Montag, 1. Dezember 2014

Impudenz des Monats November 2014.



Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Und zur Impudenz des Monats küre ich hiermit die deutsche und europäische Indolenz gegenüber Flüchtlingen.

Das UNHCR, die „UN Refugee Agency“, agiert nicht im Verborgenen. Das ungeheuerliche Ausmaß des Flüchtlingselends ist durchaus in den Medien präsent.

Die UNHCR Hilfsprogramme werden hauptsächlich durch freiwillige Beiträge von Regierungen, dem UN-Nothilfefonds CERF aber auch von Stiftungen und Privatpersonen finanziert. UNHCR ist weltweit in 120 Ländern tätig und arbeitet dabei mit UN-Partnern, Regierungsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen zusammen. […]   Derzeit befinden sich weltweit fast 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht. 16,7 Millionen von ihnen gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent) leben in Entwicklungsländern, da die meisten Flüchtlinge lediglich in ein angrenzendes Nachbarland fliehen.
Den weit größeren Teil – 33,3 Millionen – bilden jedoch sogenannte Binnenvertriebene (Internally Displaced Persons – IDP). Sie fliehen innerhalb ihres eigenen Landes, ohne dabei internationale Landesgrenzen zu überschreiten.


Während man in Deutschland gemütlich auf Weihnachtsmärkten mit Glühwein schunkelt und Zimtsterne frisst, verelenden, hungern und frieren Millionen.
(Samstag gesehen bei Butter-Lindner Hamburg-Winterhude: ZWEI ZIMTSTERNE für sieben Euro!, 20 Dominosteine für 32 Euro)
Natürlich hilft es keinem darbenden Kleinkind mit Blähbauch im Kongo, wenn wir uns einen Glühwein weniger leisten oder griesgrämig die Weihnachtsmärkte umgehen.
Aber gerade das Geprasse zu Weihnachten macht deutlich, daß es der westlichen Welt ein leichtes wäre, genügend Mittel bereit zu stellen, damit wenigstens nicht die Menschen anderswo elend verhungern.

Ich grusele mich dabei zu lesen um welch vergleichsweise geringe Summen das UNHCR kämpfen muß.
Rund um das IS-Gebiet steht eine gigantische humanitäre Katastrophe bevor, weil viele Millionen Menschen völlig ohne irgendwelche Hilfsgüter, ohne Schuhe, ohne Decken Minus-Temperaturen trotzen müssen. Um die Menschen zu versorgen fehlen lumpige 50 Millionen Euro. Das ist gerade mal ein Drittel der Summe, die Sylvester in Deutschland für Böller ausgegeben wird.

Angesichts der Kürze der Zeit und der fallenden Temperaturen müssten die Hilfsgüter unverzüglich zu den am meisten betroffenen Menschen gebracht werden, so  UNHCR-Regionaldirektor Amin Awad.
Nach neuesten Schätzungen mussten seit Januar zwei Millionen Menschen ihre Heimatregion  verlassen. Mehr als 60.000 leben in einem von insgesamt acht Camps. Zudem befinden sich weitere Camps im Aufbau, die 300.000 weitere Menschen aufnehmen können. Momentan leben rund 700.000 Menschen in unfertigen oder verlassenen Gebäuden, Schulen, religiösen Zentren oder sogar in Parks.
UNHCR, die irakische Zentralregierung, die Regionalregierung der kurdischen Gebiete sowie dutzende Hilfsorganisationen versuchen, sichere und warme Unterkünfte für die Flüchtlinge und Vertriebenen bereitzustellen. Die Herausforderungen sind jedoch riesig. Für jene, die nicht in ein Camp ziehen können und ohne entsprechende Unterkunft sindt, versucht UNHCR zusammen mit anderen Organisationen zusätzliche Lösungen für den Winter zu finden.
Die finanziellen Mittel reichen jedoch weiterhin nicht aus. Bislang hat UNHCR erst weniger als die Hälfte der benötigten 110 Millionen Dollar für den Winterschutz erhalten. 15.000 weitere Kälteschutzsets werden benötigt, um die geplanten 40.000 Familien zu versorgen. 

Nur zum Vergleich: Die FAS berichtete gestern, daß Frau von der Leyen nun alle Flugbeschränkungen des Hubschraubers NH90 aufhob, obwohl viele Piloten der Bundeswehr an der Zuverlässigkeit zweifeln, nachdem einige von den Dingern fast abgestürzt sind.
Der Kriegsministerin ist das egal und so verkündete sie insgesamt 190 Hubschrauber der Typen NH90 und Tiger für 8,5 Milliarden Euro zu bestellen.

