Freitag, 19. September 2025

Katholischer Niedergang.

Wenn ein Papst die Hühner sattelt, um zu seinem Chef zu reisen, gerate ich stets in Sorge. Der Nachfolger könnte ein Sympath sein, der alte Zöpfe abschneidet und so den Katholizismus wieder attraktiv macht.

Außer bei Ratzinger, sah es seit dem letzten Atemzug Giovanni Montinis („Pillen-Paule“) am 06.08.1978, immer so aus.

Es gibt handfeste Hinweise, daß Nachfolger Luciani es mit Glasnost und Perestroika zu ernst meinte. Schon als Kardinal hatte er bei sich in Venedig die Tridentinische Messe untersagt und sich gegen das vatikanische Verbot von Verhütungsmitteln gestellt. Der eben noch kerngesunde 65-Jährige las sich im Papstpalast gründlich in die Finanzgebaren seiner Kurialen ein und wachte nach 33 Tagen nicht mehr auf. Fragen zur Todesursache konnten nicht geklärt werden, da der Vatikan eine Obduktion und damit die Klärung der Todesursache, verweigerte. Stattdessen wurde Luciani in Rekordzeit eingesargt.

Wojtyła und Bergoglio brachen ebenfalls stilistisch mit vielen Traditionen, gaben sich bescheiden und „lebensnah“. Theologisch waren sie aber ebenso stockkonservativ, wie der prunkaffine, totalitäre Ratzinger.  Der Peruaner Prevost wurde, wie seine genannten Vorgänger, nach seiner Wahl sofort als progressiv geframt. Aber nach gut 100 Tagen, zu seinem 70. Geburtstag, ließ auch der gegenwärtige Papst erklären, was er von Lockerungen des Zölibats, Homosexualität oder Frauenpriestertum hält: Nichts!

[….] Papst Leo XIV. kritisiert Segensfeiern für Homosexuelle[….] Was er über homosexuelle Paare und die Rolle der Frau in der Kirche zu sagen hat, wird die Reformer in der Kirche nicht erfreuen. [….] Erstmals äußert sich der neue Papst zu den in Deutschland und anderen Ländern Europas teilweise eingeführten kirchlichen Segensfeiern für homosexuelle Paare, und zwar klar ablehnend. Leo XIV. sagte, diese Segensfeiern verstießen „eindeutig gegen das von Papst Franziskus genehmigte Dokument ‚Fiducia supplicans‘“. Darin hatte Franziskus im Dezember 2023 die Segnung von Menschen in homosexuellen Partnerschaften, aber auch die Segnung von geschiedenen und wiederverheirateten Partnern erlaubt. Das Dokument sah allerdings den Segen nur als „spontane pastorale Geste“ vor, gewissermaßen als „Segen to go“. Eine eigene liturgische Form dürfe es nicht geben. [….] „Natürlich können wir alle Menschen segnen“, sagte Leo XIV. Das Dokument „Fiducia supplicans“ aber suche „nicht nach einem Weg, irgendeine Form des Segens zu ritualisieren, denn das entspricht nicht der Lehre der Kirche“. Er halte es für „hochgradig unwahrscheinlich, auf jeden Fall in der nahen Zukunft, dass sich die kirchliche Lehre in Bezug auf Sexualität und Ehe“ ändern werde. Außerdem sagte der Papst, LGBTQ-Themen führten zu einer Polarisierung in der Kirche, diese wolle er nicht vorantreiben. Die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern müsse wieder anerkannt und gestärkt werden. Und er teile die Einschätzung eines Kardinals während der Weltsynode, dass westliche Gesellschaften „zu sehr fixiert seien auf Fragen der sexuellen Identität“. [….] Die konkrete Frage, ob Frauen auch die niedrigste Weihestufe, das Diakonat, erreichen könnten, nannte er aber ein „heißes Eisen“. „Ich habe im Moment nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern“, sagte er in dem Interview. [….]

