesondere in Ostdeutschland wird ein quirliger muslimischer Migrant kaum als Kandidat vermittelbar sein.

Zweitens wird das linke Angebot – und mehr ist es bei Mamdani noch nicht – in Deutschland immer wieder mehrheitlich abgelehnt. SPD und Grüne und Linke hatten bei den letzten Bundestagswahlen immer eine Bürgerversicherung und eine Form der „Reichensteuer“ im Angebot. Dafür gab der Urnenpöbel aber nie eine Mehrheit.

Drittens beruht der gestrige Erfolg der Demokraten wesentlich auf der Unzufriedenheit mit Trump und den miesen ökonomischen Daten.

[….] Den wesentlichen Grund dafür haben sowohl die Wahlsiegerinnen in Virginia und New Jersey als auch der künftige Bürgermeister von New York City in den Mittelpunkt ihrer erfolgreichen Wahlkämpfe gestellt: "Affordability" - auf Deutsch: die viel zu hohen Lebenshaltungskosten, vor allem steigende Mieten und hohe Lebensmittelpreise, die sich immer mehr US-Bürger nicht leisten können.

Trumps Beteuerungen, mit ihm werde alles besser, haben sich als leere Versprechen entpuppt. Seine Zollpolitik hat vieles teurer gemacht. Und für den längsten Shutdown der Regierung machen die US-Bürger größtenteils die regierenden Republikaner verantwortlich.  [….]

(Tagesschau, 05.11.2025)



Denn bei allen Entscheidungen marschierten gestern die Demokraten durch.  Liberale Supremecourtrichter in PA wurden ebenso mit 2/3-Mehrheiten wieder gewählt, wie auch Gavin Newsoms „Proposition 50“-Neuordnung.

Die zentristischeren Kandidaten in New Jersey und Virginia kamen sogar auf bessere Ergebnisse, als Mamdani.


 

Viertens kann der neue New Yorker Bürgermeister schon deswegen nicht als Blaupause für Scholz, Klingbeil oder Bas herhalten, weil er ein begnadeter Kommunikator ist, der SocialMedia optimal nutzt, im direkten Kontakt überzeugt und zudem ein mitreißender Redner ist.

Durch die Debattenkultur an Highschools und Colleges sind viele Demokratische Politiker rhetorisch Lichtjahre besser, als alles, das wir in Deutschland haben.

Mamdani ist da keine Ausnahme. Ich empfehle, seine Siegesrede anzuhören. Sie ist beeindruckend.


[….] So machte Zohran Mamdani, der neue Superstar der Demokratischen Partei, bei seiner Siegesrede in New York unmissverständlich klar, dass es ihm zwar vor allem darum gehe, das Leben für Millionen von New Yorkern zu verbessern. Aber er verhehlte auch nicht, dass er New York als Bastion gegen Trump befestigen und verteidigen möchte. „Ich weiß, dass Sie zuschauen, Mr Trump“, sagte er in die Kameras. „Und ich sage Ihnen, drehen sie den Ton ruhig auf.“

New York sei bereit, den Kampf aufzunehmen, um gegen die illegalen und grausamen Verhaftungen der Einwanderungspolizei ICE vorzugehen, die Invasion durch die Nationalgarde zu verhindern und angedrohten Mittelkürzungen zu trotzen. Mehr noch, die Versicherung Mamdanis, New York sei eine Stadt der Einwanderer und nun durch einen Einwanderer geführt, war eine deutliche Breitseite gegen Trumps einwanderungsfeindliche Politik.  [….]

(Sebastian Moll, 05.11.2025)

Mamdanis Rede ist aber auch deprimierend, weil es im gesamten deutschen RRG-Spektrum nicht so einen Charismatiker und mitreißenden Redner gibt.

Wir haben auch keinen Rob Jetten. Ich wünschte, es wäre anders. Aber die deutschen Spitzenpolitiker sind tumbe Langweiler, die sich nicht richtig artikulieren können.


Den letzten richtig Guten verloren wir 2005 mit Joschka Fischer.

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