Gegen den Rundfunkbeitrag zu hetzen, ist leider bei rechts und links en vogue.
Die ARD/ZDF-Talkshows sind zu primitiven AfD-Verstärkern verkommen, es werden Hunderte Millionen für grotesk kommerzialisierte Sport-Großevents verplempert und Frau Strobl sorgt stets für den RECHTEN Dreh.
Das ist insbesondere bedauerlich, weil der „Öffentlich Rechtliche Rundfunk“ (ÖRR) unverzichtbar ist.
Wir brauchen eine seriöse Nachrichtenquelle, die nur an Qualitätsstandards und nicht nach Quote und Gewinn orientiert ist.
Bildung, Information und Kultur sind überlebenswichtig für die Gesellschaft. Umso bedauerlicher, daß Lanz, Nuhr und Miosga diesbezüglich so versagen.
Deswegen den gesamten ÖRR und die KEF in die Tonne zu treten, wäre aber absurd. Die Sender liefern schließlich auch Monitor, Presseclub, Extra3, Panorama, Reschke-Fernsehen und jede Menge weitere wichtige Informationsquellen. Let alone Phönix, 3Sat und arte.
Gestern half mir „arte“ eine alte Informationslücke zu schließen, derer ich mir gar nicht recht bewußt war. Die dreiteilige französische Dokumentation „Monaco - Zwergstaat mit großer Geschichte“ verschaffte mir endlich ein tieferes Verständnis über einen Staat, den ich bisher nur in Klischees kannte: Steuerparadies, Superreiche, Ernst-August von Hannover, Grace Kelly, Casino, Formel1, Yachten, Grimaldi-Prinzessinnen.
Monaco: Zwergstaat mit großer Geschichte (1/3)
In den 1980ern war ich sogar mal einen Tag in Monte Carlo, das ich aber in meinem alten Hirn lediglich als „nett und pittoresk“, wie eigentlich alle Orte an der Côte d’Azur, abgespeichert habe. In dem Alter störte mich die Wärme noch nicht so sehr. Als Tourist wird man auch nicht sofort auf soziale Probleme gestoßen. Die Serpentinen-Küste und die französische Kultur nicht zu mögen, kann ich mir kaum vorstellen. Monaco war halt dieser Felsen mit der weltberühmten Spielbank und einer auffälligen Häufung superteurer Autos.
Monaco: Zwergstaat mit großer Geschichte (3/3)
[….] Jahrhundertelang herrschte die Adelsfamilie Grimaldi nicht nur über Monaco, sondern auch über weite Teile Frankreichs. Heute liegt der nur 20 Hektar große Zwergstaat im Spannungsfeld mächtiger europäischer, politischer, diplomatischer und finanzieller Interessen. Zwischen Operettenkulisse, dynastischen Intrigen und den stillen Fluren von Kanzleien und Banken erzählt diese dreiteilige Serie die große Geschichte eines der kleinsten Staaten der Welt. […..]
(ARTE)
Die Grimaldis waren eine adelige Familie, die im 12. Jahrhundert zum Patriziat der Republik Genua gehörte, schließlich aber einen Machtkampf verlor. Die fünf superreichen Familien verzettelten sich in einem Interessensgestrüpp zwischen den beiden Machtpolen Kaiser und Papst. Die Doria, Spinola und Negrone unterstützten die kaisertreuen Ghibellinen, während die Grimaldi und die Fieschi zu den papsttreuen Guelfen standen. Letztere verloren und so floh Francesco Grimaldi im Januar 1297 nach Westen und „eroberte“ die neapolitanischen Festung Monaco. Damals ein recht wertloser Felsen, ohne Hinterland, ohne Verteidigung und ohne Wert.
In den folgenden Jahrhunderten verstanden es die Grimaldis durch Söldnerdienste, Korruption und sehr geschickte Heiratspolitik, sich über 100 Besitzungen, hauptsächlich in Frankreich, einzuverleiben.
