Dienstag, 7. Juli 2015

Failed State



Da Dresden Hamburgs Partnerstadt ist, sollte ich wohl nachsichtig sein, aber PEGIDA hat meine letzten Sympathien verjagt.

Um die nach dem ersten Wahlgang vorn liegende SPD-Oberbürgermeisterkandidatin Eva-Maria Stange zu verhindern, stellten sich CDU, Pegida und Petrys Sachsen-AfD Arm in Arm hinter den FDP-Politiker Dirk Hilbert, der auch prompt am 05.07.2015 mit 54% zum neuen Bürgermeister gewählt wurde. In Sachsen stört es die FDP offenbar nicht von Rechtsextremen auf den Schild gehoben zu werden.

Dresden ist offensichtlich nur eins wichtig: Rechts sein.

Weswegen „die Bürgerlichen“ (als ob Sozialdemokraten und Linken keine Bürger wären…) trotz ihrer Gaga-Politik so eine Stein im Wählerbrett haben, muß man als Hamburger nicht verstehen.


Freital, Meißen, Dresden – in Sachsen gedeiht der Rechtsextremismus besser als sonst irgendwo in Deutschland; obwohl (oder gerade weil?) es in dem östlichen Freistaat mit der morbiden Sprache weniger Ausländer als sonst irgendwo gibt.

Verantwortlich ist unter anderem die stramm rechte, seit 1990 ununterbrochen dominierende Sachsen-CDU, die selbst immer wieder NPD-Positionen übernimmt.

Die Grenze zu Rechtspopulismus verwischt
In Sachsen steigt die Zahl der Angriffe gegen Flüchtlingsheime stärker als im Bundesdurchschnitt. Das hat auch mit der CDU dort zu tun, kommentiert Matthias Meisner vom "Tagesspiegel" für den Deutschlandfunk. Sie hat viel zu lange den Dialog mit Pegida gesucht, statt klare Kante gegen die Rassisten zu zeigen.

Die CDU ist eine erbärmliche Partei, die von erbärmlichen Sachen gewählt wird.
Dabei ist die Henne-oder-Ei-Frage mal wieder ungeklärt.
Sind die Sachen mehrheitlich so xenophob wegen der 25 Jahre CDU-Politik, oder ist die CDU so rechtslastig, weil die sächsischen Wähler das so wollen?
Als SPD-Mitglied kann man fast stolz sein, weil die Sachsen-SPD in ihrem Bundesland nur um die 10% liegt.

[….] Susann Rüthrich [….] SPD-Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der AG Rechtsextremismus tut das in der Seele weh. [….] „Das Potenzial der aktiven Menschen vor Ort ist so schon enorm gering. Die jüngsten Vorfälle hinterlassen viele von ihnen ratlos“, erklärt Rüthrich. Gesellschaftspolitisches Engagement im Freistaat sei ohnehin nicht besonders stark ausgeprägt, momentan stehen die wenigen Aktiven aber scheinbar allein auf weiter Flur. „Im Moment gibt es sehr wenige Strukturen, in denen Leute organisiert sind“, räumt Rüthrich ein. „Eine politische Kultur ist da eben nicht gewachsen.“ Vereine wollten mit der Politik „am besten nichts zu tun haben“, das persönliche Einbringen wurde in der Vergangenheit zu wenig gefördert.
Ein Seitenhieb Rüthrichs auf den Koalitionspartner im Land, die CDU? Der hatte bereits Martin Dulig, Landeschef der SPD, ins Lehrbuch geschrieben: „Wir haben ein Problem mit Rassismus in Sachsen, wir dürfen nicht schweigen und nicht verharmlosen.“ Genau das wirft die kritische Öffentlichkeit der sächsischen CDU vor.
In der Tat gab diese in der vergangenen Tagen nicht die beste Figur ab. Ministerpräsident Stanislaw Tillich äußerte sich eher widerwillig zur Lage in Freital. Andere erklärten klar fremdenfeindlich motivierte Proteste gar zu legitimen Meinungsäußerungen. Arndt Steinbach, CDU-Landrat im Landkreis Meißen, sagte vor laufender Kamera: „Die rechten Umtriebe sehe ich nicht, die Sie meinen. Sie quatschen da einen Mist nach.“ Hinter Steinbach erkennt der Zuschauer jene geplante Unterkunft, die zwei Nächte zuvor einem höchstwahrscheinlich fremdenfeindlich motivierten Brandanschlag zum Opfer fiel.
Getoppt wurde Steinbach ausgerechnet vom Parteikollegen Sebastian Fischer. Der Landtagsabgeordnete kommentiert die Aussage des Landrats auf Twitter mit den Worten: „Arndt Steinbach – er hat wieder einmal zutiefst Recht! Danke sagt der Landkreis Meißen!“. Die Arbeit eines Journalisten des Tagesspiegel, der kontinuierlich über die Anti-Asyl-Stimmung in Freital berichtet und dabei auch die CDU kritisiert hatte, bezeichnete Fischer auf Twitter als „widerlich“.
 „Da steht man schreckensgleich daneben“, erklärt Susann Rüthrich. Ihrer Ansicht nach müsse fremdenfeindlicher Propaganda mit Fakten begegnet werden: „2014 kamen rund 900 Asylbewerber auf 240000 Einwohner im Landkreis Meißen“, von einer drohenden „Überfremdung“ könne keine Rede sein. [….]