(Annette Zoch, 18.09.2025)

Die Überraschung ist wieder einmal ebenso groß, wie die Enttäuschung der braven Beitragszahler an der Basis. Aber auch dieser alte weiße Mann auf dem Papst-Thron scheint Katholik zu sein. Als Atheist hätte ich zwar lieber Burke, Dolan, Sarah, Müller, Erdö oder Woelki als Benedikt XVII. gesehen, aber Prevost scheint auch seine Funktion als Säkularisierungsbeschleuniger zu erfüllen. Die Europäer treten weiterhin in riesigen Strömen aus der Katholischen Kirche aus.

[…..] Er erklärte in seiner Predigt, dass ihm "der Glaubensverlust in der heutigen Zeit große Sorgen" bereite und dass dieser Mangel an Glauben oft "dramatische Begleiterscheinungen" mit sich bringe. Der Glaube, so der Papst, werde heutzutage als etwas "Absurdes" für "schwache und wenig intelligente Menschen" gesehen. Viele würden stattdessen Geld, Macht, Erfolg und Vergnügen vorziehen.

Ein Ausdruck dieses Glaubensverlustes ist die Entwicklung bei der Zahl der Kirchenmitglieder in Europa. [….] Überhaupt ist in zahlreichen europäischen Ländern die Zahl der Katholiken gesunken. In Deutschland etwa ist man 2024 erstmals in der Bundesrepublik unter die 20-Millionen-Marke gefallen (19,8), wie die Deutsche Bischofskonferenz Ende März bekanntgab. Anfang April hieß es zudem, dass Konfessionslose in Deutschlands Bevölkerung einen größeren Anteil ausmachten als Katholiken und Protestanten – auch das eine Premiere. Und 2024 wurden auch noch lediglich 29 neue Priester geweiht, was einen historischen Tiefstand bedeutet. [….] In Österreich ist die Mitgliederzahl der katholischen Kirchen in den vergangenen Jahrzehnten auch stark geschrumpft. Laut Bischofskonferenz gab es 2023 4,6 Millionen Katholiken und Katholikinnen, das entsprach 50,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. 2003, also 20 Jahre zuvor, waren es noch 5,7 Millionen gewesen, damals mehr als 80 Prozent der Bevölkerung.

Selbst in Spanien, das durch und durch als katholisch gilt, sind die Zahlen rapide gesunken. Laut dem in Madrid ansässigen Zentrum für Soziologieforschung haben im April gerade einmal 18,8 Prozent der Befragten angegeben, praktizierende Katholiken zu sein. 36,6 Prozent sehen sich als nicht praktizierende Katholiken. Die zusammengerechnet rund 55 Prozent sind weit entfernt von den mehr als 90 Prozent, die noch 1978 gegenüber dieser Forschungseinrichtung angegeben wurden. [….] Ähnliches spielt sich in Ungarn ab. Laut der Volkszählung 2023 gaben rund 2,9 Millionen Menschen an, katholisch zu sein. Im Vergleich zur Volkszählung im Jahr 2011 bedeutete das einen Rückgang von rund 985.000 Menschen oder knapp neun Prozentpunkten. [….]  Auch in Frankreich werden die Katholiken und die Priester weniger, selbst wenn 2024 ein kleiner Boom an Erwachsenentaufen gemeldet wurde. Mehr als die Hälfte der Menschen in Frankreich zwischen 18 und 59 Jahren geben an, keiner Religion anzugehören, während der Islam und andere christliche Religionen wachsen. [….] Am Beispiel Litauen, das dem europäischen Trend folgt, lässt sich gut erklären, weshalb die katholische Kirche schrumpft. Dem litauischen Medium Delfi zufolge sind die Gründe für diesen Trend eine zunehmende Säkularisierung, ausgelöst unter anderem durch das Loslösen der Jugend von der Religion, Imageprobleme der katholischen Kirche durch diverse Skandale oder auch die Globalisierung. [….]