(Mal kurz rechnen:
8,5 Milliarden Euro = 8500 Millionen Euro = 10.599 Millionen Dollar.
10.599 Millionen Dollar : 50 Mio Dollar = 212.
212 mal die Summe, die es benötigt, um Millionen Hungernde und Frierende durch den Winter zu bringen, haut von der Leyen für Rumpelhubschrauber raus, welche die Bundeswehrpiloten gar nicht fliegen wollen.)

Flüchtlingshelfer beschreiben dramatische Umstände, unter denen syrische Vertriebene im Libanon, in Jordanien, der Türkei und im Nordirak leben: Kinder, die barfuß durch knöcheltiefen Schlamm laufen. Familien, die in kargen, kalten Rohbauten leben. Männer und Frauen, die keine Decken, keine wärmende Kleidung besitzen. Auf der Flucht vor Tod und Zerstörung haben viele bereits großes Leid erfahren. Und nun steht das nächste Problem bevor: der Winter. […]
In den vergangenen Jahren war dieser noch relativ mild, nun erwarten Meteorologen und Flüchtlingshelfer deutlich härtere Witterungen. "Die Temperaturen werden hier bald unter null Grad fallen, dann wird es schneien", sagt Susanne Carl von der Hilfsorganisation Humedica, die im Libanon stationiert ist. Für manche Regionen werden sogar minus 16 Grad erwartet.  Mehr als drei Millionen Menschen sind vor Bürgerkrieg und Terror des "Islamischen Staats" in die Nachbarstaaten Syriens geflohen. […]  Susanne Carl von Humedica ergänzt: "Öl, Gas, Decken und Winterkleidung, Schuhe - es fehlt an allen Ecken und Enden. Die Lage ist katastrophal."

Vor allem fehlt Geld: Das Flüchtlingswerk schätzt, dass es eine Finanzierungslücke von 58 Millionen US-Dollar gibt - trotz bereits investierter 154 Millionen US-Dollar. […] Die Hilfe für die Flüchtlinge muss schnell erfolgen, sonst könnte es womöglich zu der von Entwicklungsminister Gerd Müller auf der Flüchtlingskonferenz in Berlin Ende Oktober prophezeiten "Jahrhundertkatastrophe" kommen. Auch UNHCR-Regionaldirektor Amin Awad drängt: "Die Zeit wird knapp." […]

Und mit einem einzigen Hubschrauber weniger für die Bundeswehr wäre das Problem behoben.
Die Deutschen mögen aber keine Ausländer und verweigern sich der ökonomischen Erkenntnis, wie dringend sie in Deutschland gebraucht werden und wie segensreich ihr Wirken hier ist.
Humanitären oder ethischen Überlegungen verschließt man sich zwischen Flensburg und Bodensee erst recht.

Kaum steigt die Zahl der Flüchtlinge, zeigt der hässliche Deutsche wieder seine ausländerfeindliche Fratze.
[…] Im beschaulichen Kneippkurort Bad Schandau haben empörte Deutsche am Ortseingang ein Schild aufgestellt: "Bitte flüchten Sie weiter, es gibt hier nichts zu wohnen!" Das ist Sachsen, Ostdeutschland. In Dresden demonstrieren die Menschen jetzt immer montags - ausgerechnet - gegen Ausländer. Motto: "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes." Inzwischen sind es ein paar Tausend, die kommen.
Der CDU-Innenminister Markus Ulbig sagt: "Ich denke, man kann bei dieser Konstellation nicht pauschal gegen Demonstranten sein, die ihre Meinung sagen." Er hat so viel Verständnis für deutsche Vorurteile, dass er seine Polizei sogar angewiesen hat, spezielle Einheiten einzurichten, die ausdrücklich für straffällige Asylbewerber zuständig sind.
So sieht es nicht nur in der ostdeutschen Provinz aus. Egal ob die Flüchtlinge im vornehmen Hamburg-Harvestehude untergebracht werden sollen oder im ärmlichen Berlin-Marzahn: Die Deutschen formieren sich zum Widerstand.
Plötzlich sieht man: Das liebenswürdige Volk, das die Deutschen beim fröhlichen Fußballgucken so gern der Welt zeigen, kann immer noch ganz anders. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat gerade festgestellt, dass fast die Hälfte der Deutschen eine schlechte Meinung von Asylsuchenden hat und der Ansicht ist, dass Asylbewerber ihre Notlage nur vortäuschen, um Leistungen in Deutschland zu erschleichen. Und wenn ein Asylbewerberheim in ein altes Hotel am See einziehen soll, wie im schönen Bautzen, dann wählen gleich 15 Prozent der Leute die AfD und elf Prozent die NPD.
[…] Springers "Welt", einst Fachblatt für Vertriebene, heute Fanzine der neuen Rechten, schreibt, dass Europa schon "mit seinen hausgemachten Problemen nicht fertig" werde, der Euro sich seiner Belastungsgrenze nähere, die Wirtschaftsleistung sinke und die sozialen Spannungen zunähmen. Zynische Schlussfolgerung: "Das Problem der Flüchtlinge sollte dort gelöst werden, wo es generiert wurde - nach dem Verursacherprinzip." […]

In Deutschland blühen Antisemitismus und Xenophobie. Asylunterkünfte werden angegriffen, Flüchtlingsheime bekämpft, Migranten dutzendfach ermordet.
Man ist aber nicht überrascht. Spätestens seit dem Jubel über Deutschlands Vereinigung 1989/90 kennt jeder die Bilder von den brennenden Asylbewerberheimen von Rostock und Hoyerswerda.

