Sonntag, 14. September 2025

Vergewaltigung der Realität – Teil II

Als der Vizekönig von Mordor am 14.02.2025 in München zur Sicherheitskonferenz von seinem Nazgûl stieg, erklärte er den staunenden Europäern, Deutschland gefährde die Meinungsfreiheit. In Europa grassiere mangelndes Demokratieverständnis.

[….] Die größte Gefahr liege im Inneren. Es folgt ein fast halbstündiger Vortrag, indem Vance den Europäern ein verkommenes Demokratieverständnis vorwarf.  "Wenn ich mich in Europa umschaue, frage ich mich, was mit den Gewinnern des Kalten Kriegs passiert ist", so Vance. Er zählt mehrere vermeintliche Beispiele auf: die annullierte Wahl in Rumänien oder Durchsuchungen nach Online-Hass-Kommentaren in Deutschland. In England sei ein Abtreibungsgegner angezeigt worden, nur weil er seine Meinung geäußert habe. [….] Auch die Gastgeber bekommen ihr Fett weg: Dass keine Vertreter von populistischen Parteien - damit dürfte er AfD und BSW gemeint haben - eingeladen sind, könne er nicht nachvollziehen. [….]

(Tagesschau, 14.02.2025)

Sprachs, flog zurück zu seinem orangen Herrn der Lügen und arbeitet seither eifrig daran, Demokratie und Redefreiheit in den USA vollständig abzuschaffen:

Wer es wagt, kritische Fragen zu stellen, verschwindet aus dem White House-Pressecorps. Missliebige Richter werden verhaftet und bedroht. Trumps mit hunderten Milliarden überhäufte Tech-Oligarchen bringen die Presse auf Linie.

Universitäten und Forscher, die den Klimawandel analysieren, werden kalt gestellt. Comedians, die zu viele Trump-Witze machen, entlassen. Sendern, die der Regierung nicht devot zujubeln, droht der Entzug der Lizenz. Museen, die über die US-amerikanische Sklaverei und Rassismus aufklären, werden geschlossen. Kulturinstitutionen, wie das Kennedy-Center, gleichgeschaltet und unter Trumps persönliche Aufsicht gestellt. In Städte, deren Bewohner es wagten, einen Demokraten als Bürgermeister zu wählen, rückt die US-Armee ein.


In Deutschland läuft es (noch) ziemlich anders. Museen, Schulen und Universitäten klären über die deutsche Vergangenheit auf, ohne befürchten zu müssen, daß Merz einen nächtlichen Wutanfall bekommt und am nächsten Morgen die GSG9 schickt. Es gibt Journalisten aus allen politischen Richtungen, die mit beinahe jedem sprechen.

[….] taz: Frau Hayali, Sie sind dafür bekannt, dass Sie mit allen reden, auch mit der AfD und ihren Wählern. Das ist für manche Leute ja immer noch die Frage: Soll man mit denen überhaupt sprechen, und wenn ja, wie?

Dunja Hayali: Als Journalistin spreche ich mit allen, höre zu und versuche, durch Fragen zu verstehen, ohne automatisch Verständnis für die Position zu haben beziehungsweise zu entwickeln. [….] Wenn eine Partei demokratisch gewählt wurde – ob sie demokratisch ist, steht auf einem anderen Blatt – und eine gewisse Prozentzahl X der Bevölkerung im deutschen Bundestag vertritt, dann müssen wir uns als öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit ihr auseinandersetzen. Die Frage ist, wie. Und da gibt es immer wieder Diskussionsbedarf und eine Überprüfung der eigenen Maßstäbe. [….]

taz: Wenn Sie Interviews mit AfDlern führen, kriegen Sie sofort einen Shitstorm.

Hayali: Ja. Das ist mittlerweile erprobt und erlernt, und zwar von allen Seiten. Der Shitstorm kommt von denen, die die AfD ablehnen, verachten, hassen. Und auch von denen, die sie wählen oder Mitglieder dieser Partei sind. Diese Begleitmusik ist unangenehm, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Meistens jedenfalls. Auch, dass Aussagen aus dem Kontext gerissen oder mir Dinge unterstellt werden, die ich mal gesagt oder gemeint haben soll. Verwundert bin ich immer wieder über die Aussage, wir müssten die AfD stellen und entlarven. Das ist doch bereits passiert. Jeder, der es lesen, hören und wissen will, kommt an diesem Befund nicht vorbei. Da ist nichts mehr im Verborgenen. Deshalb auch der Zusatz: Wer sie wählt, wählt sie nicht trotz der Inhalte, sondern genau wegen der Inhalte. [….]

Ich bin beruflich wie privat neugierig genug, um Leuten auf die Nerven zu gehen, bis sie mit der Sprache rausrücken. Ich will nachvollziehen können, wieso jemand wie denkt, warum er was fordert, warum er sich von plumpen Antworten angezogen fühlt, oder, im Fall von Alice Weidel, es zu lauter Widersprüchen kommt. Manchmal entwickeln sich Gedanken auch während eines Interviews. [….]

taz: Mit dieser differenzierten ­Position machen Sie sich gerade in ­Milieus, die sich als progressiv verstehen, nicht nur Freunde.

Hayali: Ist ja auch okay, dass das kritisch gesehen und kritisiert wird. Das muss ich aushalten. [….]

taz: Der Medienwissenschaftler ­Bernhard Pörksen hat ein wegweisendes Buch geschrieben, „Zuhören“ heißt es. Er sagt: Sprechen können wir schon, aber zuhören können wir nicht. Jedenfalls nicht anderen Positionen. Wie sehen Sie das?