(Der Standard, 21.05.2025)

Als Demokrat und Humanist kann ich es nur von ganzem Herzen begrüßen, wenn so viele Menschen, wie möglich, eine homophobe, misogyne, transphobe Kinderfic**rvereinigung verlassen. Es ist ein untrügliches Zeichen der Hoffnung, wenn sich der gute Dr. Prantl in Mr. Anti-Heiden verwandelt.

[….] In jedem Dorf, in jeder Stadt gibt es eine Notre-Dame. Es gib dort die kleinen und die großen Kathedralen, ohne die sich die Bürger ihren Ort nicht vorstellen können – und um die sie trauern würden, sollten sie abbrennen. Pascal Mercier hat in seinem berühmten Roman „Nachtzug nach Lissabon“ über sie geschrieben: „Ich brauche ihre Schönheit und ihre Erhabenheit. Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt. (...) Ich will mich einhüllen lassen von der herben Kühle der Kirchen. Ich brauche ihr gebieterisches Schweigen. Ich brauche es gegen das geistlose Gebrüll des Kasernenhofs und das geistreiche Geschwätz der Mitläufer.“ Das Problem ist nur: Der Zug nach Lissabon hat immer weniger Haltestellen.

Deutschland zählt derzeit noch 42 000 protestantische und katholische Kirchen und Kapellen. Über kurz oder lang wird es nur noch gut die Hälfte geben. Die Zahl der Katholiken und Protestanten schrumpft rasant, immer mehr Kirchenräume und Kirchenbauten werden nicht mehr benötigt – sie werden geschlossen, entwidmet, entweiht, profanisiert, umgenutzt, umgebaut, abgerissen. Bisweilen zieht ein Restaurant dort ein, manchmal ein Hotel, eine Bibliothek oder ein Kletterpark. Aus der einen Kirche ist eine Art Gemeinschaftsbüro geworden, ein Co-Working-Space mit Arbeitstischen, Lounges und Ruhezonen; aus der anderen wurde ein Wohnhaus mit 17 Wohneinheiten, aus der von Olaf Andreas Gulbransson gebauten Lukaskirche in Kelheim, Niederbayern, wurden Ferienwohnungen. [….]  Was soll geschehen mit den überzähligen Kirchengebäuden? Es geht ja dabei nicht um leere Hallen am Stadtrand. Es geht um das Zentrum von Stadtvierteln, um den Mittelpunkt von Dörfern; es geht um einen Ort von Geschichte und Identität, um einen Kristallisationspunkt von Kultur und Gesellschaft. Von den ungefähr 6000 Kirchen in Nordrhein-Westfalen werden bis zu dreitausend aus der Nutzung fallen. [….]  Franz Kamphaus, der verstorbene Limburger Altbischof und Hochschullehrer für Pastoraltheologie, hat gesagt: Die Kirche gleiche einem abgemagerten alten Mann in viel zu großen Kleidern; einmal hätten sie ihm wohl gepasst, aber jetzt hingen sie an ihm herunter und hinderten ihn am Gehen. Zu den zu großen Kleidern gehören auch die Kirchenräume.

Aber auch wenn sie den Gemeinden zu groß sind: Es sind prachtvolle Kleider darunter, viele sind atemberaubend schön. Die entgrenzende Architektur der Kirchen ist darauf angelegt, Zeit und Ewigkeit zu verbinden. Kirchen sind nicht zum Wohnen, sie sind zum Staunen gebaut. Sie sind in ihrem gebieterischen Charakter eine Zumutung für das moderne Individuum und in ihrer unerbittlichen Stille ein Angriff auf das Geschnatter der Social-Media-Welt. Wer in eine Kirche geht, macht einen Ausflug in die Transzendenz. [….]

(Heribert Prantl, 18.09.2025)

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