[…]Helmut Kohl argumentiert […] Gorbatschow habe den Mauerfall bewirkt, nicht kettenrauchende Bürgerrechtler. Wer sich an die Namen Reagan und Gorbatschow hält (und David „Looking for Freedom“ Hasselhoff würde hier vermutlich noch seinen eigenen einfügen), der muss den Mantel der Geschichte nicht mit Bärbel Bohley oder Zonen-Gaby teilen. Ein bisschen undankbar ist das zumindest letzterer gegenüber, denn die hat ihn, Kohl, immerhin dann noch neun lange Jahre an der Macht gehalten.
[…] Und seit wann war Zonen-Gaby überhaupt in der Welt, so als Synonym für den Jeansjacken-Trottel aus dem Osten, der nach Bananen geifert und Gurken angedreht bekommt.
[…] Denn dies ist der Moment, in dem der hoch und freiheitlich gesonnene Bürgerrechtler praktisch bis zur Präsidentenwahl Joachim Gaucks seitlich von der Bühne tritt und dem hässlichen Jammer-Ossi Platz macht, der nicht mit Messer und Gabel essen kann (Kohl über Merkel) und dem Land, das sich schon fast selbst für Frankreich oder wenigstens Italien hielt, einen deutschtümelnden Rechtsruck beschert, der ihm bis heute in den Knochen steckt. Aus den Ostdeutschen, die mit Kerzen in der Hand eine Staatsmacht über den Haufen rennen, werden Ossis, die mit Knüppeln in der Hand vor den Asylbewerberheimen aufmarschieren.
[…] Man würde auf der anderen Seite aber auch noch einmal betrachten können, wie nach dem Mauerfall die Neonazikader zum Aufbau der Strukturen aus Westdeutschland eingependelt kamen wie sonst nur die Leihbeamten und die Herren von der Treuhand. Es würden auch, nur zum Beispiel, noch einmal die Plakate auftauchen, auf denen CDU-Wähler im niedersächsischen Landtagswahlkampf von Helmut Kohl fordern, dass als Nächstes auch die Oder-Neiße-Grenze fällt. Man könnte die Ängste vor dem Rechtsruck noch einmal besichtigen, die Ängste in der DDR vor dem Rechtsruck aus dem Westen. […]

Und nein, natürlich sind nicht nur die Deutschen so unfreundlich indolent angesichts des Flüchtlingselends.
Der Vatikan, als der Staat mit dem höchsten Prokopf-Einkommen der Welt nimmt keinen einzigen Flüchtling auf.

Der Vatikan bietet kein Asyl
Dabei nimmt der Vatikan selbst keine Einwanderer auf.
[…] Papst Franziskus verlangt Solidarität mit Flüchtlingen. Im Europäischen Parlament mahnte er diese Woche, das Mittelmeer dürfe „nicht zu einem großen Friedhof werden“; die Männer und Frauen, die täglich auf Kähnen an Europas Küsten landeten, brauchten „Aufnahme und Hilfe“. […]  Doch gibt es nur einen Staat in Europa, der bisher keinen einzigen Flüchtling aufgenommen hat: den Vatikan selbst. Er hat weder ein Asylrecht noch eine Anlaufstelle für Asylsuchende. Geschweige denn ein Flüchtlingsheim.
[…] Pater Gabriele Bentoglio ist Untersekretär im päpstlichen Rat für die Migranten. Er sagt, seine Aufgabe bestehe nicht darin, Flüchtlingen direkt im Vatikan zu helfen. […] Zur Zeit des „Dritten Reichs“ fanden Hunderte bedrängte Menschen dank der Kirche in Rom Schutz. […] Der deutsche Campo Santo, der Friedhof und die Gebäude der Bruderschaft, wo zu jener Zeit der irische Priester Hugh O’Flaherty viele Flüchtlinge verbergen konnte, liege zwar im Schatten von Sankt Peter, sei aber exterritorial.
Ein solches exterritoriales Gebiet des Vatikans am Stadtrand von Rom ist auch Sankt Paul vor den Mauern. Dort beantragten im Frühling 2011 ein paar Dutzend obdachlose Roma Asyl. Der Vatikan wies sie zurück. […]