Davon zeugt heute noch der offizielle Name des Fürsten:
Der vollständige Titel des jeweils regierenden Fürsten von Monaco lautet: Par
la Grâce de Dieu Prince de Monaco, Duc de Valentinois, Marquis des Baux, Comte
de Carladès, Baron du Buis, Seigneur de Saint-Rémy, Sire de Matignon, Comte de
Torigni, Baron de Saint-Lô, de la Luthumière et de Hambye, Duc d’Estouteville,
de Mazarin et de Mayenne, Prince de Château-Porcien, Comte de Ferrette, de
Belfort, de Thann et de Rosemont, Baron d’Altkirch, Seigneur d’Isenheim,
Marquis de Chilly, Comte de Longjumeau, Baron de Massy, Marquis de Guiscard.
Die offizielle Anrede des Fürsten lautet Son Altesse Sérénissime, abgekürzt S.A.S. le Prince (deutsch: Seine Durchlaucht (S.D.) der Fürst). Die persönliche Anrede lautet Monseigneur, was wie das italienische Monsignore „mein Herr“ bedeutet.
Ein bißchen blöd lief es beim Wiener Kongress 1815. Die Grimaldis verloren die meisten ihrer Besitzungen, sicherten sich aber durch Schleimerei und Korruption am französischen Hofe, das Glücksspielmonopol und wurden durch Spielsucht und Geldwäsche erneut reich. Schließlich erwuchs aber Glücksspiel-Konkurrenz an der gesamten Côte d’Azur, während die Grimaldi-Herrscher sich als völlig nutzlose Faulpelze und Prasser erwiesen. Sie trieben sich überall in der Welt rum, verjubelten das Geld und verachteten ihr eigenes Volk, gegen das sie immer wieder Kanonen einzusetzen drohten, wenn es wagte, Forderungen zu artikulieren.
Um sich an der Macht zu halten, traten sie Souveränität an Frankreich ab und wurden dafür vor den Monegassen beschützt. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges lag Monte Carlo aber endgültig am Boden.
Und nun wurde es richtig ekelhaft:
Die Grimaldis natterten sich an alles heran, das amoralisch, rechtsextrem und antisemitisch war: Kriminelle, Nazis, Italienische Faschisten, an das Vichy-Regime von Marschall Pétain.
In Monaco wurden hunderte Nazi-Holdings ansässig, die jüdische Vermögen, die durch „Arisierungen“ im Holocaust geraubt worden waren, wuschen und ins Ausland transferierten.
Eine besonders abscheuliche Rolle spielte dabei Pierre-Maurice-Marie Rivière, (* 7. November 1871 in Paris; † 7. November 1961 ebenda), der 1936 von Papst Pius XI zum Bischof von Monaco ernannt wurde. Und eifrig dabei half, die aus Deutschland nach Monaco geflüchteten Juden auszuliefern. 90 monegassische Juden wurden nach Auschwitz gebracht.
Grimaldi-Fürst Rainier III (1923-2003, f.1949) war zwar damals noch nicht im Amt und distanzierte sich von seinem fiesen Opi, Fürst Louis II. von Monaco (1870–1949), fand aber bis zu seinem Lebensende nie ein Wort des Bedauerns über die Verbrechen seines Staates in der Nazi-Zeit.
Erst sein Sohn Albert II. sprach 2015 eine Entschuldigung aus. 70 Jahre zu spät!
[….] 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat das Fürstentum Monaco ein Denkmal für Juden enthüllt, die in nationalsozialistische Konzentrationslager deportiert wurden. Fürst Albert II. präsentierte am Donnerstag auf dem Friedhof von Monaco das Monument, in das die Namen von Dutzenden von Opfern geritzt sind. In der Nacht vom 27. auf den 28. August 1942 hatten monegassische Behörden, die unter dem Befehl der Nazi-Kollaborateure in Frankreich standen, mindestens 66 Juden zusammengetrieben. [….]
(taz, 28.082015)
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