Hayali: Mein Eindruck ist, dass nicht wenige Menschen fast gar nicht mehr zuhören können. Sie wollen sich im Grunde nur in ihrer eigenen Meinung bestätigt sehen. Mal jemanden eine bis zwei Minuten reden lassen, fällt einigen schwer, selbst wenn sie zustimmen. [….] [….] [….]

(taz, 14.09.2025)

Dunja Hayali ist zweifellos ein Glücksfall für das ZDF. Sie ist freundlich, offen für jeden, aber dabei keineswegs beliebig, sondern kommt mit klarer demokratischer Haltung daher. Die enorme weltweite Aufmerksamkeit nach dem Attentat auf den elenden Charlie Kirk, verschwieg sie selbstverständlich nicht. Sie gab faktisch völlig korrekt Kirks Positionen wider, verurteilte unmissverständlich Gewalt und jede Form der Rechtfertigung des Attentats.


[….] In der Ausgabe des ZDF-„heute journals“ vom Donnerstag sagte Moderatorin Dunja Hayali über das Attentat auf Kirk: „Dass es nun Gruppen gibt, die seinen Tod feiern, ist mit nichts zu rechtfertigen, auch nicht mit seinen oftmals abscheulichen, rassistischen, sexistischen und menschenfeindlichen Aussagen.“  […..]

(Berliner Zeitung, 14.09.2025)

 

Seither tobt ein veritabler Shitstorm gegen Hayali. Rechte, Nazis, Verschwörungstheoretiker, Nius, Reichelt, Werteunion, Springer, Joachim Steinhöfel, AfD, Cicero, der Urinduscher, Apollo News, JF, Rassisten und Frauenhasser laufen verbal Amok.

Das klassische Muster: Die liberale Hayali verurteilt Gewalt, die Rechten rufen zu Gewalt auf.

[….] Die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hat sich nach ihren Äußerungen zum Attentat auf den rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk auf Instagram gegen die massive Kritik im Netz gewehrt. Auf Instagram erklärte die 51-Jährige am Samstagabend, dass es zu ihrem Job gehöre, zu „zeigen und zu sagen, was ist“. Wenn jemand finde, dass sie ihren Job nicht gut mache, und diese Meinung äußern wolle, sei das „fair enough“. Allerdings „nicht so“, wie es einige im Netz getan hätten. Anschließend blendet Hayali in ihrem Beitrag drei Screenshots ein, auf denen sehr drastische Kommentare zu sehen sind, in denen ihr Gewalt angedroht wird. „Ich hoffe, Sie werden auch vor ihrer Familie erschossen“, heißt es in einem der Kommentare. Die ZDF-Moderatorin sagt, dass es sie immer wieder wundere, dass Menschen einerseits Gewalt verurteilen und dann andererseits jemand anderem Gewalt androhen. „Das passt weiterhin nicht zusammen.“ Abschließend sagt Hayali: „Aber werden Sie glücklich damit. Gute Nacht“. In der Beschreibung ihres Instagram-Beitrags kritisiert sie, dass Gewalt dann „scheinbar doch okay“ sei, wenn es nur „die Richtige“ treffe. […..]

(Berliner Zeitung, 14.09.2025)

Der Sturm in den braunen Netzwerken tobte so gewaltig, daß er auch in der Blase der selbsternannten Kämpfer für die Meinungsfreiheit Trump und Vance ragte.

Für sie bedeutet Meinungsfreiheit, daß nur ihre Meinung frei ist und alle anderen sanktioniert werden müssen. Da sind sie sich mit den deutschen Rechten einig, die Meinungsfreiheit als ihr persönliches Recht auf unwidersprochenes Gehör missverstehen.

Werden ihre abstrusen Ansichten nicht prominent in den Leitmedien multipliziert, verstehen sie es genauso als „man darf ja nichts mehr sagen“, wie auch jede Kritik an ihrer Meinung. Dann fordern sie Gewalt. Der US-Vizeaußenminister Landau schaltete sich ein, fordert den Entzug des Journalistenvisums für ZDF-Mann Elmar Thevesen, sowie Hayali mit einem Einreiseverbot zu belegen.

Bergers Phimoseblog 14.09.2025


Auf X schrieb Landau: „Ausländer, die Gewalt und Hass verherrlichen, sind keine willkommenen Besucher in unserem Land.“ Er habe die Konsularbeamten angewiesen, „geeignete Maßnahmen“ zu prüfen.

[….] Zuvor hatte bereits der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, über Theveßen geschrieben: „Dieser radikale linke Deutsche ruft immer wieder zur Gewalt gegen Menschen auf, mit denen er politisch nicht einer Meinung ist. Er gibt sich als Journalist in Washington, D.C. aus. Sein Visum sollte widerrufen werden. Für diese Art von Aufwiegler gibt es in Amerika keinen Platz.“ Grenell ist heute US-Sondergesandter von Präsident Donald Trump bei den Vereinten Nationen. [….]

(Junge Nazis, 14.09.2025)

Man könnte darüber lachen, wie sehr sich die faschistischen Fanatiker selbst konterkarieren, aber leider sind sie dazu zu mächtig.

Meine Verwandten in den USA zu besuchen, traue ich mir trotz meines US-Passes nicht mehr. Dazu sind die von mir geteilten Social-Media-Inhalte definitiv nicht genügend Trump-huldigend.

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