Freital bietet Bilder, die einen auch nach der Venus von Wolgast noch abstoßen.

Wie soll man solche Anwohnerstimmen ertragen, ohne sich sofort zu übergeben?




So sehr ich die Bürgerrechtsgruppen (die es in Sachsen ja auch gibt) bewundere, weil sie sich in dem tiefbraunen Umfeld für Anständigkeit einsetzen, so pessimistisch bin ich, daß man Sachsen ändern kann.
Dabei handelt es sich einfach um ein extrem unangenehmes Bundesland, für das ich keine Hoffnungen auf ein besseres Image hege.
Schon gar nicht mit der CDU-Regierung.

[….]  man darf nicht erst kleinreden und wegsehen, als das mit den Pegida-Demonstrationen begann und als dann viele, auch Politiker, auch prominente Berater der sächsischen Regierung keinerlei Fremdenfeindlichkeit erkennen wollten oder behauptet haben, nicht erkennen zu können.   Man hat zunächst und zu lange, glaube ich, nur die sich wehleidig gebärdenden, mühselig beladenen Bürger gesehen und nicht den harten Kern gleich gebrandmarkt. Lutz Bachmann ist ja nun von allem Anfang an keine Lichtgestalt gewesen.
[….] Ich spreche ja davon, dass die Tragödie von Freital, so will ich das nennen, wenn aggressive Bürger von Schmarotzern reden, wenn armselige Flüchtlinge damit gemeint sind, das hat ja eine lange Vorgeschichte, die im Herbst 2014 begann. Ich spreche von Pegida und von den offiziellen Reaktionen. Und jetzt zeigt man sich erstaunt, wie aggressiv das geworden ist.    Aber das war ja von Anfang an zu bemerken. Nicht, dass ich es für richtig hielte, dass man jetzt die Pegida-Anhänger als rechtsextrem, als Neonazis stigmatisiert hätte, aber die Rufe, die dort erschallt sind, Lügenpresse, Volksverräter, Merkel weg, das ist doch nicht einfach so hinzunehmen. Da hat der Landesvater, glaube ich, schon die Pflicht, dass er sich einerseits um die Sorgen der Bürger kümmern will, wenn die ihm ordentlich vorgetragen werden, und er andererseits ganz entschieden die Grenzen zieht und sagt, das geht aber nicht. [….]

Instinktiv möchte man die armen Flüchtlinge davor bewahren in so einem grauenvollen Klima leben zu müssen.
Aber dann hätten die Neonazis (wieder einmal) gewonnen und böten die Blaupause für Hassfanatiker in anderen Bundesländern, um so brutaler gegen Unterkünfte von Notleidenden vorzugehen.